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Von der Fatwa zum Dschihad

 

Es ist hinzuweisen auf das interessante Buch eines Kollegen, den ich hier bereits öfter erwähnt haben: Kenan Malik, britischer Intellektueller mit indischer Herkunft.

Malik hat ein Buch geschrieben über den Weg von der „Fatwa“ (Khomeini vs. Rushdie) zum „Dschihad“. Herausgekommen ist eine fundierte Kritik des Multikulturalismus von links, aus der Warte eines Aufklärers, der die universellen Werte der Aufklärung in der Politik der „communities“ untergehen sieht.

Malik glaubt, dass die Politik des Multikulturalismus eine falsche Antwort auf die Rassenkrawalle der 80er Jahre war. An die Stelle des Individuums als kleinster politischer Einheit wurde die Gruppe gestellt, die durch meist selbst ernannte Führer vertreten wurde. Antirassismuspolitik bestand dann darin, diesen Lautsprechern zu geben, was sie verlangten. Malik erkennt durchaus an, dass es in UK heute weniger Rassismus gebe als in seiner Jugendzeit. Aber der Preis ist die Aushändigung des Politischen an special interests.

Die Rushdie-Affäre war der Durchbruch in diesem Spiel. Fast alle Muslimgruppen im Vereinigten Königreich, die heute noch aktiv sind, sind aus dieser Affäre hervorgegangen.

In einem Rezensionsartikel der Times heisst es über Maliks Darstellung:

Khomeini’s Islamic truth was nonsense on stilts, nothing more than a Shia attempt to wrest power from the Sunnis and the Saudis. It worked. At a stroke, the fatwa provided a new, global identity for any already radicalised young Muslims. Suddenly, to his amazement, Malik saw hitherto secular, left-wing young Muslims turn into Islamic fundamentalists. Khomeini had legitimised their discontent by shifting their gaze from the universal enemy of racism to the specific image of one man and his book.

This happened in spite of the fact that, before the fatwa, most Muslim readers of The Satanic Verses had just shrugged. It was the intensity of the focus on one specific issue and the exploitation of the inanities of identity politics that made the fatwa so effective. Islamist patriarchs have learnt their lesson. The 2006 Danish cartoons portraying Muhammad were used in precisely the same way.

This supports one of the central arguments of Malik’s book: that Islamism is not, as some lazily say, a reversion to a pre-medieval world-view. Would that it were. There was never an Islam like that of Khomeini or Al-Qaeda; these are specifically modern movements. To this should be added the now well-established fact that the vast majority of Muslim terrorists come from the educated middle class, the sort of people who understand and can use modernity.

Such a view is a challenge to boneheads on both the right and the left. Some on the right have argued that Islamic terrorism is, somehow, intrinsic to Islam itself, that the Koran is a warmongering book. But all religion is interpretation and to hold such a view of Islam means rejecting at least 1,500 years of historical evidence to the contrary. On the left, terrorism is seen as a response to western evils, primarily colonialism. But we have been visiting evils on the Muslim world for centuries; we have only had Muslim terrorism for a few decades. The truth is that, as the publicity power of the fatwa and the cartoons made clear, modern terrorism is the creation of modernity. Al-Qaeda is one thing and one thing only: a brand.

Das entspricht meiner Position, die ich hier offenbar nicht immer erfolgreich zu erklären versuche:

– es ist sehr wichtig, dass der Westen sich nicht einschüchtern lässt, wo es um freie Meinung, freie Presse und Religionsfreiheit geht; darum war es richtig, die Karikaturen nachzudrucken, wie es etwa DIE  WELT und DIE ZEIT getan haben; und ich sage das, obwohl ich die Karikaturen nicht für gelungen halte und die dänische Debatte für vergiftet und teils xenophob

– zugleich ist es wichtig, keine kulturkämpferische Anti-Moslem-Politik zu verfolgen und darauf zu achten, dass die politische Sprache nicht von Vorurteilen und Ängsten vergiftet wird – denn sonst ist ein offener Diskurs nicht möglich; die Unterscheidung zwischen Islamismus und Islam ist wichtig und muss immer wieder getroffen werden, ohne dabei insgesamt „den Islam“ zu exkulpieren; auch im Islam per se gibt es wahrlich genug Problematisches; aber der Kampf gegen diejenigen Islamisten (und auch das sind nicht alle), die uns zum Feind erkoren haben und gegen unsere Gesellschaften und Werteordnungen kämpfen, kann nicht gelingen, wenn wir ihn mit dem Islam gleichsetzen

– im übrigen sollte das englisch Beispiel uns eine Warnung sein bei dem Versuch, über Lobbygruppen und Islamvereine das Problem der Integration zu regeln; mag sein, dass wir auf diesem Wege Probleme erst schaffen, statt sie zu lösen; und doch soll man auch mit dem organisierten Islam reden – wenn man ihn nicht fälschlicher Weise für das Ganze hält.