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29. April 2020 – Ausgabe 19

 

Leserbriefe zu „Zwischen Willkür und Freiheit“ von Jens Jessen

 

In der Ausgabe No. 19 der Zeit gibt es einen tollen Artikel zur aktuellen Krisensituation. Jens Jessen stellt in seinem Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“ die richtigen Fragen und gibt auch stellenweise gleich (s)eine Interpretaionsmöglichkeit. Schade nur, dass dieser Artikel nicht anstelle des Artikels „Ein anderes Virus“ auf der Titelseite erscheint. Der Chefredakteur der Zeit,Goivanni di Lorenzo hat seid Beginn der Krise ein und den selben Unisono Ton…. man muss schon gar nicht mehr auf den Autor schauen; dieser ergibt sich durch die immer gleiche Aneinanderreihung der Worte (sinnbezogen) …. da frag ich mich schon, wen er damit beruhigen will? Vorschlag: Lassen Sie in der Rubrik „Streit“ Jens Jessen <–> Goivanni di Lorenzo ein Streitgespräch führen. Hmmm…. wahrscheinlich ist es aus unternehmerischem Eigeninteresse nicht sinnvoll, wenn zwei Leute aus der Zeit dies machen. Aber bestimmt finden Sie einen Politiker aus der Regierung, der die Meinung von Chefredakteur, Goivanni di Lorenzo, ebenbürdig vertritt. Ja, das fänd ich eine gute Idee. Ich freu mich auf das Streitgespräch in Zeit No. 22! Gerne können Sie beiden angesprochenen Autoren diese Idee weiterleiten resp. dem Verantworlichen für die Rubrik „Streit“. – Alf Meuser

 

In dem Absatz über die Frage der Abwägung (der Maßnahmen in der Corona-Krise) nimmt der Autor Bezug auf die Möglichkeit, nur die sog. „Hochrisikogruppe“ mit der Kontaktsperre zu belegen „antatt das ganze Volk einzusperren, einschließlich der nahezu ungefährdeten Kinder und Jugendlichen“. Diese Vereinfachung – um es vorsichtig auszudrücken – der Sachlage ist nur mit einer gewissen Ignoranz (mit Verlaub gegenüber dem verdienten Journalisten) zu erklären. Die Fachleute aus der Medizin, die es ja nun mal einfach besser wissen, haben gebetsmühlenartig darauf hingewiesen, wer sich ansteckt und wer gefährdet ist – eben nicht nur die Alten (auch die Schreiberin gehört dazu). Einfach mal einen Blick in die Statistik der Todesfälle werfen! Und außerdem haben sich die hochbetagten Heiminsassen nicht untereinander angesteckt, sondern durch die (wesentlich jüngeren) Mitarbeiter und das Pflegepersonal. Wenn es Herrn Jessen nicht gefällt, mit einem Mund-Nasen-Schutz herum zu laufen, ist er nicht der einzige – das geht uns allen so, die wir ja auch naserümpfend über die Vollverschleierung diskutieren. Da fehlt es doch ein Stück weit an Gelassenheit – oder? Noch spöttischer könnte ich fragen, ob da vielleicht jemandem ein Zacken aus der Krone bricht.

Helfen in dieser Situation eigentlich staatspolitische Fragen? Ein Virus kümmert sich offensichtlich nicht um Demokratie oder Diktatur. Zur Klarstellung: Ich bin keineswegs der Meinung, dass unsere Grundrechte leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfen. Beim Lesen so mancher Meinungen (nicht in den a-sozialen Medien, sondern im „öffentlich- rechtlichen“ Nachrichtenbereich), kommt mir der ketzerische Gedanke, ob manche Freiheits-Rufer und Öffnungs-Forderer eigentlich bereit sind, ihre Freiheit mit einer Rechnung aus eigener Tasche zu begleichen, falls sie mit einer Covit-19-Erkrankung auf der Intensiv-Station landen. Für die ehrwürdige ZEIT ist es ein hoch anzurechnendes Prinzip, eine intelligente Meinungsvielfalt zu repräsentieren, aber auch bei dem Platz, der Journalisten eingeräumt wird, gibt es wohl nicht nur „Gleiche“. – Ulrike Goergens

 

Vor zwei Wochen hatten Sie einen Beitrag unter dem Titel „Hier spricht die Risikogruppe“, und wer kam da zu Wort? Lauter Menschen, die – zwischen 74 und 80 sind – nahe Angehörige haben oder sogar noch ihren Beruf ausüben können – nicht allein leben. Ich bin 88, gelte also als Hochrisikofall, lebe allein, habe am Ort keine nahen Angehörigen und bin so schwerhörig, dass ich weder Radio- noch Fernsehsendungen folgen kann und Telefongespräche mühsam sind. Ich fand mich bei Ihren Interviewpartnern nicht wieder. Mich selber nicht und auch nicht – nur als Beispiel dafür, dass andere noch weit schlimmer dran sind als ich – einen blinden 90jährigen Freund. Ich pflegte ihm einmal in der Woche zu unser beider Freude aus den STIMMEN DER ZEIT (der Zeitschrift, nicht der ZEIT) vorzulesen. Jetzt lässt mich das Heim, in dem er lebt, nicht mehr ins Haus und auch seine Frau, seine Kinder und seine Enkel nicht. Ich weiß nicht, wie er das aushält. Auch in Ihrer Ausgabe von heute ist von unsereinem nicht die Rede.

