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Wir schließen

Seit September 2009 haben hier Markus Beckedahl, Kai Biermann, Christiane Schulzki-Haddouti und Tina Klopp über die sich wandelnde Welt gebloggt. Über kleine Beobachtungen und große Geschichten, die zeigten, wie schwer sich mancher mit der digitalen Welt tut und wie leicht sich manches doch verändert.

Wir wollten mit diesem Blog die Phase des Übergangs begleiten. Und haben bald bemerkt, dass der gleiche Gedanke auch unsere Arbeit im Digitalressort von ZEIT ONLINE leitet.

Noch dazu ist der Kulturkampf, den das Blog im Namen trägt, an vielen Stellen schon gar keiner mehr, da sich das Internet als Idee längst durchgesetzt hat. Wir haben uns daher entschlossen, das Projekt zu beenden und unsere Kraft auf andere Themen zu konzentrieren – beispielsweise Open Data.

Herzlichen Dank für die Treue und vor allem für die vielen anregenden Kommentare und Diskussionsbeiträge. Es hat Spaß gemacht!

Zum Abschied ein letztes Posting von Christiane Schulzki-Haddouti:

 

Abschied

Das waren laut Wordle meine meist genannten Begriffe in den Kulturkampf-Blogbeiträgen von März 2010 bis Mai 2011:

Danke für die teils sehr rege Diskussion!

 

Zwischenbericht für die Enquete-Kommission enttäuscht

Der Zwischenbericht für die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ wurde heute online veröffentlicht. Er befasst sich mit den vier Themen „Netzneutralität“, „Datenschutz“, „Urheberrecht“ und „Medienkompetenz“ – und ist lediglich 20 Seiten lang – inclusive Titel- und Leerseiten sowie Anhang.

Abgesehen davon, dass der 18. Experte, die Netzöffentlichkeit, sich mangels einer einsatzfähigen technischen Lösung bislang nicht ausreichend äußern konnte, fehlt das Wesentlichste: Die Schlussfolgerungen, die die Abgeordneten gezogen haben. Zu allen vier Themen heißt es, die Handlungsempfehlungen würden erst noch erarbeitet.

Aber auch der Bericht über das, was man bislang gelernt hat, ist äußerst dünn: Viele Worte über Vorgehensweise und Verfahren, wenig Worte über Inhalte. Zum Thema „Netzneutralität“ wird das, was man aus den Expertenanhörungen gelernt hat, sogar lapidar in dem Satz „Die gewonnenen Erkenntnisse fanden Eingang in die inhaltliche Arbeit der Projektgruppe.“ zusammengefasst.

Die Inhalte selbst werden so neutral wiedergegeben, dass kaum zu erkennen ist, wo es überhaupt etwas zu diskutieren gibt. Es ist also nur eine Art inhaltliche Gliederung des künftigen Berichts, die hier konfliktfrei referiert wird. Unterschiedliche Positionen werden nur formelhaft angedeutet: „Es zeichnet sich aber ab, dass es inhaltliche Punkte gibt, die grundsätzlich strittig bleiben. „

Das ist enttäuschend – vergleicht man dies mit dem Tempo, den die Ethikkommission zum Thema Atomkraft einschlagen will: Sie will innerhalb von drei Monaten zu Schlussfolgerungen kommen. Die Internet-Enquête hatte wesentlich mehr Zeit. Zu erwarten war eigentlich ein Abschluss der vier Themen. Wie die restlichen Themen noch ohne eine zeitliche Verlängerung zu bewältigen sind, ist fraglich.

P.S. Der Bundestag dokumentiert auf dieser Webseite die Resonanz auf die Enquête.

 

Star Trexels

Noch gibt es keine Konvertierungsprogramme, die das Personal beliebter Filme automatisch auf minimalste Pixelgröße bringen kann. Wenn es eines gäbe, würde das Ergebnis etwa für Star Trek (pardon: Raumschiff Enterprise) so aussehen:

Der geneigte Leser, der sich mit Pixelidentifikationen befassen möchte, wird rasch feststellen, dass sich hier gleich mehrere Generationen der Besatzung diverser Enterprise-Versionen wiederfinden. Data jedenfalls steht in vierter Reihe von oben an vierter Stelle von rechts.

