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Der Euro steigt, was sonst?

 

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn der Euro nicht bald seine Klettertour fortsetzt. Vor fünf Jahren habe ich die letzten Dollar-Anleihen aus dem Portfolio rausgeworfen. Damals hielt ich den Kurs von 0,90 Dollar je Euro für deutlich übertrieben. Bis ich wieder Dollar kaufe, muss der Dollar noch eine ganze Ecke fallen.

Eines vorweg: Der Devisenmarkt ist der am schwersten zu prognostizierende von allen Märkten – vor allem mit Blick auf die nächsten zwölf Monate. Nirgends sind die Kurse so wenig geerdet wie hier. Denn es gibt drei, sich ständig abwechselnde Orientierungsgrößen, die den Wechselkurs bestimmen können – und deren Ergebnisse sich nicht selten widersprechen.

Da ist zum einen die aus jedem Textbuch bekannte Theorie, dass der Wechselkurs, solange er frei schwanken darf, die Inflationsdifferenzen zwischen zwei Währungsräumen ausgleicht. Die Währung des Landes mit der höheren Inflation wertet ab – und zwar um genauso viel, dass die Kaufkraftparität gewahrt bleibt. Das ist die Theorie der Tauschwirtschaftler, für die Geld lediglich der Schleier um die Realwirtschaft ist.

Zum anderen soll der Wechselkurs für das Gleichgewicht der Außenbilanzsalden der einzelnen Volkswirtschaften sorgen. Das Land, das zu viel importiert, muss mit einer schwächeren Währung rechnen. Nur so werden die Importe teurer und die Ausfuhren billiger – was eine ausgeglichene Handelsbilanz beziehungsweise Leistungsbilanz nach sich ziehen sollte. Diese Theorie verknüpft die Geldwirtschaft, die die Salden finanziert, mit der Tauschwirtschaft.

Zum dritten gibt es die Zinssatzparitätentheorie. Sie besagt, dass das Geld dorthin strömt, wo die höchsten Zinsen gezahlt werden. Diese Theorie stellt voll und ganz auf die Geldwirtschaft ab. Steigen beispielsweise die Zinsen in Amerika schneller als in Euroland, dann wertet der Dollar auf und umgekehrt. Aber dass die Zinsen in Amerika schneller steigen weil dort die Inflation rascher zulegt (Kaufkraftparitätentheorie), interessiert kurzfristig niemanden. Je nachdem, welche Theorie en vogue ist, tanzen die Kurse mal in diese, mal in die andere Richtung. Der Spekulation ist schwer Einhalt zu gebieten, da es bestimmt immer eine Orientierungsgröße gibt, die den gerade aktuellen Trend stützt.

Bis Februar diesen Jahres lautete die Orientierungsgröße Leistungsbilanz und der Euro schoss fast auf 1,40 Dollar je Euro. Dann machte das Zinssatzparitätentheorie Boden gut und es ging mit dem Euro wieder bergab. Die Händler spielen die Zinssatzdifferenzen, heißt es dann im Expertenchat. Steigen die Notenbankzinsen in Amerika schneller als hierzulande, wertet der Dollar auf. Genau das passiert gerade.

Das alles ist kurzfristiges Handeln, kann aber neue Trends auslösen und die Herde mitreißen. Deshalb gibt es hier keine Wette mit Kurszielen. Aber eines ist aus meiner Analyse der Weltfinanzmärkte ziemlich eindeutig: Der Dollar tendiert langfristig schwach. Ob eines Tages 1,60 Dollar je Euro gezahlt werden, 1,80 oder gar 2 Dollar je Euro, ist noch nicht relevant. Sicher scheint mir nur, dass die 1,17 Dollar, die der Euro zur Zeit wert ist, zu niedrig sind. Nicht fundamental, wenn man die Kaufkraftparitätentheorie zu Rate zieht, wohl aber mit Blick auf das unheimliche Leistungsbilanzdefizit. Das baut sich nur über zwei Wege auf eine erträgliche Größe ab: Langsameres Wachstum in Amerika als im Rest der Welt. Und durch Abwertung des Dollar gegenüber allen anderen Währungen.

Von entscheidender Bedeutung ist, ob Amerikas wichtigste Handelspartner kräftig oder anämisch wachsen. Je kräftiger sie wachsen, desto geringer die Korrektur beim Wechselkurs. Doch leider werden die Europäische Zentralbank, die zweitwichtigste Notenbank der Welt, und Euroland von Tauschwirtschaftlern und Inflationsfalken regiert, die die globalen Kapitalmarktzusammenhänge nicht sehen wollen. Deshalb ist das Risiko einer scharfen Dollarkorrektur so groß.

Mit dem designierten Chef der Notenbank Federal Reserve, Ben Bernanke, hat Amerika kein Kind von Traurigkeit an der Spitze der weltweit wichtigsten Notenbank gesetzt. Vor die Entscheidung gestellt, ob die US-Wirtschaft durch eine scharfe Rezession gehen muss, oder durch hohe Inflation, wird Bernanke eher letzterem den Vortritt geben. Lieber Inflation als Arbeitslosigkeit. Auch das spricht nicht unbedingt für weitere Dollargewinne.

Last but not least, hat der globale Kapitalmarkt mit dem Euro erstmals seit 70 Jahren eine echte Alternative zum Dollar. Das kann zu hektischen Umschichtungen führen, wenn der Dollar irgendwann die Stabilitätsanforderungen der Vermögensbesitzer verletzt beziehungsweise der Euro von der EZB zu stabil gemacht wird. Meine größte Sorge: Im Eurotower in Frankfurt ist niemand auf dieses Szenario vorbereitet. Trichet, Issing und Co. vermitteln nicht den Eindruck, als verstünden sie, was es bedeutet, eine Leitwährung zu managen.