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Das Schachbrett

 

Die Nato will ab 2014 keine Soldaten mehr in Afghanistan stehen haben. Aber müssen wir uns deswegen nicht mehr um dieses Land kümmern? Nein, denn Afghanistan wird ein Schachbrett der internationalen Mächte bleiben. Und Pakistan der große Spieler.

Was bedeutet der Angriff auf das Intercontinental Hotel?

Die Attacke auf das Hotel Intercontinental zeigt zweierlei. Erstens: Die Taliban sind nicht geschlagen, sondern sie sind in der Lage, spektakuläre Anschläge mitten in Kabul zu verüben – in der am besten gesicherten Stadt des Landes. Es war ein Zeichen der Stärke. Gleichzeitig war der Anschlag auch eine Botschaft an den Westen: Wir werden nicht verhandeln, solange ihr mit Soldaten im Land seid. Im Hotel Intercontinental nämlich sollten die ersten vorbereitenden Gespräche zwischen Regierung und Taliban stattfinden. Und schließlich wirft dieser Anschlag noch ein düsteres Licht auf die Zeit nach dem Abzug der Nato aus Afghanistan. Das brennende Hotel ist ein Menetekel – für einen möglicherweise bevorstehenden Bürgerkrieg.

Werden die Afghanen in der Lage sein, das Land alleine zu sichern?

Möglich wäre es, aber dazu braucht es massive finanzielle Hilfe aus dem Ausland. Afghanistan wird niemals die Mittel aufbringen können, um den angepeilten, riesigen Sicherheitsapparat von rund 130.000 Soldaten und 100.000 Polizisten selbst zu finanzieren. Es wird Milliarden dafür brauchen. Geld wird vermutlich aus dem Westen kommen, aber nicht nur. Mit dem Abzug der Nato, der 2014 abgeschlossen sein soll, werden gewiss auch andere Staaten in Afghanistan verstärkt eine Rolle spielen. Iran zum Beispiel. Auf jeden Fall werden viele fremde Mächte versuchen, einen Klienten in Afghanistan für sich zu gewinnen, der stellvertretend die eigenen Interessen vertritt. Das Interesse des gesamten Landes wird in den Hintergrund rücken. Afghanistan bleibt das, was es die meiste Zeit seiner Geschichte war: Ein Schachbrett, auf dem größere Mächte ihre Figuren hin und her schieben.

Welche Rolle spielt Pakistan?

Ohne Pakistan kann es in Afghanistan keinen Frieden geben. Dazu ist dessen Einfluss zu groß. Das pakistanische Militär hat Afghanistan immer nur im Kontext seiner eigenen Auseinandersetzung mit Indien gesehen. Afghanistan sollte Pakistan „strategische Tiefe“ geben, um in einem möglichen weiteren Krieg mit Indien den Rücken frei zu haben. An diesem Konzept werden die Pakistaner weiter festhalten, auch weil sich in den vergangenen zehn Jahren wenig am schlechten Verhältnis zu Indien geändert hat. Der Konflikt um Kaschmir ist weiter ungelöst. Und zwischen Pakistan und Indien herrscht immer noch kaltes Schweigen, das jederzeit in einen Krieg umschlagen kann.

Der Abzug aus Afghanistan ist beschlossen, aber was ist mit Pakistan?

Als US–Präsident Barack Obama 2008 ins Amt kam, entwarf er alsbald eine neue Strategie für den Krieg in Afghanistan. Dabei änderte er die Grundlagen. Er sprach nicht mehr nur von Afghanistan, sondern von einer Kriegszone namens AFPAK – also Afghanistan und Pakistan. Nun, da Obama den Abzug aus Afghanistan beschlossen hat, kann man sich fragen, welche Politik er gegenüber Pakistan verfolgen wird.

Sicher ist, dass Pakistan potenziell gefährlicher ist. Pakistan ist ein riesiges Land, es ist eine Atommacht und die religiösen Extremisten haben großen Einfluss. Hinzu kommt, dass ein Teil der pakistanischen Führung Osama bin Laden beschützt hat – den Feind Nummer eins des engen Verbündeten USA.

Für die USA gäbe es Grund genug, sämtliche Verbindungen mit Pakistan zu kappen. Tatsächlich fährt Washington seine milliardenschwere Hilfe für das pakistanische Militär zurück und übt immer häufiger auch offen Kritik am Partner. Aber einen völligen Bruch wird es wohl nicht geben, auch wenn er nicht ganz auszuschließen ist. Bis heute jedenfalls ist Pakistan für die USA von eminenter sicherheitspolitischer Bedeutung. Das wird sich nach dem Abzug aus Afghanistan nicht ändern.

Und Pakistan hat wenige Freunde. Eine Alternative zu den USA ist China, mit dem Pakistan seit den fünfziger Jahren eng verbunden ist. Doch Chinas Interesse an Pakistan ist vor allem wirtschaftlicher Natur – bisher jedenfalls. Es könnte freilich sein, dass China in Zukunft mit den USA nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch und politisch stärker konkurriert. Dann wäre Pakistan ein noch wichtigerer Spielstein in diesem Wettbewerb.