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Die simulierte Revolution

 

Zehntausende Pakistaner demonstrierten in Islamabad gegen die Regierung. Ein charismatischer Prediger verlangte deren Rücktritt. Gleichzeitig ordnete das Oberste Gericht die Verhaftung des Premierministers an. Pakistan schien vor wenigen Tagen am Rande einer Revolution zu stehen – und was ist geschehen? Die Regierung machte dem Prediger Tahir ul Qadri einige Zugeständnisse und dieser schickte darauf seine Anhänger einfach nach Haus. Der Premierminister sitzt nicht in Haft. Die Revolution ist abgesagt, ja nicht einmal die Regierung ist gestürzt.

Das ist auf den ersten Blick erstaunlich. Denn Pakistan ist gezeichnet von extremen sozialen Gegensätzen, die Elite des Landes ist korrupt und die Regierung unfähig. Die Voraussetzungen für eine Revolution wären also da.

Doch was wir in diesen Tagen in Pakistan erlebt haben, war nur die Simulation einer Revolution. Darüber sollte man sich, trotz all des Getöses, nicht wundern. Denn in Pakistan fehlt das revolutionäre Subjekt: das Volk. Jenes schwer zu fassende, aus zig Millionen Menschen bestehende Subjekt, das jede Angst ablegt, ist die einzige Kraft, die eine radikale Veränderung herbeiführen kann.

Das pakistanische Volk aber ist immer nur der Zuschauer eines Machtkampfes, der innerhalb der Elite ausgetragen wird. Militär, Justiz und Regierung bekämpfen sich bis aufs Blut – und einigen sich dann wieder. Was so revolutionär erschien, war nichts anderes als die Balancierung der Machtverhältnisse innerhalb der herrschenden Elite. Sie mussten etwas ins Gleichgewicht bringen. Das wars.

Die Pakistaner sind Statisten, eine andere Rolle ist ihnen nie zugedacht worden, eine andere haben sie für sich bisher nicht gewinnen können.

Warum aber ist die Masse der Pakistaner nicht in der Lage, das Joch dieser zynischen Elite abzuschütteln? Warum kann es nicht ins Zentrum der Geschehnisse rücken und sie vorantreiben? Weil Generäle, Großgrundbesitzer und Mullahs – das Dreigestirn der pakistanischen Macht – es bis zur Perfektion verstehen militärischen Krisen (Indien), religiösen Extremismus und feudale Abhängigkeiten zum eigenen Nutzen einzusetzen. Die Pakistaner bleiben Gefangene dieses dichten Geflechts.