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Keiner hat Angst vor der Inflation – ich auch nicht

Am vergangenen Wochenende gab es in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel mit diesem Titel, nur dass hinter dem Gedankenstrich die Wörter „wir schon“ standen. Die Autorin wollte den Lesern den Erwerb von inflationsgeschützten Anleihen schmackhaft machen, weswegen sie zeigen musste, dass es über kurz oder lang wieder zu steigenden Inflationsraten kommen wird, dass man also als Anleger Handlungsbedarf hat. Leider gab es kein einziges Argument, dass ich überzeugend fand (obwohl inflationsindexierte Bundesanleihen zur Risikostreuung sehr nützlich sind). Weiter„Keiner hat Angst vor der Inflation – ich auch nicht“

 

Investieren in Zeiten der Rezession und Deflation

Nach dem jüngsten Working Paper von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff („The Aftermath of Financial Crises“) entwickelt sich die gegenwärtige Finanzkrise genau nach Plan, also genauso wie ein Dutzend frühere Krisen in verschiedenen Ländern. Das ist beängstigend. Denn Krisen, die mit einem Verfall der Vermögenspreise einhergehen, sind besonders tief und halten lange an. Die Arbeitslosenquote steigt im Durchschnitt um sieben Prozentpunkte, das reale Pro-Kopf-BIP sinkt von der Spitze bis zum Tiefpunkt um nicht weniger als 9,3 Prozent, und die Staatsschulden erhöhen sich um 87 Prozent.

Anleger sollten realistisch sein und solche Entwicklungen als Arbeitshypothese verwenden – auch wenn es hoffentlich nicht so schlimm kommen wird. Stagnierende oder fallende Preise, also Deflation, gehören mit ins Bild, ebenso wie rückläufige Unternehmensgewinne und Rohstoffpreise. Staatsanleihen, ausgewählte Unternehmensanleihen und inflationsindizierte Anleihen sind immer noch erste Wahl.

Auch wenn sich die Notenbanker und Finanzpolitiker noch so viel Mühe geben und vielfach über ihren professionellen Schatten springen, sie werden zunächst nicht viel bewirken. Wir müssen uns darauf einrichten, dass wir mehrere Jahre mit der Rezession leben müssen.

Ausführliches zu den jüngsten Entwicklungen in den wichtigsten Industrieländern und Russland und den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – January 2009*) (pdf, 238 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Depression Economics

„The Return of Depression Economics and the Crisis of 2008“ heißt das im Dezember erschienene Buch von Paul Krugman, dem Nobelpreisträger des vergangenen Jahres. Es ist eine Aktualisierung seines 1999 im Anschluss an die Asien- und LTCM-Krise veröffentlichten Buches, klar und unterhaltsam geschrieben, ohne ökonomischen Jargon. Bekanntlich ist Krugman ein vielgelesener Blogger und Kolumnist der New York Times, und, obwohl er erst 55 Jahre alt ist, Autor, Mitautor oder Herausgeber von mehr als 200 wissenschaftlichen Artikeln und zwanzig Büchern – eine Art Wunderkind der Profession -, außerdem schon von Geburt an Keynesianer, scheint es. Dass Märkte nicht von sich aus zu stabilen Verhältnissen tendieren, wusste der Princeton Professor schon, als viele Ökonomen, die heute laut nach dem Staat und einer Stimulierung der Nachfrage rufen, noch Neo-Klassiker, Supply Siders oder Monetaristen waren. Weiter„Depression Economics“

 

Ein Konjunkturprogramm sieht anders aus

Nehmen wir an, die deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr, gemessen am realen BIP, um 3 Prozent im Vergleich zu 2008, dann führt das zu einer Zunahme der Output-Lücke um etwa 4 Prozentpunkte. Ich habe dabei angenommen, dass das sogenannte Potentialwachstum des realen BIP ein Prozent pro Jahr beträgt.

