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Der „Händler des Todes“ kommt vor Gericht – Viktor Bout in die USA ausgeliefert

Es war wohl das erste Mal, dass der begeisterte Flieger Victor Bout nicht freiwillig in ein Flugzeug gestiegen ist. Am Montag schleppten thailändische Sicherheitskräfte Bout, einen der weltweit größten Waffenschmuggler, in Handschellen und schusssicherer Weste in eine Maschine, die ihn in die USA brachte. Dort soll dem Russen nun wegen Waffenschmuggels und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung der Prozess gemacht werden.

Im März 2008 war Bout, Spitzname „Händler des Todes“, in Bangkok zwei amerikanischen Undercover-Agenten auf den Leim gegangen, die sich als Waffenkäufer der kolumbianischen FARC-Rebellen ausgegeben hatten. Die FARC wiederum steht in den USA auf der Liste terroristischer Vereinigungen. In Washington dürfte man erfreut sein, dass die thailändische Regierung dem Auslieferungsantrag nach über zwei Jahren diplomatischem und juristischen Hickhack entsprochen hat. Die russische Regierung ist empört.

Bout, Absolvent einer sowjetischen Militärakademie und bis zum Ende des Kalten Krieges Offizier bei der Luftwaffe, hat in seinem zweiten Leben als Händler auf dem freien Weltmarkt so ziemlich jeden mit so ziemlich allem beliefert. Der Mann fing klein an, mit dem Export von südafrikanischen Schnittblumen in zwei alten Militärmaschinen, erweiterte seine Produktpalette um tief gefrorenes Hühnerfleisch und begriff schnell, dass sich in den 90er Jahren mit dem Handel und Transport von Waffen weit mehr verdienen ließ.

Aus den ehemaligen sowjetischen Arsenalen floss ein gigantisches Angebot von Kalaschnikows, Maschinengewehre, Handgranaten, Mörser und Panzerfäusten auf den Markt – und traf auf eine ebenso gigantische Nachfrage in den Kriegsgebieten von Angola, Liberia, Sierra Leone, dem Kongo, Afghanistan, Bosnien. Um internationale Waffenembargos zu unterlaufen, brauchten Rebellengruppen, Regierungen und Kriegsherren agile Geschäftsleute wie Bout, die liefern konnten, (fast) ohne Spuren zu hinterlassen. Kleinwaffen sind so zu den tödlichsten Rüstungsgütern geworden.

Bouts Wege und Geschäfte führten immer wieder auch in und durch den Kongo. Zu Zeiten Mobutus, mit dessen Hilfe Bout Waffenlieferungen an die angolanischen Unita-Rebellen abwickelte (Bout lieferte übrigens auch an die Gegenseite, die damals sozialistische angolanische Regierung). Dann während des Kongo-Krieges, als er Hilfsgüter einflog oder seine Kunden mit Waffen belieferte. Zu diesen zählten Jean Pierre Bemba, Ex-Rebellenführer, dann Vizepräsident der Übergangsregierung, nun Angeklagter vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, sowie offenbar auch Ruandas Präsident Paul Kagame.

Überhaupt taucht Bouts Name immer wieder in Haager Gerichtsverfahren auf. Er gilt als einer der wichtigen Waffenlieferanten des ehemaligen Präsidenten Liberias, Charles Taylor, in dessen Prozess wegen Kriegsverbrechen voraussichtlich Anfang nächsten Jahres ein Urteil ergehen wird. Bouts Geschäfte mit Taylor – Waffen gegen Tropenhölzer – wurden von Ermittlern der UN dokumentiert, die ihrerseits 2001 Sanktionen gegen Bout verhängten. 2002 folgte ein Haftbefehl der belgischen Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Geldwäsche und Diamantenschmuggel. Bout setzte sich für’s erste nach Moskau ab.

