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Schreibewettbewerb: Der Zauberer Surmitsch – Abenteuer auf Arlunki

 

© Sabine Wilharm
© Sabine Wilharm

Von Lavinia Klarhoefer (10 Jahre)

Huch! Ein fliegender Koffer! An Bord sind fünf mehr oder weniger merkwürdige Leute: Die Indianerin Hick-Tu-Mick, auch „Das grüne Ass“ genannt. Sie kennt fast alle Kartentricks der Welt und wird von ihrem Stamm sehr bewundert. Neben ihr sitzt ein kleiner Piratenjunge, der Sohn von „Götz, dem grünen Schreck“, mit Namen „Benni, der blaue Schreck“. Zu seinem großen Ärger hat noch nie jemand vor ihm Angst gehabt. An den Kofferdeckel klammert sich die dritte Mitreisende, Miss von Bighu. Sie ist die Tochter des dritten Enkels des Kaisers von China, der 215 Jahre alt ist (glaubt es oder nicht, es stimmt!). Zu ihrer Empörung wird sie statt mit „Majestät von Bighu“ meist mit „Bingo“ angeredet. Das Mädchen mit den roten Haaren heißt Monika, kommt aus Holland und besitzt einen ferngesteuerten kleinen Drachen mit Rücksack namens Tokmin, den sie natürlich dabei hat. Der letzte Passagier ist der Zauberer Surmitsch, der sich aus Versehen selbst in einen Hund mit Schurrbart und Lupenkopf verzaubert hat. Die Fünf sind auf den Weg nach Arlunki, dem Land des ewigen Durstes, natürlich mit vielen Wasserflaschen im Gepäck. Warum sie dorthin fahren? Nun, das kam so:
Der Zauberer Surmitsch war auf der Flucht vor einer Kollegin, die sich vor Jahren selbst in eine Wasserflasche verzaubert hatte. Sie konnte ihn einfach nicht leiden und verfolgte ihn auf Schritt und Tritt, immer bereit, ihm eins  auszuwischen. Doch in das Land des ewigen Durstes würde sie nicht kommen, sie hätte viel zu viel Angst getrunken zu werden.
Monika, eine entfernte Verwandte des Zauberers, um genau zu sein die Nichte der Frau seines Halbbruders, wollte ihn nicht allein gehen lassen und wünschte sich, weil sie bald Geburtstag hatte, ihn in seinem fliegendem Koffer zu begleiten. Benni, der blaue Schreck, sollte in Arlunki einen Schatz suchen, an den weder er noch seine Familie glaubte, aber dieses Schatzsuchen hatte Tradition. Das grüne Ass kam mit, weil sie eine Mutprobe machen musste, um noch eine Feder an ihr Indianerband zu bekommen, (sie hat schon eine ganze Menge!). Bingo schließlich ging auf königliche Ferien und war entzückt, einen echten Zauberer kennen zu lernen, wenn auch in entwürdigender Gestalt.
Jetzt tauchte gerade eine Insel aus dem blauen Dunst auf. Das grüne Ass bemerkte sie als erste, sprang auf und ließ vor Aufregung den Karo- König fallen. Nur ein Hechtsprung Monikas rettete ihn vor dem ewigen Abgrund. Plötzlich fing Benni an zu hecheln wie ein kleiner Hund. „Wasser!“, keuchte er. „Schnell, ich brauch Wasser!“ Bingo griff hinter sich und goss ihm ein Glas Wasser ein. Gierig schüttete der blaue Schreck es hinunter- und verlangte gleich
nach einem zweiten. Der Zauberer schüttelte sorgenvoll sein haariges Haupt. „Wenn das so weitergeht“, sagte er, „haben wir in weniger als vier Stunden unseren ganzen Wasservorrat restlos aufgebraucht!“ „Dann können wir doch zurückfahren, oder?“, fragte Monika missgelaunt. „Irgendwohin, wo man nicht am verdursten ist! Benni hat schon fünf Gläser ausgetrunken!“ „Nun ja, das geht leider nicht“, räusperte sich der Zauberer. „Und warum nicht?“, mischte sich Bingo ein, die ihr Kleid mit zu hastig getrunkenem Orangensaft vollgekleckert hatte. „Weil dort das selium purum argosin wächst“, entgegnete Surmitsch bedeutungsvoll. „Das waaas?“, fragte Hick-Tu-Mick, das grüne Ass. „Nennt es einfach Feuerrindengras“, seufzte der Zauberer. „Auf jeden Fall brauche ich es, um mich zurückzuverwandeln. Und es ist Eile geboten, denn … „, er senkte die Stimme, „böse Gerüchte behaupten, Miss Borgomissius, meine Wasserflaschenkollegin hätte sich entwandeln können. Ich gebe nichts auf solche Gerüchte, aber man kann nie wissen!“
„Achtung!“, schrie Benni plötzlich. Da gab es schon einen ohrenbetäubenden Knall und ein lautes Knirschen. Verdutzt blickte der Zauberer sich um. „Was ist denn hier los?“, wollte er wissen. Das grüne Ass gab eine rundum Beschreibung: „Also, wir sind in Arlunki, sitzen in einem vertrockneten Kirschbaum und der Kofferboden hat ein Loch.“ „Ach du lieber Himmel!“, bemerkte der Zauberer Surmitsch. „Wir haben uns so angeregt unterhalten, dass ich gar nicht bemerkt habe, dass wir schon da sind. Nun, meine Lieben, ich bin dafür, erst einmal von diesem Baum herunterzusteigen! Was meint ihr?“ Bingo und Monika kicherten. Es sah aber auch zu komisch aus, wie Surmitsch sein Hundegesicht in würdevolle Falten legte.
