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Island: Der Datenfreihafen wird realer

Ende Dezember hat das Transparenz-Projekt Wikileaks auf dem 26. Chaos Communication Congress eine Idee verkündet, die man gemeinsam mit Aktivisten und Politikern aus Island entwickelt hatte: Island zum Datenfreihafen machen. Die Idee nimmt nun konkrete Züge an.

Eine „Icelandic Modern Media Initiative“ wurde gegründet und 51 Abgeordnete wollen am 16. Februar einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen. Ziel der Initiative ist es, die weltweit besten Gesetze für Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit zu vereinen. Der Zeitpunkt ist optimal, wie der britische Guardian von einem isländischen Abgeordneten erfahren hat:

„It is a good project for political change,“ said Róbert Marshall, a member of the ruling Social Democratic Alliance party. „We have been through a difficult period and this is an initiative that can unite the whole political scene.“

Die BBC zitiert Wikileaks-Gründer Julian Assange, der hoffnungsvoll ist, was die Chancen durch die isländische Gesetzgebung angeht:

„If it then has these additional media and publishing law protections then it is likely to encourage the international press and internet start-ups to locate their services here,“ Mr Assange said.

Der Zeitplan der Icelandic Modern Media Initiative sieht vor, dass das Gesetz im Optimalfall eine Woche später beschlossen sein kann. Da kann man nur Glück wünschen und auf die Entscheidung warten.

 

Jürgen Habermas twittert (nicht)

Es wäre zu schön gewesen: Am Wochenende ging ein kleiner Aufschrei durch die twitternde Wissenschaftler-Welt: Twittert der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas? Ein Twitter-Account mit dem Namen @jhabermas schaffte mit nur wenigen Tweets innerhalb von 48 Stunden mehr als 6000 Follower. Zahlreiche Twitter-Nutzer rätselten, ob der Account echt sei.

Das wäre eine kleine Sensation, denn Habermas wurde vor allem durch seine Habilitation über den „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ weltberühmt, fremdelte allerdings in den letzten Jahren mit den im Netz entstehenden neuen Öffentlichkeiten.

Der Journalist Jonathan Stray löste das Rätsel, er fragte ihn einfach. In seinem Blog schildert Stray, wie Habermas reagierte:

No, no, no. This is somebody else. This is a mis-use of my name.

Dazu erklärte Habermas demnach, dass seine Mailadresse nicht öffentlich sei, was Stray zu der Vemutung Anlass gab, dass der Philosoph das Anliegen Strays nicht wirklich verstand. Stray hat den Telefon-Dialog als MP3 online gestellt.

Der Fake-Account wurde bereits gelöscht (Zumindest Montag Abend war der Account mal weg, nun ist er wieder da). Wenigstens aber lebt Habermas auf Facebook weiter: Gleich zwölf Accounts bieten einem das Gefühl, mit ihm befreundet zu sein.

 

Im Protokoll verfangen

Gestern war ich zum Datenschutzdialog beim Innenminister Thomas de Maizière geladen. Und noch einige Menschen mehr: zwei Professoren, Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club, Patrick Breyer vom AK Vorrat, der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und dann noch diverse Institutionen- und Verbandsvertreter.

De Maizière hatte gleich zu Beginn der Veranstaltung gesagt, man würde nun vom Netz lernen wollen und daher auch solch ein „für das BMI“ neues Format ausprobieren. Nehmen wir einmal an, der Bundesinnenminister wollte das wirklich. Und er wollte ernsthaft über Datenschutz im Internet diskutieren. Dann lief das weitgehend schief. Wenn ein Minister lädt, kommen nämlich nicht die Fachleute. Sondern die Vorstände. Das nennt man Protokoll – Minister reden in der Regel nicht auf Fachebene, und Vorstände wollen gerne mit Ministern reden.