Warum nun fürchtet die russische Regierung Bouts Überstellung in die USA so sehr, dass sie Töne wie im Kalten Krieg anschlägt? Der amerikanische Journalist Douglas Farah, Ko-Autor des Buches Merchant of Death, ließ sich dazu in einem Beitrag für Foreign Policy aus: Im Zuge der Putinschen Konsolidierung der arg zerrupften Geheimdienste, so argumentiert Farah, sei Bout in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Akteur im russischen Waffennetzwerk geworden. Europäische Nachrichtendienste hätten ihn 2005 im Iran und 2006 im Libanon geortet, wo er der Hisbollah Waffen für ihren Krieg gegen Israel geliefert habe.

Sollte sich Bout in den USA also auf einen Geständnishandel einlassen, könnte er, um Strafmilderung zu erwirken, den amerikanischen Geheimdiensten so einiges erzählen: über „russisch geführte Netzwerke, die weiterhin Dschihad-Gruppen in Somalia und im Jemen unterstützen.“ Vielleicht auch über die Innenansichten der russischen Geheimdienst- und Rüstungsstrukturen und „ihrer Interessen vom Iran über Venezuela bis sonst wohin“.

Bout selbst bestreitet, irgendetwas Illegales getan zu haben. Auf einer für ihn eingerichteten Website lässt der sich als „geborenen Verkäufer mit einer unsterblichen Liebe zur Luftfahrt und einem ewigen Drang zum Erfolg“ darstellen, der das Opfer einer amerikanischen Hexenjagd geworden sei. In einem Interview mit dem Spiegel, geführt während seiner Auslieferungshaft in Bangkok, räumt er erstaunlich viele Waffengeschäfte ein – und beschuldigt seine Verfolger der Heuchelei.

Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Bout war in früheren Zeiten nicht nur Rebellen nützlich sondern auch westlichen Regierungen. Seine Flugzeuge transportierten UN-Blauhelme nach Somalia, britische Soldaten ins Kosovo und 2003 Nachschub für die US-Armee in den Irak, als die gerade nicht ausreichend Transport-Kapazität hatte. Die Unita-Rebellen, so Bout, seien noch zu Zeiten des Kalten Krieges von Washington hoch gerüstet worden. Ebenso die Taliban, mit denen er ebenfalls Geschäfte gemacht haben soll. Womit er Recht hat. Was nichts daran ändert, dass er endlich auf eine Anklagebank gehört.

 

Kommissar Mundibura, der Papst und die Kondome

Egal, wo ich hinkomme auf dieser Kongo-Reise – Beni, Butembo, Goma, Bukavu: Sobald die Leute wissen, dass ich Deutsche bin, kommt das Gespräch auf den Papst und seine Afrika-Reise. „Warum kommt Benedikt nicht in den Kongo?“, lautet die erste Frage, als könnte ich qua Landsmannschaft mit dem obersten Katholiken dessen Reisepläne erklären. Keine Ahnung, sage ich dann, wahrscheinlich sei ihm der Kongo zu anstrengend. Wofür meine Gesprächspartner Verständnis haben. Sie finden ihr Land auch ziemlich anstrengend.

Kommissar Paul Mundibura von der Polizei in Bukavu beschäftigt weniger das Besuchsprogramm des Papstes als dessen jüngste Äußerung, wonach Kondome die Verbreitung von HIV/AIDS erstens nicht aufhalten könnten, und, zweitens, im Zweifelsfall noch verschlimmerten. Kommissar Mundibura ist 41 Jahre alt, Vater von vier Kindern und gläubiger Katholik. Er arbeitet für die Sondereinheit „Zum Schutz der Kinder und zum Kampf gegen sexuelle Gewalt“. Die Einheit hat zwar kein Budget, keine Einsatzwagen, Computer, Schreibmaschinen, Waffen, geschweige denn ein forensisches Labor. Aber ihre Mitarbeiter besitzen erstaunlich viel Elan.

