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Sparkassen schützen – Wettbewerb fördern

 

Das Faszinierende an den volkswirtschaftlichen Theorien und Glaubensgrundsätzen ist doch, dass sie immer mal wieder schön zu widerlegen sind. Gutes Beispiel: Die Sparkassen. Öffentlich-rechtliche Banken, die den Kommunen gehören, und noch dazu Marktführer sind. Das muss ja ineffizient sein, unkt der Liberale in mir. Wenn die Lokalpolitiker sich von „ihrer Bank“ Größenwahn finanzieren lassen, wenn Golfplatzgeklüngel anstatt ordentliche Governance die Geschäfte überwacht.

Aber, so intuitiv diese Schlussfolgerungen sein mögen, sie sind falsch: Überall in Europa verdienen die Banken unverschämt gut, besonders in England, und beuten recht häufig die Verbraucher aus. Nur in Deutschland sind die Gewinne bescheidener, die Ausbeutung weniger stark verbreitet – weil alles ineffizient ist? Nein, weil hier Wettbewerb herrscht! Das musste auch Alessandro Profumo einsehen. Der Chef des Unicredit, der italienischen „Großsparkasse“, die die HypoVereinsbank geschluckt hat, gestand seiner Tochter eine geringere Eigenkapitalverzinsung bei als dem Restkonzern. Sie muss ansehnliche 15 Prozent abliefern, der Rest 17 Prozent Eigenkapitalverzinsung. Warum? Wegen des „besonders wettbewerbsintensiven Marktes“, wie er der FTD (Donnerstag-Ausgabe) sagte.

Um den Wettbewerb scharf zu halten, muss man die Sparkassen vor Gewinnmaximierung schützen. Das klingt paradox, entspricht aber wohl genau der Wahrheit. Die Geschichte von hinten denken, vom Ergebnis, das scheint mir wichtig zu sein.

Hier mein ZEIT-Artikel, der sich mit diesem Paradox und den Sparkassen auseinander setzt. Es gibt bereits eine Diskussion auf zeit.de/finanzen, aber vielleicht können wir sie ja ins Blog ziehen.

Als sich die BSV Bank 1993 keck in Deutsche Direktbank Aktiengesellschaft umbenannt hat, gab es Ärger mit der Deutschen Bank. Sie forderte eine Namensänderung. Zwar sei »Deutsche Bank« kein eingetragener Name. Doch durch die Bekanntheit könne es zu Verwechselungen der Zugehörigkeit kommen, argumentierte das Frankfurter Geldhaus. Ein Jahr später einigte man sich. Die BSV hieß von da an »Allgemeine Deutsche Direktbank«.

Heute, 13 Jahre später, gibt es wieder einen Namensstreit im deutschen Bankenwesen. Einen Streit, der auf höchster Ebene zwischen Bundesregierung und EU-Kommission ausgefochten wird und der die gesamte deutsche Bankenlandschaft erschüttern könnte. Es geht um den Namen »Sparkasse« und darum ob er lediglich eine Gattung oder viel mehr eine Marke ist und welcher Eigentümer berechtigt ist, sich mit dem Namen zu schmücken.

Die Fronten verlaufen kreuz und quer. Das Land Berlin, das nächstes Jahr seine Bank versteigert, möchte den Namen Sparkasse für die Berliner Sparkasse mitverkaufen. Damit winkte ein besonders hoher Preis. Und auch so manch klammer Stadtkämmerer würde vor Freude in die Luft springen, dürfte er seine Sparkasse einfach verkaufen. Die Privatbanken in Deutschland haben ein ganz klare Position dazu. Für sie würde ein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen, wenn der Sparkassensektor aufgebrochen würde. Weniger Konkurrenz und höhere Gewinne leuchten da am Horizont. Und die Öffentlichkeit teilt sich gemäß der Überzeugung, wie viel Staatseinfluss der Wirtschaft gut tut. Die EU-Kommission trägt das Banner der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit vor sich her und wittert die Chance, über zwei Verfahren den einzigartigen deutschen Bankenmarkt zu harmonisieren.

Auf der anderen Seite stehen die Sparkassen. Ihr Verband DSGV wird lauter, wohl wissend, dass in den kommenden zwei Monaten die entscheidende Debatte stattfinden wird. Die Regierung wiederum schwankt im Streit mit der Kommission zwischen Kompromiss und Bewahrung des Status quo. Letzteres würde auf eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof hinauslaufen.

Anstatt die Debatte ideologisch zu führen, sollten die Fakten betrachtet werden. Die Frage, ob die Sparkassen mit ihren Besonderheiten der Volkswirtschaft schaden oder nutzen, muss an erster Stelle stehen. Dann kommt die durchaus erhebliche Frage nach dem Markennamen.

