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Amerikanischer Aufschwung stottert

 

Die amerikanischen Arbeitsmarktzahlen für Mai, die heute veröffentlicht wurden, müssen für viele ein Schock sein: die Zahl der Arbeitslosen hat zugenommen und der Beschäftigungsanstieg blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Auf einmal sieht es nicht mehr danach aus, dass sich der nunmehr zwei Jahre alte Aufschwung selbst trägt. Das ist deswegen auch für uns in Europa und den Rest der Welt von Relevanz, weil die USA, in Kaufkraftparitäten gerechnet, laut Internationalem Währungsfonds immer noch 19,7 Prozent des globalen Outputs produzieren, mit aktuellen Wechselkursen gerechnet sind es sogar fast ein Viertel.

Wenn sich die Tendenz, die sich hier abzeichnet, in den folgenden Monaten bestätigt, sieht die Welt auf einmal ganz anders aus: die Inflationserwartungen werden sinken, die Renditen der Anleihen guter staatlicher Schuldner ebenfalls, die Wahrscheinlichkeit, dass die Notenbanken ihre Zinsen so erhöhen werden wie bisher geplant, geht zurück, und die Rohstoffhausse hätte endgültig ihren Todesstoß erhalten. Der Dollar wird abwerten – er ist inzwischen gegenüber dem Euro wieder auf 1,4560 gefallen. Die Inflationsstory, von der die Portfolio Manager bisher so angetan waren, müsste endgültig ad acta gelegt werden. Das Risiko, dass die USA in einer sogenannten Double Dip-Rezession stecken, würde kräftig steigen. Für Aktien sind das ebenfalls keine guten Nachrichten.

Keine guten Nachrichten sind das aber natürlich vor allem für die amerikanischen Haushalte: Die Arbeitslosenquote ist auf 9,1 Prozent gestiegen und die Anzahl der Beschäftigten hat nur um 54.000 zugenommen. Da die arbeitsfähige Bevölkerung wegen des dynamischen Bevölkerungswachstums monatlich um 150.000 zunimmt, müssten Monat für Monat so viele neue Jobs entstehen, allein damit es keinen Anstieg in der Quote gibt. Wie die beiden Schaubilder zeigen, liegt die aktuelle Beschäftigung nach wie vor weit unter ihrem Trendwert, anders als übrigens in Deutschland, wo sie ihn inzwischen schon wieder erreicht hat. Die Beschäftigungslücke beträgt etwa 20 Millionen. Dass lediglich 14 Millionen Menschen tatsächlich als arbeitslos gelten – wie im zweiten Schaubild zu sehen -, hat damit zu tun, dass alle diejenigen, die die Jobsuche resigniert aufgegeben haben, nicht mehr mitgezählt werden.

Grafik: Beschäftigungsentwicklung in den USA seit 1980
Grafik: Zahl der Arbeitslosen in den USA seit 1980

Der Druck auf die amerikanische Notenbank, noch einmal Gas zu geben, wird weiter zunehmen. Eine neue Runde des sogenannten Quantitative Easing ist so gut wie sicher. Wie ich in meinem letzten Blog-Beitrag gezeigt habe, ist die Zentralbankgeldmenge bereits gewaltig ausgeweitet worden. Sonderlich wirksam ist das bislang nicht gewesen, meiner Meinung nach vor allem deswegen, weil es sich immer weniger Haushalte angesichts sinkender Immobilienpreise leisten können, neue Schulden aufzunehmen. Da helfen auch keine großzügigen Kreditangebote. Die Geldpolitik ist zur Zeit ziemlich wirkungslos.

Das gilt auch für die Finanzpolitik der USA. Das staatliche Defizit ist so groß, dass praktisch kein Spielraum für stimulierende Maßnahmen mehr da ist. Zudem blockieren sich Republikaner und Demokraten auf geradezu surreale Weise, ohne ein Gefühl für den Ernst der Lage. Am Mittwoch hatte Uwe Jean Heuser in der ZEIT die Budgetsituation der USA mit der von Griechenland verglichen.

Wenn die amerikanische Wirtschaft aus ihrem Loch herauskommen will, hilft eigentlich nur eine starke Dollarabwertung. Dagegen werden sich allerdings die Schwellenländer und vermutlich auch Japan mit aller Macht, sprich mit Interventionen, sträuben. Wenn der Euro dann auf 1,60 Dollar oder 1,80 Dollar steigen sollte, praktisch als einzige wichtige frei floatende Währung, wäre die Not auch auf unserer Seite des Atlantik groß. Da kann es, was die Krise in Griechenland, Irland, Portugal und demnächst vielleicht auch Spanien angeht, nur heißen „nicht kleckern sondern klotzen“. Wenn der amerikanische Aufschwung tatsächlich vorbei sein und es zu einer neuen Rezession kommen sollte, wird Euroland nicht umhin kommen, einen großen weiteren Schritt in Richtung gemeinsame Finanzpolitik zu tun. Es bedarf dazu wohl leider tatsächlich, wie ich es schon immer gedacht hatte, einer existenziellen Krise. Die könnte uns jetzt bevorstehen.