Wenn sich ausnahmsweise mal Benzingeld und ein Auto auftreiben lassen, kann man mit Kommissar Mundibura nachts auf Patrouille durch das Rotlichtviertel von Bukavu fahren, wobei es dort mangels Strom kein Rotlicht, sondern nur gelblich schimmernde Öllampen gibt. Wir rollen im Schritttempo am „Negrita“ vorbei, ein Nachtclub, der für mein ungeübtes Auge aussieht wie ein vom Einsturz bedrohter Bretterverschlag. Das „Negrita“ ist für aggressive Kundschaft bekannt. Also bleibt der Kommissar lieber im Wagen und notiert sich die Namen der minderjährigen Prostituierten, die im Halbdunkel zu erkennen sind, und die er inzwischen samt ihren trostlosen Familiengeschichten kennt. Es ist Samstag, gegen 22 Uhr, vor dem Eingang hängen junge Männer herum, die sich gegenseitig um das Eintrittsgeld für den Club anpumpen.

„Präservative können Sie hier natürlich vergessen“, sagt der Mundibura, während unser Auto über eine Schlammpiste an den Silhouetten von Erdnussverkäuferinnen, Straßenkindern und kokelnden Müllhaufen weiter ruckelt. „Nach fünf Bier oder einer halben Flasche Bananenschnaps denkt kein Mann mehr an ein Kondom.“

In nüchternem Zustand aber, so behauptet der Kommissar Mundibura, seien seine kongolesischen Geschlechtsgenossen inzwischen etwas empfänglicher für das Motto „Der echte Mann schützt sich bei jedem Mal.“ Und zu „echten Männern“ zählt er auch die Katholiken. Bei Fortbildungen für Polizisten, Lehrer oder Gefängniswärter predigt Mundibura mit – man möchte sagen: religiöser – Sturheit eine Kombination aus kongolesischem Strafgesetz, Gesundheitsschutz und Appellen gegen Aberglauben: Jawohl, Vergewaltigung und Prostitution Minderjähriger sind Verbrechen, keine Kavaliersdelikte. Nein, Sex mit jungfräulichen Mädchen bringt weder Reichtum, noch heilt er einen Mann von HIV/AIDS. Ja, Abstinenz und eheliche Treue sind männliche Tugenden, und weil nicht jeder Mann immer tugendhaft ist, soll er, bitte schön, ein Kondom benutzen.

Das würde der Heilige Vater nicht gerne hören, wende ich ein. Vielleicht, entgegnet Kommissar Mundibura mit aller gebotenen Ehrfurcht des gläubigen Katholiken, sei der Heilige Vater in Sachen HIV/AIDS nicht ganz auf dem neuesten Stand der Dinge. Wir parken den Wagen auf der Avenue Lumumba vor dem „Michopo“, ein Nachtclub der gehobenen Klasse, der zwar auch nach abgestandenem Bier und Schweiß riecht, aber mit Billard-Tisch und Hochglanzpostern weißer Models in Reizwäsche ausgestattet ist. Hinter dem Türsteher leuchtet in grellen Farben ein Wandgemälde, das ein Pärchen in einer Bar zeigt. Zwischen ihren Köpfen schwebt eine Packung Kondome der Marke „Prudence“. Eigentlich sei die Sache klar, sagt Kommissar Mundibura: „Wenn alles auf dieser Welt Gottes Wille ist, dann war auch die Erfindung des Kondoms Gottes Wille.“ Und dann müsse der Mensch, genauer gesagt: der Mann, es eben zum Guten nutzen. Also überziehen. „Jedes Mal“, sagt der Kommissar.

 

Bodybuilder Joe will nicht mehr über Krieg reden

Beni, Nord-Kivu
Joe ist Anfang zwanzig, hat einen Bizeps vom Umfang einer Kokosnuss und Brustmuskeln, die man als üppig bezeichnen darf. Joe ist der König der Bodybuilder von Beni, einer Stadt in der Provinz Nord-Kivu. Zugegeben – die Konkurrenz ist nicht groß. Bodybuilding hat noch nicht viele Fans im Kongo. Joe betreibt „Kinetic Gym“, ein Fitness-Studio im Hinterzimmer einer Kneipe, die gleichzeitig eine Boutique ist.

Joe hat den selbstbewussten Gang eines Mannes, der weiß, dass sich bestimmte Probleme beim Anblick seiner Muskelpakete von selbst erledigen. „Außerdem“, sagt er, „kann ich Judo.“ In Kriegszeiten hat ihm das nicht viel geholfen. Da war er auf der Flucht wie Millionen anderer Kongolesen auch.

