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Ein See verschwindet, der Terror kommt

 

Seit Jahren gibt es eine Debatte über Islam und Terror. Viel nützlicher wäre es jedoch, über den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Terror zu sprechen. Das könnte uns mehr über die Ursachen der Gewalt erklären als theologische Auslegungen des Koran.

Ein Beispiel ist Boko Haram. Die Terrorgruppe ist im Nordosten Nigerias entstanden. Dort stößt Nigeria auf den Tschadsee. Drei weitere Staaten grenzen an den See, Tschad, Kamerun und Niger. Insgesamt leben 45 Millionen Menschen in seinem Einzugsgebiet  und sie leben in der einen oder anderen Weise von ihm.

Der Tschadsee ist aber in seiner Existenz bedroht. Die Wasseroberfläche hat sich in den vergangenen Jahren von 25.000 auf rund 2.500 Quadratkilometer verringert, also um fast 90 Prozent. Auf der nigerianischen Seite ist von dem See fast nichts mehr übrig geblieben. Das Wasser reicht für Landwirtschaft und Fischfang nicht aus. In einem Bericht der nigerianischen Kommission für Landwirtschaft und Wasserressourcen vom vergangenen Juni heißt es: „Viele junge, arbeitsfähige Männer, die keine Auskommen mehr finden, werden von Boko Haram rekrutiert.“

1964 hat sich die „Lake Chad Basin Commission“ gebildet. Die Liste der Gründerstaaten zeigt die immense Bedeutung des Sees für die ganze Region: Tschad, Nigeria, Niger, Zentralafrikanische Republik, Sudan, Algerien, Libyen.

Und es ist auch auffallend, dass alle diese Staaten zunehmend von Kriegen und Krisen heimgesucht wurden. Romano Prodi, zwischen 2012 und 2013, UN-Sonderbeauftragter für die Sahelzone, schreibt dazu: „Nach Darfur, Libyen, Sudan und Mali erleben wir eine weitere Verschärfung der Lage mit der Destabilisierung der Zentralafrikanischen Republik und den Terrorakten der Gruppe Boko Haram, die sich auf die nördlichen Provinzen von Nigeria und Kamerun konzentrieren.“

Für ihn ist der Zusammenhang eindeutig. Die Austrocknung des Sees destabilisiert die gesamte Region.

Die betroffenen Staaten erlebten in den vergangen Jahren immer wieder militärische Intervention in verschiedener Form (Mali, Libyen, Zentralafrikanische Republik). Sie könnten aber die Region auf Dauer nicht stabilisieren, weil sie eine der wichtigsten Ursachen für die um sich greifende Gewalt nicht beseitigen können: die rasant fortschreitende Austrocknung des Tschadsees.