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Was Außenminister Westerwelle will

 

Die Internationale Politik, das Organ der DGAP, hat das erste Interview mit dem Schatten-Außenminister:

Westerwelle: Für viele Menschen in der Welt sind die USA immer ein Orientierungspunkt für Freiheit, Wohlstand und Gerechtigkeit gewesen. So haben auch viele Deutsche die USA über die schwierige Zeit des Kalten Krieges hinweg zu Recht gesehen – und übrigens auch jenseits des Eisernen Vorhangs, wo die USA immer eine enorme Anziehungskraft auf die Menschen ausgeübt haben. Dieses Bild hat in den vergangenen acht Jahren durch viele außen- wie innenpolitische Fehler der US-Administration Risse bekommen. Mit der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten haben die Amerikaner ihre Fähigkeit zum Politikwechsel beeindruckend unter Beweis gestellt. Dabei sind es weniger die Ziele als die Wege, die Barack Obama von seinem Vorgänger unterscheiden – Dialog statt Isolation, Einbindung statt Eindämmung, Kooperation statt Unilateralismus, Stärke des Rechts statt Recht des Stärkeren.

… Wir wollen und brauchen den engen Schulterschluss mit den USA.

(…)  Meine Partei hat es deshalb als schweres Versäumnis wahrgenommen, dass die Bundesregierung die Möglichkeit, den Prozess der Neuausrichtung amerikanischer Außenpolitik nach den Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen, ungenutzt hat verstreichen lassen. Die Bundesregierung hat die Chance vertan, sich mit eigenen Ideen und Vorschlägen einzubringen und damit die Neuausrichtung amerikanischer Geostrategie mit zu beeinflussen. Einer der Gründe hierfür liegt darin, dass die Begeisterung für Barack Obama in Deutschland nirgends so wenig geteilt wurde wie in der Bundesregierung.

(Das letztere ist schon mal ein ziemlicher Schienbeintritt für Merkel. JL)

IP: Was sagen Sie zu Afghanistan: Exit-Strategie oder Bekenntnis zum Engagement?

Westerwelle: Jeden Bundeswehreinsatz wollen wir so schnell wie möglich wieder beenden. Man sollte aber nicht den Eindruck erwecken, als wären Exit-Strategie oder Bekenntnis zum Engagement Alternativen, die zum gleichen Ziel führten. Jetzt aus Afghanistan abzuziehen hieße, das Land wieder radikalen Islamisten zu überlassen, die erst die eigene Bevölkerung terrorisieren und dann den Terror in die Welt tragen. Die Bilder von öffentlichen Hinrichtungen und die Zerstörung religiöser Stätten durch die Taliban sind mir noch ebenso gut im Gedächtnis wie der 11. September 2001. Beides darf es in Zukunft nicht mehr geben. Dass man dies nicht dauerhaft von außen garantieren kann, ist vollkommen klar. Deshalb müssen die Afghanen so schnell wie möglich in die Lage versetzt werden, selbst für die Sicherheit in ihrem Land zu sorgen, damit die Entwicklung in anderen Bereichen weiter voranschreiten kann.

Dann wird auch der Zeitpunkt gekommen sein, einen schrittweisen Abzug der internationalen Truppenpräsenz in Afghanistan einzuleiten. Bei der Polizeiausbildung ist die Bundesregierung zu lange ihren selbst eingegangenen Verpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen. Wer aber heute überstürzt abziehen will, der macht Kabul wieder zur Hauptstadt der Terroristen in der Welt. Wir sind nicht aus Altruismus in Afghanistan, sondern zum Schutz unserer eigenen Sicherheitsinteressen.

(Das sagen alle, aber wikrlich alle, außer der LINKEN. JL)
IP: Wie ist eine atomare Aufrüstung des Iran zu verhindern? Wie müsste der Umgang mit einer Atommacht Iran gestaltet werden? Und weiter: Wie wollen, wie können sich Deutschland und Europa für eine Friedenslösung in Nahost einsetzen?

Westerwelle: (…)

Eine Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm fällt den Beteiligten auch deshalb so schwer, weil ihr Verhältnis durch viele Traumata belastet ist. Einer der Schlüssel zur Lösung liegt ohne Zweifel im iranisch-amerikanischen Verhältnis. Präsident Obama hat in seiner Kairoer Rede einen Kurswechsel vollzogen und einen ersten mutigen Schritt gemacht. Mit seiner Würdigung der iranischen Kultur und seinem Angebot zu direkten Verhandlungen hat er sich deutlich von der Eindämmungs- und Eskalationspolitik seines Vorgängers abgegrenzt. Er hat seine Fähigkeit zur Deeskalation unter Beweis gestellt, ohne dabei naiv zu sein. Das ist auch deshalb richtig und wichtig, weil es den Hardlinern in Teheran die Möglichkeit nimmt, den Westen als Provokateur darzustellen, was gerade angesichts des innenpolitischen Drucks im Iran wieder versucht wird.

Ein weiterer Schlüssel zur Entschärfung des Atomstreits liegt in der Umsetzung des Nichtverbreitungsvertrags (NPT), also einer konsequenten Politik der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle. Zwei wesentliche Elemente des NPT-Vertrags sind das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt sowie das garantierte Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie. Je ernster die existierenden Atommächte ihre Verpflichtung für eine nuklearwaffenfreie Welt nehmen, desto glaubwürdiger werden sie auch gegenüber Staaten wie dem Iran, denen eine nukleare Bewaffnung verlockend erscheint.

Hinsichtlich des Rechts auf eine friedliche Nutzung der Atomenergie sind kreative Ansätze gefragt, die den Energieinteressen der einen ebenso gerecht werden wie den berechtigten Sicherheitsinteressen aller anderen. Die Idee der Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs ist eine Möglichkeit, die uns dabei vielleicht weiterhelfen könnte. Wie bei nahezu allen Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle kommt es auch hier auf eine lückenlose Kontrolle an. (…)

(Interessant ist die starke Festlegung auf Abrüstung. Volle Kontinuität zu Steinmeier. Ob Guido mehr bewegen kann? JL)

(…)

IP: Welche außenpolitischen Prioritäten setzen Sie?

Westerwelle: Wir Liberale wollen, dass sich Deutschland wieder an die Spitze jener Staaten stellt, die für eine konsequente Politik der Abrüstung und Rüstungskontrolle eintreten. Konsequente Abrüstung und Rüstungskontrolle bedeuten mehr Sicherheit und mehr Vertrauen. Den Trend der vergangenen Jahre – wachsendes Misstrauen und daraus folgend die Gefahr einer neuen Aufrüstungsspirale – gilt es durch eigene Abrüstungsinitiativen umzukehren. Wir haben es für einen großen Fehler gehalten, dass sich Deutschland zuletzt bei den Themen Abrüstung und Rüstungskontrolle so passiv gezeigt hat, obwohl unser Land bei diesem wichtigen Thema große Glaubwürdigkeit genießt.

(…)

Deutsche Außen- und Europapolitik war auch deshalb in den achtziger und neunziger Jahren so erfolgreich, weil wir die Interessen der kleineren Staaten ernst genommen und bei der Formulierung unserer eigenen Politikansätze berücksichtigt haben. Hierzu müssen wir wieder zurückfinden. Es ist ein Skandal, dass die Regierung in ihrer Politik gegenüber kleineren europäischen Ländern vor allen Dingen durch abfällige Worte aus dem Munde des Finanzministers aufgefallen ist.

(„Nimm dies, Steinbrück, Du böser Feind aller Steuerflüchtigen!“ Also das hätte er sich sparen können! JL)