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Vom Ende des größten Kreditbooms aller Zeiten

 

An den internationalen Finanzmärkten schaut es gar nicht gut aus. Die Aktien fallen, der Euro notiert auf neuen Höchstständen und die Risikoaufschläge für wackelige Anleihen schnellen empor. Der Anfang vom Ende des größten Kreditbooms aller Zeiten ist eingeläutet. Noch heißt die Begründung für die Turbulenzen in den Nachrichtenagenturen „Subprime Woes“, die Sorge vor vielen, vielen Ausfällen zweitklassiger amerikanischer Hypotheken. In Wirklichkeit ist etwas viel Fundamentaleres am Werk: Das Risiko für Schuldtitel wird neu bewertet. Das schaurige Spiel zwischen Private Equity Firmen, Banken, Hedgefonds und Rate-Agenturen gerät ins Stocken. Das ist dabei die erfreuliche Nachricht.

Aber der Reihe nach: Haben wir uns nicht schon einmal Sorgen um die Subprimes gemacht, völlig überflüssige? Richtig, das war im Februar/März. Damals schwirrte das Wort Subprime schon einmal durch die Handelssäle. Unnötig waren die Sorgen allerdings nicht. Denn schon damals war klar, dass Subprime eine tickende Bombe ist. Erst brechen die ersten überschuldeten Haushalte zusammen, weil sie die Zinsen nicht bedienen können. Dann klappen die kleinen Hypothekenvermittler zusammen, weil die Banken ihnen die Kredite nicht mehr abkaufen. Kredite, die aufgrund der schwachen Zahlungsfähigkeit der Schuldner eigentlich nie hätten vergeben werden dürfen – die aber bereitwillig gewährt worden sind, weil die Investmentbanken sich um das Zeug rissen, genau wie die Investoren, Hedgefonds, Pensionsfonds und andere. Das war der Stand im März. Doch erst jetzt spüren es die Investoren, die in den vergangenen Jahren Milliarden und Abermilliarden in CDO’s angelegt haben. In CDO’s, die mit Hypothekenkrediten besichert sind. CDO’s, Collateralized Debt Obligations, sind die Finanzinnovation, die den Kreditboom befeuert haben gemeinsam mit den Kreditderivaten.

Ganz grob funktionieren diese Instrumente wie folgt: Einen Bank nimmt viele tausend Hypothekenkredite und bastelt daraus ein schönes Portfolio. Dann kommen die Ratingagenturen ins Spiel, die mit ausgefeilten Methoden das Risiko des Portfolios ermitteln. Danach wird das Portfolio tranchiert und die einzelnen Tranchen werden mit Bonitätsnoten versehen. Ganz oben die großen und sicheren Tranchen mit Traumnoten von AAA. Hier liegen rund 80 Prozent aller Hypothekenkredite drin, die 80 Prozent, bei denen auf keinen Fall Zahlungsausfälle zu erwarten sind (wenn die Modelle der Rate-Agenturen stimmen). In den Tranchen darunter steigt das Risiko, dass es zu Ausfällen kommt bis hin zur letzten Tranche, Equity-Tranche genannt, die eigentlich verloren ist, aber dafür extrem gut verzinst wird. Wird nun der erste Kredite im Portfolio notleidend, fällt er automatisch in die Equity-Tranche. Dieses Spiel geht solange, bis die riskanteste Tranche nur noch aus notleidenden Krediten besteht. Dann kommt die nächst sichere Tranche dran und muss die weiteren Zahlungsausfälle auffangen. Der Clou an diesem Wasserfallprinzip: Jeder Investor kann sich in der Tranche engagieren, die seinem Risikoprofil entspricht. Nur wehe, wehe, wenn sich die Rate-Agenturen vertan haben.

Denn außer ihnen weiß niemand, was wirklich in den Portfolios steckt. Die Kredite sind nicht handelbar, sondern nur ihre Verpackungen. Das sind völlig intransparente Dinger, die ein- bis zweimal im Jahr von den Ratingagenturen neu bewertet werden. In dieser Phase sind wir aktuell. Gestern gaben Standard&Poor’s sowie Moody’s, die beiden großen der drei weltweit tätigen Ratingagenturen bekannt, dass sie mindestens 17 Milliarden Dollar Subprime, das hinter irgendwelchen Anleihen steckt, herunterstufen werden. Das ist nicht viel, aber es ist ja erst der Anfang. Der Anfang der Neubewertungen. Und: Noch steigen die Löhne in Amerika, noch gibt’s neue Jobs. Wehe, wehe, wenn der US-Wirtschaft mal die Luft ausgeht.

