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Lernen mit Schweinen

 

Eine Partnerschule der Sarah Wiener Stiftung besucht das Gut Wulksfelde, um zu lernen, woher unsere Nahrung kommt/ © Sarah Wiener Stiftung

Wo kommt eigentlich unser Essen her? Eine Schulklasse erobert einen Biobauernhof

Von Marike Frick

Im Stall ist die Hölle los. Von allen Seiten quiekt und grunzt es, einige Schweine schubbern sich geräuschvoll an den Holzwänden ihrer Boxen. Die meisten aber drängen sich an den Absperrungen und schauen neugierig zu den Kindern hinauf, die in die Boxen lugen. Ob die Menschen wohl etwas zu fressen dabeihaben? Bei Alex haben die Schweine Glück: Er hat mehrere Kohlrabiblätter von draußen mitgebracht. Kaum streckt er sie den Tieren entgegen, da rupfen sie ihm das Grünzeug auch schon aus den Händen. Und sie sehen sehr zufrieden dabei aus.

Der neunjährige Alex ist eines von rund 30 Kindern, die heute einen Ausflug auf den Bauernhof machen. Der ist Teil eines Kurses, den Alex seit drei Wochen an seiner Schule in Hamburg Jenfeld besucht: Dort lernt er kochen. Sogar Burger haben er und seine Mitschüler schon zubereitet, mit viel frischem Gemüse. »Das dauert zwar länger, als einen Burger zu kaufen, aber es macht mehr Spaß«, sagt Alex.

Köchin Sarah Wiener/ © Getty Images

Dass er in der Schule lernt, wie man Gemüse mit Dips oder ein gesundes Müsli zubereitet, dafür ist die Sarah-Wiener-Stiftung verantwortlich. Sarah Wiener ist eine bekannte Köchin, die nicht nur mehrere Restaurants, sondern auch eine eigene Fernsehsendung hat. Sie möchte, dass alle Kinder sich mit gesunder Ernährung auskennen – auch diejenigen, in deren Familien nicht jeden Tag frisch gekocht wird. Denn immer nur Fertigpizzen, Weißbrot und Süßigkeiten zu essen ist sehr ungesund. Deswegen gibt die Sarah-Wiener-Stiftung Kochkurse an Schulen, so wie an der von Alex. Und manchmal fährt Sarah mit den Kindern auf einen Biobauernhof. Hier können die Kinder schließlich am besten herausfinden, wo das Essen eigentlich herkommt.

Auf dem Gut Wulksfelde, das Sarah und die Schulklasse von Alex heute in der Nähe von Hamburg besuchen, leben Schweine und Hühner, es gibt eine eigene Bäckerei und einen Hofladen. Was es hier nicht gibt, ist zum Beispiel chemisches Pflanzenschutzmittel oder Tierfutter mit Antibiotika. Dass der Hof vor allem mit dem auskommt, was es in der Natur schon gibt, bedeutet, dass er »bio« ist.

Was an dem Hof noch besonders ist, erfährt Alex, nachdem er die quiekenden und grunzenden Schweine gefüttert hat. »Diese Tiere haben genug Platz und können jederzeit nach draußen gehen, wenn sie mögen«, erzählt ihm Sarah. »Die allermeisten Schweine in Deutschland haben viel weniger Platz, damit sie sich nicht so viel bewegen und schnell fett werden«, sagt sie. »Die Schweine hier auf dem Biobauernhof dürfen länger leben, bevor sie geschlachtet werden und ihr Fleisch verkauft wird. Deshalb ist Biofleisch auch teurer als normales Fleisch im Supermarkt.« Dann verrät Sarah den Kindern, warum sie Schweine besonders mag: »Die sind viel klüger als die meisten anderen Tiere – auch klüger als Hunde!«

Von den schlauen Schweinen geht es zu den Hühnern. Auch dort ist der Lärm wieder groß – diesmal aber sind mehrere Mädchen daran schuld. Sobald ein Huhn auf sie zutrappelt, kreischen sie und laufen eilig davon. »Die Hühner tun Euch nichts, die sind ganz lieb!«, ruft Sarah den Mädchen zu. Einige aber wollen das nicht so recht glauben. Ein Huhn mag ja noch gehen – aber Dutzende?

