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Scharfer Gegenwind – Inflation bald aber kein Thema mehr

 

Wie schnell es gehen kann: Im ersten Vierteljahr hatte das reale Sozialprodukt noch mit einer Verlaufsrate von 6,3 Prozent zugenommen, inzwischen wäre ich aber nicht mehr überrascht, wenn es im zweiten zu einem Rückgang gekommen wäre. Alles deutet darauf hin. Nicht nur das, es sieht auch nicht danach aus, dass es schon bald wieder aufwärts gehen könnte.

Das ist nicht gut für den Arbeitsmarkt und die Staatsfinanzen. Bei den Inflationsraten wird es dagegen schon bald wieder bessere Nachrichten geben, trotz des starken Drucks in der Pipeline. Die Erzeugerpreise für Juni, die heute morgen veröffentlicht wurden, sind ein Beispiel für diesen Druck. Sie lagen um 6,7 Prozent über ihrem Vorjahresstand – einen solch starken Anstieg hatte es zuletzt vor einem Vierteljahrhundert gegeben. Die Käufer der Industrieprodukte werden versuchen, diese Kosten zu überwälzen. Es wird ihnen aber nicht so richtig gelingen, da die schwache Endnachfrage das kaum zulässt. Sie werden ihrerseits außerdem weniger kaufen und auf höhere Rabatte drängen. Mit anderen Worten, ähnlich wie in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit werden die Gewinnmargen der Unternehmen unter Druck geraten. Da sie bis vor kurzem noch auf Rekordniveau waren, muss das keine Katastrophe sein. Der Aktienmarkt nimmt eine langsamere Zunahme der Gewinne übrigens schon vorweg.

Ein paar Zahlen zum Stand der Konjunktur. Ist es wirklich so schlecht um sie bestellt?

– Die realen Auftragseingänge an die Industrie sind von November bis Mai mit einer Verlaufsrate von 10,7 Prozent gesunken und lagen nur noch um 0,2 Prozent über ihrem Vorjahresstand; im November hatte der Abstand zum November 2006 noch +13,1 Prozent betragen.

– Normalerweise kommt uns das Ausland zu Hilfe, wenn es im Inland mal nicht so gut läuft. Daraus wird diesmal nichts. Ebenso wie die Inlandsaufträge sind die Aufträge von jenseits der Grenzen stark rückläufig (im Verlauf -13,3 Prozent real seit November).

Auftragseingang aus dem In- und Ausland - 0805

– Das zeigt sich bereits bei den Exporten, die im Mai real nur um 1,7 Prozent über ihrem Vorjahreswert lagen; in den kommenden Monaten wird es hier Minuszeichen geben.

Deutsche Exporte, real - 0805

– Die Weltkonjunktur verliert nämlich zusehends an Schwung, vor allem wegen der starken Kaufkraftverluste in den Rohstoff importierenden Ländern und der geplatzten Immobilienblasen in den USA, Spanien und Großbritannien. Die Ökonomen von JPMorgan schätzen, dass das globale Wachstum im zweiten Quartal nur 1,5 Prozent betrug (Verlaufsrate oder saar = seasonally adjusted annualized rate ) – das Trendwachstum liegt bei 3,5 Prozent (mit aktuellen Wechselkursen gerechnet).

– Zudem beginnt die Euroaufwertung allmählich wehzutun; angesichts des Überangebots an Dollars ist hier auf absehbare Zeit keine Wende zu erwarten. Die Wettbewerbsfähigkeit hat von den Preisen her stark gelitten.

Realer effektiver Wechselkurs des Euro - 0806

– Wie sehr die Konjunktur schwächelt, zeigt sich auch bei den Wareneinfuhren; real sind sie zwischen Januar und Mai mit einer Verlaufsrate von 15,1 Prozent gefallen; das ist umso erstaunlicher, als der Euro in dieser Zeit weiter aufgewertet hatte, was die Einfuhren für sich genommen eigentlich hätte stimulieren sollen.

Deutsche Importe, real - 0805

– Am Bau geht es nach einer kurzen Blüte schon wieder abwärts – vor allem im Wohnungsbau sieht es sehr schlecht aus (reale Auftragseingänge ggVj im März und April minus 10,3 Prozent); wer kann sich bei diesen Benzinpreisen noch ein Häuschen im Grünen leisten? Nur die Unternehmen schränken ihre Bauprojekte bisher nicht ein.

