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Vermögensabgabe – warum eigentlich nicht?

 

Der Vorschlag des DIW, die Schuldenkrise durch eine Vermögensabgabe oder Zwangsanleihe zu bekämpfen, hat interessante Reaktionen ausgelöst. Der Finanzminister findet ihn gar nicht so schlecht, zumindest für die Krisenstaaten. Dagegen finden meine schreibenden Kollegen fast alle ein Haar in der Suppe und finden ihn populistisch oder undurchdacht oder gleich naiv und gefährlich.

Aber mal ehrlich: Was spricht eigentlich dagegen?

1. Die großen Vermögen profitieren besonders von der Rettungspolitik, weil sie viele der Vermögenswerte besitzen, deren Wert erhalten wird (Bankanleihen, Staatsanleihen, Aktien). Man frage die Iren, die viele Jahre arbeiten müssen, um die Bondholder ihrer Banken auszubezahlen.

2. Von der Rettung dieser Vermögenswerte profitieren nicht nur die reichen Italiener und Griechen, sondern auch die reichen Deutschen. Die Auslandsforderungen der Bundesrepublik gegenüber den Peripherieländern belaufen sich laut Sachverständigenrat auf 777 Milliarden Euro. Insofern ist es durchaus legitim, wenn die Vermögenden in Deutschland an den Kosten beteiligt werden.

3. Den hohen Staatsschulden stehen enorme private Vermögen gegenüber. In Deutschland: Staatsschulden 2000 Milliarden Euro, Nettogeldvermögen ohne Immobilien 3500 Milliarden Euro. Italien: Staatsschulden 1900 Milliarden Euro, Geldvermögen 2701 Milliarden Euro.

4. Wolfgang Münchau hat recht. Es gibt keine objektive Grenze für die Verschuldung. Aber wenn man davon ausgeht, dass man aus den Schulden nicht einfach so rauswachsen kann, zumal wenn die privaten Schulden hinzugenommen werden, dann muss irgendjemand bluten. Die Schulden des einen sind die Forderungen des anderen.

5. Da ein Schuldenschnitt ziemlich katastrophale Folgen hätte für die Finanzstabilität – siehe Griechenland – und auch die Kleinsparer treffen würde, ist die Vermögensabgabe ein sinnvolles und sozial gerechtes funktionales Äquivalent: Abgabe erheben und Schulden tilgen.

6. Man kann das auch mit einer Steuer machen statt mit einer Abgabe, aber das ist nun wirklich Jacke wie Hose.

7. Wenn das Grundgesetz Probleme macht: Ändern! Gesetze dienen dem Menschen und nicht andersherum.

8. Konjunkturell gesehen ist das Gute am Schröpfen der Reichen: Sie geben das Geld sowieso nicht aus.

9. Die makroökonomischen Ungleichgewichte verschwinden durch eine solche Abgabe genau so wenig wie die Wirtschaftsflaute. Aber das Schuldenproblem wird geringer und das erleichtert die Anpassung.

10. Wenn man davon ausgeht, dass ein Teil der Forderungen sowieso verloren ist, weil er auf Werten basiert, die nicht mehr existieren, dann ist die Vermögensabgabe mit dem Ziel der Schuldentilgung letztlich nur die Realisierung dieser Verluste.

Die Idee des DIW ist eine, die eine intensive Debatte verdient. Das kann man auch einfach mal sagen, statt den Teufel im Detail zu suchen – der steckt dort nämlich auch bei allen anderen Vorschlägen.