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Die Kurzsichtigkeit der Krieger

 

Der Iran unterstützt seinen syrischen Verbündeten Assad und nutzt dafür den irakischen Luftraum. Das ist nur möglich, weil die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad dies erlaubt. Ein ziemlich erstaunlicher Umstand, wenn man daran denkt, mit welcher Absicht die USA 2003 in den Irak einmarschiert sind. Sie wollten den Diktator Saddam Hussein stürzen, was auch gelang. Sein Sturz aber sollte nach den hoch fliegenden Plänen der Regierung von George W. Bush nur ein erster Schritt zur Demokratisierung des ganzen Nahen und Mittleren Ostens sein.

„Greater Middle East“ — so hieß das Projekt. Es ist gründlich schiefgelaufen. Das ist freilich schon lange bekannt. Doch wie weitreichend die Folgen des Krieges aus dem Jahr 2003 waren, das kann man jetzt wieder einmal erkennen. Denn Assad hält sich auch mit Hilfe Irans an der Macht — und mittelbar auch mithilfe des Irak.

Unbeabsichtigte Folgen eines Krieges, so ließe sich das nennen. Es gibt andere Beispiele dafür. Nehmen wir Libyen. Der Sicherheitsrat der UN verabschiedete im März 2011 eine Resolution, wonach man die libyschen Zivilisten mit „allen notwendigen Mitteln“ schützen sollte. Frankreich, Großbritannien und die USA nahmen diese Resolution zur Grundlage, um die Rebellen zum Sieg gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi zu bomben. Die Russen — die sich bei der Resolution enthalten hatten – protestierten lautstark. Sie fühlten sich übergangen. Man ignorierte sie.

Hätte damals jemand gedacht, dass sich den Russen bald eine Gelegenheit bieten würde, sich zu rächen? Sie kam mit Syrien. Bis heute blockieren die Russen und die Chinesen eine einheitliche Resolution des Sicherheitsrates, die Baschar al-Assad verurteilt. Ein Grund dafür – gewiss nicht der einzige – aber einer: Sie wollen nicht noch einmal vom Westen übergangen werden. Es fehlt ihnen das Vertrauen.

Heute herrscht auch Einigkeit darüber, dass die de facto Teilung des afrikanischen Staates Mali eine direkte Folge des Libyen-Krieges war. Die Tuareg, die in den Diensten Gaddafis standen, zogen sich nach dem Sturz des Diktators nach Mali zurück, in ihre Heimatregion. Sie kamen schwer bewaffnet, was sie in Versuchung brachte, einen alten Traum wiederzubeleben: Die Errichtung eines unabhängigen Staates der Tuareg. Es gelang ihnen die Abspaltung des nördlichen Teiles von Mali. Dabei halfen ihnen radikalislamische Kräfte. Diese aber wandten sich bald gegen die Tuareg und sind heute drauf und dran im Norden Malis eine islamistischen Gottesstaat zu errichten.

Hätte man das wissen können? Doch ja, man hätte. Doch irgendwie gehen solche Überlegungen meist unter. Im sprichwörtlichen Eifer des Gefechts, im Gefühl der sicheren Überlegenheit, im unbedingten Willen, Menschen in Not zu helfen.