Wie wenig den Ratingagenturen vertraut wird, hat unlängst Tim Bond von Barclays in seinem Weekly beschrieben: Er schrieb, dass Investoren bei Anleihen, in denen zweitklassige amerikanische Hypotheken verpackt sind, Risikoaufschläge von bis zu 22 Prozentpunkten verlangen. Bei Unternehmensanleihen mit gleicher Bonität seien es nur 0,7 Prozentpunkte. „Der Unterschied stellt die Nützlichkeit und Glaubwürdigkeit der Ratingagenturen in Frage“, so Tim Bond. In Wirklichkeit stellt der Unterschied die Glaubwürdigkeit aller neumodischen Strukturen in Frage. Bislang machen die Investoren nur einen Bogen um die Produkte in denen die kriselnden amerikanischen Hypotheken stecken. Was aber passiert, wenn auch die Verpackungen, in denen sich andere Kredite befinden, von den Anlegern nur noch mit spitzen Fingern angepackt werden? Denn die neuartigen Finanzprodukte sind bislang Schönwetterprodukte, die noch keine Krise durchstehen mussten. (hier noch mal der Link zum Paper von Rosner und Mason, die sehr exakt auf die Gefahren der verpackten Finanzprodukte hinweisen).

Was passiert nun? Barry Eichengreen sagte mir unlängst im Interview „Wir haben keine blasse Ahnung, wo die Risiken liegen und wie die Investoren im Fall einer Krise reagieren werden.“ Genau das treibt die Investoren gerade um: Sie haben keine blasse Ahnung, was jetzt an den Märkten passieren wird, sie haben keine blasse Ahnung, welche Risiken sie wirklich in ihren CDO’s eingekauft haben, sie haben keine blasse Ahnung, ob die Banken, die die Kredite einst vergeben haben, überhaupt Sorgfalt haben walten lassen. Das ist das klassische Principal-Agent-Problem. „Was geschieht, wenn Forderungsveräußerer meinen, keine ausreichende Sorgfaltspflicht mehr einhalten zu müssen, und wenn die letztendlichen Käufer weder über das Know-how noch über Informationen verfügen, die das Risikomanagement der erworbenen komplexen Strukturen erfordert?“, fragt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in ihrem jüngsten Jahresbericht (Seite 10). Das ist die Eine-Billion-Dollar-Frage!

Die selbe Schludrigkeit, von der in Amerika beim Gewähren zweitklassiger Hypotheken berichtet wird, könnte doch auch beim Gewähren von Krediten an Private-Equity-Firmen geherrscht haben? Finanzinvestoren, die mit immer waghalsigeren Finanzierungen immer größere Räder gedreht haben. Schon gibt es am Markt Gerüchte, Daimler werde Chrysler doch nicht los, weil Cerberus, der Geierfonds, der Chrysler übernehmen will, die Finanzierung über mehrere Milliarden Dollar nicht zusammen bekommt, wenn die Turbulenzen anhalten.

Kurzum, die spannendste Phase hat gerade erst begonnen. Waghalsige Eigenkapitalräuber und andere Finanzhaie werden es schwer haben, noch an die notwendige Liquidität zu gelangen.

Die Märkte werden die nächsten Monate über scheußlich bleiben. Die Aktien dürften weiter fallen, die Zinsaufschläge für riskante Anleihen weiter steigen. Die langfristigen Staatsanleihen sollten von der Flucht in Qualität profitieren, weshalb Niveaus über 4,50 Prozent in Euroland und 5,20 in Amerika recht attraktiv ausschauen. Der Euro marschiert jetzt erstmal in Richtung 1,40 Dollar je Euro. An den ganz großen Crash glaube ich noch immer nicht. Dazu sind die fundamentalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einfach zu gut.