Bitkom hatte statt seines Präsidenten (der stand ursprünglich auf der Liste), immerhin seinen Geschäftsführer geschickt, eine ganz gute Wahl aus fachlicher Sicht. Ein tolles Beispiel für dieses Problem aber war das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: dessen Präsident redete von organisierter Internetkriminalität. Die soll zwar auch noch Thema in einem der nächsten Dialoge des BMI sein. Aber dieses mal ging es um Datenschutz und Datensicherheit, über die Michael Hange kein Wort verlor.

Gerd Billen von der Verbraucherzentrale Bundesverband redete von Virenscannern, Autos, Datenladendiebstahlsmentalität und Nutzern, die es mit dem Urheberrecht ja auch nicht so genau nehmen. Und Michael Rotert vom Internetverband Eco sprach eigentlich auch nie von Datenschutz. Dafür von Netzneutralität – die Provider hätten kein Interesse daran, diese abzuschaffen. Abgesehen von Ausnahmen. Da kann man die Stirn gar so viel in Falten legen, wie man möchte. Sie würde eine Hexentreppe.

Thomas de Maizière kann einem leid tun. Wenn er wirklich in einen Dialog eintreten will, muss er vom Internet nämlich noch etwas lernen: formaler Status ist irrelevant. Wenn er als Minister ernsthaft in die Diskussion um Datenschutz im Internet und andere Fragen einsteigen will, muss er seinen Ministerposten vergessen. Und sich mit denen unterhalten, die Verstand statt Vorstand mitbringen.

 

Island zum Datenfreihafen machen

Auf dem 26. Chaos Communication Congress des Chaos Computer Club in Berlin hat gestern das Transparenz-Projekt Wikileaks.org eine Reformidee für Island präsentiert. Der Staat ist in Folge der Finanzkrise beinahe Pleite. Auf Wikileaks wurden im Sommer detaillierte Informationen publiziert, welche Staatsbürger Islands für die Pleite mitverantwortlich sind und mit Insiderinformationen kurz vor dem Zusammenbruch von isländischen Banken rund fünf Milliarden Dollar außer Landes geschafft haben. In dem kleinen Staat mit rund 300.000 Einwohnern, wo fast jeder jeden kennt, waren das brisante Informationen, die Transparenz geschaffen haben.

Wikileaks.org erhielt daraufhin in Island eine Menge Aufmerksamkeit und die beiden Projekt-Mitarbeiter Daniel Schmidt und Julian Assange wurden vor wenigen Wochen in die bekannteste TV-Show des Landes eingeladen, um über ihr Projekt zu reden. Vorher kam ihnen eine Idee: Warum nutzt Island nicht die Krise des politischen Systems und erfindet sich neu? Die Idee eines Datenfreihafens entstand, eine Art „Schweiz für Bits“. Warum nicht die besten Gesetze aus verschiedenen Staaten zusammen mixen und eine neue gesetzliche Grundlage für ein digitales Island schaffen?

Aus Belgien könnte man Gesetze zum Schutz von Journalisten nehmen, aus Schweden die bewährten Gesetze, die Provider nicht für Inhalte verantwortlich machen und aus den USA den ersten Verfassungsgrundsatz, der die Meinungsfreiheit schützt. Diese Normen würden gute Vorlagen bieten und wären in der Praxis schon erprobt. Alles zusammen schüfe einen Rahmen, der Transparenz und Informationsfreiheit verbindet. Die reichhaltigen lokalen Energie-Ressourcen böten dazu die die Möglichkeit, einen solchen Datenfreihafen, der viele Rechenzentren braucht, auch noch ökologisch zu betreiben.

In der TV-Show präsentierten die beiden live ihre Idee, die viel mediale und politische Aufmerksamkeit nach sich zog. Mittlerweile arbeiten Juristen an einer Gesetzesvorlage, die schon Ende Januar präsentiert werden soll. Die Idee, Island zu einem weltweiten „data haven“ zu machen, ist nicht neu, auch die dortige Regierung hat entsprechende Überlegungen bereits angestellt. Das politische Klima könnte nun dafür sorgen, dass sie Realität wird, wie Wikileaks optimistisch analysiert. Zumindest aber sollte es genutzt werden, finden die Macher. Ihr Motto: „Never waste a crisis.“

 

Die Kehrtwende der SPD bei Zensursula

In der Zensursula-Debatte rund um die geeigneten Werkzeuge gegen Kinderpornographie kündigt sich bei der SPD-Fraktion eine Kehrtwende an.

