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Stricken wir uns einen Eurobond!

 

Nach der gestrigen Pressekonferenz von Mario Draghi bin ich davon überzeugt, dass europäische Staatsanleihen für Anleger immer noch attraktiv sind: Der Euro wird überleben, und die EZB behält ihren expansiven Kurs mindestens noch für ein Jahr bei.

Um zu vermeiden, dass man auf’s falsche Pferd setzt, kann sich jeder seinen eigenen synthetischen Bond kreieren, in dem die Papiere der wichtigsten staatlichen Emittenten Eurolands enthalten sind. Es ist nicht so kompliziert, wie es auf den ersten Blick aussieht. In Wirklichkeit handelt es sich jeweils um Bündel mit fünf separaten Anleihen, nicht um ein einzelnes Wertpapier. Wie viel von jeder Anleihe zu kaufen ist, hängt vom Geschmack des Anlegers ab: Als Gewichte kommen das BIP der einzelnen Länder, die Größe des jeweiligen Rentenmarkts oder der Anteil am Kapital der EZB infrage.

Im folgenden Beispiel verwende ich diese Kapitalanteile. Ich beschränke mich auf die fünf größten Länder der Währungsunion; auf sie entfallen 82 Prozent des EZB-Kapitals, das von den Zentralbanken der Mitgliedsländer gehalten wird. Die Beschränkung auf diese fünf Emittenten hat den Vorzug, dass nur liquide Papiere gekauft werden, also Anleihen, aus denen die Anleger jederzeit wieder leicht rauskommen.

Tabelle -   Zwei synthetische Eurobonds

Die Rendite der synthetischen Bonds wäre bei den Fünfjährigen mit 1,32 Prozent um 65 Basispunkte höher als in Deutschland, bei den Zehnjährigen wären es 90 Basispunkte. Angesichts des niedrigen Renditeniveaus macht es für den Cashflow der Anleger einen Riesenunterschied, ob sich ihre Bonds mit 1,67 Prozent oder 2,57 Prozent verzinsen. Real, nach Abzug der erwarteten Inflationsraten, sind die Renditen von Bundesanleihen mit Laufzeiten bis etwa 15 Jahren negativ, bei den synthetischen Bonds sind sie dagegen schon ab etwa sieben Jahren positiv.

Für’s erste gehe ich davon aus, dass die Renditen der beiden synthetischen Bonds sinken, es also zu Kursgewinnen kommt. Käme es wider Erwarten zu einer neuen Eurokrise, würden die italienischen und spanischen Renditen steigen, die deutschen und holländischen aber fallen. Die Konstruktion hat also den Charme, dass die Kursausschläge geringer sein dürften als bei den einzelnen nationalen Anleihen. Das ist neben der höheren Rendite ein weiterer Vorteil der „Synthetischen“. Ich kann aber natürlich nicht ausschließen, dass das gesamte Renditeniveau ansteigt und es zu Kursverlusten kommt. No free lunch!

Aber wie steht es mit meinen beiden Grundannahmen – dass der Euro überlebt und die EZB weiter eine sehr expansive Politik betreiben wird?

Zur Zukunft des Euro: Im neuen Monatsbericht der Bundesbank gibt es eine ausführliche Analyse der „realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse und Reformmaßnahmen“ in den Ländern der Peripherie. Der für mich wichtigste Satz lautet: „Der Abbau der makroökonomischen Ungleichgewichte ist in den Peripherieländern in den letzten Jahren spürbar vorangekommen. Die Leistungsbilanzdefizite haben sich deutlich verringert … [es] wurden … weitreichende Reformen an den Arbeits- und Produktmärkten in Angriff genommen … [die] gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten sind zumeist erheblich zurückgegangen [und es] gibt inzwischen auch erste Hinweise auf eine Reallokation der Produktionsfaktoren hin zu Sektoren mit stärkerer Exportorientierung.“ (S. 21)

Bei den Staatsfinanzen hat sich die Lage ebenfalls stark verbessert, jedenfalls soweit es um die Budgetdefizite geht (siehe EU Kommission Herbst 2013, Tab. 36). Hinzu kommt, dass die EZB entschlossen ist, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit der Euro nicht scheitert – und das ist eine ganze Menge. Die Marktteilnehmer sind offenbar auch der Ansicht, dass die Prozesse auf dem richtigen Weg sind.

Grafik: Öffentliche Defizite in der Euro-Peripherie, 1995-2015

Was die Annahme über die künftige Geldpolitik angeht, hat Mario Draghi gestern erklärt, dass die Inflationsrate Eurolands vermutlich noch für eine ganze Weile auf dem momentan niedrigen Niveau verharren wird, also in einer Spanne von 0,7 bis 0,9 Prozent, und dass die Märkte seine „forward guidance“ ernst nehmen sollten. Ich denke, das heißt, dass die Leitzinsen für mindestens ein Jahr in der Nähe von Null bleiben werden, vermutlich für länger. Die Konjunkturrisiken seien immer noch groß.

Grafik: Preisentwicklung im Euro-Raum

Die Anleger können sich wohl darauf verlassen, dass es auf absehbare Zeit keinen geldpolitischen Schock geben wird. Die Renditekurve dürfte also ziemlich steil bleiben. Banken, Versicherungen und große Unternehmen, die sich am Geldmarkt refinanzieren können, haben daher einen starken Anreiz, sich kurzfristig zu verschulden und längerfristig in soliden Staatsanleihen anzulegen, beispielsweise in so etwas wie synthetische Eurobonds. Risikoloser lässt sich kaum Geld verdienen. Das gibt dem Markt einen starken Rückhalt.