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Richtungsänderung gefragt

 

Was Staatssekretär Thomas Mirow gestern laut Presseberichten in Berlin gesagt hat, gefällt mir. Jedenfalls der Teil seiner Äußerungen zur schärferen Regulierung der Finanzwirtschaft. (Weniger erfreulich ist die übliche Ablehnung eines Konjunkturprogramms.) Mirow vermittelte den Eindruck, sein Chef, Finanzminister Peer Steinbrück sei wild entschlossen, zu einem härteren Regime bei der Bankenregulierung überzugehen. Er will einige Vorschläge im Kreis der G 7 am Wochenende in Tokio vortragen. Wenn er dort, wie mit seinen Transparenzvorschlägen im Vorjahr, auf Ablehnung stößt, ist er notfalls entschlossen, einige Verschärfungen in Deutschland im Alleingang vorzunehmen.

Was da aus Berlin berichtet wird, klingt so, als hätten Steinbrück und Mirow das Problem an einer richtigen Ecke angefasst. Gedacht ist daran, die Eigenkapitalunterlegungsvorschriften, genannt Basel II, besser an die tatsächlichen Risiken anzupassen. Dies ist zunächst ein Eingeständnis, dass gerade das durch Basel II nicht geschieht. In der ‚Financial Times‘ vom Mittwoch (6. Feb.) wird eine Person aus dem Finanzministerium mit der Erklärung zitiert, man wolle kein Basel III sondern zum einen schnellere Durchsetzung von Basel II (eine Spitze gegen die USA), zum anderen eine Verschärfung der Kapitalanforderungen. Eine neues Basel-Abkommen hat in Deutschland zum Beispiel der DGB gefordert, um auf diese Weise den Verschuldungsexzessen der Schattenbanken, vulgo Hedge-Fonds und Private Equity Fonds einen Riegel vorzuschieben. Das Finanzministerium greift diese Vorschläge anscheinend jetzt auf. Kredite an hoch verschuldete Institutionen sollten dann künftig mit mehr Eigenkapital unterlegt werden.

Es wird verdammt schwer sein, sinnvolle Regeln zu entwerfen, dafür eine internationale Übereinkunft herzustellen und schließlich diese Regeln durchzusetzen.

Klar, diese immer wiederkehrenden Finanzkrisen und ganz besonders die aktuelle sind Makroprobleme. Sie mittels feinsinniger Regeln im Detail bändigen zu wollen, wirkt ziemlich aussichtslos. Zumal jede Regeländerung das wild gewordene Finanzbiest, mit dem wir es zu tun haben, zu neuen Richtungsänderungen und Tricks herausfordert. Es gibt dieses Argumentationsmuster, das die Politiker entmutigt, sich der Regulierung überhaupt anzunehmen. Die Banker sind besser bezahlt, haben eine bessere Ausbildung, mehr Rechenkapazität und mehr Chuzpe als die Bankaufseher. Auch das ist richtig.

Nur ändern diese Einwände nichts daran, dass sowohl die Finanzkrise als auch der aufgeblähte Finanzsektor kein Naturwunder sondern Menschenwerk sind. Wenn jetzt die Frage an die Politik gestellt wird, wie kann dieses Biest gebändigt werden, so sollte man sich daran erinnern, dass die Politik Jahrzehnte lang das früher recht harmlose Tierchen erst hochgepäppelt hat. Einige Beispiele gefällig?

– In den 90er Jahren wurde in den USA das Trennbankensystem aufgehoben, das nach den Erfahrungen der 30er Jahre eingeführt worden war. Wertpapiere und Unternehmen konnten so wieder leichter durch Spargelder finanziert werden, die von Kreditbanken eingesammelt wurden.

– In Europa wurde es Unternehmensvorständen wieder erlaubt, mit Unternehmensgeldern Aktien des Unternehmens zu kaufen, um den Kurs hochzutreiben.

– Regierungen und Notenbanken sahen tatenlos zu, wie Hedge-Fonds in großem Stil ins Bankgeschäft eingestiegen sind, ohne sie der Bankenaufsicht zu unterziehen.

– Aufseher haben es zugelassen, dass Banken (mit SIVs und Conduits) Risiken außerhalb ihrer Bilanz eingekauft haben und damit die Eigenkapitalvorschriften krass verletzten.

– Private-Equity-Fonds und Hedge-Fonds wurden durch steuerliche Regelungen ermuntert, ihre Strategie ‚hohe Rendite durch hohe Verschuldung‘ durchzuziehen.

– In Ländern wie den USA, Spanien und Irland haben Notenbanken und Regierungen den Immobilienboom angeheizt und durch laxe Regeln aus dem Ruder laufen lassen.

– Der so genannten Selbstregulierung des Marktes wurde das Wort geredet, von Emittenten bezahlte Rating-Agenturen wurden zu unparteiischen Richtern über deren Kreditqualität ernannt.

– Der freie Kapitalverkehr wurde fast überall durchgesetzt. Dass damit zum Beispiel Japan mit seinem krisenbedingt extrem niedrigen Zinsniveau den Kapitalüberschuss der Welt laufend fütterte, wurde gerne in Kauf genommen.

– Die in Staaten wie Deutschland existierenden Rentenumlagesysteme wurden ab- und statt dessen Kapitaldeckungssysteme aufgebaut und zusätzliche Anlagegelder mobilisiert.

Es kommt mir nicht darauf an, dass jede dieser politischen Entscheidungen rückgängig gemacht wird. Es kommt mir darauf an, dass die Richtung geändert werden muss – weg von der Förderung des aufgeblähten Finanzsektors. Er ist zu groß. Die dort generierten Gewinne sind zu hoch.
Ihn schrumpfen zu lassen, ohne die Realwirtschaft zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen, dürfte die wahre Kunst der nächsten Jahre sein.