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Es sind nicht nur die Ölpreise!

 

Bisher wurde der starke Anstieg der europäischen Inflationsraten von den meisten Analysten mit der Verdopplung der Ölpreise seit Januar 2016 begründet. Da das nur ein vorübergehender Effekt sei, würde es im späteren Verlauf von 2017 wieder zu einem Rückgang kommen. Denn bei der Kernrate, der Inflationsrate ohne Öl, habe sich nichts getan, sie liege immer noch in der Nachbarschaft von ein Prozent.

Das stimmt, trotzdem sieht es danach aus, dass die Inflationsprognosen für 2017 deutlich nach oben korrigiert werden müssen. Die Preise steigen auf breiter Front, und offenbar nachhaltig, so dass die EZB demnächst darüber diskutieren muss, ab wann sie ihre expansive Politik beenden sollte. Der Wendepunkt rückt näher.

Weil die Konjunktur wegen des schwachen Euros und der niedrigen Zinsen so gut läuft, fällt es inzwischen leicht, die Preise zu erhöhen. Die Löhne steigen nur moderat, immerhin aber real wieder mit positiven Raten. Zuletzt hatte die EZB für dieses Jahr mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,3 Prozent gerechnet, dürfte den Wert aber schon in diesem Monat auf rund 1,8 Prozent korrigieren. Sie hätte damit ihr selbstgestecktes Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent erreicht und könnte, ohne ihr Gesicht zu verlieren, mit einer Normalisierung der Zinsen beginnen. Real lägen die Leitzinsen, wenn es tatsächlich zu dieser Inflationsrate kommt, weit im negativen Bereich. Das ist nicht mehr angemessen.

Grafik: Erwerbstätige im Euroraum und in Deutschland

Deutschland ist zurzeit die Konjunkturlokomotive. In den sechs Monaten bis Januar hat sich die Anzahl der Erwerbstätigen mit einer annualisierten Rate von erstaunlichen 1,8 Prozent erhöht. Aber wie die Grafik zeigt, ist Euroland als Ganzes seit Mitte 2013 ebenfalls zusehends in Schwung gekommen. Leider gibt es nur Zahlen bis zum dritten Quartal 2016 – damals übertraf die Beschäftigung ihren Vorjahresstand bereits um nicht weniger als 1,2 Prozent; ich vermute, dass wir inzwischen bei plus 1,5 Prozent angekommen sind.

Im Februar betrug die Inflation bei den Verbraucherpreisen in Deutschland 2,2 Prozent, im Euroraum insgesamt 2,0 Prozent. Ohne Energie gerechnet lag die deutsche Inflationsrate bei 1,7 Prozent.

Dass die Ölpreise fast keine Rolle mehr spielen, zeigt sich übrigens auch daran, dass die deutschen Erzeugerpreise ohne Energieträger in den sechs Monaten bis Januar mit einer Verlaufsrate von 3,1 Prozent zugelegt hatten, die Ausfuhrpreise, die bekanntlich nicht viel mit Öl zu tun haben, sogar mit einer Rate von 3,7 Prozent.

All das muss vor dem Hintergrund der amerikanischen Entwicklungen gesehen werden. Die Trump-Regierung ist dabei, die Staatsausgaben kräftig zu erhöhen, vor allem für’s Militär, die Steuern zu senken und Handelsbarrieren zu errichten. Das wird die US-Inflation, die im Januar bereits 2,5 Prozent erreicht hatte, noch einmal beschleunigen. Da Vollbeschäftigung herrscht, wird der Fed nichts anderes übrig bleiben, als die Funds Rate, deren Obergrenze heute bei 0,75 Prozent liegt, am 15. März, also der nächsten FOMC-Sitzung, zu erhöhen. Sie wäre dann nach objektiven Kriterien trotzdem immer noch viel zu niedrig.

Wenn die EZB nicht reagiert, ist abzusehen, dass der Euro weiter gegen den Dollar abwerten wird. Angesichts einer Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent wäre das nicht schlecht, aber ich bezweifle, dass das strategisch sinnvoll ist. Die europäische Konjunktur hängt ohnehin schon zu sehr vom Außenhandel ab und ist damit gegenüber ausländischen Einflüssen zu stark exponiert. Wer die Inlandsnachfrage stärken möchte, darf seine Güter und Dienstleistungen nicht de facto den Ausländern schenken. Für das weltwirtschaftliche Gleichgewicht wäre viel gewonnen, wenn der europäische Überschuss in der Leistungsbilanz durch einen festeren Euro vermindert würde.

Mit anderen Worten, es sieht auch hierzulande zunehmend nach höheren Leitzinsen aus. Sie wären nicht zuletzt eine vorsorgliche Maßnahme gegen die Übertreibungen, die zurzeit an den Aktienmärkten zu beobachten sind.