Jeder nahm eine Wasserflasche und kletterte den Baum hinunter. „Kinder, ihr
müsst wissen“, begann der Zauberer mit ernster Miene, „hier lebt weder Tier noch Mensch. Wir sind also ganz auf uns allein gestellt. Niemand kann uns hier helfen.“ Die Kinder wurden still. Sie merkten, dass kein Spaß mehr gemacht wurde. Surmitsch musste lachen, als er ihre bedrückten Gesichter sah. „Nun, nun“, sagte er beruhigend, „ganz am Ende der Welt sind wir noch nicht. Habt keine Angst!“ „Habe ich auch nicht!“, meldete sich das grüne Ass mit zittriger
Stimme. „Nur ein bisschen.“
„Nach meinen Informationen liegt die Wiese mit Feuerrindengras ganz in der
Nähe, im Südwesten. Hat jemand einen Kompass dabei?“ Allgemeines Kopfschütteln. „Mist!“, murmelte der Zauberer. „Das macht nichts“, sagte das grüne Ass selbstsicher und schloss die Augen. Nach einer Weile öffnete Hick-Tu-Mick sie wieder und sagte: „Dort ist Südwesten. Folgt mir!“ „Woher kannst du das denn wissen?“, fragte Bingo etwas ungläubig. „Nun, wir Indianer haben einen ausgeprägten Richtungssinn. Das war schon immer so“, sagte das grüne Ass leichthin. Bingo musterte sie bewundernd und murmelte etwas wie: „Nicht
schlecht!“ „Dann auf nach Südwesten!“, rief Surmitsch und folgte dem grünen Ass.
Als sie bestimmt schon zehn Minuten marschiert waren, fing es aus heiterem Himmel an zu donnern. Aber wie! Es klang, als würde die ganze Insel auseinander brechen. Über das Meer kam eine schwarze Windhose immer schneller auf die Insel zu. „Rennt!“, schrie der Zauberer. „Das ist Miss Borgomissius!“ Allen voran stürzte er auf die nächste Lichtung. „Hier muss das Gras sein!“, schrie er, „nur das kann jetzt noch helfen! Sucht mit mir! Das Gras ist rot!“
Das Tosen und die schwarze Windhose war jetzt schon auf der Insel und kam unaufhaltsam näher und näher. Alle rannten wie wild auf der Lichtung herum und suchten nach dem Feuerrindengras. Da schrie Benni plötzlich: „Ich hab Durst!“ „Es gibt nichts mehr!“, rief Monika. „Oh nein!“, Benni ließ sich ins Gras sinken – in das Feuerrindengras! „Hier, ich hab es!“, quiekte Monikas kleiner Drache, der bis jetzt nur auf ihrer Schulter saß. Er zog unter Bennis Po ein paar Stängel Feuerrindengras hervor und gab es Surmitsch. Mit fliegenden Pfoten nahm er es entgegen und stopfte es sich in den Mund. Seine Wangen fingen an, rot zu glühen und endlich, als Miss Borgomissius schon fast an der Lichtung war, spuckte der Zauberer das Gras aus und war im nächsten Moment wieder ein normaler Mensch im blauen Samtmantel und einem Zylinder. Drohend hob er die Hände gegen die Windhose und ließ sie wieder sinken. „Was ist denn?“, rief Monika und lief zu ihm. Unterdessen öffnete sich die schwarze Windhose und eine Frau mit schwarzen Haaren und einem schwarzen Umhang kam heraus. Ihre schwarzen Augen glitzerten böse.
Surmitsch aber suchte hektisch in seinen Taschen nach einer Wasserflasche und trank den letzten, winzigen Schluck Wasser. Darm hob er abermals die Hände, warf den Kopf zurück und schrie etwas in den Wind. Sofort hörte der Sturm auf. Miss Borgomissius errötete vor Zorn und war unfähig etwas zu tun. Und da rief der Zauberer: „Urmis Terre Aqua!“ und aus Miss Borgomissius wurde eine kleine Wasserflasche, die ihm wütend gegen die Kniescheiben donnerte.
„Jetzt ist die Gefahr vorbei!“, wandte sich Surmitsch an die sprachlosen Kinder. Das grüne Ass trat vor und grinste die Wasserflasche an. Bingo lächelte Surmitsch verlegen an. „Das… „, sie wurde rot, „haben Sie echt toll gemacht!“ „Find ich auch!“, sagten Benni und Monika wie aus einem Mund. Der Zauberer verbeugte sich spöttisch. „Was sollen wir mit diesem Fläschchen machen?“, fragte er dann. „Wir wässern mit ihm die Büsche und Sträucher, damit sie wieder Blüten treiben. Es ist ja Zauberwasser!“ antwortete das grüne Ass, denn Zauberwasser ging nie zu Ende. Surmitsch goss dieses über den Büschen aus, murmelte etwas wie: „Liutes rakul sult!“ und strich mit der Hand über die Blätter. Und da fing alles an zu grünen und zu blühen und Arlunki, das Land des ewigen Durstes, gab es nicht mehr.
Später flogen sie wieder nach Hause. Und dem grünen Ass wurden für ihre Tapferkeit gleich zwei Federn verliehen.

“also …”