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Einkommensverteilung besser messen!

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Um wirtschaftspolitische Empfehlungen auszusprechen, ist eine solide Datenbasis nötig. Wer die Einkommensverteilung realistisch darstellen will, betritt ein besonders sensibles Gebiet. Wie hat sie sich in Deutschland tatsächlich entwickelt? Hat sich die Einkommenskonzentration verstärkt? Hatten Wirtschaftskrisen darauf Einfluss, und wenn ja welchen?

Für die Einkommensverteilung in Deutschland gibt es nicht allzu viele Daten. Die Trends werden im Wesentlichen aufgrund der Haushaltssurveys des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) beurteilt. Nach den Ergebnissen des SOEP scheint in den 2000er Jahren die Ungleichheit ohne engeren Bezug zur Konjunkturentwicklung zunächst anzusteigen und sich seit 2005 seitwärts oder gar rückwärts zu entwickeln. Offenbar schlug die bessere Situation am Arbeitsmarkt auf die Entwicklung durch.

Das SOEP erhebt die Einkommenssituation einzelner Personen (personale Einkommensverteilung) durch Umfragen. Dabei kann auch die Einkommensentwicklung von Personengruppen abgebildet werden, die keine Steuererklärung abgeben, wie Geringverdiener, Arbeitslose sowie Rentner und Pensionäre. Dagegen sind Spitzeneinkommen, die viel stärker auf den Konjunkturverlauf reagieren, im SOEP unterrepräsentiert.

Daher schlägt eine Autorengruppe um Andreas Peichl vom Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW) vor, die SOEP-Daten durch sogenannte administrative Steuerdaten zu ergänzen. Diese decken den Hocheinkommensbereich – in der Regel Kapitaleinkommen – weitaus besser ab. Zu erwarten ist, dass in konjunkturellen Boomjahren die Einkommen vor allem im oberen Bereich zugenommen haben. Genau dies bestätigen die Daten: Die Ungleichheit hat seit 2003 bis zur Wirtschaftskrise 2009 kontinuierlich zugenommen und ist erst in der Krise zurückgegangen.

Werden beide Datensätze betrachtet, können also wirtschaftspolitische Empfehlungen besser fundiert werden – auch aktuelle Verteilungsveränderungen lassen sich verlässlicher einschätzen, so das Fazit der drei Autoren in der Oktober-Ausgabe des Wirtschaftsdienst.

Moritz Drechsel-Grau, Andreas Peichl, Kai Daniel Schmid: Einkommensverteilung und gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Spitzeneinkommen – ein Missing-Link, in: Wirtschaftsdienst 10/2015