Insgesamt 1200 Hühner leben hier auf dem Biobauernhof in einem lang gezogenen Stall mit großem Freigehege. Jeden Tag legen sie etwa 1000 Eier. Wie das Fleisch der Schweine sind auch die Bio-Eier teurer als andere. »Weil das Biofutter mehr kostet und weil die Ställe größer gebaut wurden«, sagt Sarah. Dann nimmt sie ein Huhn einfach so auf den Arm und tritt auf Alex zu. »Willst Du auch mal?«, fragt sie. Alex nickt begeistert. »Du musst beide Flügel festhalten, dann kann nichts passieren«, rät Sarah. Und dann drückt sie Alex das Huhn auch schon in die Hände. Stolz blickt er auf das Tier.

Die Kinder dürfen heute alles anfassen, was sie auf dem Hof interessiert. Das gilt auch in der Backstube. Obwohl, eigentlich ist es keine Stube, sondern eine Art Halle. Dort stecken unzählige Bleche in Metallgestellen, und überall riecht es nach frisch gebackenem Brot. Die Kinder sehen mehrere riesige Backöfen. Und dann diese Rührschüsseln! Die sind so groß, dass sie sicher prima Planschbecken abgeben würden. Doch wo sind die Bäcker? »Die schlafen schon wieder«, erklärt Sarahs Kollege Martin. »Jede Nacht backen sie eintausend Brote und viele Brötchen, zum Beispiel für den Bioladen, der zu dem Hof gehört.«

Dann zeigt Martin den Kindern einen großen Trichter und dreht an einem Schalter. Sofort fallen Körner aus einem Rohr, das aus der Decke kommt. Denn das Korn wird über ihren Köpfen auf dem Dachboden aufbewahrt. Brauchen die Bäcker neues Mehl, so drehen sie einfach den Schalter, die Körner fallen in den Trichter und werden dann von einer Maschine gemahlen.

»Aber warum ist dieses Mehl viel dunkler als das, was in den meisten Mehltüten im Supermarkt zu finden ist?« fragt Sarah. Die Kinder schauen ratlos. »Weil für das Supermarkt-Mehl nur die Hälfte vom Korn verwendet wird«, sagt Sarah. »Alles Dunkle kommt weg. Deshalb ist das weiße Mehl leider auch nur halb so gesund.«

Gemeinsam mit den Kindern probiert Sarah das aus dunklem Mehr gebackene Brot. »Die Kruste mag ich besonders gern«, verrät sie. »Aber wusstet Ihr eigentlich, dass man am Kauen erkennen kann, wie gut ein Brot ist?« Wenn man ein Brot sehr schnell zerkauen könne, sagt Sarah, dann sei das ein schlechtes Zeichen. Toastbrot zum Beispiel. »Da sind kaum Nährstoffe drin. Je länger man ein Brot kauen kann, desto gesünder ist es.«

Alex ist am Ende dieses Vormittags sehr zufrieden: Er hat Schweine gefüttert, ein Huhn auf dem Arm gehabt, Brot gekostet und auch eine eigene Basilikumpflanze in einen Topf gesetzt. Die darf er mit nach Hause nehmen. Er weiß jetzt schließlich: Mit frischen Kräutern lässt es sich wunderbar gesund kochen – selbst wenn man keinen eigenen Garten, sondern nur eine Fensterbank hat.


Weiterführende Links für alle, die mehr darüber wissen wollen:

www.sarah-wiener-stiftung.org: Die Sarah Wiener Stiftung, die zusammen mit Partnern die SWS-Kochkurse umsetzt und rund 120 Fahrten jährlich zu Bio-Bauernhöfen organisiert, wird vom Bundesprogramm Ökologischer Landbau unterstützt.

www.oekomarkt-hamburg.de: Der Verein Ökomarkt Hamburg hat das pädagogische Programm auf Gut Wulksfelde entwickelt. Das Projekt Schule und Landwirtschaft veranschaulicht Kindern und Jugendlichen die Entstehung ihrer Lebensmittel. Der Verein arbeitet mit neun Bio-Höfen in Hamburg zusammen.

Sarah Wiener besuchte mit den Kochkurskindern der Grundschule Jenfelder Straße das Gut Wulksfelde.