Zum Hintergrund: Im Juni 2009 verabschiedeten Union und SPD im Bundestag gemeinsam das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz. Dies regelte unter anderem, dass zur Unterstützung der Bekämpfung von Kinderpornographie eine Netzzensur-Infrastruktur bei den Providern errichtet werden sollte.

Gegen die Netzzensur regte sich massiver Widerstand im Netz, der auch über die erfolgreichste Petition in der Geschichte des Online-Petitionssystems des Deutschen Bundestages artikuliert wurde. Sie fand mehr als 134.000 Mitzeichner. Es half alles nichts, die Große Koalition stimmte fast geschlossen für das Zugangserschwerungsgesetz, das auf „Löschen vor Sperren“ setzte.

Nun die überraschende Kehrtwende: Schon Anfang November kritisierte der neue Berichterstatter für neue Medien in der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Klingbeil, in der SPD-Zeitung Vorwärts das Zugangserschwerungsgesetz und forderte: „Gesetz muss weg“. Das verwunderte noch nicht, wird Kingbeil, der neu im Bundestag ist, doch eher dem progressiven Flügel der SPD-Netzpolitik zugeschrieben. Im aktuellen Spiegel kamen dann kritische Worte vom stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Olaf Scholz, der in weiten Teilen die Kritik der Bürgerbewegung an dem Zugangserschwerungsgesetz wiederholte:

“Internetsperren sind ineffektiv, ungenau und ohne weiteres zu umgehen. Sie leisten keinen Beitrag zur Bekämpfung der Kinderpornografie und schaffen eine Infrastruktur, die von vielen zu Recht mit Sorge gesehen wird.” Die SPD bestehe auf dem Prinzip “Löschen vor Sperren”.

Hier klang noch das „Löschen vor Sperren“ heraus, das von der SPD in der Debatte als Leitlinie ausgegeben wurde. Dies wurde damals massiv kritisiert, weil trotzdem eine Netzzensur-Infrastruktur geschaffen werden sollte. In einer Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion wurde die Kritik diese Woche wiederholt.

Im Interview mit dem Schaltzentrale-Blog der Süddeutschen Zeitung verkündete dann Martin Dörmann, der Chefunterhändler der SPD-Fraktion während der Zensursula-Debatte, eine ganz neue Haltung:

Die Verträge zwischen BKA und Providern sind auf Eis gelegt, seit dagegen vor dem Verwaltungsgericht in Wiesbaden geklagt wurde. Das BKA hat dann erklärt, in den nächsten Jahren gar keine Sperrlisten anzulegen. Im Moment sind wir in einem rechtlichen Schwebezustand. Unser Grundsatz war auch immer: Löschen statt Sperren. Mittlerweile hat das auch die Union akzeptiert. Daher, und weil die Verträge zwischen BKA und Providern nicht in Vollzug sind, ist das Gesetz unnötig geworden.

Hier taucht auf einmal ein „Löschen statt Sperren“ auf, was man bisher von offizieller Seite der SPD nicht gehört hat. Es überrascht ein wenig, wie schnell die SPD-Bundestagsfraktion innerhalb weniger Tage die Richtung geändert hat. Vor allem, weil man in der Großen Koalition die Möglichkeit hatte, das Gesetzesvorhaben und die Errichtung einer Netzzensur-Infrastruktur zu verhindern. Und es klingt wenig glaubwürdig, wenn Dörmann nun öffentlich verkündet, der Grundsatz der SPD sei schon immer „Löschen statt Sperren“ gewesen. Ein Blick in die Archive des Netzes zeigt deutlich, dass es einen offiziellen SPD-Parteitagsbeschluß gibt, der explizit „Löschen vor Sperren“ als Leitlinie vorgibt.

