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Scharf, schärfer, Stabi-Pakt

 

Ich war nie ein Freund des Stabilitätspaktes. Meine Hoffnung war, dass irgendwann jeder sehen würde, was für ein sinnloses Ungetüm das ist. Und als Anfang des Jahres Spanien und Irland in die Bredouille gerieten, dachte ich: Das ist das Ende des Paktes. Denn weder Spanien noch Irland haben je gegen das Defizitkriterium verstoßen. Im Gegenteil: Beide Länder galten bis zum Ausbruch der Krise als Musterschüler. Sie haben in all den Jahren der Währungsunion ihren Schuldenstand zurückgefahren. Spanien von über 60 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf unter 40 Prozent, Irland gar auf nur noch 25 Prozent. Und trotzdem gelten beide Länder dank der Krise nun als Wackelkandidaten.

Doch entgegen meiner Annahme, die Debatte um den Stabilitätspakt käme zur Vernunft, ist sie erneut entbrannt. Alles schimpft aufeinander, weil ein Pakt, der versagt hat, nicht so geschärft wird, wie von irgendwelchen Hardlinern gewünscht. Aber, verehrte Leser, der Pakt hat versagt. Warum soll man etwas verschärfen, was weder Irland noch Spanien verhindert hat? Warum denken unsere Politiker nicht mal über etwas nach, das Irland und Spanien verhindert hätte?

Ach so, ein zweites Griechenland würde der schärfere Stabilitätspakt verhindern. So lautet zumindest das offizielle Mantra. Hat sich Griechenland nicht an den Stabilitätspakt gehalten, oder hat uns die konservative griechische Regierung mit gefälschten Daten getäuscht? Letzteres natürlich. Was ein verschärfter Stabilitätspakt am Betrug und dem Umgang der Partnerländer damit geändert hätte, ist mir beim besten Willen nicht klar.

Bleibt noch Portugal. Okay, die Portugiesen hätten den schärferen Stabi-Pakt zu spüren bekommen, denn sie sind die ganze Zeit schwach wachsend an der Drei-Prozent-Grenze entlang geschrammt. Aber die Portugiesen waren als kleines EU-Land all die Jahre redlich bemüht, den Vorgaben der Kommission Rechnung zu tragen und haben durch Sparmaßnahmen versucht, die Staatsverschuldung zu reduzieren. Ein scharfer Pakt hätte die Anstrengungen der Portugiesen nicht ernsthafter gemacht. Sie waren all die – aus portugiesischer Sicht verlorenen – Jahre, ernsthaft. Deshalb ist Portugal streng genommen eigentlich das Musterbeispiel, wie schlecht die Sache ausgehen kann, wenn der Stabilitätspakt angewendet wird.

Und was ist mit Deutschland? Anfang des Jahrtausends gab es Blaue Briefe, weil das Defizit über drei Prozent lag. Dabei hat Deutschland damals gerade begonnen, mehr auszuführen als einzuführen, also als Volkswirtschaft Vermögen im Ausland aufzubauen. Die Kommission bestrafte damals ein Land, das immer die Benchmark für Euroland war, das weltweit die höchste Bonität in Euroland genoss, das gerade dabei war, mühsam seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Klar, die Deutschen hätten unter einem schärferen Pakt gelitten, sie hätten noch mehr sparen müssen, das Wachstum weiter geschwächt. Sie hätten vielleicht sogar vorübergehend ihre Stimmrechte verloren, eine zusätzliche Geldstrafen nach Brüssel überweisen müssen. Und warum das alles? Heute wissen wir doch, dass die Diagnose damals hanebüchen war. Deutschland geht es heute blendend, strenggenommen viel zu blendend. Wenn man ganz böse ist, sollte man sagen: Weil Deutschland sich damals gegen die Kommission durchgesetzt hat und den Stabi-Pakt aufgeweicht hat, geht es dem Land heute so gut.

Wie dem auch sei, wer an dieser Stelle immer noch ein Fan der Verschärfung ist, möge einmal hier drauf klicken. Unter dem Link steckt ein großes Interview mit Klaus Regling, das ich vor einer Woche geführt habe. Klaus Regling? Kennen Sie nicht? Heute leitet er den Euro-Rettungsfonds. In Wirklichkeit aber ist er der Vater des Stabilitätspaktes. Er hat ihn als Abteilungsleiter von Theo Waigel, damals Finanzminister, maßgeblich geschrieben. Und Regling war es, der dann Anfang des Jahrtausends als Generaldirektor der Kommission die Blauen Briefe an Deutschland schrieb. Er gesteht, dass es ein Irrtum gewesen sei, so stark auf die Staatsfinanzen zu schauen. Ehrlich. Lesen Sie selber!

Und danach lassen Sie uns diskutieren, wie eine vernünftige Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (inklusive der Staatsfinanzen) in der Währungsunion auszusehen hat, ob eine Wirtschaftsregierung nicht doch der richtige Weg ist, auch wenn wir das Kind anders nennen. Ich glaube, nur mit deutlich mehr Macht an die Brüsseler samt Parlament, versteht sich, werden wir den Euro krisenfest machen.