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Mogadischu – immer eine Reise wert

 

Aus Mogadischu zu berichten, bedeutet: viel herum sitzen und warten. Darauf, dass sich Termine ergeben, dass das anvisierte Besuchsziel sicher genug ist, dass Sicherheitseskorte und Übersetzer zur Verfügung stehen. Was tut man gegen Warten und Langeweile? Skypen, Chatten, Googeln.

(Merke: In Somalia funktioniert zwar kein Staat, aber das Internet.)

Wenn man also unter dem Stichwort „Mogadischu“ durch die unendliche Weite des Netzes kurvt, findet man einige ungewöhnliche Einträge. Zum Beispiel den Bericht eines gewissen Mike Spencer Bown auf einer Seite des Reisebuchverlages „Lonely Planet“.

Hi all, I’m the first tourist to visit Mogadishu, Somalia and I can recommend it for those who value extremely exciting travel destinations.“ (Hallo, ich bin der erste Tourist in Mogadischu, Somalia, und kann es für all jene empfehlen, die extrem aufregende Reiseziele schätzen.)

Der Eintrag stammt vom 11. Dezember 2010, als in der Stadt noch heftige Kämpfe zwischen islamistischen Al Shabab-Milizen und den Truppen der Afrikanischen Union tobten. Mike, der kühne Globetrotter, weist uns womöglich auf den nächsten Trend im Tourismus hin. Inzwischen ist es chic, beim Urlaub in Brasilien einen Abstecher in die Favelas zu machen – Slum-Sightseeing. Als nächstes kommt dann wohl Häuserkampf-Camping und Kriegs-Sightseeing.

Eher bizarr klingt dieser Mogadischu-Reisetipp:

Mogadischu: Sie finden hier prächtige Sehenswürdigkeiten wie den Garesa Palast, die Sheikh Abdul Aziz Moschee als auch die Fakr-ad-Din-Moschee. (…) Im Zentrum befinden sich Gold- und Silbermärkte sowie zahlreiche Schmuck Händler. Das ist der perfekte Platz wenn Sie auf der Suche nach einem Souvenir für Zuhause sind. (…) Die Sheikh Abdul Aziz Moschee steht an der Lidostrasse. Über diese Mysteriöse Moschee, von der niemand weiß wann diese erbaut wurde, herrscht die Legende, sie sei aus dem Meer aufgetaucht. (…) Durch wechselseitige Konflikte in der Bevölkerung Mogadischus sind viele Menschen geflüchtet. Das hat zur Folge, dass die Stadt etwas ruhiger geworden ist.“

Wie der letzte Satz ganz nonchalant zwanzig Jahre Bürgerkrieg, diverse Selbstmordattentate und ausländische Interventionen zusammenfasst, ist schon bestechend. Aber Souvenir-Shopping sollte man in Mogadischu derzeit unterlassen. Und dass in der Lido-Straße die Sheikh Abdel Aziz-Moschee steht, ist nicht mehr ganz richtig. Es steht noch ein Teil des Minaretts. Der Rest liegt in Trümmern.

Seit die islamistischen Milizen der Al Shabab sich aus Mogadischu zurückziehen mussten, kann man die Abdel-Aziz-Moschee tatsächlich wieder besuchen. Der wenigen Gläubigen, die jetzt die Trümmer bewachen, haben beim Beten zwischen den Trümmern einen fantastischen Ausblick auf den Indischen Ozean.

Eigentlich haben Ungläubige (und besonders solche weiblichen Geschlechts) auch in zerschossenen Moscheen nichts verloren. Doch der Imam und seine drei Glaubensgenossen waren durchaus erfreut, als wir (trotz Kalaschnikow bewehrter Eskorte) eines Mittags auftauchten. Der Imam und seine Freunde sind Anhänger des Sufismus, haben ein eher mystisches Verhältnis zu ihrer Religion und pflegen mit Nicht-Muslimen einen entspannten Umgang. Genau das macht sie in den Augen der Al Shabab-Milizen besonders verhasst, die in den Kriegsmonaten mehrere Sufi-Schreine und andere Heiligtümer zerstört hatten.

Den angeblich mysteriösen Ursprung seiner Moschee konnte er übrigens nicht bestätigen. Aus dem Meer sei sich nicht aufgetaucht, ein irakischer Architekt habe sie vor Jahrhunderten errichtet. Der liege neben dem Minarett begraben, sagte er und deutete auf eine mit Schutt und Unkraut bedeckte Steinplatte.

Die Hüter der Sheikh Abdel Aziz Moschee

Zum Abschied stellte er sich mit seinen Freunden für ein Foto auf. „Schreiben Sie doch bitte, dass wir dringend jemanden suchen, der die Moschee wieder aufbaut.“ Denn jetzt, so sagte der Imam, sei endlich Frieden in die Stadt eingekehrt. Das halte ich für einen frommen Wunsch. Aber seine Bitte gebe ich gern weiter.