Aber wahrscheinlich ist man noch nicht so bewandert in der neuen Oppositions-Rhetorik, wie die Taz heute berichtet:

Am Donnerstag sagte Dörmann der taz, „Löschen statt Sperren“ sei ein Versprecher gewesen, er könne sich durchaus noch an die frühere Haltung seiner Partei erinnern.

Es ist erfreulich, dass sich die SPD besinnt und nun gegen die Errichtung einer Netzzensur-Infrastruktur argumentiert. Die Glaubwürdigkeit in der Netzpolitik hat aber in den letzten großen Schaden genommen, weil man vor einem halben Jahr noch das Gegenteil abgestimmt hat. Die Zensursula-Debatte wird für lange Zeit der schwarze Fleck in der Geschichte der sozialdemokratischen Netzpolitik bleiben. Es wird nicht leicht für die SPD werden, diese Glaubwürdigkeit zurück zu gewinnen.

 

Wir brauchen einen Netzpolitik-Gipfel und keinen IT-Gipfel

Heute findet zum vierten Mal der „nationale IT-Gipfel“ statt. Wie in den Vorjahren laden die Bundesregierung und der IT-Lobbyverband Bitkom ein. Und dann gibt es stundenlang Politiker- und Lobbyistenreden und eine „Leistungsshow“.

Es ist sinnvoll, einen Platz zu haben, an dem Politik und Gesellschaft über wichtige Fragen der digitalen Gesellschaft und über die nationale Netzpolitik diskutieren. Doch der IT-Gipfel krankt seit seiner Erfindung daran, dass er allein dazu dient, Großprojekte vorzustellen, die allein Industrie und Politik zusammen ausgeheckt haben. Dabei fällt mir im Rückblick auf Anhieb kein deutsches Projekt ein, das nicht zuerst groß angekündigt und dann gegen die Wand gefahren wurde.

Auch zeigt die Redeliste des IT-Gipfels den Stellenwert, den das Internet in Deutschland hat: Das Netz soll Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche schaffen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Rahmenbedingungen einer digitalen Gesellschaft werden allein mit den großen Industrie-Lobbyverbänden diskutiert. Eine Maßnahme zeigt anschaulich, was das Problem ist: Während andere Staaten wie Finnland Breitbandinternet als Grundversorgung begreifen und dementsprechende Gesetze schaffen, will die Bundesregierung dies dem Markt überlassen. Das ist zu wenig in heutigen Zeiten. Internet muss als Grundversorgung bereitgestellt werden, um der digitale Spaltung endlich entgegen zu arbeiten, statt sie zu vergrößern.

Deutschland braucht Ereignisse, bei denen Politik und Gesellschaft gemeinsam die Herausforderungen des digitalen Zeitalters diskutieren. Der IT-Gipfel war und ist bisher nicht der Ort dazu. Es wird Zeit für einen Netzpolitik-Gipfel, auf dem es um mehr als nur um Arbeitsplätze geht.

 

Weiter Rätselraten ums Leistungsschutzrecht

Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hat mich gestern zu einer Podiumsdiskussion über das geplante Leistungsschutzrecht für Verlage eingeladen. Mit mir diskutierten unter der Moderation von Lutz Hachmeister vom lfM noch Matthias Spielkamp von iRights.info und Christoph Keese, der Konzerngeschäftsführer „Public Affairs“ bei Axel Springer. Die Diskussion wurde von Carta.info aufgezeichnet und kann hier angeschaut werden.

Nach der Diskussion bin ich kaum schlauer als vorher, was genau ein Leistungsschutzrecht für Verlage bringen soll. Aus Sicht der Verlage scheint das alles sehr einfach zu sein: Durch ein weiteres geistiges Monopolrecht möchte man mehr Geld verdienen und damit die Demokratie retten. Allerdings ist es immer noch ungeklärt, was denn ein solches Leistungsschutzrecht überhaupt bringen soll.

