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Guttenberg korrigiert sich – fast

 

Erst einmal denkt man: Respekt. Der Verteidigungsminister hat gestern vor dem Parlament seine Einschätzung revidiert, der Luftangriff vom 4. September  nahe Kundus in Afghanistan sei „militärisch angemessen“ gewesen.

Das hat schon eine gewissen Souveränität, dies so offen, schnell und in aller Öffentlichkeit (vor dem Parlament, nicht in einem Interview) zu tun.

Ich zitiere:

„Und jeder, der jetzt aus der Distanz, leise oder laut, Kritik übt, sollte sich selbst prüfen, wie man in dieser Situation gehandelt hätte. Und wie viel leichter erscheint es jetzt, sich ein Urteil über die Frage dieser Angemessenheit zu bilden, aus der Distanz mit auch für mich zahlreichen neuen Dokumenten, mit neuen Bewertungen, die ich am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte. Und diese weisen im Gesamtbild gegenüber dem gerade genannten Komm-ISAF-Bericht deutlicher auf die Erheblichkeit von Fehlern und insbesondere von Alternativen hin. Zu dem Gesamtbild zählt auch, ein durch das Vorenthalten der Dokumente leider mangelndes Vertrauen gegenüber damaligen Bewertungen.

Und ich wiederhole noch mal: Obgleich Oberst Klein – und ich rufe das auch den Offizieren zu, die heute hier sind – zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz aller Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht im Lichte aller, auch mir damals vorenthaltener Dokumente, militärisch nicht angemessen.“

Allerdings ist die Sache damit noch nicht erledigt. Denn erstens versichern Kenner des geheimen ISAF-Berichts, auch dieser gebe keine Grundlage für Guttenbergs erste Bewertung. Womit sich weiterhin die Frage stellt: Wie kam der neue Minister ohne Not dazu, einen Angriff, der den Isaf-Oberkommandierenden McChrystal in Rage versetzt hat, als militärisch notwendig hinzustellen? Wollte er sich bloss bei der Truppe beliebt machen?

Zweitens hat Guttenberg hier wieder nicht selbst Verantwortung für seine offenbare Fehleinschätzung übernommen, sondern schiebt die Sache auf ihm „vorenthaltene“ Dokumente. Mit anderen Worten: auf seine Mitarbeiter. Wäre es aber nicht die Pflicht eines neuen Ministers gewesen, in seinem Amt erst einmal aufzuräumen und eine Untersuchung (zumal eines so gravierenden Vorgangs) anzuordnen, bevor er sich so eindeutig einlässt wie in seiner Erklärung vom 6. November geschehen?

Drittens: Hat Guttenberg sich wirklich vor Oberst Klein gestellt? Er sagt ja, auch aufgrund der Bundeswehr eigenen Dokumente hätte man (hätte er sie denn gekannt) schon zu dem Urteil kommen müssen, der Angriff sei nicht angemessen gewesen. Der habe allerdings unter Druck gestanden. Dazu sagen mir Kenner der Lage vor Ort, es habe allerdings Druck auf Oberst Klein von verschiedenen Seiten gegeben (von den Alliierten, von den Afghanen, von der Öffentlichkeit), endlich mal draufzuhauen. Klein (oder die betreffenden Männer unter seinem Kommando) hätten in der Tanklasterentführung eine willkommene Gelegenheit gesehen, dies nun endlich mal zu tun. Wie dem auch sei: Kaum zu glauben, dass die Einlassung des Ministers keine juristischen Folgen für den Oberst haben wird.

Viertens hat Guttenberg, indem er die Verantwortung auf diejenigen umleitet, die ihm Dokumente „vorenthalten“ haben, das Kanzleramt ins Visier gerückt. Denn dort war jemand die ganze Zeit im Amt und (hoffentlich) mit Informationen gut versorgt. Die Kanzlerin hatte sich ja im Bundestag am 8. September in schneidendem Ton Vorverurteilungen „verbeten“. Und sie hatte lückenlose Aufklärung versprochen. Angeblich gab es in ihrem Umfeld (in dem Spiegelressort zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt) lange schon die Einschätzung, die sich Guttenberg jetzt zu eigen gemacht hat. Warum hat sie diese nicht kommuniziert? Weil Wahlen anstanden? Merkel wird sich bei Guttenberg bedanken, dass er ihr dieses Problem eingebrockt hat.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat versucht, sich durch seine Erklärung wieder zum Herrn des Verfahrens zu machen. Ich glaube, das ist ihm nicht gelungen.