Trexels heißt das Projekt passenderweise, für das John Martz 235 Charaktere verpixelt hat.

via

 

Die ganze Menschheitsgeschichte auf einer Karte

Europa hat in der Menschheitsgeschichte lange keine Rolle gespielt. Wer diese Aussage so einfach in den Raum stellt, erntet vielleicht nicht sonderlich viel Interesse für seine These. Worten allein mangelt es oft an Überzeugungskraft.

Nicht umsonst heißt es von überzeugenden Sätzen, man „führe jemanden etwas vor Augen.“ Das jedenfalls macht die interaktive Karte, die Wikipedia-Einträge entlang eines Zeitstrahls auf einer Map anzeigt und dabei bunt aufleuchten lässt: „Wenn es nach der freien Enzyklopädie im Netz geht, dauerte es fast 1100 Jahre, bis außerhalb von Europa irgendwas Interessantes passierte.“ So beschreibt De-Bug den Eindruck, den die Visualisierung beim Betrachter hinterlässt.

Sie ist aber auch einfach so hübsch anzusehen, ganz ohne Erkenntnisinteresse.

A History of the World in 100 Seconds“ von Gareth Lloyd hat auch den Preis der „Best Visualization“ beim Matt Patterson’s History Hackday gewonnen.

Zum Verfahren heißt es laut eigener Beschreibung, man habe für die Karte ein großes Paket (30 Gigabyte) von Wikipedia-Artikeln genommen, daraus 424.000 Artikel mit Koordinaten und 35.000 Referenzen zu Ereignissen destilliert und in der Folge daraus 15.000 Orte ermittelt. Diese Orte wiederum hat man dann in ihrer zeitlichen Abfolge auf der Karte verzeichnet – fertig.

 

Einblicke in die Sperrzone

Japan ist drei Wochen nach der verheerenden Naturkatastrophe immer noch in den Schlagzeilen, doch die Aufmerksamkeit schwindet allmählich. Auch der Fokus verändert sich. Der Blick der professionellen Katastrophenkommunikation weicht einem, der in das private Leben der Menschen reicht.

So gibt es nun erste Berichte aus der Sperrzone rund um den havarierten Atomkomplex in Fukushima, die auf ruhige, aber umso erschütterndere Weise zeigen, wie die Katastrophe in den Alltag der Menschen einbrach.

Das Wall Street Journal veröffentlichte einen E-Mail-Austausch eines Tepco-Arbeiters mit einem Kollegen in Tokyo. In der ersten E-Mail schreibt er: „Wenn wir jetzt in der Hölle sind, können wir uns nur noch in Richtung Himmel schleppen.“ In einer weiteren Mail berichtet er, dass die meisten Kollegen durch die Katastrophe obdachlos geworden sind. Er selbst kämpfe seit dem Erdbeben ohne Pause und Schlaf gegen eine Verschlimmerung der Lage an. Während das Erdbeben eine Naturkatastrophe sei, könne Tepco jedoch für die Kontamination verantwortlich gemacht werden. Die Stimmung sei so angespannt, dass man nahe daran sei, Tepco auch die Schuld für das Erdbeben zu geben. Er schreibt: „Everyone is away from their hometown and does not know when they can return. We don’t know who to turn to and direct our concern and anger. This is the current reality.“

Ein APF News-Team begab sich vor wenigen Tagen in die 20-Kilometer-Sperrzone, um die Situation dort zu dokumentieren: Während das Navigationsgerät intakte Straßenzüge der Stadt Odakaku Minami Souma in der Präfektur Fukushima anzeigt und mit Normalität suggerierender Stimme durch das Chaos lotst, laufen zurückgelassene Hunde erwartungsvoll auf das Auto der Reporter zu. Eingesperrte Rinder stehen ohne Futter und
Wasser in ihrem Dreck. Ein älteres Ehepaar lebt noch in seinem Haus und kümmert sich um den greisen Vater – während die gesamte Nachbarschaft verwaist ist.

Man muss kein Japanisch verstehen, um die verzweifelte Lage erkennen zu können. APF News hat innerhalb der Sperrzone noch weitere Beiträge gedreht und daraus eine Art Foto-Reisetagebuch gemacht.

In Notunterkünften harren viele bei wenig Essen aus – während sich in Tokyo die Versorgungslage zu normalisieren scheint, berichtet eine Augenzeugin der Nachrichtenagentur Reuters.

Es gibt auch erste Heldengeschichten, die Mut machen. Wie die des Mannes, der sich mit einem Taucheranzug in die Flut aus Wasser, Wrackteilen und Müll stürzte, um seine Frau aus dem überfluteten Haus zu retten.