Beni besteht aus mehreren Staubpisten und Ladenzeilen, an denen der Krieg und Verfall ihre Spuren hinterlassen haben. In ansehnlichem Zustand befinden sich nur die Nachtclubs. Beni besitzt außerdem einen Landeplatz für Helikopter, auf dem sich nepalesische Blauhelme langweilen, und einem Stützpunkt der kongolesischen Armee, vor dem tauchen alle paar Wochen einige zerlumpte Mai-Mai-Rebellen auf, die vom Leben in spartanischen Buschcamps die Nase voll haben und nun im Rahmen des Friedensprozesses der kongolesischen Armee beitreten wollen.

Joe hat, was solche Prozesse angeht, Übersicht und Zutrauen verloren. Und er wundert sich, dass ausländische Journalisten – in diesem Fall ich, eine deutsche Reporterin und Tim, ein amerikanischer Fotograf, immer noch hinter Geschichten über Rebellen und den flüchtigen Frieden her sind.

Der jüngste Anlauf zur Beendigung des Dauerkriegs im Ost-Kongo begann vor einigen Monaten – und zwar mit einer Militäroperation der besonderen Art. Die traditionell verfeindeten Regierungen des Kongo und Ruandas beschlossen, gemeinsam gegen die FDLR zu marschieren, jene aus Ruanda stammende Hutu-Miliz, aus deren Reihen einige der Anführer des Völkermords 1994 in Ruanda stammen. Die FDLR kontrolliert seit nunmehr fünfzehn Jahren rohstoffreiche Gebiete in den beiden Kivu-Provinzen – lange Zeit mit stillschweigender oder offener Zustimmung aus Kinshasa.

Ihre Präsenz lieferte der kongolesischen Tutsi-Miliz CNDP von Laurent Nkunda den Vorwand, ihrerseits Territorium in Nord-Kivu zu besetzen. Ende vergangenen Jahres marschierte Nkunda ohne nennenswerte Gegenwehr der kongolesischen Armee bis kurz vor die Provinzhauptstadt Goma, was eine weitere Flüchtlingskatastrophe, diverse Massaker und ein neuerliches Debakel für die UN-Friedenstruppen zur Folge hatte.

Dann kam – für fast alle internationalen Experten völlig überraschend – der Deal zwischen dem riesigen, völlig desolaten Kongo und dem kleinen, militärisch bestens organisierten Ruanda zustande: Die Regierung in Kigali nahm ihren kongolesischen Tutsi-Verbündeten Nkunda fest – er befindet sich bis heute unter Arrest – und ließ sich von Kinshasa im Gegenzug zur Militäroperation nach Nord-Kivu einladen. Was in Beni – und nicht nur dort – mit gemischten Gefühlen quittiert wurde. Die Mehrheit der Kongolesen hasst Nkunda, gleichzeitig erinnern sie die ruandischen Truppen als brutale Besatzer aus Zeiten der beiden Kongo-Kriege.

Inzwischen sind die ruandischen Truppen wieder abgezogen. Das Fazit: Sie haben die FDLR-Rebellen tiefer in den Busch gedrängt, einige Kommandanten der zweiten Garnitur gefangen genommen, ein paar hundert Milizionäre dazu gebracht, nach Ruanda zurückzukehren. In Goma herrscht wieder relative Ruhe, viele Flüchtlinge sind zurückgekehrt. Doch die Mehrheit der FDLR-Trupps ist intakt geblieben, sie rächen sich jetzt mit Überfällen auf Dörfer und versuchen nach Angaben der UN, verlorene Stützpunkte wieder einzunehmen.

Joe nimmt solche Nachrichten mit fatalistischer Gelassenheit zur Kenntnis. Er nutzt ruhige Zeiten, ohne genau zu wissen, wie lange sie dauern und wohin sie ihn tragen. Und jetzt sind ruhige Zeiten – zumindest in Beni.

