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Die US-Rezession wird lang und hart

 

Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Oder: Die Rezession in den USA wird mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Zuckerschlecken. Zumindest, wenn man die Banken- und Finanzkrisen der Vergangenheit als Maß anlegt. Kenneth Rogoff, ehemals Chefökonom des IWF, und die angesehene Finanzmarktexpertin Carmen Reinhardt beschäftigen sich seit Jahren mit solchen Krisen. In einem aktuellen Forschungspapier vergleichen sie die US-Subprime Krise, die zur Zeit die Weltwirtschaft in Atem hält, mit vergangenen Krisen und finden unschöne Parallelen. Denn in der Vergangenheit hatten Finanzkrisen regelmäßig zu langen Wachstumseinbrüchen geführt. Es wäre schon ein ungewöhnlicher Glücksfall, wenn sich die USA dem entziehen könnten.

An wohl klingenden Argumenten, warum die schnell steigenden US-Vermögenspreise in letzter Zeit fundamental gerechtfertigt und nicht wie in der Vergangenheit Folge irrationalen Überschwangs seien, hatte es nicht gefehlt. „Dieses Mal ist alles anders“ haben sich Investoren und Ökonomen gesagt – keine Blasen, sondern wohl fundierte Aussichten auf stetig steigende Gewinne würden die Anlagepreise treiben. So haben sie den Anstieg der Häuserpreise dadurch erklärt, dass die innovativen US-Finanzmärkte tolle neue Finanzprodukte entwickelt hätten, die es erlauben würden, eine höhere Verschuldung ohne höhere Risiken zu verkraften. Diese Finanzinnovationen haben die US Finanzmärkte noch liquider und attraktiver für Investoren gemacht und Anlagekapital vor allem aus Asien und den Erdöl-exportierenden Ländern angelockt.

Das starke Produktivitätswachstum, so wurde argumentiert, rechtfertige die Erwartung auf dauerhaft höhere Renditen und damit den starken Anstieg der Aktienpreise. Auch das Risiko größerer Konjunkturausschläge schien für die USA gebannt zu sein. Das nannten Ökonomen „The Great Moderation“ – die große Mäßigung. In dieser besten aller Welten sei auch das Rekordleistungsbilanzdefizit fundamental begründet. Internationalisierte Finanzmärkte sorgen eben dafür, dass ausländische Investoren ihr Geld da anlegen, wo es die höchste Rendite bei geringem Risiko gebe – in den USA. Vermögenspreisblase? Iwo – die „Fundamentals“ sind in Ordnung!

Der Fall der Immobilienpreise im Sommer 2007 hat all diese schönen Wirtschaftswundermärchen zerschlagen. Und er hat den USA gezeigt, dass dieses Mal doch nicht alles anders ist. Die Kreditmärkte befinden sich in der Krise, Banken müssen Abschreibungen in Milliardenhöhe vornehmen und ihre Kredite für Unternehmensinvestitionen verknappen. Konsumenten, die sich wegen steigender Häuserpreise reicher gefühlt hatten und viel konsumiert, aber nur wenig, wenn überhaupt, gespart hatten, müssen jetzt auf die Konsumbremse treten. Überlegene Finanzmärkte hin, tolles Produktivitätswachstum her.

Rogoff und Reinhardt zeigen, dass die sich abzeichnende Krise einem Muster folgt. Darauf kommen die beiden Wissenschaftler nach einer Untersuchung von 18 Finanz- und Bankenkrisen in Industrieländern. Sie fanden heraus, dass das Pro-Kopf-Wirtschaftswachstum in Folge einer Krise um durchschnittlich zwei Prozent gefallen war. Erst nach etwa zwei Jahren hatten sich die Länder wieder erholt. Besonders hart hatte es Spanien in den späten Siebzigern, Norwegen in den späten 80ern und Finnland, Schweden und Japan in den frühen 90ern erwischt. Dort war das Wirtschaftswachstum im Durchschnitt sogar um fünf Prozent eingebrochen, und eine wirkliche Erholung war auch nach drei Jahren noch nicht zu verzeichnen. Das sei die Spanne an Wachstumsminus, so Rogoff und Reinhart, mit der wohl auch in den USA in den nächsten Jahren zu rechnen sei.

Das Schema war in allen Krisen gleich: Die Häuser- und Aktienpreise stiegen stark, die privaten und öffentlichen Schulden ebenfalls und weil auch ausländische Investoren mitspielen wollten, kam es zu hohen Leistungsbilanzdefiziten. Fielen plötzlich die Vermögenspreise, folgte früher oder später der Wachstumseinbruch. Im Fall der USA ist besonders der Anstieg der Häuserpreise und das Leistungsbilanzdefizit ausgeprägter als in früheren Krisen, was nichts Gutes bedeutet. Bis vor kurzem hatten sich die Aktienpreise zwar noch wacker gehalten. Rogoff und Reinhart glauben aber, dass das mit den raschen und umfangreichen Liquiditätsspritzen der Fed zu tun hatte. Jetzt scheint auch das nichts mehr zu nützen. Allein in der vergangenen Woche fiel der wichtige US Aktienindex S&P 500 um 5,4 Prozent.

Auch bei den Ursachen für die Krise sehen die beiden Ökonomen Parallelen zur Vergangenheit. Rogoff und Reinhart betonen, dass den meisten Krisen eine Liberalisierung der Finanzmärkte vorausging. Zwar gab es in den USA in den letzten Jahren keine rechtliche Liberalisierung, sehr wohl aber eine faktische. Man muss nur an die vielen neuen Finanzprodukte denken, die Abkürzungen wie die Roboter aus Krieg der Sterne tragen und den Großbanken heute beträchtliche Probleme bereiten. Oder an unregulierte Konstrukte, wie die sogenannten „Special Investment Vehicles“ (SIV).

Wie stark der Einbruch der US-Wirtschaft tatsächlich sein wird – ob er eher bei minus zwei Prozent oder minus fünf Prozent liegen wird – lässt sich nicht sagen. Aber dass er sich nicht so einfach verhindern lässt, scheint die Geschichte gelehrt zu haben.