In der öffentlichen Debatte kommt immer sofort Google ins Spiel. Der US-Konzern hat ein erfolgreiches Geschäftsmodell und verdient vor allem durch Werbung – eine Einnahmequelle, die bisher vor allem den Verlegern in ihren traditionellen Geschäftsmodellen zu Gute kam.

Durch Dienste wie Google-News kommen Leser auf die Online-Angebote der Verlagshäuser. An dieser Aggregationsleistung wollen Verleger auch Geld mitverdienen. Die Kommunikationspolitik von Seiten der Verleger zur Einführung eines Leistungsschutzrechts ist aber ziemlich diffus. Christoph Keese erklärte in der Verlagsrunde, dass es nicht um Google gehen würde und brachte anschauliche Beispiele aus der Praxis, dass man zum Beispiel Zahnarztpraxen (kein Scherz!) im Auge habe, die mit Verlagsartikeln ihre Webseiten aufhübschen würden und bisher könnte man das wirtschaftlich kaum abrechnen.

Auch müsse man stärker gegen weitere kommerzielle Urheberrechtsverletzungen vorgehen und das derzeitige Urheberrecht würde dafür nicht ausreichen. Eine starke Behauptung. Man stellt sich dann als Blogger vor, was passieren würde, wenn man die Inhalte von Bild.de einfach in seinem Blog spiegelt: Das Bild des ohne Leistungsschutzrecht hilflosen Axel Springer Konzerns in einem solchen Fall kommt einem doch etwas surreal vor bei den derzeitigen Abmahnpraktiken.

Vollkommen ins schwanken kam der Chef-Lobbyist von Axel Springer bei der Frage aus dem Publikum, ob man denn Links irgendwie „besteuern“ wolle. Dies hatte Keese vorher noch bestritten. Bei der expliziten Frage, was denn mit Links zu Angeboten der Verlage sei, die man auf der Arbeit per Mail oder Instant-Messanger seinen Kollegen zuschicken würde, konnte oder wollte er nicht antworten. Und entlarvte dabei etwas unfreiwillig, dass es anscheinend doch in diese Richtung gehen soll. Immerhin wurde mehrfach aus dem Publikum die Frage wiederholt und jedes Mal gab es darauf weder ein Ja noch ein Nein.

Und worum geht’s jetzt?

Die Verleger wollen eine Art GEMA für ihre Presseerzeugnisse haben, was aber auch schon die VG-Wort macht. Aber dort müsste man mit den Urhebern teilen. Dazu wünscht man sich eine 1-Click Lösung in den Suchmaschinen eingebaut, so dass man bei einem Klick auf Suchmaschinenergebnisse automatisch einen bestimmten Betrag bezahlen soll. Da staunt man, wie das technisch zu bewerkstelligen sein soll und fragt sich immer noch, was ein Leistungsschutzrecht dazu bringen soll. Kann man gerne versuchen und auch die Paid Content Strategien von vielen Verlagen kann man nur begrüßen, und ihnen Glück wünschen. Vielleicht bringen sie ja tatsächlich die gewünschte Rettung und vielleicht bekommen die Journalisten von den Erlösen auch etwas mehr ab als derzeit, wo die Verlage nur Total-Buyout-Verträge und wenig Geld anbieten.

Und wenn traditionelle Medienmarken ihre Inhalte verschließen und an den Toren Geld nehmen haben neue Angebote wie Blogs bessere Chancen, sich auf dem Markt mit neuen Geschäftsmodellen und einem offenen Zugang zu positionieren.

Ich bin mit einem diffusen Bild eines möglichen Leistungsschutzrechts in die Diskussion gegangen und mit demselben Bild wieder rausgekommen. Einen Sinn für die Interessen der Allgemeinheit sehe ich immer noch nicht. Und der sollte offensichtlich sein, wenn man durch ein neues geistiges Monopolrecht die Interessen Aller beschneidet.

