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Warum der neue Irak sich über Osamas Tod freut

 

Gestern war der irakische Außenminister Hoschyar Zebari in Berlin. Ich hatte Gelegenheit, seinen Vortrag im Haus der DGAP zu hören. Zebari, ein Kurde, der seit Beginn des Umbruchs im Irak nach der US-Intervention 2003 als Außenminister dient, sprach über „Irak und den arabischen Frühling“.

Wenn er an den Irak von damals zurückdenke, dann war das ein Land unter Sanktionen, isoliert von der Weltgemeinschaft, verhasst bei den Nachbarn. Irak hatte das Völkerrecht mehrfach gebrochen, einen Angriffskrieg gegen Iran und einen gegen Kuwait geführt, es wurde von einer brutalen Dikatur regiert, und Kurden und Schiiten konnten nur dank der vom Westen durchgesetzten No-Fly-Zones im Norden und Süden überleben. Mehr als 80 Resolutionen des Sicherheitsrates waren gegen Irak ausgesprochen worden, ein historischer Rekord.

Heute, so Zebari, vertrete er ein Land, dass in die Arabische Liga zurückgekehrt sei, ebenso in die Organisation Islamischer Staaten. Irak sei nicht mehr der Feind seiner Nachbarn, alle Sanktionen seien aufgehoben worden. Mit dem Abzug der letzten US-Truppen stehe die volle Souveränität wieder zur Verfügung. Der nächste arabische Gipfel solle in Bagdad ausgerichtet werden – wahrscheinlich etwas später als geplant wegen des arabischen Frühlungs. Zebari verleugnete keineswegs die Probleme mit Korruption, schlechter Regierungsführung, mangelnder Infrastrukturentwicklung und dem Streit zwischen ethnischen und religiösen Gruppen. Aber Föderalismus sei als Staatsprinzip anerkannt und werde nicht mehr mit Sezession gleichgesetzt (das war früher immer der Vorwurf gegen die Kurden in ihrer autonomen Region gewesen).

Der arabische Frühling, so Zebari, sei aus irakischer Perspektive keine Überraschung, sondern eine Kulmination „vieler Jahre der Verleugnung“: „Wir standen 1991 gegen Saddam Hussein auf, und dieser Aufstand wurde brutal niedergeschlagen. In der Folge wurden Interventionen des Auslands die einzige Möglichkeit, das Land zu retten.“ Zum Glück sei  das in weiten Teilen der arabischen Welt heute anders. Aber eben nicht überall:

Die Krise in Libyen, so Zebari, habe bei ihm „unangenehme Erinnerungen“ geweckt. Ein Kurde hört „No-Fly-Zone“ und denkt dabei an eine lebensrettende Maßnahme. Die arabische Rebellion sei „eine echte und authentische Bewegung der Völker“, die sich ihr Schicksal nicht mehr diktieren lassen wollen. Sie sei weder von Israel noch von den USA inspiriert (eine Botschaft an Syrien und den Iran!).

Regierungen überall, sagte er mit Blick auf den Nachbar Syrien, müssten heute „zuhören“ und dürften keine Angst vor Dissens haben: „In Bagdad haben wir tägliche Demonstrationen, und sie werden nicht unterdrückt.“

Auch interessant war Zebaris Kommentar zum Tod von ObL: „Wir waren die erste Regierung, die die Tötung von Osama bin Laden begrüßt hat. Wir wissen, wie viele Menschen seine Anhänger in den Straßen von Bagdad, Kerbela und anderen unserer Städte ermordet haben und noch ermorden. Er war eine Verkörperung des Bösen.“

Das ist etwas, was in unserer deutschen Debatte kaum gesehen wird, was aber in multikonfessionellen islamischen Staaten wie Irak und Pakistan entscheidend ist: Der Angriff der Salafi-Dschihadisten auf den binnenislamischen Pluralismus, indem sie Schiiten und Sufis ermorden und den Hass zwischen den Gruppen schüren.

Die Ideologie des Hasses, die ObL in die Welt gesetzt hat, wird nicht so bald sterben, meint Zebari, aber für seine „bösartigen, sich wie ein Krebs ausbreitenden Ideen ist der Tod des Anführers ein schwerer Schlag.“