Und wie ein surrealer Traum muss der Viermaster Kaiwo Maru II im vom Tsunami größtenteils zerstörten Onahama-Hafen auf die erschöpften Tepco-Arbeiter wirken. Etwa fünf Kilometer vom Atomkraftwerk Fukushima-Daichi entfernt, bietet das Schiff eine Erholungsmöglichkeit – mit Essen, Bett und warmer Dusche. Die Kaiwo Maru II ist wie die Gorch Fock ein Segelschulschiff. Seit dem 21. März ist es in Onahama und soll dort so lange bleiben, bis das Essen an Bord zu Neige geht.

 

Plagiats-Wiki auch für Gaddafi-Sohn

Nachdem Verteidigungsminister zu Guttenberg mehr oder weniger freiwillig seinen Doktortitel zurückgegeben hat, könnte bald schon Saif Al-Islam Gaddafi vor einer ähnlichen Entscheidung stehen. Seine Dissertation an der London School of Economis steht ebenfalls unter Plagiatsverdacht. In diesem Falle dürften ihm keine angeheuerten Söldner helfen.

Wie BoingBoing meldet, gibt es nun auch hier ein Wiki, in dem Nutzer ihre Plagiatsfunde dokumentieren können. Eingerichtet wurde es, nachdem einfaches Googlen bereits zwei Plagiatsfunde erbringen konnte. Der Verdacht kam nach seiner Fernsehansprache auf, in der er wenig Verständnis für die zivilen Proteste in seiner Heimat aufbrachte und in lässig zurückgelehnter Haltung vor einem Bürgerkrieg warnte. In seiner Dissertation hatte er sich vorgeblich mit der Rolle der Zivilgesellschaft in Demokratisierungsprozessen beschäftigt.

 

Warum man „auf der Arbeit“ nicht wirklich arbeiten kann

Der amerikanische Softwareunternehmer Jason Fried ist der Ansicht, dass man „auf der Arbeit“, also beispielsweise in einem klassischen Büroraum seine Aufgaben nicht wirklich erledigen kann.

Ganz meine Meinung, wenn ich mich an meine eigenen Büroerfahrungen vor mittlerweile gut 20 Jahren erinnere: Der Tag ging schnell vorbei, da immer wieder unerwartete Unterbrechungen vorkamen: Ein Kollege kam vorbei, die Post wurde angeliefert, eine Essenspause, das Telefon klingelte, eine Besprechung, eine kleine Feier, der Chef will einen kleinen Zwischenbericht. Schwierig, sich auf eine Sache, die man sich vorgenommen hatte, wirklich zu konzentrieren.

Jason Fried hat sich mit diesem Büroalltag zehn Jahre lang beschäftigt und meint: Ganz normal, dass man nicht zum Arbeiten kommt. Und Facebook und Twitter seien nicht das Problem. Die Probleme lägen ganz woanders … Meetings etwa unterbrechen relativ unwirklich den Arbeitsfluss einer ganzen Reihe von Menschen und ziehen meist weitere Meetings nach sich. Und ein einstündiges Meeting mit zehn Leuten ist nicht wirklich ein einstündiges Meeting, sondern ein zehnstündiges, usw., usf.

Jason Fried hat natürlich auch einige Lösungsvorschläge. Sie laufen darauf hinaus, das eigene Kommunikationverhalten stärker zu kontrollieren – unter anderem auch mit Hilfe von Kommunikationstools. Und auf das nächste Meeting vielleicht einfach mal zu verzichten. Eigentlich nahe liegend, da Fried als Mitbegründer von 37signal, einem Unternehmen, das Kollaborationstools entwickelt, sehr Tool-orientiert denkt. Aber sehen Sie selbst:

 

Das Geheimnis der Allmende

Im Netz werden Gemeingüter (Commons) vor allem in Bezug auf freie Software, auf eine Wissensallmende oder Urheberrechtslizenzen wie der Creative Commons diskutiert. Offene technische Standards wie die Seitenbeschreibungssprache HTML haben als Gemeingüter im digitalen Raum das Internet zu dem gemacht, was es ist: Ein weltumspannendes, frei verfügbares Informationsnetzwerk.