Wer sich noch weiter zum Thema Leistungsschutzrecht informieren möchte:

iRights.info hat ein Bundestag-Gutachten zum Leistungsschutzrecht veröffentlicht. Beim Perlentaucher berichtet Ilja Braun über ein anderes Gutachten zum selben Thema: Schutzlos ausgeliefert im Internet? Matthias Spielkamp hat in der Zeitschrift „Message“ über „Die Lobbyisten der Unfreiheit“ geschrieben und Till Kreutzer hat aus juristischer Sicht ein mögliches Leistungsschutzrecht beschrieben: Faszination des Mystischen.

 

Petition für freies Wissen

Wissenschaftler setzen sich in Deutschland seit Jahren für den freien Zugang zu wissenschaftlichen Materialien ein. Die Initiativen werden unter dem Schlagwort „Open Access“ (Der offene Zugang) zusammen gefasst. Mit der „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ wurde im Jahre 2003 ein großer Meilenstein der Open-Access-Bewegung geschaffen: Zahlreiche Forschungsinstitutionen und Wissenschaftler forderten gemeinsam eine Stärkung der Open Access – Idee. Passiert ist seitdem wenig.

Eine Petition möchte dies jetzt ändern. Der Blogger Lars Fischer hatte am 20. Oktober beim Petitionssystem des Deutschen Bundestages die Petition „Wissenschaft und Forschung – Kostenloser Erwerb wissenschaftlicher Publikationen“ eingereicht. In seinem Blog beschreibt Lars Fischer seine Motivation für die Einreichung der Petition. Anfang dieser Woche wurde diese freigeschaltet und seitdem wurden rund 8500 Mitzeichner gefunden. Bis zum 22. Dezember besteht die Möglichkeit einer Mitzeichnung. Wenn bis dahin die kritische Masse von 50.000 Mitzeichnern erreicht wird, muss sich der Petitionsausschuss im Deutschen Bundestag mit dem Thema auseinandersetzen und Lars Fischer anhören.

Ein positiver Nebeneffekt wäre, dass dem Thema Open Access in Deutschland endlich mehr (mediale) Aufmerksamkeit gewidmet würde.

Hier ist der Text der Petition:

„Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein müssen. Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, soll der Bundestag auffordern, entsprechende Vorschriften zu erlassen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen.“

Und dies ist die Begründung:

Die öffentliche Hand fördert Forschung und Entwicklung nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung jährlich mit etwa 12 Milliarden Euro. Die Ergebnisse dieser Forschung jedoch werden überwiegend in kostenpflichtigen Zeitschriften publiziert. Es ist nicht angemessen, dass der Steuerzahler für die von ihm finanzierten Forschungsergebnisse erneut bezahlen muss. Wegen der hohen Kosten und der Vielzahl wissenschaftlicher Zeitschriften sind Forschungsergebnisse nur in wenigen Bibliotheken einsehbar. Den meisten Bürgern ist der Zugang zu der von ihnen finanzierten Wissenschaft dadurch nicht nur erschwert, sondern de facto ganz verschlossen. Den Bürger von der Wissenschaft auszusperren ist nicht nur schädlich, sondern auch unnötig. Andere Länder haben vergleichbare Vorhaben bereits umgesetzt. Die US-Amerikanische Behörde National Institutes of Health (NIH) verlangt, dass alle von ihr finanzierten Publikationen binnen 12 Monaten an einem zentralen Ort öffentlich zugänglich sind. Die grundsätzliche Struktur des wissenschaftlichen Publikationswesen verändert sich hierdurch nicht.

 

Wo bleibt die versprochene Internetrepublik?