– Die Industrieproduktion in den beiden ersten Monaten des abgelaufenen Quartals war gegenüber dem Durchschnitt des ersten Quartals saisonbereinigt um 1,9 Prozent zurückgegangen – selbst wenn der Juniwert sehr stark war, konnte dieser Rückstand nicht aufgeholt werden.

– Last but not least der Einzelhandel; real sind die Umsätze (einschließlich Autos) von Januar/Februar auf April/Mai mit einer Verlaufsrate von 10,5 Prozent zurückgegangen – die Haushalte streiken.

– Dafür ist natürlich verantwortlich, dass die Reallöhne nach wie vor rückläufig sind (im April –0,7 Prozent ggVj auf Monatsbasis); in Deutschland zumindest ist von einer Preis-Lohnspirale weit und breit nichts zu sehen. Anders ausgedrückt, die Arbeitnehmer sind in einer schlechten Verhandlungsposition und können sich gegen die importierte Inflation nicht wehren (die Unternehmen allerdings zunehmend auch nicht).

Im Euroland sieht es nicht viel anders aus. Weil wir keinen Immobilienschock zu verkraften hatten und weil die Exportindustrie zumindest bis vor kurzem sehr innovativ und dynamisch war, steht Deutschland sogar etwas besser da als die anderen, oder besser: stand. Wenn es bei uns zu einem Rückgang des Sozialprodukts gekommen ist, spricht alles dafür, dass das auch in der Währungsunion insgesamt der Fall war. Um wieder JPMorgan zu zitieren: die Bank rechnet für den Euroraum in Q2 mit -0,8 Prozent (reales BIP, saar), für Deutschland sogar mit -3,0 Prozent.

Am Donnerstag gab es die neue Wirtschaftsprognose des IWF. Wie jedermann erwartet auch der Fonds für dieses Jahr einen Rückgang der Wachstumsrate um etwa einen Prozentpunkt und ein noch etwas schwächeres Wachstum im Jahr 2009. Dazu passt, dass die Ölpreise nach dem für dieses Jahr geschätzten Anstieg um 63,8 Prozent auf durchschnittlich 116,50 Dollar pro Fass im Jahr 2009 nur noch um 7,3 Prozent steigen werden, auf dann 125 Dollar. Was heißt das für den Verlauf? Zunächst müssten die Ölpreise (WTI) noch etwas fallen, und zwar auf 125 Dollar im Durchschnitt der zweiten Hälfte dieses Jahres, ehe sie dann später wieder leicht ansteigen. Wenn der IWF recht hat (was allerdings eigentlich nie der Fall ist), haben wir es bis auf weiteres mit sinkenden Ölpreisen zu tun.

Die Preise der anderen Rohstoffe, der non-fuel commodities, werden im Jahr 2009 sogar um 5,2 Prozent niedriger sein und damit von nun an fallen müssen. Das Ganze ist übrigens in Dollar gerechnet. Ich erwarte, wie vielleicht bekannt, eine weiteren Aufwertung des Euro, so dass die Rohstoffpreise in unserer Währung gerechnet noch stärker zurückgehen dürften.

Was wir in den letzten Jahren erlebt haben, die Verschiebung der relativen Preise zu unseren Lasten, wird mindestens teilweise rückgängig gemacht. Deswegen denke ich, dass wir schon bald wieder sinkende Inflationsraten sehen werden. Schwache Konjunktur, also eine schlechte Auslastung der Kapazitäten, sehr moderate Lohnsteigerungen und sinkende Rohstoffpreise lassen gar nichts anderes erwarten. Es kann etwas länger dauern, als wir es uns wünschen würden, weil es auf wichtigen Marktsegmenten nicht genügend Wettbewerb gibt, aber am Ende werden sich die Marktkräfte durchsetzen.

Bei der EZB darf man sich daher entspannen. Herr Trichet, dem das schlechte Gewissen bei der jüngsten Zinserhöhung deutlich anzusehen war, wird die Zinsen nicht noch einmal erhöhen müssen. I knock on wood.