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Die EZB – eine Freundin des deutschen Steuerzahlers

 

Von den finanziellen Verbindlichkeiten des deutschen Staates, wie sie die OECD zuletzt berechnet hat – brutto 2,4 Billionen Euro und netto 1,25 Billionen Euro in diesem Jahr – befanden sich Ende September 2017 426 Mrd. Euro in den Büchern des Eurosystems. Dessen Bond-Ankaufprogramm bedeuten wirtschaftlich, dass der deutsche Staat in dieser Höhe indirekt bei sich selbst verschuldet ist. Durch diese Maßnahmen hat sich nicht nur der Umlauf an Wertpapieren am Markt, sondern per saldo auch der Schuldendienst deutlich vermindert. Die Zinsen, die auf die Schulden zu zahlen sind, kommen nämlich ganz oder teilweise als Erträge des Eurosystems über die Bundesbank an den deutschen Fiskus zurück. Allerdings sind die Zinsen, die der Schuldner „Deutschland“ zurzeit zahlt, äußerst gering, so dass die Zinserträge de facto ebenfalls sehr niedrig sind und die Bundesbank zudem wegen der Abschreibungen auf die über pari gekauften Anleihen sogar einen kleinen Verlust ausweist.

Für das Eurosystem liegen die Kosten der Finanzierung der Wertpapierbestände in der Nähe von Null, da auf die wichtigsten Passivposten, Bargeldumlauf und Bankeinlagen, keine Zinsen zu zahlen sind (auf letztere zumindest nicht zur Zeit). Wegen des „Strafzinses“ von 0,4 Prozent, den Banken auf ihre Überschussreserven zu entrichten haben, werden aktuell auf der Passivseite der Bilanz sogar Einnahmen generiert. Da Deutschland Anteilseigner des Eurosystems ist, belaufen sich seine staatlichen Verbindlichkeiten „netto-netto“, also netto (siehe die folgende Tabelle) abzüglich der vom Eurosystem gehaltenen Schulden, auf etwa 800 Mrd. Euro oder 24,5 Prozent des diesjährigen deutschen BIP von schätzungsweise 3.260 Mrd. Euro. Besser geht es kaum.

Tabelle: Finanzielle Verbindlichkeiten der Staaten (brutto u.netto) in Prozent des BIP

Insgesamt hat die Geldpolitik sehr positive Auswirkungen auf die finanzielle Situation des Staates. Noch mehr gilt das übrigens für Länder wie Frankreich, Italien und Spanien, die mit viel höheren Schulden zu kämpfen haben. Durch die Ankaufprogramme haben sich deren Schulden gegenüber Dritten, also dem Markt, entsprechend weniger erhöht. Das schlägt sich unter Anderem in den niedrigen Renditespreads gegenüber Bundesanleihen nieder. Außerdem wagt in diesen Tagen niemand mehr, auf ein Auseinanderbrechen des Euro zu wetten.

Es ist nicht vorgesehen, dass das Eurosystem eines Tages sämtliche deutschen Staatsschulden in ihren Büchern hat und der Staat dadurch „netto“ quasi schuldenfrei wäre. Das Eurosystem wird, Stand heute, von keiner Anleihe und keinem Emittenten mehr als 33 Prozent des Emissionsvolumens erwerben, nicht zuletzt damit der Rentenmarkt liquide bleibt, der private Sektor also Geld in diesen Papieren anlegen und mit ihnen handeln kann. Die Bilanzsumme des Eurosystems beträgt gegenwärtig rund 40 Prozent des Euroraum-BIP. Ende September 2018, wenn das Ankaufsprogramm der EZB ausläuft, dürften es etwa 42 Prozent sein. Dieser Wert verblasst gegenüber den japanischen Zahlen (zurzeit 92,2 Prozent) – die Bank von Japan sterilisiert einen deutlich größeren Teil der Staatsschulden als das Eurosystem. Dennoch sind die Renditen selbst für langlaufende Staatsanleihen nur wenig höher als null Prozent. Die Marktteilnehmer haben bisher keine Probleme mit dieser Strategie.

Natürlich nennt sich das, was das Eurosystem betreibt, im Volksmund „Gelddrucken“. Es ist aber systemgerecht in einer Zeit, die durch Deflationsrisiken, niedrige Lohnsteigerungen und eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist. Wie sonst lässt sich erklären, dass am Markt keine Risikoprämien für diese „leichtfertige“ Politik verlangt werden und auch der Wechselkurs des Euro nicht darunter leidet.

Ich vermute, dass die deutsche Staatsschuld, die vom Eurosystem gehalten wird, auf lange Zeit dort bleiben wird und netto nicht zurückgezahlt werden muss. Erst wenn die Inflation eines Tages aus dem Ruder zu laufen droht, könnte sich das ändern, vorläufig also nicht. In ihrem jüngsten Statement hat die EZB geschrieben: „Das Eurosystem wird die Tilgungsbeträge der im Rahmen des APP erworbenen Wertpapiere nach Abschluss des Nettoerwerbs von Vermögenswerten für längere Zeit und in jedem Fall so lange wie erforderlich bei Fälligkeit wieder anlegen.“ Die Steuerzahler können sich freuen.