Union und FDP haben ihren Koalitionsvertrag verhandelt und dieser steht schon im Netz. Auf 124 Seiten Text kommt das Wort Internet sogar 32x vor. Das ist mehr als in früheren Koalitionsverträgen. Und doch enttäuscht das Ergebnis. Der Koalitionsvertrag liest sich rund um das Thema Netzpolitik wie die Fortführung der Politik der letzten Jahre mit ein paar Justierungen.

koalitionsvertrag_internet
(Tagcloud via Metaroll)

Einzige Überraschung: Das Zugangserschwerungsgesetz soll ein Jahr ausgesetzt werden, in dem Zeitraum soll die dazu errichtete Netzzensur-Infrastruktur auch nicht genutzt werden. Unklar bleibt bisher, ob die Bundesregierung die Netzzensur-Pläne auf internationaler Ebene weiter vorantreibt, oder ihr Engagement für den Zeitraum ebenfalls auf Eis legt. Beim Urheberrecht sieht es gar nach einer Radikalisierung aus. Die Rechteindustrie freut sich bereits, dass nahezu ihr gesamter Forderungskatalog von der neuen Regierung umgesetzt werden wird.

Viele Forderungen im Koalitionsvertrag sind austauschbar: Etwas mehr eGovernment, offene Standards in der Verwaltung und mehr Breitbandinternet auf dem Land. Das wollte schon jede Regierung in diesem Jahrzehnt.

Das Lesen des Koalitionsvertrages löst keine Begeisterungsstürme aus. Man sieht an ihm, wie unwichtig das Thema Netzpolitik immer noch in der deutschen Politik ist. Wo ist die Vision? Was sind die neuen Ideen dieser Koalition? Was sind die konkreten Netzpolitik-Projekte, die begeistern? Während in Finnland ein „Recht auf Breitband“ eingeführt wird und in den USA sich die Regierung durch OpenGovernment offener und transparenter macht, freuen wir uns auf die DE-Mail und hoffen, dass die elektronische Krankenakte kaputt evaluiert wird. Und müssen fürchten, dass der neue Innenminister ziemlich schnell seine Forderung nach Verkehrsregeln im Internet umsetzen wird.

So wird das nichts mit der versprochenen Internetrepublik, die von der FDP im Wahlkampf ausgerufen wurde.

Ansonsten gilt, was Kai Biermann schon auf Zeit.de geschrieben hat: Angst vor dem Netz bleibt der Tenor.

 

Die Zukunft des Buches ist digital

Auf der Frankfurter Buchmesse wird gerade die Zukunft des Buches diskutiert. Vor allem geht es um eine Frage: „Was kann die Verlagsbranche von der Musikindustrie lernen?“ Lernen kann sie viel, aber schaut man sich die Strategien verschiedener eBook-Hersteller und die Online-Strategien der Verlage an, kommen Zweifel, ob sie die richtigen Fragen stellt.

Die Musikindustrie wurde als erste von der Digitalisierung erwischt. In den ersten Jahren nach Napster galt Kopierschutz mit Digital Rights Management als die Erlösung. Doch scheiterte man damit grandios und seit dem sind Kopierschutztechnologien auf dem Rückzug.

Hauptgrund war die fehlende Akzeptanz. DRM entmündigte die Nutzer. Sie konnten nicht mehr selbst entscheiden, auf welchen Geräten sie ihre erworbene Musik hörten. Weiterverkaufen oder verleihen ließen sich die digitalen Musikstücke auch nicht. Krönung waren DRM-Standards wie „Plays for Sure“ von Microsoft, die dank Marktmacht suggerierten, dass die erworbenen Inhalte selbstverständlich überall nutzbar seien. „Überall“ meinte dabei aber „nur auf Microsoft-Plattformen“. Mit der Nachhaltigkeit und dem „Plays for sure“ war es irgendwann auch vorbei: Bald kündigte man an, die Kopierschutzserver abzuschalten.

