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Schulden lassen sich mit Schulden bekämpfen

 

In Brüssel wird in diesen Tagen darüber verhandelt, wie der Stabilitätspakt in der derzeitigen Situation interpretiert werden soll. Es gibt zwei Schulen: Eine plädiert für eine möglichst strenge Lesart und erhofft sich dadurch Fortschritte beim Schuldenabbau. Die zweite setzt sich dafür ein, die Flexibilität auszunutzen, die der Pakt hergibt.

Die zweite Schule wird sich wohl durchsetzen – heißt das also, dass der Schuldenberg immer größer wird? Nicht unbedingt, wie die Deutsche Bank in einer sehr aufschlussreichen Studie (leider kein Link) gezeigt hat. Das Team um Gilles Moec spricht von einem New Fiscal Realism 3 also einer weiteren Abkehr von der Sparorthodoxie zu Beginn der Krise.

Angesichts einer anhaltenden Phase gering ausgelasteter Kapazitäten, einer Geldpolitik, die an ihre Grenzen stößt und wenigen Impulsen vom Wechselkurs kehre nun – endlich würde ich sagen – die Fiskalpolitik als Instrument zurück. Das passiere auch, auch weil die Regierungen in den Krisenstaaten nach den Europawahlen unter dem extremen innenpolitischen Druck stehen, neben Reformen auch etwas gegen die akute Nachfrageschwäche zu tun.

Die Deutsche Bank rechnet verschiedene Szenarien durch – und kommt zu dem Ergebnis, dass eine expansivere Fiskalpolitik für einige Jahren unter dem Strich bei der Konsolidierung hilft, weil durch die Mehrausgaben die Wirtschaft angekurbelt wird und so höhere Steuereinnahmen anfallen und durch staatliche Investitionen die Wirtschaftskraft gestärkt wird.

Anders gesagt: Schulden lassen sich mit Schulden bekämpfen. Hier ist das Ergebnis (Lesehilfe: Die dunkelblaue Linie V1 ist gewissermaßen die baseline, V2 entspricht einer fiskalischen Expansion um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr bis das strukturelle Primärdefizit bei Null ist und V3 einer permanenten Expansion um 0,5 Punkte).

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Keine Frage: Die Sache funktioniert nur, wenn einige Rahmenbedingungen gelten. Die Deutsche Bank rechnet mit einem Fiskalmultiplikator von 1,2: Eine Ausgabenerhöhung um 1,0 Einheiten steigert das Wachstum um 1,2 Einheiten (im Szenario V4 wird mit 0,8 gerechnet). Das ist viel, in dieser Situation aber plausibel. Überdies wird davon ausgegangen, dass die EZB die Fiskalpolitik akkommodiert, also verhindert, dass staatliche Mehrausgaben zu höheren Zinsen führen. Aber auch das ist realistisch. Und natürlich muss die Politik zu einer solchen Feinsteuerung überhaupt in der Lage sein, und muss die Konsolidierung rechtzeitig wieder aufnehmen.

Aber insgesamt gilt: Weniger sparen rechnet sich.