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Gefahrengebiet

Schluss mit dem Theater

 

Das „Gefahrengebiet“ in der Sternschanze war eine politische Inszenierung – die letzte ihrer Art, wenn es nach dem Oberverwaltungsgericht geht.

Die Polizeiaktionen in einem angeblichen „Gefahrengebiet“ im Schanzenviertel Anfang vergangenen Jahres stellt man sich am besten zusammen mit linker Randale und Bürgerprotest als doppelte Inszenierung vor: eine Bühne, aber zwei Ensembles, die vor zwei unterschiedlichen Arten von Publikum auftreten.

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St. Pauli im Januar 2014: Protestplakate gegen sogenannte Gefahrengebiete in Hamburg (c) dpa

Auf der einen Seite eine sozialdemokratische Landesregierung, die sich für ihre Wähler als Hüterin von Recht und Ordnung in Szene setzt. Für die Sozialdemokraten geht es um eine heikle, aber wichtige Klientel: politik- und bildungsfern, ordnungsliebend, im Zweifel rechts – Wähler, die mit den Augen der Bild-Zeitung in die Welt sehen. Sie entscheiden am Ende, ob in Hamburg SPD oder CDU mit absoluter Mehrheit regieren und ob Rechtspopulisten fünf oder 20 Prozent der Stimmen bekommen.

Auf der anderen Seite steht eine linke Fundamentalopposition, die sich für eine Widerstandsbewegung hält, die Polizeiwachen attackiert, als seien es die Zitadellen einer Besatzungsmacht – und die dafür belohnt wird durch eine Polizei, die sich wochenlang fast so aufführt, als wäre sie tatsächlich eine. Das Publikum dieser zweiten Aufführung sind die Bewohner St. Paulis, die zur Freude des Protestmilieus zu einer teilnehmenden Beobachtung gezwungen wurden: Endlich sehen mal alle, wozu der präfaschistische Staat fähig ist!

Für die linke Szene geht es um Selbstvergewisserung: Was bliebe vom sorgsam gepflegten Bild der Widerstandsbewegung, wenn die Gegner nicht Schergen eines autoritären Regimes wären, sondern bloß die mäßig bezahlten Vollstrecker der Regeln einer alles in allem recht gut funktionierenden Demokratie?

In der vergangenen Woche hat das Hamburger Oberverwaltungsgericht im Namen dieser Demokratie schon vor der Urteilsbegründung klargestellt, was ein Gefahrengebiet ist und was nicht. Echte Gefahren, etwa durch Drogenkriminalität oder unpolitische Suffrandale, wird die Polizei wohl weiterhin mit diesem Instrument bekämpfen können. Über das „Gefahrengebiet“ als Mittel der politischen Wahlkampfdramaturgie aber dürfte das Urteil eindeutig ausfallen: Schön, ihr habt alle euren Spaß gehabt – hier aber geht es um Grund- und Bürgerrechte, und die sind dann doch zu wichtig, um sie für Propagandazwecke einzuschränken.