Und die Buchbranche im Jahre 2009? Die träumt dieselben Träume wie die Musikindustrie vor einigen Jahren. Anbieter wie Amazon schmeißen eBook-Reader wie den Kindle auf den Markt, die nur mit dem eigenen, natürlich geschützten Format funktionieren. Die Verlage hoffen, künftig nur noch Nutzungslizenzen zu verkaufen, nicht mehr richtige Bücher. Und die Nutzer werden bald feststellen, dass irgendetwas nicht stimmt: Für einen ähnlich hohen Preis wie das gedruckte Buch erwirbt man lediglich ein Nutzungsrecht. Das eBook ist weder weiter verkaufbar, noch kann man das Exemplar einem Freund leihen. Unterschiedliche Kopierschutz-Standards sorgen dafür, dass man an einzelne Anbieter gefesselt wird. Wechselt man in einem Jahr vom Amazon-Kindle zur Konkurrenz, kann man wahrscheinlich die gekauften Bücher nicht mitnehmen.

Aber wie sieht die Zukunft des Buches aus?

Ich glaube, sie wird ganz anders aussehen, als wir uns das vorstellen können. Das alte Verständnis eines linearen Aufbaus der Erzählstruktur war dem analogen Medium Buch geschuldet. In den meisten eBook-Konzepten wird derzeit das analoge System nur 1:1 auf einen digitalen Vertrieb übersetzt.

Wo bleiben die Visionen, dass Literatur auch nichtlinear und multimedial sein kann? Gerade die Verschmelzung von Text, Audio und Videoinhalten zu etwas Neuem bietet Chancen. Allerdings, auf den gerade vorgestellten eBook-Readern wird so etwas nicht möglich
Sein. Die Geräte wirken technologisch wie Urgesteine aus den achtziger Jahren.

Vielleicht wird diese Technologie ja bald von Smartphones überholt. Diese verfügen auch über einen Browser und den passenden Rückkanal: So könnte die Zukunft des Buches viel vernetzter sein… Wenn ich Special-Interest-Bücher lese, interessiert mich doch, wer das gleiche Buch noch liest. Und ich hätte gerne Kontakt zu diesen Menschen. Selbst bei Beststellern kann es interessant sein, direkt im Lesefluss mit anderen Menschen darüber
zu kommunizieren.

Dabei könnte die Verlagsbranche viel von innovativen Konzepten der Musikindustrie lernen: Wer neue Wege geht, hat eher Erfolg als die dröge Masse. Der kanadische Science Fiction Autor und Blogger Cory Doctorow beschrieb auf der vergangenen re:publica´09 (Offenlegung: Der Autor veranstaltet die re:publica-Konferenzen) seine Strategie, Bücher zusätzlich zum Verkauf zu verschenken. Alle seine Werke sind unter einer Creative Commons Lizenz kostenfrei verfügbar. Das führt nicht nur dazu, dass seine Fans die Bücher freiwillig und kostenlos in Sprachen übersetzen, die von seinem Verlag als unrentabel angesehen werden. Die Fans sind auch glücklich über den Vertrauensvorschuss, verlinken auf seine Bücher und weisen andere auf sie hin. Doctorow profitiert dabei von Netzwerkeffekten im Marketing. Sein Geld verdient er weiter mit dem Verkauf der gedruckten Bücher und der eBooks, denn auch sie gibt es für Geld. Selbstverständlich ohne Kopierschutz. Die Frage, was wäre, wenn er keine gedruckten Bücher mehr verkaufen würde, antwortet er, dass Autoren heute ständig innovativ sein und neue Wege gehen müssten. Die Zeiten seien vorbei, wo man jahrzehntelang mit derselben Idee Geld verdienen könnte. Im Zweifel müsse er eben sein Geschäftsmodell anpassen.

Einige Musiker versuchen das schon und binden ihre Fans in die Wertschöpfungskette ein. Angefangen bei der Finanzierung der Produktion. Der Vorschuss, den früher die Verlage zahlten, kommt so von denen, die die Musik dann hören wollen.

Auch die Buchbranche braucht Mut für neue Wege. Kopierschutz und geschlossene DRM-Systeme sind keine nachhaltige Lösung, die die Kunden zufrieden stellen wird.