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Das ist das Abu Ghraib des Vatikans

 

So nennt der amerikanische Konservative Christopher Buckley den Skandal um die Pius-Brüder und den Antisemitismus von Bischof Williamson. Die Analogie bezieht sich auf den moralischen Bankrott der Amtszeit Benedikts (so wie Bush mit Abu Ghraib in seinem moralischen Anspruch finished war), und darin ist sie korrekt.

Man lese den Text von Buckley, um sich zu überzeugen, dass es noch anständige Konservative mit den richtigen moralischen Reflexen gibt.

Mir ist immer noch schlecht, wenn ich an den Kurs des deutschen Papstes denke. 

Er hat kein Problem damit, das Abendmahl zwischen Protestanten und Katholiken zu verwerfen, aber die Heimholung der Pius-Brüder in die Abendmahlsgemeinschaft ist ihm so wichtig, dass alle kirchenpolitischen und kirchendiplomatischen Bedenken über Bord geworfen werden. 

Welch ein Rückschritt gegenüber dem polnischen Papst, der das Verhältnis zum Judentum normalisiert hatte! 

Ich bin in der  katholischen Kirche aufgewachsen, die mit dem jungen polnischen Papst (58) einen neuen Vitalitäts-Schub bekam. Ich war 13, als er geweiht wurde, und begeisterter Messdiener. Das menschenfreundliche, offene Wesen dieses Mannes hat uns selbst noch in unserer Dorfgemeinde im Rheinland bewegt. Ich habe diesen Papst von ganz nahe gesehen, als Pilger auf dem Petersplatz  in Rom, noch vor dem Attentat, nachdem dann das „Papamobil“ angeschafft wurde. Zu Zeiten der Solidarnosc sammelten wir Hilfsgüter und schickten sie nach Polen.

Dieser Mann war unmißverständlich konservativ in seiner Theologie, er war ein glühender Antikommunist, und doch war er ein einnehmender, großzügiger Mensch mit einem klaren politisch-moralischen Kompass. Das hatte sicher damit zu tun, dass er ein Mann des Widerstands gegen den Totalitarismus war (erst gegen den der Nazis im besetzten Polen, dann der Kommunisten). Er war ein Zeuge des Jahrhunderts, ein wahrer Fels.

Obwohl ich nun lange schon nicht mehr der katholischen Kirche angehöre, sondern der evangelischen „Religionsgemeinschaft“ (die wir in den Augen von Prof. Ratzinger bloss sein dürfen), schmerzt mich die Verengung der kirchlichen Lehre unter dem Amtsverständnis des deutschen Papstes. 

Leichtfertig wird die moralische Autorität der Kirche verpulvert für die kleinsten Dinge (jedenfalls dann, wenn man die Einheit der Kirche mit den Pius-Brüdern nicht so erstrebenswert findet). 1982 hatte ein Lefebvre-Anhänger versucht, Johannes Paul II zu ermorden, um die Kirche vor den Folgen des Vaticanums II zu „retten“. Und die Einheit mit diesen Leuten ist nun wichtiger als der Dialog mit den Juden? Oder mit den deutschen Protestanten?

Nun wird die Öffnung der Kirche zur Welt und zu den anderen Religionsgemeinschaften, die mit dem Vaticanum erreicht worden war, vom Papst selbst in Frage gestellt. Der deutsche Papst ist zu ängstlich, zu kleinlich, zu engherzig  um zu verstehen, dass der Schub aus dem Vaticanum II massgeblich zum Appeal des Westens in der modernen Welt beigetragen hat: Kennedy, Wohlfahrtsstaat, die Beatles, die Mondfahrt, und dazu eine Kirche, die ihren fanatischen Kampf gegen Aufklärung, Demokratie und Menschenrechte (jawohl!) aufgegeben hatte, und sich nun sogar ganz auf deren Seite schlug und zu entdecken begann, wie ihr eigenes Erbe die Entwicklung dieser westlichen Werte sogar befördert hatte. Eine Kirche, die nicht mehr Angst hatte und Angst predigte, sondern Versöhnung, Respekt und Menschenrecht und Liebe. 

Der deutsche Papst aber kann in dieser Wende offenbar nur Dekadenz und Verfall sehen, und das macht ihn anfällig für die Extremisten in den eigenen Reihen.

Es tut mir leid um die Kirche, der ich vieles verdanke.