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Grüne Hamburg

Wenn alle Wölfe grau sind

 

Die Spitze der Hamburger Grünen hat im Streit mit der Abgeordneten Nebahat Güçlü versagt.

Hat jemand mitbekommen, dass Nebahat Güçlü rehabilitiert ist? – Güçlü? Die mit den Grauen Wölfen? – Ja, die.

Ob man Menschen im Umgang mit Macht trauen kann, zeigt sich daran, wie sie mit Schwächeren umgehen. Der Vorstand der Hamburger Grünen hat seine Macht im Umgang mit der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Nebahat Güçlü fortgesetzt missbraucht: durch die Behauptung, sie habe sich türkischen Rechtsextremisten angebiedert. Durch die Forderung, sie möge ihr Mandat aufgeben – es beruht auf Stimmen, die sie persönlich errungen hat, von Wählern, die ihr vertrauen. Ein Machtmissbrauch war auch die Forderung, eine Erklärung zu unterzeichnen, die einer bedingungslosen Unterwerfung gleichgekommen wäre: dass sie nämlich »in Zukunft« nicht »am rechten Rand um Stimmen werben« werde – als wäre je bewiesen worden, dass sie das getan hat. Ein Missbrauch von Macht war aber vor allem der Versuch, Nebahat Güçlü aus der grünen Partei auszuschließen – das ist die denkbar schärfste Sanktion, die der Partei zu Gebote steht, und sie ist nur den schwersten politischen Verfehlungen vorbehalten.

Für all das hat es nie einen Grund gegeben, nicht einmal eine halbwegs plausible Begründung. Am vergangenen Samstag hat das Schiedsgericht der Grünen festgestellt, dass es keinen Anlass gebe, Güçlü aus der Partei auszuschließen. Das Gericht sah auch keinen Grund für irgendeine schwächere Sanktion, eine Verwarnung etwa. Wie in diesem Konflikt die Schuld verteilt ist, lässt sich der Kostenentscheidung des Parteigerichts entnehmen: In der Hauptsache trägt alle Kosten die Partei.

Nebahat Güçlü, die linke Politikerin, die sich angeblich türkischen Faschisten angebiedert hatte, ist damit weitgehend rehabilitiert. Der Verein Türk Federasyon, bei dem sie aufgetreten ist, mag fragwürdig und aus linker Sicht wenig sympathisch sein – dass es sich um türkische Neofaschisten handele, bleibt eine unbewiesene Behauptung, die ihren Ursprung offenbar weniger in politischer Expertise als in Konflikten unter unterschiedlichen Gruppen türkischstämmiger Migranten hat. Güçlüs Auftritt war ein politischer Fehler, das sieht auch sie selbst so – aber nicht, weil er Rechtsextremisten genützt hätte, sondern weil er den Gegnern der Grünen im linken Lager Munition verschaffte.

Die Frage ist, was Güçlü diese Einsicht nun noch nützt. Die Welt der türkischen Nationalisten ist selbst für Experten schwer überschaubar, für Laien sind dort alle Wölfe grau. Wenn die Hamburger Grünen entscheiden, eine der Ihren habe sich auf rechte Abwege begeben, wer will es dann noch genauer wissen?

Die Grünen haben Regeln zum Umgang mit Konflikten: Die Mitglieder sollen jedem Versuch entgegentreten, »aufgrund von Lagermentalitäten oder irrationalen Ängsten und Projektionen anderen Menschen die gleichberechtigte Teilnahme an den politischen Prozessen zu verwehren«. Nebahat Güçlü hat sich wenig vorzuwerfen. Der Landesvorstand der Grünen aber hat, gemessen an diesem Maßstab, komplett versagt.