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Warum Elvis den Islamismus besiegen wird

 

Ein sehr schöner Artikel von Alan Posener in der WELT zum 75. Geburtstag des King:

„Das Lustprinzip lässt sich verdrängen, aber die Kosten sind immens. Eine neurotische Gesellschaft ist auf Dauer der Konkurrenz mit einer befreiten Gesellschaft nicht gewachsen: „Everybody in the whole cell block/ Is dancing to the Jailhouse Rock.“

Auch darum kann der Westen in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit dem Islamismus mit einer ruhigen Siegesgewissheit agieren. Denn in gewisser Weise ist dieser Islamismus nichts anderes als eine verzweifelte Abwehr gegen die Anziehungskraft dessen, was Amerika und Elvis verkörpern.

Das wird nirgendwo deutlicher als in den Schriften Sayyid Qutbs, der mit der Muslimbruderschaft die erste Organisation des politischen Islam gründete. Qutb hatte bei einem Studienaufenthalt in Greeley, Colorado, die amerikanische Populärkultur kennengelernt und beschrieb sie so: „Sie tanzten zu den Melodien eines Grammofons, und der Boden war voller wippender Füße, anziehender Beine, Arme, die sich um Taillen wickelten, Lippen, die sich gegen Lippen, und Brüste, die sich gegen Brüste pressten. Die Luft war voller Lust?“ Qutb hatte diese schockierende Beobachtung 1949 bei einem vermutlich ausgesprochen gesitteten Tanzabend im Keller der örtlichen Kirche gemacht. Wie hätte er wohl auf die dionysische Enthemmung eines Elvis Presley reagiert?

Gegen den Rock ’n’ Roll konnte man Mauern und Störsender bauen – sie halfen nichts. Heute besitzt die Popkultur, deren Prophet Elvis war, mit dem Internet ein Instrument, das ganz andere Versuchungen frei Haus liefert. Nirgendwo in der Welt sind die Frauen stärker unterdrückt, nirgendwo die jungen Männer stärker frustriert als in der arabisch-muslimischen Welt. Und nirgendwo wird aus dem Internet mehr Pornografie heruntergeladen.

Gewiss doch, aus der sexuellen Frustration und moralischen Verwirrung dieser Babyboomer kann auch tödliche Gewalt entstehen, und sie entsteht auch. Das Phänomen der asketisch-moralischen Rebellion gegen die Welt des Konsums und der Enthemmung kennen wir auch in Deutschland, einschließlich ihrer tödlichen Variante, der RAF, die nicht zufällig eine ihrer Wurzeln im deutschen Pfarrhaus hat.

Aber am Ende kann die Doppelmoral dem elementaren Drang der Jugend nach Freiheit nicht standhalten. Und die elementarste aller Freiheiten ist die Freiheit, den eigenen Körper spüren, die eigene Lust leben zu dürfen. Keine Musik drückt diesen Drang klarer aus als der Rock ’n’ Roll – wie auch immer er sich nennt.“