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Teherans politische Prioritäten

 

Erhalten die Inspektoren der UN Zugang zu der iranischen Atomanlage Fordo oder nicht? Das ist eine der entscheidenden Fragen bei den Verhandlungen der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands (5+1) mit dem Iran. Sie wurden jetzt in Bagdad ergebnislos beendet und werden am 18. Juni in Moskau fortgesetzt. Etwas überspitzt könnte man sagen: An der Fordo-Frage hängt die Entscheidung über Krieg oder Frieden. Andere Optionen scheint es nicht mehr zu geben. Ein Ölembargo hat der Westen bereits beschlossen. Es wird Anfang Juni in Kraft treten. Das ist die schärfste Waffe vor dem Krieg.

Der Westen hat sich zum Gefangenen seiner eigenen Rhetorik und Politik gemacht. Er hat sich in die Sackgasse manövriert, weil er in den letzten zehn Jahren – so lange dauern die Verhandlungen über die Nuklearfrage mit dem Iran – seine Politik gegenüber Teheran auf ein Thema verengt hat: verhindern, dass das Regime eine Bombe baut. Er hat das gesamte diplomatische Gewicht auf diesen Punkt konzentriert. Die Hoffnung war und ist nach wie vor, dass dies der weiche Punkt Irans ist.

Nur hat die Gegenseite nicht nachgegeben, bis heute. Denn spiegelbildlich zur westlichen Politik hat auch der Iran seine ganze Kraft darauf verwendet, den Druck an dieser Stelle abzuwehren. Mehr noch: Das Regime hat die Nuklearverhandlungen erfolgreich zu einer Frage des nationalen Prestiges hochstilisieren können.

Dabei hätte man mit dem Iran über vieles noch reden können – über Afghanistan, über den Irak, über Syrien, über den Libanon. In all diesen Ländern hat der Iran erheblichen Einfluss. Doch über solche Themen zu sprechen, hätte bedeutet, Teheran als Ordnungsmacht im Nahen Osten zu akzeptieren. Das aber wollte man nicht. Möglich wäre es aber gewesen, denn der Iran hat bei mehreren Gelegenheiten seine Bereitschaft zur Kooperation gezeigt.

Als es beispielsweise in Afghanistan gegen die Taliban ging, spielte der Iran eine konstruktive Rolle. Selbst im Krieg gegen Saddam Hussein hätte man dem Iran ein anderes Verhalten ermöglichen können. Doch dieser Krieg wurde auch unter dem Motto geführt: Der Weg nach Teheran führt über Bagdad. Was auch immer der Westen in 30 Jahren im Nahen Osten getan hat, Teheran ist der ultimative Preis seiner nahöstlichen Politik geblieben: der Sturz des Regimes. Das hat man in Teheran verstanden.

Es wäre nun aber durchaus falsch, Iran als Opfer westlicher Politik darzustellen. Denn Teheran hat sich selbst zum Paria der internationalen Gemeinschaft gemacht. Die fortgesetzten Drohungen gegenüber Israel machen es unmöglich, Teheran als Ordnungsmacht zu akzeptieren. Israel muss sicher sein. Das ist die Grundbedingung nahöstlicher Politik des Westens. Die Frage ist, wie zentral für das Regime seine Politik gegenüber Israel ist. Tatsache ist, dass die islamische Revolution die Feindschaft gegenüber Israel in seine Gene eingeschrieben hat. Das kann man nicht bestreiten. Israel ist der Todfeind der Islamischen Republik Iran.

Doch Teheran hat seit dem Tod Ajatollah Chomeinis (1989) und seit dem Ende des Iran-Irak-Krieges (1988) eine Politik betrieben, die im wesentlichen von Pragmatismus gekennzeichnet war. Es gibt zwei Prioritäten für die Herrscher in Teheran. Erstens: Wir wollen um jeden Preis an der Macht bleiben. Zweitens: Wir wollen als Ordnungsmacht akzeptiert werden. Die Feindschaft gegenüber Israel ist funktional zu diesen beiden Prioritäten, sie ist Mittel zum Zweck. Sie ist nicht zentraler Bestandteil der Außenpolitik, auch wenn die bedrohliche Rhetorik aus Teheran anderes nahelegt.