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Zehn Wetten für 2010

 

Die Hirten Lucas Zeise, Dieter Wermuth und ich haben zwischen den Jahren wieder getagt und eine neue Prognose erstritten. Von der Tendenz her, die für Deutschland und Europa am besten mit deflationär, wachstumsarm und Bilanzrezession beschrieben werden kann, sind wir uns einig. Nicht aber in der Frage, wie die Weltwirtschaft mit der Krise mittelfristig fertig wird. Dabei gab Dieter den Optimisten und Lucas den Pessimisten, wobei ich selber näher an Lucas Einschätzung bin. Erst jedoch haben wir uns über das brillante Abschneiden unserer Wetten für 2009 gefreut – und uns auf die Schultern geklopft. Dort, wo wir falsch lagen, nämlich bei der Einschätzung der Finanzmärkte, haben wir einfach fast dieselben Wetten für 2010 rausgelegt, weil wir mittelfristig Recht behalten wollen.

Dann ging es los: Der wichtigste Streitpunkt war China und seine Power. Gelingt es China dauerhaft in die Rolle der Konjunktur-Lokomotive für die Weltwirtschaft zu schlüpfen? Gelingt es China, Asien und die anderen Schwellenländer zu befeuern, damit die alten Industrieländer sich die Wunden der Finanzkrise lecken können und trotzdem stabilisiert werden? Oder bricht China in Kürze zusammen, da die Exportkapazitäten, die immer weiter aufgebaut werden, nie ausgelastet sein werden. Denn der US-Konsument wird noch lange streiken müssen, genauso wie der britische, der spanische, der irische, der griechische… um nur einige wenige zu nennen. Dann, ja dann gibt es nicht nur in China Aufstände, sondern die Weltwirtschaft bricht ein zweites Mal ein.

Gelöst haben wir den Streit nicht, obwohl Konsens bestand, dass China vieles tut, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Doch wie lange dauert es, bis sich eine Wirtschaftsstruktur umstellt, bis aus Puppen sagen wir Planierraupen werden? Allerdings waren wir uns schließlich sicher, dass die Entscheidung nicht 2010 ansteht, sprich China dieses Jahr noch meistern wird und zwar brillant.

Eng damit zusammenhängend haben wir die Frage debattiert, ob es je in der Geschichte des Kapitalismus eine Phase gab, in der die Peripherie das Zentrum stabilisiert, ja gerettet hat? Wir konnten uns an keine Phase erinnern, was den Pessimisten einen kleinen Vorsprung brachte. Denn den Satz „diesmal ist alles anders“, wollten wir trotz guter Laune nicht aussprechen.

Sei es drum. Hier nun unsere zehn Wetten für 2010:

Wette eins: Die globale Wirtschaft wird gemessen in Kaufkraftparitäten (KKP) um rund 3,5 Prozent wachsen. Das ist deutlich unter Potenzial, das wir bei circa 4,5 Prozent anlegen. Und, noch schlimmer: Die 3,5 resultieren auch noch zu einem guten Teil aus dem berühmten Überhang, den ich bei meiner Wachstumswette für Deutschland schon erklärt habe. Das Wachstum in den Schwellenländern, die nach KKP rund 45 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukt (rund 37 Prozent in Dollar gemessen) ausmachen, sollten um 4,5 Prozent wachsen, die Industrieländer um rund 1,5 Prozent.

Wette zwei: Die effektiven Stundenlöhne in Deutschland werden 2010 um 0,5 Prozent sinken, nominal, versteht sich! Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen und die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer schwächen, die in Deutschland dank Hartz IV und dem Fehlen des Mindestlohns sowieso nicht stark ist.

Wette drei: Die Inflation wird in Deutschland im ersten Halbjahr in Richtung zwei Prozent marschieren. Das liegt allein am Ölpreis und dem dazugehörigen Basiseffekt. Die Kerninflationsrate, jene ohne Energie und Nahrungsmittel, wird unter ein Prozent sacken und Deflationsalarm geben. Ab Mitte 2010 wird sich auch für die gesamte Inflationsrate wieder die null vor dem Komma zeigen.

Wette vier: Die Entwicklung der Inflationsrate verrät die Annahme über den Ölpreis: Er dürfte sich das Jahr über um die 75 Dollar das Fass bewegen. Der schwächeren Nachfrage aus den Industrieländern wird eine stärkere aus China entgegenstehen. Darüber hinaus wird es der Opec wie schon 2009 gelingen strikte Disziplin zu üben und den Preis in dieser Region zu halten.

Wette fünf: Die Europäische Zentralbank wird den Leitzins, den Repo, das ganze Jahr bei einem Prozent belassen. Das bisschen Exit wird sich auf die Steuerung des Geldmarktes beziehen. Hier dürfte der Satz wieder in Richtung Repo steigen. Das bisschen höhere Zinsen dürften die Banken verkraften. Beim Thema Kreditklemme bestand weitgehend Einigkeit, dass es vernachlässigbar sei. Schlimmer als das bisschen Klemme seien die Firmen, die ihre Bilanzen bereinigen, sprich die Erträge nehmen, um Schulden zurückzuzahlen, statt zu investieren.

Wette sechs: Die Staatsanleihen in Euroland werden 2010 zu den Gewinnern gehören. Die Zehnjahresrendite für Bundesanleihen wird bis auf 2,5 Prozent fallen.

Wette sieben: Die Standardaktien, die das vergangene Jahr so überraschend gut abgeschnitten haben, werden zu den Verlierern zählen. Alle drei Hirten haben auf niedrigere Kurse als zum Jahresende 2009 getippt. Gemittelt ergab das für den Dax: 4.667!

Wette acht: Der Dollar wird weiter gegenüber dem Euro nachgeben und sein altes Tief aus 2008 erreichen (1,60 Dollar je Euro). Die Debatte um ein neues Weltwährungssystem wird weiter gehen. Die Chinesen werden den Wechselkurs des Yuan nicht freigeben, sondern auf ein neues Bretton Woods pochen.

Wette neun: Chinas reales BIP wird um elf Prozent gegenüber 2009 zunehmen, der Überschuss im Warenhandel wird von 350 Milliarden Dollar im Jahr 2008, 200 Milliarden Dollar im Jahr 2009 auf etwa 100 Milliarden Dollar im Jahr 2010 sinken – Chinas Einfuhren nehmen zu, während die Ausfuhren rückläufig sind! Chinas Binnennachfrage ist angesprungen, so dass das Land zur Konjunkturlokomotive der Welt wird. (Unschwer zu erraten, von wem diese Außenseiterwette stammt.)

Wette zehn: Gegen Ende 2010 wird die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht an einer Debatte um ein weiteres Konjunkturprogramm vorbei kommen. Und sie werden aller FDP-Ideologie zum Trotz ganz pragmatisch handeln.

So wird 2010. Wetten?

Allen Kommentatoren, Lesern, Fans und Kritikern vom HERDENTRIEB wünschen die Hirten ein glückliches 2010!!!