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Zeig Deine Kippa! Juden müssen sichtbar bleiben, auch wenn sie angegriffen werden

 

Mein Kurzkommentar aus der ZEIT von morgen:

Der Rabbiner Daniel Alter wurde letzte Woche in Berlin-Friedenau vor den Augen seiner Tochter von vermutlich arabischstämmigen Jugendlichen zusammengeschlagen. »Bist du Jude?«, hatten sie ihn gefragt, nachdem sie seine Kippa gesehen hatten. Es kann hierzulande gefährlich werden, als Jude erkennbar zu sein.

Das ist ein schrecklicher Satz. Aber er stimmt – trotz der Renaissance des Judentums in Deutschland, von der die neuen Synagogen in unseren Städten zeugen.

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin rät Eltern, ihre Kinder nicht mit Kippa in der Stadt herumlaufen zu lassen. Nicht nur vor dem einheimischen Hass der Neonazis, auch vor dem importierten islamisch eingefärbten Antisemitismus müssen sich Juden in manchen Quartieren in Acht nehmen. Die islamischen Verbände und die Moscheegemeinden müssen sich endlich damit auseinandersetzen, statt reflexhaft auf die verbreitete Islamfeindlichkeit zu verweisen, die auch schlimm sei. Manche muslimische Jugendliche wachsen in einer Monokultur auf, berieselt von judenfeindlicher Propaganda. Der Jude, den sie schlagen, ist vielleicht der erste, den sie je getroffen haben.

Solche Abschottung muss bekämpft werden, am besten von Juden, Christen, Muslimen und Atheisten gemeinsam. Denn auch die Mehrheit ringt schwer mit religiöser Differenz. Es entspricht nicht dem Selbstbild des liberalen Deutschland, doch unsere engherzigsten gesellschaftlichen Debatten kreisen ums Anderssein, das sich in Kopftüchern, Moscheebauten und Beschneidungen manifestiert. Eine religiös bunte Gesellschaft braucht aber ein entspanntes Verhältnis zur Sichtbarkeit des anderen.

Darum wäre es fatal, wenn Juden in Deutschland ihre Kippot nun unter Basecaps verstecken würden. Ein »Kippa-Flashmob« in Berlin, bei dem Hunderte – auch Nichtjuden – solidarisch mit Käppchen flanierten, war das richtige Zeichen.

Wenige Tage nach dem Angriff sagte Daniel Alter bei einer Demo – die Wange noch verbunden –, er habe zwar »das Jochbein gebrochen bekommen, aber meinen Willen, mich für den interreligiösen Dialog und die Verständigung von Völkern und Nationen einzusetzen, haben diese Typen nicht gebrochen«.

Daniel Alter ist ein Held. Er hat sich um ein besseres Deutschland verdient gemacht, in dem man ohne Angst verschieden sein kann.