Joe hat das Fitness-Studio ausgebaut. Es besteht jetzt aus zwei sehr schmalen Laufbändern, die nur mit der Schrittbreite eines Mannequins zu benutzen sind. Zur Ausstattung gehören außerdem ein halbes Dutzend Springseile, eine Gewichtbank, die aus den aktiven Zeiten Arnold Schwarzeneggers stammen dürfte, und eine imposante Lautsprecheranlage für „Fitness-Musik“. Joe mag Rapper. An den Wänden hängen Fotos von Tupac Shakur und Eminem. Außerdem Poster von Beyoncé und Britney Spears, die zwar nicht rappen können, dafür aber ein beeindruckendes Dekolleté zeigen.

Joe hat einen Assistenten, Charlie, der ihm bis zu den Brustwarzen reicht, ansonsten aber genauso gebaut ist wie sein Chef. Wenn Charlie nicht gerade einarmige Liegestütze macht, scheucht er schwer atmende Mitarbeiter der UN mit einem selbst entworfenen Aerobics-Programm.

Joe sagt, bevor ich das nächste Mal nach Beni komme, solle ich anrufen. Dann würde er ein Bodybuilding-Turnier organisieren mit Teilnehmern aus Goma, Beni, Butembo. Die Crème de la Crème der Muskelmänner von Nord-Kivu. Das wäre doch mal was anderes für die internationale Presse. „Immer nur diese Geschichten über Krieg, Kindersoldaten und Vergewaltigung. Davon müsst Ihr doch irgendwann mal genug haben.“ Absolut, sage ich, und lasse mir seine Telefonnummer geben. Wenn ich das nächste Mal in Beni bin, will ich nichts als Bodybuilder sehen.

 

Wie „sauber“ sind die Diamanten?

Wie sauber sind die Diamanten?

Willkommen im Klub: Die Republik Kongo – auch Kongo-Brazzaville genannt – will seine Rohdiamanten „säubern“. Soll heißen: Das Land ist dem Kimberly-Prozess wieder beigetreten. Die Regierung in Brazzaville verpflichtet sich, die Edelsteine ab sofort einem komplizierten Prüfverfahren zu unterziehen und so zu verhindern, dass Rebellengruppen am Export mitverdienen. „Blutdiamanten“ nennt man solche Steine, wenn Milizen und Rebellen, wie vor kurzem noch in Liberia und Sierra Leone, um die Kontrolle über Diamantenfelder kämpfen und mit dem Schmuggel ihre Waffen finanzieren.
Einer internationalen Kampagne von Menschenrechtsgruppen ist es zu verdanken, dass sich Regierung und Diamantenhändler 2002 ein Kontrollsystem, den Kimberly-Prozess, beschlossen. Dem gehören inzwischen 48 Staaten, sowie die großen Diamantenfirmen und mehrere NGOs an. Dieses Triumvirat aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft hat es tatsächlich geschafft, den Schmuggel mit „Konfliktdiamanten“ weitgehend lahm zu legen. Nur die Elfenbeinküste, die seit Jahren zwischen Bürgerkrieg und fragilem Frieden pendelt, gilt derzeit noch als größerer Lieferant von „Blutdiamanten“.
Also alles auf bestem Wege?
Ja und nein. Der Kimberly-Prozess ist zweifellos eine Erfolgsgeschichte: zum ersten Mal haben Aktivisten der internationalen Öffentlichkeit klar gemacht, dass die horrenden Kriege in Afrika keine „uralten Stammeskonflikte“ sind, sondern viel mit der Rohstoffgier der industrialisierten Welt zu tun haben – in diesem Fall mit unserer Sitte, uns mit glitzernden Steinen zu dekorieren.
Aber erstens ist das Verfahren des Kimberley-Prozesses nicht so wasserdicht, wie es die beteiligte Industrie gern behauptet. Zweitens berührt er nicht das nächste große Problem: In vielen Exportländern – in Sierra Leone, im Kongo, in Angola – arbeiten die Schürfer in den Diamantenfelder weiterhin unter menschenunwürdigen Bedingungen. Und die nunmehr „blutfreien“ Exportgewinne kommen einer kleinen Elite zugute, nicht aber dem Aufbau der kriegszerstörten Länder und deren Bevölkerung.
Einen schweren Fall von „Elendsdiamanten“ hat nun die Organisation Partnership Africa Canada (PAC) mit einer Studie über Angola dokumentiert, einem eifrigen Teilnehmer am Kimberly-Prozess. Angolas Diamanten-Einnahmen haben sich zwischen 2002 und 2006 mehr als verdreifacht – von 45 Millionen auf 165 Millionen Dollar jährlich. Der Staatskonzern Endiama, der das Monopol für die Vergabe von Schürflizenzen besitzt, bedient vor allem internationale Firmen, die ihrerseits gut geschmierte Kontakte zur politischen Elite pflegen. Von den Einnahmen fließt fast nichts in die vom Bürgerkrieg komplett zerstörte Infrastruktur in den angolanischen Diamantenregionen.
PAC wirft der angolanischen Regierung zudem vor, den Kimberly-Prozess als Waffe gegen die verarmte Bevölkerung einzusetzen: zehntausende von Angolanern – garimpeiros genannt – schuften auf eigene Rechnung in den Diamantenfeldern und sind den Großprojekten der Endiama im Weg. Also macht man es den garimpeiros so schwer wie möglich, ihre Steine mit einem Kimberly-Zertifikat zu legalisieren. Wie? Ganz einfach: Für den einfachen Angolaner ist der Besitz von Rohdiamanten strafbar.
Was lehrt uns das?
Ein Erfolg ist ein Erfolg – und meistens legt er gleich den Blick auf das nächste Problem frei.

