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Forschung

Zwerg in Not

 

Die Handelskammer soll das angeschlagene Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut retten. Ist das eine gute Idee?

Ist schon nett, so ein Wirtschaftsforschungsinstitut in der Stadt zu haben. Eine Denkfabrik, die sich um aktuelle wirtschaftliche Fragen kümmert und sie auf Hamburg herunterbricht. Ist Olympia gut oder schlecht für die Stadt? Wie sieht die Zukunft unserer Verkehrsinfrastruktur aus? Wird die Hamburger Wirtschaft wachsen oder schrumpfen?

Passt ja auch hierher, in eine Stadt, in der die Wirtschaft eine so große Rolle spielt wie in kaum einer anderen deutschen Metropole. Nicht umsonst zählt das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) zu den ältesten in ganz Deutschland, mit seiner über hundertjährigen Geschichte. Allein, das Wirtschaftsinstitut arbeitet nicht wirtschaftlich.

In den vergangenen beiden Jahren hat das HWWI mehr als eine Million Euro Verlust gemacht. Ökonomen würden sagen: Es konnte sich im Markt nicht behaupten. Bedeutet dies nun das Aus?
Darüber soll die Hamburger Handelskammer an diesem Donnerstag entscheiden. Der Plan: Die Kammer, der das Institut zusammen mit der Hamburger Uni gehört, übernimmt deren Anteile, denn die Uni möchte das angeschlagene Institut unbedingt loswerden. Für die Zukunft gibt es bereits ein neues Konzept samt Sparprogramm. Langfristig soll dann wieder ein zweiter Anteilseigner einsteigen.

Fragt sich, ob das alles eine gute Idee ist. Einige Unternehmer monieren, dass es nicht Aufgabe der Handelskammer sei, Forschungsinstitute zu retten – schon gar nicht von ihren Kammerbeiträgen. Das ist richtig, andererseits hat die Handelskammer schon mehr Geld in zweifelhaftere Dinge gesteckt. Die Frage ist vielmehr: Kann es überhaupt gelingen, das Institut finanziell und wissenschaftlich wieder so weit nach vorn zu bringen, dass es eine Zukunftsperspektive hat? Eine, die nicht nur daraus besteht, dauerhaft der Thinktank der Hamburger Handelskammer zu sein?

Schon seit Jahren ist das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut in Sachen Forschung wesentlich weniger mondän, als es der Name nahelegt. Einst stand es in einer Reihe mit großen wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Münchner ifo Institut, dem DIW in Berlin oder auch dem Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Diese Institutionen betreiben Grundlagenforschung und beraten die Regierung in Wirtschaftsfragen. Dafür gibt es jährlich eine millionenschwere Förderung vom Staat. Das Hamburger Institut, das damals noch Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) hieß, schnitt bei einer wissenschaftlichen Überprüfung durch die Leibniz-Gemeinschaft im Jahr 2003 allerdings so schlecht ab, dass die wichtige Förderung eingestellt wurde.
So entstand 2005 aus dem HWWA das weitgehend privat finanzierte HWWI – und das hat ein Henne-Ei-Problem: ohne großes Geld keine große Forschung, ohne große Forschung kein Renommee und ohne Renommee kein großes Geld. Aus diesem Teufelskreis haben die Hamburger nie so ganz herausgefunden. Im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsforschungsinstituten, mit denen es konkurrieren muss, ist das HWWI finanziell und wissenschaftlich ein Zwerg. Ein Nice-to-have.

Kann das in Zukunft anders werden? Und wenn ja, warum will sich außer der Hamburger Handelskammer keiner so richtig für das Institut einsetzen?

Der Senat drückt sich um die Antwort: Er begrüßt zwar die Rettungsaktion, will sich künftig aber nicht weiter finanziell engagieren. Obwohl die Stadt sonst ja gern mal den Retter gibt, siehe Hapag-Lloyd.

Die Hamburger Helmut-Schmidt-Universität will immerhin Personalkosten von 80.000 Euro jährlich übernehmen, wohl indem sie eine wissenschaftliche Stelle finanziert – mehr lässt sich davon auch nicht bezahlen. Eine Beteiligung der Bundeswehr-Uni als Gesellschafter müssten das Verteidigungs- und Finanzministerium erlauben. Ob ein kleines Hamburger Institut mit rund 20 Angestellten dort richtig wichtig genommen wird, ist fraglich.

Und die anderen Wirtschaftsforschungsinstitute? Warum hilft oder kooperiert keines? Sagen wir mal so: Gäbe es in Hamburg wirklich eine wissenschaftliche Perle für einen Euro zu erstehen, hätte beispielsweise das Kieler Institut wohl zumindest Interesse bekundet. Selbst die Mäzene der Stadt, die schon mittelmäßige Fußballvereine oder in die Jahre gekommene Kunsthallen saniert haben, sind in der Diskussion um das HWWI still geblieben.

Das ist natürlich schade. Vor allem für die Mitarbeiter und den engagierten Chef Henning Vöpel, der in der Stadt viel Sympathie genießt. Dennoch muss man sich fragen: Hätte sich dieses Wirtschaftsforschungsinstitut, das sich stets als besonders marktliberal hervorgetan hat, selbst gerettet? Wohl kaum.