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Anfa – ein Skandal?

 

Nach der Welt berichten nun auch FAZ und SZ ausführlich über die Anleihekäufe der nationalen Notenbanken im Rahmen des sogenannten Anfa-Abkommens (Agreement on Net Financial Assets).

Was hat es damit auf sich? Wurden hier heimlich die Märkte mit Geld geflutet?

Informationen über dieses Thema sind schwer zu bekommen, denn das Abkommen ist nicht öffentlich. Hier meine Einschätzung der Lage auf Basis einiger Gespräche, die ich geführt habe.

Worum es geht: Das Abkommen kann eigentlich nur in seinem historischen Kontext verstanden werden. Bei der Gründung der EZB hatten viele nationale Notenbanken neben der Geldpolitik noch zahlreiche andere Aufgaben – unter anderem das Management von Währungsreserven. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, ließen sie sich gewisse Sonderrechte einräumen – unter anderem eben den Ankauf von Assets auf eigene Rechnung.  Teilweise ging es dabei auch schlicht darum, durch solche Geschäfte Rendite zu erwirtschaften.

Wie es funktioniert: Wie jedes andere Offenmarktgeschäft. Die nationalen Notenbanken erwerben Anleihen auf dem Sekundärmarkt und schreiben den entsprechenden Betrag den verkaufenden Banken gut. Wichtig: Es geht hier also um den Ankauf von Assets durch die Schaffung von Liquidität durch die Zentralbanken – nicht etwa um Umschichtungen im Rahmen von Pensionsverpflichtungen. Insofern sind Anfa-Käufe also geldpolitisch relevant, auch wenn sie auf dem Papier nicht explizit geldpolitischen Zwecken dienten. Welche Notenbank wie viele Anleihen kaufen darf, regelt das besagte Geheimabkommen. Dabei bekommen die entsprechenden Banken bestimmte Maximalvolumina gutgeschrieben, sie können aber auch zum Abbau eines Portfolios verpflichtet werden. Die Geschäfte müssen verzinst werden, der Zins wird an die Gemeinschaft – also das Eurosystem – abgeführt.

Von welchen Summen wir sprechen: Nach Angaben der EZB beläuft sich die Gesamtsumme auf 575 Milliarden Euro, wobei sich in den Krisenjahren ein deutlicher Anstieg ergab. Besonders aktiv waren die italienische, die französische und die irische Notenbank. Irland hat mithilfe des Anfa-Abkommens praktisch seine Bankenrettung finanziert – schon damals gab es eine Debatte über den Sachverhalt. Die Bundesbank macht keinen Gebrauch von ihrem Kontingent.

Ist das nun ein Skandal? Das kommt darauf an, was man unter Skandal versteht. Ist dadurch die geldpolitische Disziplin dergestalt aufgeweicht worden, dass mehr Liquidität geschaffen wurde, als es der geldpolitischen Ausrichtung der EZB entsprach? Wenn ich es richtig verstehe, dann ist das nicht der Fall. Der EZB-Rat hat einen Überblick über das Gesamtvolumen und wenn eine Notenbank viel kauft, dann kaufen die anderen weniger. Aus diesem Grund müssen die Geschäfte auch verzinst werden – eine Notenbank, die im Rahmen des Anfa-Abkommens Wertpapiere kauft, reduziert quasi den Spielraum für die anderen Notenbanken, sich an geldpolitischen Operationen zu beteiligen und damit Gewinne zu machen. Der Zins ist dafür die Gegenleistung.

Also alles in Ordnung? Nein. Es ist in jedem Fall ein höchst intransparenter Vorgang. Und offensichtlich gibt es keine Kontrolle über die Verwendung der zugeteilten Quoten. Die italienische Notenbank konnte also durchaus auch ohne Ratsbeschluss vor QE Staatsanleihen kaufen und damit das Zinsniveau des Landes beeinflussen. Das ist in einer Währungsunion eine Anomalie. Deshalb wäre es sinnvoll, das Abkommen zu kassieren oder zumindest soweit zu verändern, dass der Rat die volle Kontrolle über alle geldpolitisch relevanten Operationen hat. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.