 

Die Golddealer mit den blauen Helmen

Neuigkeiten aus dem Kongo. Leider mal wieder unerfreuliche, was dieses Mal den – nein: einigen – Blauhelmen der UN zu verdanken ist. Wie die BBC berichtet, sollen pakistanische Blauhelme im kriegszerrütteten ostkongolesischen Bezirk Ituri am illegalen Goldhandel beteiligt gewesen sein und – schlimmer noch – eine der Bürgerkriegsmilizen mit Waffen ausgestattet haben. Die Vorwürfe betreffen ein pakistanisches Battalion, das im Jahr 2005 in der Goldgräberstadt Mongwbalu stationiert war. Die Goldminen von Mongwbalu waren das größte Beutestück in einem ethnisierten Krieg zwischen Milizen der Hema und der Lendu. Zur Erinnerung: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wartet derzeit Thomas Lubanga, ehemals Chef der Hema-Partei „Union des Patriotes Congolais“ (UPC) und ihrer Miliz, auf seinen Prozess wegen Rekrutierung von Kindersoldaten.
Die pakistanischen Blauhelme sollen nun vor zwei Jahren mit Lubangas Gegnern von der „Front Nationaliste Intégrationiste“ (FNI) Geschäfte gemacht haben. Die kontrollierten 2005 die Goldminen, erpressten „Schutzgelder“ und tyrannisierten die Bewohner. Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) und kongolesischen Menschenrechtsorganisationen sind pakistanische Offiziere in das Goldgeschäft eingestiegen. Unter ihrer Beteiligung soll Gold im Wert von mindestens zwei Millionen Dollar aus dem Land geschmuggelt worden sein. Damit nicht genug: Um die Beziehungen zu den lokalen Warlords zu fördern, sollen die Blauhelme den Milizionären jene Waffen zurückgegeben haben, die diese zuvor bei bei Demobilisierungsprogrammen der UN abgeliefert hatten. Geschäftspartner der Pakistanis waren demnach zwei lokale Kriegsherren mit den Spitznamen „Kung Fu“ und „Dragon“
Im UN-Hauptquartier waren diese Vorwürfe offenbar bekannt. Im August 2006 traf ein UN-Ermittlerteam in Mongbwalu ein, um die Vorfälle zu untersuchen. Die pakistanischen Offiziere gaben sich zunächst kooperationswillig, was sich schlagartig änderte, als die UN-Beamten die Festplatte eines Computers beschlagnahmen wollten. Da fuhren nach Recherchen der BBC plötzlich UN-Panzerfahrzeuge vor dem Quartier der Ermittler auf, die sich daraufhin „gründlich eingeschüchtert“ sofort ausfliegen liessen. Seitdem dümpelt die Untersuchung vor sich hin.
Hier nun eine Auswahl von Stellungnahmen der Betroffenen.
„Der Untersuchungsbericht ist noch nicht fertig. Aber ich streite mit aller Entschiedenheit ab, dass Blauhelme die Milizen wiederbewaffnet haben.“ (William Swing, Leiter der UN-Mission im Kongo)
„Da waren auch Truppen aus anderen Ländern im Kongo. Warum pickt die BBC unsere Soldaten heraus? Die UN können untersuchen, was sie wollen. Soweit wir wissen, haben sie bislang nichts gegen uns vorgebracht.“ (Generalmajor Wahid Arshad, Pressesprecher der pakistanischen Streitkräfte)
