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Investment Outlook: noch keine Wende in der Geldpolitik

 

Die Ankündigung der US-Notenbank, dass sie im Verlauf der nächsten Quartale nicht mehr so massiv Anleihen kaufen wolle, wenn die Arbeitslosigkeit weiter in Richtung sieben Prozent sinkt, hat sowohl an den Rentenmärkten als auch an den Aktienmärkten der OECD eine mittlere Panik ausgelöst. Die Anleger schienen vor allem bei festverzinslichen Papieren nur auf die Gelegenheit gewartet zu haben, sich von ihnen zu trennen. Irgendwann musste ja die 30-jährige Hausse zu Ende sein. Die Kurse waren so hoch wie nie, und viel Luft nach oben war ohnehin nicht mehr da.

Ich denke aber, dass es für eine Trendwende noch viel zu früh ist. Hatte Bernanke doch durchblicken lassen, dass die Notenbankzinsen, die augenblicklich bei 0,1 Prozent liegen, auf absehbare Zeit nicht erhöht würden. Vermutlich bedeutet das: bis zum Jahre 2015. Es gibt keine Inflationsrisiken, und die Lage am Arbeitsmarkt könnte kaum schlechter sein.

Auch die EZB und die Bank von Japan werden weiterhin eine sehr expansive Politik betreiben: Im Euro-Raum herrscht erneut Rezession, verbunden mit rekordhoher Arbeitslosigkeit und Inflationsraten, die weit unterhalb des Zielwertes liegen. In Japan wiederum hat sich die neue Regierung den Kampf gegen die hartnäckige Deflation auf die Fahnen geschrieben und will die Gelddruckmaschinen erst wieder anhalten, wenn die Inflationsrate zwei Prozent erreicht hat – zuletzt lag sie noch bei minus 0,7. Bis dahin ist es daher also noch ein langer Weg.

Wenn die Notenbankzinsen so niedrig bleiben wie sie sind und die Inflation in den wichtigsten Wirtschaftsräumen deutlich niedriger ist als erwünscht, gibt es eine natürliche obere Grenze für die Renditen der Staatsanleihen. Sie dürfte inzwischen nicht mehr allzu weit entfernt sein.

Die Furcht, dass den Märkten, ausgehend von den USA, demnächst Liquidität entzogen wird, hat vor allem die Währungen sowie die Kapitalmärkte der Schwellenländer stark in Mitleidenschaft gezogen. Auch im Euro-Raum hat sich die Stimmung daraufhin verschlechtert: Nicht nur, dass die Aktienmärkte und Rentenmärkte eingebrochen sind, auch die Renditedifferenzen zwischen Deutschland und den Krisenländern der Peripherie haben sich wieder ausgeweitet. Sie sind allerdings nach wie vor viel geringer als noch vor Jahresfrist. Es wird der EZB abgenommen, dass sie den Euro nicht untergehen lassen wird.

Global gesehen besteht für mich das einzige wirkliche Risiko darin, dass es in China durch den jüngsten starken Anstieg der von der Notenbank kontrollierten Geldmarktzinsen zu einem Platzen von Preisblasen im Immobiliensektor kommt. Möglicherweise haben sich auch einige Banken bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten verhoben und könnten durch die teurere Refinanzierung ins Schleudern kommen. Das würde tendenziell deflationär wirken – es wäre gut für die Rentenmärkte, aber sehr schlecht für die Aktienmärkte, und zwar überall auf der Welt.

Insgesamt wird die Geldpolitik expansiv bleiben. Hier im Euro-Raum dürfte sie sogar noch einen Gang höher schalten, schon um die Wirkungen der restriktiven Finanzpolitik zu kompensieren. Da es gewaltige Kapazitätsreserven gibt und die Arbeitslosenquote auf über 12 Prozent geklettert ist, gibt es von den Inflationsrisiken her nichts, was die EZB hindern könnte, weiter Gas zu geben. Das begrenzt im Übrigen das Aufwertungspotenzial des Euro.

Europäische Aktien sind augenblicklich absolut sowie im Vergleich zu amerikanischen sehr billig. Auch im Vergleich zu Anleihen sind sie attraktiv. Weitere Kursverluste erwarte ich angesichts des verhaltenen Wachstums der Weltwirtschaft, vor allem Chinas, bei Rohstoffen. Sie sind nach wie vor teuer und haben daher viel Potenzial nach unten. Für rohstoffexportierende Länder wie Russland, Australien oder Südafrika sind das schlechte Nachrichten.

Ausführliches zur wirtschaftlichen Lage in den Industrie- und Schwellenländern (mit einem Schwerpunkt zur Entwicklung im Euro-Raum), sowie zu den Aussichten und Risiken für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse finden Sie in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – June 2013*) (pdf, 311 KB)

*) Der Investment Outlook von Dieter Wermuth ist in englischer Sprache verfasst und wird im Herdentrieb in loser Folge zum Herunterladen bereitgestellt. (UR)