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Vereint für die Abschottung

 

Malta ist eine Festungsinsel im Mittelmeer. Ausgerechnet hier beschließt die Europäische Union, den Kontinent noch stärker gegen Migranten abzuriegeln. Das ist das Ergebnis des informellen Gipfels der 28 Staats- und Regierungschefs. So wird das nicht gesagt. Ganz im Gegenteil. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, verkündete an diesem sonnigen, milden Wintermorgen in Malta: „Wir glauben nicht an Mauern.“

Das war ein kleiner, gar nicht so versteckter Seitenhieb Richtung Donald Trump und seinen Mauerbauplänen. „Wir halten an unseren Werten fest. Wir gehen unseren europäischen Weg“, ergänzte Mogherini und verschwand im Malteser Großmeisterpalast, wo sich die europäischen Spitzen zum Arbeitstreffen versammelten.

Nun, worin besteht denn dieser europäische Weg? Im Mauerbau. Er wird nur nicht so sichtbar betrieben, und er wird vor allem nicht mit solchem Getöse angekündigt, wie Trump es tut. Die „Erklärung von Malta“ der 28 aber ist eine recht detaillierte Beschreibung, wie sich die EU in Zukunft gegen den Migrantenandrang aus Libyen abschotten will.

Weltmeister in Sachen Moral

Das ist nicht verwerflich, es ist sogar geboten. Die EU muss ihre Grenzen unter Kontrolle bringen. Sie kann nicht weiter tatenlos zu sehen, wie über die sogenannte zentrale Mittelmeerroute Hunderttausende Menschen nach Europa kommen. Das würde die innere Legitimation der EU weiter aushöhlen und den EU-feindlichen Kräften Auftrieb geben. Die Abschottung ist ein Teil des Existenzkampfes der EU.

Die moralische Überheblichkeit der EU, wie sie Mogherini in Malta zur Schau trug, ist allerdings schwer erträglich – und sie führt vor allem in die Irre. Denn sie erweckt den Eindruck, die EU sei nicht nur besser als andere Mächte, sondern sie hätte per definitionem die besseren, menschlicheren Lösungen. Ob sie es besser kann, das muss sie aber erst einmal beweisen.

Freilich ist es nach der Wahl von Trump verführerisch geworden, sich noch stärker als gewohnt als Weltmeister in Sachen Moral zu präsentieren. Doch dazu besteht weder Anlass noch Notwendigkeit. Laut der Erklärung von Malta sollen die Migranten in Libyen in den Lagern bleiben. In einem Teil dieser Lager herrschen fürchterliche Zustände. Das soll nach Willen der EU besser werden. Dazu sucht man die Kooperation mit dem libyschen Ministerpräsidenten Fayez al-Seraj.

Die italienische Regierung hat am Tag vor dem EU-Gipfel in Malta mit ihm eine Übereinkunft in diesem Sinne getroffen. In der Erklärung von Malta wird das ausdrücklich als positives Beispiel erwähnt. Doch jeder weiß, dass die Regierung Seraj nur zu wenigen Lagern in Libyen Zugang hat. Selbst, wenn Seraj wollte, er könnte nur für einen kleinen Teil der Migranten die Lebensbedingungen verbessern.

„Wie wir es mit der Türkei gemacht haben“

Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte auf dem Gipfel in Malta immer wieder das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei als gutes Beispiel: „Wir wissen, dass die Situation der Flüchtlinge in Libyen dramatisch ist. Deshalb wollen wir mit Libyen genauso vorgehen, wie wir es mit der Türkei gemacht haben.“

Das allerdings unterstellt, dass Seraj so handlungsfähig ist wie der türkischer Alleinherrscher Recep Tayyipp Erdoğan. Aber das ist er nicht. Seraj ist der Chef einer sehr fragilen Regierung, die einen Teil des Landes kontrolliert. Libyen ist bis heute eine zerfallener Staat, die Türkei ist es nicht. Dessen ist sich Merkel bewusst: „Die Regierung in Libyen hat noch nicht die Macht im ganzem Land, wie das wünschenswert wäre.“

Merkel und mit ihr die EU müssen allerdings die Illusion aufrecht erhalten, dass Libyen ein Staat sei, mit dem man – trotz aller Schwierigkeiten – früher oder später ins Geschäft kommen kann. Tun sie das nicht, müssten sie sich offen eingestehen, dass Europa mehr und mehr in den libyschen Treibsand hineingezogen wird.

Mogherini müsste das besser wissen als andere. Sie ist die Namensgeberin und wohl auch Erfinderin der Mission Sophia. Diese Militäroperation begann im Jahr 2015 und richtete sich gegen Schlepper, 2016 weitete die EU Sophia aus. Europäische Kriegsschiffe sollten auch den Waffenschmuggel in Richtung Libyen bekämpfen. Außerdem rückten die Schiffe näher an die libysche Küste heran. Es gibt ein Ausbildungsprogramm für libysche Grenzschützer. Seit 2016 steht die Nato der EU bei. Sie hilft bei der Versorgung und Aufklärung.

Mit jedem Jahr also rückt Europa näher an Libyen heran, mit jedem Jahr aber kamen mehr Migranten. Die Erklärung von Malta kann man deshalb auch anders lesen, als Eingeständnis. Europa hat es einem Fall von mission creep zu tun. Libyen ist zu einer strategischen Herausforderung für die gesamte Europäische Union geworden. Das ist die Dimension des Problems.