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Makroprudenzielle Regulierung: Das Ende der gemeinsamen Geldpolitik?

 

Ich finde es bemerkenswert, dass die Debatte über die neuen Instrumente zur makroprudenziellen Regulierung in Europa nicht intensiver geführt wird, denn meines Erachtens geschieht hier etwas mit fundamentaler Bedeutung für den Währungsraum.

Zur Erinnerung: Eine der Lehren aus der Krise ist, dass Preisstabilität auf der makro-ökonomischen Ebene eine vielleicht notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung für stabile wirtschaftliche Verhältnisse ist. Deshalb soll die klassische Geldpolitik durch eine Überwachung und Steuerung des Finanzsektors auf der Makroebene (also nicht auf der Ebene der einzelnen Institute) ergänzt werden – die makroprudenzielle Regulierung. Dazu wurden auf europäischer Ebene das European Systemic Risk Board gegründet. Wie die Bundesbank schreibt:

Die Aufgabe des  ESRB sollte darin bestehen, in normalen Zeiten  die Systemrisiken zu überwachen und zu bewerten, um die Gefahr des Ausfallrisikos von  Systemkomponenten für das System zu be grenzen und die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems gegen Schocks zu stärken.

Der ESRB wiederum hat beschlossen, dass auf nationaler Ebene ebenfalls Strukturen zur makro-prudenziellen Regulierung geschaffen werden sollen. In Deutschland geschieht dies gerade: Anfang Mai entscheidet das Kabinett über einen Gesetzentwurf, der einen Ausschuss für Finanzstabilität – bestehend aus Vertretern von Bundesbank, Bafin und BMF – einrichtet. Dieser Ausschuss soll bei Gefahren für die Finanzstabilität aktiv werde, etwa durch eine sektorspezifische Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen, um so Immobilienblasen zu bekämpfen.

So weit, so gut  – denn tatsächlich braucht Europa Instrumente, um gegen Finanzverwerfungen vorgehen zu können. Der Leitzins ist eine recht grobe Waffe im Kampf gegen Spekulationsexzesse. Es gibt bessere. Und es ist auch sinnvoll, diese Instrumente dezentral zur Anwendung zu bringen. Der Euro-Raum ist keine homogene Volkswirtschaft und es ist zumindest bisher eher die Regel als die Ausnahme, dass ein Teil des Kontinents heiß läuft, während der andere in der Krise steckt.

Aber jetzt kommts: Auch makroprudenzielle Eingriffe setzen wie die klassische Zinspolitik am Bankensektor an und sie haben potenziell Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – wer die Immobilienpreisentwicklung herunterbremst, der bremst auch den Konsum herunter. Da kann es zu erheblichen Konflikten zwischen Zentrale und Filiale kommen.

Nehmen wir beispielsweise an, die EZB will die Inflationsrate bei zwei Prozent halten und dazu müsse die deutsche Inflation bei vier Prozent liegen, weil der Rest Europas in der Deflation steckt. Nehmen wir weiter an, die Bundesbank habe keine Lust auf vier Prozent Inflation, kann aber im Governing Council keine Zinserhöhungen durchsetzen. Dann kann sie über den nationalen Ausschuss für Finanzstabilität schön über höhere Eigenkapitalanforderungen die Wirtschaft herunterbremsen und das als Kampf gegen Finanzexzesse deklarieren (was es vielleicht auch ist, nur dass aus gesamteuropäischer Sicht ein wenig deutscher Exzess dann nicht schlecht wäre).

Vielleicht ist das Beispiel konstruiert, aber in jedem Fall ist mir nicht bekannt, dass die nationalen Aktionen mit dem ESRB abgestimmt werden müssen – und damit erobern die nationalen Behörden ein Stück Kontrolle über den Kreditfluss zurück.

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