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Nikolaus statt Christkind

 

Der zwarte Piet und Sinterklaas gehen von Bord/ Foto: AFP

In Belgien bekommen die Kinder schon am kommenden Montag Geschenke. Dort wird der 6. Dezember größer gefeiert als Weihnachten.

Von Jochen Bittner

Belgien liegt ja gar nicht weit weg von uns. Es ist das Land gleich links von Deutschland, unterhalb der Niederlande. Die
Pommes wurden dort erfunden, worauf die Belgier ziemlich stolz sind. Aber um die geht es jetzt nicht, denn bald ist Weihnachten, und wer denkt da schon an Pommes? Interessant an Belgien ist, dass, obwohl wir Nachbarn sind, es dort in der Weihnachtszeit ganz anders zugeht. Wir Deutschen feiern Weihnachten ja ganz dicke und Nikolaus eher klein. In Belgien (und auch in den Niederlanden) ist´das umgekehrt. Weihnachten wird zwar auch in Belgien als Familienfest gefeiert. Aber das Fest der Kinder, mit Bescherung, Geschenken und allem Drum und Dran, das ist Nikolaus oder auf Belgisch Sinterklaas. Sinter heißt heilig, und Klaas heißt Klaus. Der Überlieferung nach war Nikolaus vor vielen Hundert Jahren ein Bischof in Kleinasien, der sich sehr für Arme und Kranke einsetzte. Deshalb ist er unter anderem zum Schutzpatron der Kinder geworden.

Der belgische Sinterklaas reist gediegen an. Schon Mitte November kommt er per Dampfer aus Spanien angeschippert. Zu seinem Gefolge gehört sein schwarzer Helfer, der Zwarte Piet, der Pluderhosen, einen Pagenhut und Schuhe mit silbernen Schnallen trägt. In Antwerpen,
einer Hafenstadt an der Nordsee, gehen die beiden von Bord. Das Fernsehen überträgt in ganz Belgien, wie Sinterklaas, etwas abgekämpft von der langen Reise, aber prächtig gekleidet mit rotem Talar und Bischofsstab, vom Schiff steigt. Die Kinder begrüßen den heiligen Mann mit einem Lied (zur Melodie von Im Märzen der Bauer):

»Zie ginds komt de stoomboot uit Spanje
weer aan.
Hij brengt ons Sint Nikolaas,
ik zie hem al staan!«

Na, was heißt das wohl? Am besten dreimal laut lesen, dann versteht man’s. Nicht? Na gut:

»Sieh, dort kommt das
Dampfschiff aus Spanien daher.
Es bringt uns Sankt Nikolaus,
ich seh ihn da schon stehn!«

Der Bürgermeister von Antwerpen höchstpersönlich empfängt Sinterklaas und den Zwarten Piet – und berichtet, ob die Kinder der Stadt im vergangenen Jahr auch artig waren. In einer Parade mit lauter Akrobaten und Musikern zieht Sinterklaas durch die Stadt ins Rathaus. Vom Balkon aus begrüßt er die Belgier – so ähnlich, wie die Fußballnationalmannschaft das in Deutschland manchmal macht. Nur dass Sinterklaas zum Fußballspielen natürlich weder Zeit noch die richtigen Klamotten hat.

Das Sinterklaas-Fieber, das Warten und das Vorbereiten, fängt schon Wochen vor seiner Ankunft an. Überall im Land, in den Schaufenstern der Bäcker und Konditoreien, stehen Spekulatiuspuppen, Sinterklaas und Zwarter Piet, manchmal lebensgroß. In den Grundschulen proben die Kinder Nikolauslieder. »Und sie sind besonders brav«, sagt Rosine De Dijn, eine bekannte belgische Buchautorin, die aus Antwerpen stammt. »Denn sonst werden sie spätestens am 6. Dezember von Sinterklaas gerügt, bekommen keine Geschenke und müssen zum Zwarten Piet in den Sack. Die Kinder zittern und beben und nehmen die Sache sehr ernst«, sagt sie.

Sinterklaas kommt auch in die Schulen und will wissen, ob die Schüler fleißig und artig waren. Manchmal nimmt er sich jedes einzelne Kind vor. Das ist natürlich eine Zitterpartie! Am Abend des 5. Dezember ist es dann so weit. Bevor sie ins Bett gehen, stellen die Kinder ihre Schuhe raus. Oder an den Kamin, wenn man einen hat, denn Sinterklaas soll nachts auf einem Schimmel über die Dächer reiten. Viele Kinder stecken eine Möhre mit in den Schuh. Die ist für den Esel, auf dem der Zwarte Piet reitet. Am nächsten Morgen hat Sinterklaas (na, hoffentlich!) die versprochenen Geschenke gebracht. Den ganzen Tag über wird gefeiert. Denn Sinterklaas kann an mehreren Orten Päckchen zurücklassen. So ist man mittags beim Opa, nachmittags bei der Oma, abends bei Tante und Onkel …

Erst wenn der Nikolaustag vorüber ist, beginnen die Menschen in Belgien, das Weihnachtsfest vorzubereiten. Der Tannenbaum wird, anders als in Deutschland, schon eine ganze Weile vor Heiligabend geschmückt. Und man legt dann auch schon kleine Päckchen darunter. Denn es gibt auch am 24. oder 25. Dezember noch einmal Geschenke. Aber für die Kinder nicht mehr so üppige wie zu Nikolaus. »Als ich klein war«, sagt Rosine De Dijn, »gab es zu Weihnachten nur Sachen, die man in den Baum hängen konnte.« Süßigkeiten zum Beispiel, ein paar Socken oder neue Handschuhe.

Und noch etwas ist anders in Belgien: An Heiligabend kochen viele Familien nicht zu Hause, sondern sie gehen gerne aus zum Essen. Die Restaurants sind am 24. Dezember rappelvoll. Nach dem Festmahl besuchen viele Menschen Mitternachtsmessen (ein Großteil der Belgier ist übrigens katholisch). Am 25. wird dann zu Hause geschlemmt. Es gibt Fasan oder Pute oder Kaninchen oder Gänseleberpastete oder Rehrücken – ein richtiges Festessen eben! Und weil Belgien am Meer liegt, dürfen auch Hummer und Austern nicht fehlen. Und Pommes dazu? »Uhh!«, sagt Rosine De Dijn und schüttelt sich. »Aber nein! Höchstens Kroketten.« Die Kinder haben sowieso eine eigene Lieblingsspeise zu Weihnachten: Reisbrei mit Safran und braunem Zucker. Der soll so herrlich schmecken, dass belgische Kinder sich erzählen, er komme direkt aus dem Himmel. Und dort, munkelt man, werde er sogar mit goldenen Löffeln gegessen.

Hier ist das Rezept:

Reisbrei mit Safran und braunem Zucker

Zutaten:
1 Liter Milch
125 Gramm Milchreis
1 Vanilleschote
1 Prise Salz
einige Safranfäden
2 Eidotter
brauner Zucker zum Bestreuen

Zubereitung:
Den Milchreis waschen und abtropfen lassen. Die Milch bei schwacher Hitze erwärmen, damit sie nicht anbrennt. Wenn
die Milch aufkocht, den Reis, die durchgeschnittene Vanilleschote, das Salz und die Safranfäden dazugeben. Rühren und rühren, bis der Reis sämig und weich ist (das kann eine Stunde dauern). Zum Schluss die beiden Eidotter dazugeben. Den Reisbrei warm oder kalt servieren – in jedem Fall braunen Zucker dazu reichen.