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Lehren aus dem Irak

 

Ein Rebell auf der 27. Brücke, mehrere Kilometer außerhalb des Zentrums von Tripolis (c) FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images
Ein Rebell auf der 27. Brücke, mehrere Kilometer außerhalb des Zentrums von Tripolis (c) FILIPPO MONTEFORTE/AFP/Getty Images

Muammar al-Gadhafi leistet erbitterten Widerstand. Er wird noch viele Menschen mit ins Verderben ziehen, doch sein Ende ist gewiss. Die Sieger können und müssen sich deshalb eiligst mit der Nachkriegsordnung befassen. Sie wollen nach eigenem Bekunden ein demokratisches Libyen errichten. Dieses Ziel ist die Grundlage für die Unterstützung des Westens.

Gadhafi hat das Land 42 Jahre lang regiert. Es gibt weder organisierte Parteien, noch definierte und feste Institutionen. Alles war auf den Diktator und seine Anhänger ausgerichtet. Die neuen Herren Libyens stehen also vor einer gewaltigen Aufgabe. Sie müssen einen Staat aufbauen. Aber mit wem sollen sie es tun? Wer darf dazu gehören? Wer soll ausgeschlossen bleiben? Wie ist es mit den Anhängern Gadhafis? Sollen sie Teil des neuen Staates werden?

Ein Blick auf den Irak und Afghanistan ist dabei hilfreich. Im Irak war eine der organisatorischen Klammern für Saddam Husseins Diktatur die Mitgliedschaft in seiner regierenden Baath-Partei. Nach der raschen Machtübernahme in Bagdad hatte die amerikanische Übergangsverwaltung mit als erstes die Mitglieder der Baath-Partei aus allen politischen Ämtern ausgeschlossen, sie entließen das Gros der Sicherheitskräfte und lösten auch die Armee Saddams auf.

Die Übergangsverwaltung dachte, man könne einen Staat von Null an aufbauen, ganz so, als sei der Irak ohne Geschichte, ein weißes Blatt Papier, das man nach Belieben beschreiben könnte. Für die US-Statthalter war die Baath-Partei immer nur und ausschließlich ein Instrument der Unterdrückung in den Händen eines Diktators gewesen.

Doch erwiesen sich das Verbot der Baath-Partei und die Auflösung der Armee schnell als schwerwiegende Fehler. Die Ausgeschlossenen wehrten sich mit Waffengewalt. Sie kämpften gegen die Besatzer, weil sie einen Platz im neuen Irak haben und sich nicht von ihren Posten verdrängen lassen wollten. Ähnliches gilt für Afghanistan. Dort ist es nach dem Sturz der Taliban nicht gelungen, die Volksgruppe der Paschtunen – aus denen sich die Taliban rekrutieren – in das neue Afghanistan zu integrieren. Die Entfremdung vieler Paschtunen stärkte die Taliban.

Darum wird es für eine stabile Zukunft Libyens entscheidend sein, dass die Anhänger Gadhafis nicht ausgeschlossen werden. Sie müssen in den neuen Staat integriert werden. Schön ist das nicht, aber nützlich und notwendig, um mögliche größere Übel vom Land abzuwenden — einen lang schwelenden Guerillakrieg zum Beispiel.