Es gibt allerdings eine verbreitete volkswirtschaftliche Annahme, die unter dem Begriff „Tragik der Allmende“ bekannt ist: Wenn ein Allgemeingut von vielen geteilt wird, ist es bald nichts mehr wert. Klassisches Beispiel ist die „Wiese der Allmende“: Auf der Dorfwiese darf jeder seine Schafe weiden lassen. Theoretisch ist für jeden der Anreiz, möglichst viele Schafe auf der Wiese weiden zu lassen, groß. Denn dann steigt sein Erlös. Wenn jedoch alle Dorfbewohner so handeln, ist die Wiese bald überweidet.

Diese Annahme kritisierte die Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die den Nobelpreis für Wirtschaft für ihre Beschäftigung mit der Gemeingut-Theorie erhielt. Ihr zufolge handeln die Dorfbewohner auf eigene Initiative gemeinsam eine Lösung aus, so dass die Ressource „Dorfwiese“ erhalten bleibt. Der Mensch ist demnach für den Erhalt der Gemeingüter wichtig, nicht allein „der Markt“ oder die staatliche Fürsorge.

Die Frage der Gemeingüter ist spannend – denn es ist unklar, was passieren würde, wenn die Nutzung von Wissen und Kulturgütern generell frei wäre, oder wenn Grund und Boden als Gemeingüter begriffen würden. Man könnte daher weniger von der „Tragik“, eher von dem „Geheimnis der Allmende“ sprechen.

Eine schöne Einführung in das Thema gibt das folgende Video, an dem die Commons-Expertin Silke Helfrich mitwirkte:

 

Traue keiner Statistik…

die du nicht selbst gefälscht hast. So geht der vielzitierte Satz. Man könnte diesen Ansatz konsequent weiterdenken: Lebe so, dass die Statistik stets in deinem Sinne gefälscht wird.

Das bedarf wohl einer Erläuterung. Zunächst der Hintergrund: Der britische Autor David McCandless hat für die kommenden Wochen eine Hoch-Zeit der Beziehungsabbrüche voraussagt. Diese Prognose leitet er aus Statusmeldungen ab, in denen Facebook-Mitglieder angeben, mit wem sie liiert sind und in welcher Weise. 10.000 solcher Bekundungen hat er sich angeschaut und auf den Verlauf eines Jahres heruntergebrochen. Dabei trat zu Tage, dass vor allem im Frühling und zwei Wochen vor Weihnachten die meisten Beziehungen in die Brüche gehen. (Der dazugehörige Facebook-Graph diente McCandless als Beispiel in seinem jüngsten Ted talk über „The beauty of data visualizations – die Schönheit der Datenvisualisierung“.)

Dass diese Kurve aber am 1. April ebenfalls einen kleinen Peak für Trennungen hat, zeigt auch schon, auf welch schwachen Füßen diese Daten stehen.

Zum einen geben viele überhaupt keinen „Beziehungsstatus“ in ihrem Facebook-Account an. Die meisten finden das nämlich eher peinlich. Zum anderen machen die, die das doch tun, hier gerne auch mal Späßchen. So hat man auf einmal im Bekanntenkreis auffällig viele verheiratete und auch gleichgeschlechtlich verheiratete Menschen, die im wahren Leben der Ehe eher abgeschworen haben. Oder eben nicht mit ihrer besten Freundin verheiratet sind, sondern mit ihrem Mann.

Wenn soziale Netzwerke als Quelle von gesellschaftlichen Studien nun tatsächlich wichtiger werden, wie etwa hier behauptet, sollte man sich der Botschaft seiner Angaben umso bewusster sein. Wer zum Spaß auf Facebook heiratet, könnte dieser Logik zufolge langfristig zu dem Eindruck beitragen, Heiraten erfreue sich wieder wachsender Beliebtheit. Single-Überschuss, Vereinzelung, bindungsunwillige Egomanen? Alles Unsinn, Facebook zeigt doch, dass Heiraten wieder angesagt ist!, wäre hier die selbst gefälschte Botschaft. Wer sich dazu auch noch kulturen- und religionenübergreifend vermählt, könnte damit wirksam der Behauptung entgegen treten, die Gesellschaft zerfiele in immer mehr Parallelgesellschaften. Und wer als Frau jüngeren Männern das Ja-Wort gibt, bekämpft damit Vorurteile über das unterschiedliche Paarungsverhalten von Männern und Frauen.

Und so weiter.

Das Gute an dieser Art von gesellschaftlichem Engagement: Man sendet die richtige Botschaft, spart aber die Kosten für eine echte Hochzeit. Und den Trennungsärger sowieso.