„Die UN haben eine Menge Informationen von Human Rights Watch erhalten, und 18 Monate später ist immer noch nichts passiert. Es sieht so aus, als ob da was unter den Teppich gekehrt wird.“ (Anneke Van Woudenberg, Kongo-Expertin von Human Rights Watch)
„Sollte der Untersuchungsbericht ergeben, dass es hier zu Verstößen und Vergehen gekommen ist, wird der Generalsekretär Ban Ki-Moon die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“ (Michele Montas, Pressesprecherin der UN in New York)
Das Problem ist: Ban Ki-Moon hat über die pakistanischen Soldaten ungefähr so viel Einfluss wie über die Klimaerwärmung. Im Rahmen der UN gibt es kein Gremium, das Blauhelme für Verbrechen und Vergehen bestrafen, die sie während ihrer Einsätze begehen. Das liegt allein in der Verantwortung der Entsendeländer, und die kümmern sich in der Regel einen feuchten Kehricht um Straftaten, die ihre Soldaten bei UN-Einsätzen begangen haben. Das war – und ist – zu beobachten, bei den Vorwürfen gegen UN-Soldaten wegen sexuellen Mißbrauchs von Frauen und Mädchen in Bosnien, Mozambique oder dem Kongo. Das wird auch jetzt gelten, sollten sich die Vorwürfe gegen die pakistanischen Blauhelme bestätigen. Zumal Ban Ki-Moon wie schon seine Vorgänger in einem zusätzlichen Dilemma stecken: es ist unendlich schwierig, für Friedenseinsätze genügend UN-Truppen zu finden. Den westlichen Länder sind ihre Soldaten für solche Missionen zu schade. Und aus dem Rest der Welt kommt nicht immer das professionellste Personal, um es milde auszudrücken. Mit Ausnahme von Ländern wie Indien und eben Pakistan, deren Truppen bei der UN in New York heiss begehrt sind. Schon allein deswegen wird Ban Ki-Moon nichts weiter tun können, außer ein paar rhetorischen Floskeln der Empörung und Betroffenheit in die Welt zu setzen.
Also alles wie gehabt? Nein, nicht ganz. Berichterstattung über Skandale bedeutet immer auch Beschämung der Verantwortlichen. Pakistan wird derzeit von Pervez Musharraf, einem General, regiert, der bekanntermaßen derzeit reichlich innenpolitische Probleme hat. Die internationale Bloßstellung seiner Soldaten ist das letzte, was er derzeit brauchen kann. Bleiben also zwei denkbare Optionen: Entweder versucht die pakistanische Militärführung nun erst recht, alles unter den Teppich zu kehren. Oder sie tritt die heilsame Flucht nach vorn an und ermittelt selbst gegen die Beschuldigten. Was die UN-Mission im Kongo angeht: die wäre gut damit bedient, den Untersuchungsbericht, der nun plötzlich innerhalb von drei Wochen fertig sein soll, als erstes den Menschen in Ituri vorzulegen. Die werden sich einiges dazu zu sagen haben.