Die Marktforscher von ACNielsen schätzen die Marke »Sparkasse« stärker ein als Aspirin oder Volkswagen. Die Sparkassen liegen vor den Volks- und Raiffeisenbanken und deutlich weiter vor der privaten Konkurrenz. Noch drastischer ist der Unterschied, wenn das Kriterium Sympathie betrachtet wird, wie es in der Analyse Stern Markenprofile geschieht. Zweidrittel der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 64 Jahren hegen Sympathie für die Sparkassen, 46 Prozent für die Volks- und Raiffeisenbanken, aber nur 23 Prozent für die Deutsche Bank. Kein Wunder, dass jeder Investor sich die Hände reiben würde, dürfte er den Namen Sparkasse verwenden. Kein Wunder, dass die privaten Banken diesen übermächtigen Konkurrenten schwächen, übernehmen, zumindest aber seine Marke verwässert sehen möchten. Auch kein Wunder, dass der DSGV fordert: Nur öffentlich-rechtliche Banken dürfen sich Sparkasse nennen.

Wo Sparkasse draufsteht, muss auch Sparkasse drin sein. Diese Forderung kann selbst die EU-Kommission kaum wegwischen. Deshalb wird um das Wesen der Sparkasse gerungen. Was kennzeichnet sie? Nicht Gewinnmaximierung, sondern Gemeinwohlorientierung! Da Sparkassen sich quasi selbst gehören, denn niemals haben Kommunen Einlagen getätigt, schütten sie auch keine Gewinne aus. Mit den Erträgen stärken sie ihre Bilanz, um mehr Geschäft tätigen zu können, und zahlen Steuern. Den Rest spenden sie, im laufenden Jahr rund 350 Millionen Euro. Dabei arbeiten die Sparkassen keineswegs ineffizient, wie man angesichts des kommunalen Einflusses vermuten könnte. Die richtig gerechnete Verzinsung des Eigenkapitals lag vergangenes Jahr über alle 670 Sparkassen hinweg bei sehr auskömmlichen 15 Prozent.

Unter Gemeinwohlorientierung fällt die Aufgabe, sich um die kleinen und mittleren Unternehmen zu kümmern. Rund Dreiviertel aller Handwerker geben die Sparkassen als ihre Hausbank an. Aber auch das Konto für jedermann gehört zum Anspruch der Sparkassengruppe. Das zweite wichtige Prinzip ist das der regionalen Verankerung. Da Sparkassen nur in ihrer Region Geschäfte machen dürfen, sind sie auch nur am Wohlergehen der Wirtschaft in dieser Region interessiert. Die Gewinne bleiben dort, wo sie herkommen.

Jeder Kompromiss im Namensstreit läuft auf Vorgaben hinaus, die das Gemeinwohl definieren, wenn der Name Sparkasse weitergeführt wird. Reicht das, um dem Wesen der Sparkasse gerecht zu werden? Wer Milliarden Euro für die Berliner Sparkasse berappt, möchte sein Kapital verzinst sehen, möglicherweise oberhalb von 15 Prozent. Automatisch wird Gewinnmaximierung zum ersten Prinzip, automatisch werden Aufgaben gekappt, die nichts einbringen, Spenden gestrichen, Gewinne aus der Region exportiert. Da helfen keine Gesetze. Klar ist auch, dass das Regionalprinzip vor EU-Recht nicht durchzuhalten sein wird, wenn ein privater Investor mit seiner Sparkasse auf Niederlassungsfreiheit pocht. Dann kollabiert das deutsche Bankensystem.

Wäre das gut? Ein aktueller Bericht der Deutsch-Britischen Stiftung hat eine klare Botschaft: Das rein privatwirtschaftlich organisierte Bankensystem auf der Insel ist kein Vorbild. In Großbritannien ist ein höherer Teil der Bevölkerung überschuldet, besitzen deutlich mehr Menschen kein Girokonto, mangelt es für kleine Unternehmen an Kredit – und die Gewinne der »Monopolbanken« sind unverschämt hoch. Eine Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus dem vergangenen Jahr belegt, dass das deutsche System volkswirtschaftlich hoch produktiv ist: Der intensive Preiswettbewerb treibe Banken und Sparkassen permanent zu Innovationen. Eine so ausgeprägte Weitergabe des Produktivitätsfortschrittes an die Kunden könne in keinem der anderen untersuchten Länder festgestellt werden, heißt es dort.
Nur in einem Punkt ist Deutschland schlechter: bei den Gewinnmargen der Banken. Darum darf es aber nicht gehen. Wer den Wettbewerb will, muss die Sparkassen vor Gewinnmaximierung schützen, so paradox es klingen mag. Nur öffentlich-rechtliche Banken dürfen sich Sparkasse nennen. Das ist die einzige Position, die das Wohl der deutschen Verbraucher und Unternehmen schützt.