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Eine bittere Pille

 

Das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat den serbischen Nationalisten Vojislav Šešelj freigesprochen. Die Richter ließen sich von der Anklage nicht überzeugen. Sie hatte 28 Jahre Haft für Šešelj gefordert. Jetzt ist der Mann frei, der in den neunziger Jahren auf dem Balkan zu den schlimmsten Kriegstreibern gehörte und bis heute einen aggressiven serbischen Nationalismus vertritt. Der Freispruch ist eine bittere Nachricht, vor allem für die Opfer des Krieges in Bosnien-Herzegowina und Kroatien.

In erster Linie ist die Entscheidung des Haager Gerichts eine Niederlage für die Anklage. Sie hat es jahrelang nicht geschafft, gerichtsfeste, überzeugende Beweise gegen Šešelj zu präsentieren. Der Mann saß geschlagene elf Jahre in Untersuchungshaft.

Er war 2014 aufgrund einer Krebserkrankung, die er nach eigener Aussage mittlerweile überwunden hat, aus der Untersuchungshaft entlassen worden.  2003 hatte er sich dem Gericht freiwillig gestellt und gesagt, er werde beweisen, dass an den Vorwürfen nichts dran ist. Jetzt kann er triumphieren.

Verantwortung für dieses Desaster trägt vor allem die Frau, die Šešelj anklagte: Die Schweizerin Carla Del Ponte. Sie verstand es zwar, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals zu lenken, aber ihre Anklageschriften waren schlecht recherchiert, schlampig und oberflächlich.

Vergangene Woche hat das Gericht den Führer der bosnischen Serben Radovan Karadžić zu 40 Jahren Haft verurteilt. Das war ein wichtiges, richtiges Urteil, weil es einen Mann für seine Verbrechen bestrafte. Doch Idee, die hinter seinen Verbrechen stand, ein großserbischer Nationalismus, ist immer noch lebendig. Und jetzt ist auch noch einer seiner lautesten Wortführer frei. Er wird weiter das tun, was er in der Vergangenheit getan hat, einschüchtern, bedrohen, verletzen.

Ob die Serben ihn dafür belohnen wollen, das können sie bald entscheiden. Am 24. April finden in Serbien Parlamentswahlen statt. Šešelj geht als Spitzenkandidat der Serbischen Radikalen Partei (SRS) ins Rennen. Wie auch immer das Ergebnis ausfällt, er wird dem amtierenden Premierminister Aleksandar Vučić das Leben schwer machen. Vučić nämlich war bis 2008 einer der engsten Gefährten Šešeljs. Vučić gibt sich seither geläutert. Er will Serbien in die EU führen. Wie glaubwürdig seine Wandlung ist, das wird man jetzt, da er er sich im Wahlkampf mit seinen Ziehvater messen muss, deutlicher erkennen können.