Um diese Lücke eins zu eins zu schließen, müsste der Staat 2009 durch Senkung von Steuern und Abgaben sowie Mehrausgaben eine zusätzliche Nachfrage von etwa 100 Mrd. Euro schaffen. Wohlgemerkt, allein 2009. Davon kann bei dem neuen Konjunkturpaket auch nicht annähernd die Rede sein. Es geht um 50 Mrd. Euro, verteilt auf zwei Jahre, also um nicht einmal 25 Mrd. Euro, die in diesem Jahr wirksam werden. Das wird nicht reichen, wenn das Ziel sein soll, eine Rezession frühzeitig zu beenden, geschweige denn sie zu vermeiden. Weiter„Ein Konjunkturprogramm sieht anders aus“

 

EZB: neue Aufgaben, neue Ziele

Die Krise zeigt, dass die geldpolitische Verfassung Europas nicht so wetterfest ist wie gedacht, dass es zu Entwicklungen gekommen ist oder kommen könnte, mit denen in der Gründungsphase des Eurosystems nicht gerechnet wurde. Die Finanzbranche ändert sich augenblicklich auf dramatische Weise, und mit ihr die Rolle der Notenbanken.

Auch bei der EZB und dem Vertrag von Maastricht gibt es Reformbedarf. Mehr als bei nationalen Zentralbanken haben wir es bei der Währungsunion mit einem „work in progress“ zu tun – die Anzahl der Akteure und ihrer Beziehungen untereinander ist in der EWU ungleich viel größer als in den einzelnen Ländern, mit steigender Tendenz, da der Euroraum im Endstadium ganz sicher größer sein wird als heute. Weiter„EZB: neue Aufgaben, neue Ziele“

 

Deflation im Euroland

Am heutigen Dienstag gab es die erste offizielle Schätzung für die harmonisierte Verbraucherpreisinflation in Euroland im Dezember: im Vorjahresvergleich sind wir jetzt bei +1,6 Prozent angekommen. Ich habe mal vorsichtshalber ein Pluszeichen vor die Zahl gesetzt, weil es möglicherweise nicht mehr lange dauert, bis aus dem Plus ein Minus wird. Saisonbereinigt lag der Preisindex im Dezember um 0,7 Prozent unter dem Wert vom letzten Juni, woraus sich eine Verlaufsrate von –1,4 Prozent berechnet. Da ist das Minuszeichen bereits! Man kann es auch so sagen: Wenn der Trend der letzten sechs Monate anhält, werden wir im nächsten Juni im Vorjahresvergleich –1,4 Prozent erreichen. Das ist bisher aber noch keineswegs Konsens. Weiter„Deflation im Euroland“

 

Für Anleger gibt es auch Lichtblicke

Obwohl ziemlich sicher ist, dass die Rezession noch längst nicht zu Ende ist und uns vermutlich doch eine Deflation ins Haus steht, ist die Lage aus Anlegersicht nicht hoffnungslos. Selbst Staatsanleihen, die schon eine fulminante Rallye hinter sich haben, sind noch keineswegs ausgereizt. Man denke nur an Japan!

Der Einbruch der Rohstoffpreise, insbesondere der Ölpreise, hat die Kaufkraft der Verbraucher unerwartet stark verbessert. Da die Preise weiter rückläufig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie weiter gestärkt wird. Die Konsumenten von Rohstoffen gehören zu den großen Gewinnern der Krise. Auch die stark fallenden Preise für Nahrungsmittel stärken die Kaufkraft. Vermutlich werden die Verbraucher daher eine wesentliche Rolle bei der Überwindung der Rezession spielen.

Ein weiterer Gewinner in der globalen Krise dürfte der Euro sein. Euroland leidet weniger als andere Teile der Welt unter Ungleichgewichten, und die Wirtschaftspolitiker geben nur vorsichtig Gas. Noch sieht es nicht danach aus, dass sie in Panik verfallen und die Geldpressen anwerfen. Ich vermute allerdings, dass sie letztlich nicht darum herum kommen werden. Die Frühindikatoren für die Konjunktur lassen das Schlimmste befürchten. Zunächst gehe ich davon aus, dass der Euro in Kürze wieder sein altes Hoch von 1,60 Dollar erreichen wird. Ab dann werden die Konjunkturpakete und geldpolitischen Maßnahmen eine andere Qualität gewinnen.

