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Pyrotechnik

Wunderbar anzusehen und verboten

 

Beim Pokal-Heimspiel des FC St. Pauli gegen Borussia Dortmund hat unser Blogger Erik Hauth mit Pyrotechnik experimentiert: ein Geständnis ohne Reue.

Zur Halbzeit stand es 0:2 aus Sicht der Gastgeber, meines Vereins, dem FC St. Pauli; klammer Wind wehte über die Kurven und Geraden. Irgendwie hielt sich die Niedergeschlagenheit durch die Dortmunder Dominanz noch mit der Hoffnung die Waage, dass in der zweiten Halbzeit die Mannschaft doch noch ein Feuerwerk abbrennen würde. Denn auch wenn die Fans am Millerntor alles gegeben hatten, der Funke unserer Begeisterung hatte sich irgendwie nicht bei unseren Spielern verfangen. Zu viel Respekt, analysierte Trainer Meggle nach der 0:3-Niederlage messerscharf.

Bengalos am Millerntor, Foto: dpa
Bengalos am Millerntor, Foto: dpa

Vielleicht ist es ja diesen ganzen feurigen Metaphern geschuldet, dass ich kurz vor Wiederanpfiff etwas Verbotenes tat: Ich nahm einen Stab Pyrotechnik in die Hand und genoss es, das helle Feuer gen Rasen sprühen zu sehen. Ich war gefesselt. Gemeinsam mit weiteren St. Paulianern fackelte ich ein Feuerwerk ab und bemerkte erst spät, dass neben mir ein kleiner Junge stand, der mich mit großen Augen anstarrte.

Das war fast wie Silvester, nur noch ein wenig aufregender, denn wir verstießen gemeinschaftlich gegen unsere Stadionordnung. Bekomme ich jetzt etwa ein Stadionverbot? Hätte ich mir Ersatzklamotten mitnehmen sollen? Oder eine Motorradmaske, die der Vermarkter des FC St. Pauli freundlicherweise im Angebot hat (angeblich mit dem putzigen Hinweis „zum Biken oder für andere Anlässe“ versehen)? Wäre es so möglich gewesen, sich dem Zorn des DFB und der Unbarmherzigkeit einer überhitzten Strafdebatte zu entziehen?

Ich bin ein erwachsener Mann und möchte niemanden verletzen. Deswegen habe ich die entflammte Pyrotechnik der Klasse 1 — ganzjährig abzugeben an Personen über drei Jahren — nach oben gehalten und darauf geachtet, dass sie von brennbarem Material, wie modischen Daunenjacken oder Polyesterschals, weit entfernt ihre schaurig schöne Wirkung entfaltet.

Dasselbe Verhalten konnte ich bei den Ultras gegenüber auch beobachten, als diese fast zeitgleich mit meiner Verbotsübertretung noch Einen drauf setzten: Unter einer riesigen Fahne hatten sich einige Fans auf der Südkurve umgezogen, um nicht erkannt zu werden, und dann bengalische Fackeln über den Zaun gehalten.

Das sah beeindruckend und zugleich zurückhaltend aus. „Südländische Begeisterung“ und große Umsicht —schön, dass man beides zusammen auf St. Pauli finden kann.

Ich kann mich, nun da ich zum Kreise der Missetäter gehöre, der von der Pyrotechnik ausgehenden Faszination nicht entziehen. Und vielleicht ging es den Spielern des FC St. Pauli ja ganz ähnlich: In der zweiten Halbzeit haben sie im Restrauch endlich angefangen, mit heißen Herzen zu spielen, und den Mythos Millerntor erweckt. Sogar BVB-Trainer Jürgen Klopp war beeindruckt von „der geilen Atmosphäre“.

„I just can’t get enough“ — dieser Song lief am Dienstagabend während in der Ultra-Kurve die rot-grünen Fackeln brannten. Er geht mir jetzt immer wieder durch den Kopf.

P.S. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass ich gar nicht bewusst darauf geachtet habe, ob meine Wunderkerze überhaupt angezündet war. So aufregend war das anzusehen, was um mich herum abging :)