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Der Feind meines Feindes ist nicht immer mein Freund

 

Mein Kommentar aus der ZEIT von heute über die zweifelhafte Aufwertung der iranischen „Volksmudschahedin“ im Kampf gegen das Teheraner Regime: 

Was die amerikanische Regierung dieser Tage verkündet hat, kommt einem Geständnis sehr nahe, dass der Schattenkrieg mit dem Iran in vollem Gange ist: Die oppositionellen iranischen Volksmudschahedin (MKO) werden von der Liste »ausländischer Terrorgruppen« entfernt. Sie sind nun eine legale Oppositionsgruppe, die in den USA offen Lobbyarbeit betreiben und Spenden sammeln darf.

Das ist ein gefährlicher Schritt im Kampf um das iranische Atomprogramm. Offiziell hält Amerika zwar weiter an der Diplomatie fest. Doch wer erklärte Todfeinde des Teheraner Regimes legalisiert, zeigt, dass er in Wahrheit nicht mehr an eine diplomatische Lösung glaubt.

Es gibt durchaus Fälle, in denen vormalige Terroristen zu Recht als legitime Freiheitskämpfer betrachtet werden: wenn die betreffende Gruppe sich gewandelt und der Gewalt abgeschworen hat – so wie etwa Nelson Mandelas ANC und Jassir Arafats PLO.

Doch dies hier ist ein anderer Fall. Seit Jahren gibt es Berichte, dass die Volksmudschahedin den Westen mit Informationen über das iranische Atomprogramm versorgen. Im Gegenzug, so hat der New Yorker in diesem Jahr enthüllt, sind MKO-Soldaten bis mindestens 2007 von amerikanischen Spezialeinheiten ausgebildet worden. Sie sollen mit dem israelischen Geheimdienst Mossad auch an der gezielten Tötung von Atomforschern im Iran beteiligt gewesen sein. Die Mudschahedin sind eine Waffe im verdeckten Kampf gegen das iranische Atomprogramm. Mit einer Prise Zynismus könnte man sagen: Da ist es nur ehrlich, sie von der Liste zu nehmen.

Allerdings hat das Manöver nichts mit Ehrlichkeit zu tun. Die Obama-Regierung steht derzeit innenpolitisch unter Druck, sich gegenüber dem Iran tough zu zeigen. Dass die beim Regime verhasste Gruppe ausgerechnet jetzt legalisiert wird, ist auch Wahlkampftaktik: stark gegenüber Teheran wirken, ohne viel zu riskieren, so das Kalkül.

Aber die Legalisierung einer isolierten Exilgruppe wie der Volksmudschahedin birgt Gefahren für die wahren Kräfte des Wandels im Iran. Die Anführerin der Gruppe, Marjam Radschawi, stellt sich im Pariser Exil nun als legitime Vertreterin der iranischen Opposition mit offiziellem Brief und Siegel des amerikanischen Außenministeriums dar. Sie ruft die Bevölkerung auf, den Regimewechsel herbeizuführen. Den Ajatollahs wird so die Begründung frei Haus geliefert, die legitime Opposition daheim zu diskreditieren: Sie mache gemeinsame Sache mit Terroristen und diese steckten wiederum mit den USA und Israel unter einer Decke.

Das amerikanische Außenministerium betont, man befinde sich keinesfalls in einer »gemeinsamen Front gegen die Islamische Republik Iran«. Wirklich nicht? Warum dann dieser Schritt in der jetzigen angespannten Lage?

Nicht nur das Regime, sondern auch weite Kreise der iranischen Bevölkerung – bis weit hinein in die Grüne Bewegung, die sich nach der letzten Präsidentschaftswahl formierte – lehnt die MKO ab. Mit gutem Grund. Die Gruppe hat seinerzeit zunächst mit Ajatollah Chomeini den Schah gestürzt, sich dann aber mit dem neuen Machthaber überworfen. Sie fing an, Regimepolitiker zu töten, wurde erst in den Untergrund und schließlich ins Exil getrieben. Ausgerechnet beim Erzfeind des Irans, Saddam Hussein, fand man Unterschlupf. Die MKO half Saddam, irakische Kurden und Schiiten zu massakrieren. Sowohl im Iran als auch im Irak hat das niemand vergessen. Der dankbare Saddam ließ sie ein Militärlager auf irakischem Boden betreiben, in dem Tausende Soldaten für den Umsturz in Teheran trainierten. Die Ideologie der Gruppe, anfangs eine Mischung aus Islamismus und Marxismus, wurde immer mehr auf den Personenkult um die exilierten Führer zugeschnitten, das Ehepaar Massud und Marjam Radschawi. Die bis heute totalitären Strukturen in dieser militanten Sekte machen ihre späten Bekenntnisse zu einem »säkularen und demokratischen Iran« völlig unglaubwürdig.

Die Volksmudschahedin anzuerkennen folgt einer diskreditierten Logik, die immer noch fälschlicherweise als »Realpolitik« gilt: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Die Malaise der amerikanischen Iranpolitik hat so angefangen, mit der Unterstützung des Westens für den Schah – gegen die nationale Freiheitsbewegung. Der Schah wurde von den Islamisten gestürzt, gegen die nun der Westen wiederum die Volksmudschahedin stützt? Irre.

Stets und überall ist die Politik damit gescheitert, radikale Gruppen gegen unliebsame Regime auszuspielen – von den Contras in Nicaragua bis zu den Taliban in Afghanistan. Nach einer treffenden Definition erkennt man Wahnsinn daran, immer wieder das Gleiche zu tun und doch andere Ergebnisse zu erwarten. Es ist Zeit, endlich damit aufzuhören.