Dies ist die Zeit für Sparer und alle, die über Liquidität verfügen. In der Krise wird die Basis für eine gute Performance gelegt. Da der Abschwung an Fahrt zu gewinnen scheint, dürften die Gewinne der Unternehmen im Allgemeinen erst einmal weiter fallen, was den Kursen nicht gut tun wird. Aber einige, einst als langweilig apostrophierte Aktien werden sich gut behaupten, beispielsweise die von Versorgern oder Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie. Auch die meisten Versicherungen sind sehr billig zu haben – sie haben nicht mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die Banken, sind aber genauso abgestraft worden.

Ausführliches zu den Aussichten für Aktien, Bonds, Rohstoffe und Wechselkurse in meinem neusten Investment Outlook:

Wermuth’s Investment Outlook – December 2008*) (pdf, 205 KB)

*) Den Investment Outlook von Dieter Wermuth in englischer Sprache gibt es einmal im Monat und er wird zunächst kostenlos auf Herdentrieb zum Herunterladen bereitgestellt. (ur)

 

Zauberlehrling löst Dollarschwemme aus

So, jetzt kann die Fed die Zinsen nicht weiter senken. Seit Dienstag liegt die Zielmarke für die Fed Funds Rate im Bereich der Null Prozent Grenze. Wie Ben Bernanke am 1. Dezember in einer Rede noch einmal klarstellte, ist die Fed dadurch aber keineswegs mit ihrem Latein am Ende. Jetzt wird die Wirtschaft mit Liquidität überschwemmt, und es wäre ja gelacht, wenn es nicht gelingen würde, die Kaufkraft des Greenbacks wieder zu vermindern. Denn darum geht es: Deflation zu vermeiden, und möglichst rasch zu einer Inflationsrate von etwa 2 Prozent zurückzukehren, also zu einer jährlichen Entwertung des Geldes in dieser Größenordnung, was nach dem aktuellen Verständnis der führenden Notenbanken als Preisstabilität gilt.
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Schwarze Löcher und die Zukunft des Euro

Heute morgen gab es in der Süddeutschen Zeitung einen lesenswerten Bericht von Moritz Koch zum Thema Depfa und schwarze Löcher. Der einstmals mausgraue Wiesbadener Hypothekenfinanzierer, seit 2007 eine Tochter der Münchner Hypo Real Estate, hatte sich binnen weniger Jahre vom neuen Firmensitz Dublin aus zu einer der profitabelsten Banken weltweit entwickelt – dank eines gewaltigen Schuldenhebels, einer vermeintlich verlässlich positiv geneigten Zinsstrukturkurve und immerfort liquiden Geldmärkten, auch für die exotischsten und undurchsichtigsten Konstrukte. Der Fokus lag auf Geschäften mit öffentlichen Schuldnern, denen die Depfa entweder direkt Kredite mit variablen, also kurzfristigen Zinsen gab, oder gegen eine Gebühr als Käufer letzter Instanz für die Geldmarktpapiere öffentlicher Emittenten fungierte. Vor allem in den USA wurden offenbar de facto mit kurzfristigem Geld langfristige Infrastrukturprojekte finanziert.
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Niemand hat Angst vor Inflation

Die Notenbankzinsen sind in den wichtigsten Ländern entweder im freien Fall, oder sie sind bereits nahe Null. Gleichzeitig überbieten sich die Regierungen mit finanzpolitischen Rettungsprogrammen (Deutschland ausgenommen). Expansiver könnte die Wirtschaftspolitik im Moment nicht sein. Die Angst vor einer globalen Rezession ist aber offenbar so groß, dass die Anleger aus diesem Aktionismus nicht etwa folgern, dass das über kurz oder lang zu deutlich steigenden Inflationsraten führen wird.
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