Aber dankenswerter Weise hat der verehrungswürdige tapfere Wolfgang Schäuble (danke auch für das glänzende Porträtfoto!) gewagt zu sagen, was nunmehr gesehen werden muss: Der Schutz des Lebens kann nicht unter allen Umständen Vorrang vor allen anderen Werten haben. Und Jens Jessen hat einen klugen, abwägenden Beitrag dazu geschrieben. Danke!!! Ich habe eine Patientenverfügung, die dem Krankenhaus ggf. verbietet, mich in ein Intensivbett zu legen und per Apparatemedizin am Leben zu halten, etwa durch Beatmung. Ich finde, dass ich mit 88 lang genug gelebt habe. Ich will keine begrenzten Ressourcen in Anspruch nehmen. Ich würde gern auf einen Grad an Sicherheit verzichten, dessen Preis mir zu hoch ist. Aber das gibt mir leider nicht das Recht, normal mit meinen Freunden umzugehen. Viele sehe ich gar nicht mehr. Seit acht Wochen hat mich niemand mehr in den Arm genommen. Seit acht Wochen darf sich ein zweijähriges Kind nicht mehr im Sofa an mich kuscheln und sich vorlesen lassen und versteht nicht warum. Seit acht Wochen darf ich nicht an der täglichen Vesper eines kleinen Klosters teilnehmen, das sich in erreichbarer Nähe befindet. Wie lange will mir die Gesellschaft das noch zumuten? – Thelma von Freymann

 

Im Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“ führt Jens Jessen alle möglichen Aspekte zur Gleichbehandlung und des besonderen Schutzes von Risikopersonen in der Coronakrise an; dazu weitere theoretische Erwägungen zu Grundrechten. Die Pandemie war mit Datum nicht angekündigt. Das Risiko wurde in Fachkreisen aber gesehen und sie war daher eben doch absehbar. Schließlich gab es 2012 ja auch das erstaunlich konkrete Übungsszenario des RKI mit den Katastrophenschützern in dem mit 6 Mio Toten in D gerechnet wurde. Spätestens danach hätte Schutzmaterial nach dem Vorsorgeprinzip eingelagert werden müssen. Weil das unterblieb, gab es keine Alternative zum weitgehenden Shutdown, denn die Möglichkeit medizinisches Personal und Risikogruppen sicher zu schützen war und ist immer noch nicht gegeben. Da liegen die Gründe für das politische Handeln. – Dr. Wolfgang Thiel

 

Ein Kollege berichtete während einer Videokonferenz, dass in seinem Dorf mit Bekanntgabe der Lockerung pünktlich zum 20.4. wieder jegliche Vorsicht fallen gelassen und zu einem Verhalten wie vor der Corona-Krise zurückgekehrt seien. Was debattiert, worüber gestritten, welche Thesen in den (Meinungs)Raum gestellt werden, hat eben immer eine Wirkung. Und man sollte sich stets darüber im Klaren sein, was eine mögliche mediale Verkürzung oder eine gedankliche Verkürzung auf das Erwünschte und Erhoffte bei den Vielen Daheimbleibenden zur Folge hat. Deswegen hier zwei energische Einwürfe zu Ihren Äußerungen. Das Grundgesetz enthält sicherlich keine Hierarchie, aber halten Sie eine Abwägung zwischen Art 2 (1), nämlich dem Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und dem Art 2 (2), dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit für erlaubt?

Auch eine Abwägung zwischen der Würde des Menschen (GG Art 1) und dem Recht auf Leben darf es meines Erachtens nicht geben. Erst das Recht auf Leben garantiert, dass ich als Bürger auch die anderen Grundrechte in Anspruch zu nehmen vermag. Und wer in der Abwägung meint, über besondere Maßnahmen für Risikogruppen nachdenken zu müssen, begibt sich zumindest in die Gefahr, so etwas wie die Triage schon im Vorfeld der Erkrankungen politisch zu verankern. Etwas völlig Anderes sind selbstverständlich die abstrusen Erwartungen an die Politik. Natürlich kann die Politik weder die Pandemie ausrotten noch das Sterben generell verhindern. In Zeiten, in denen nahezu Jeder bei der Gefährdung seines bisherigen guten Lebens sofort Forderungen an die Politik stellt, von denen man den Eindruck hat, wohlbehütete Kinder verlangen elterlichen Schutz, in solchen Zeiten mögen auch gänzlich abwegige Erwartungen herrschen.

Was man aber von der Politik erwarten kann, ist, dass sie sieht, was der Einzelne nicht zu sehen vermag, was Interessengruppen nicht im Sinn haben und was das soziale Gefüge gefährdet. Und dass sie zumindest relativ rechtzeitig die Gefahr der Pandemie gesehen und ihre Schlussfolgerungen gezogen sowie schnelle Maßnahmen ergriffen weiß man zumindest andernorts zu schätzen. Und bei einer derzeitigen Letalitätsrate von 3,96% kann man vielleicht erahnen, was ohne Maßnahmen zu erwarten gewesen wäre. Dass man jetzt Maßnahmen abwägt und überlegt, mit möglichst geringen Risiko möglichst Vielen relative Freiheiten zu ermöglichen, ist ein absolut sinnvolles Abwägen und kann durchaus kontrovers diskutiert werden. Dies zu einer Debatte über Grundrechte zu machen, halte ich dagegen für eine ideologisch und demokratisch getarnte persönliche Meinungsäußerung. Gleiche Hochrisikogruppe: – Heribert Krekel

 

Ich frage mich ob Herr Jessen überhaupt weiß worüber er schreibt. Wo ist der Zusammenhang zw. der Salzmenge im Essen und dem bewussten in-Kauf-nehmen des Todes von Hunderttausenden? Statt abstrakt philosophisch zu labern, hätte er das Thema mal von der menschlichen Warte aus betrachten sollen. Wie fühlt es sich an eingesperrt zu sein, wenn alle Anderen draußen rumlaufen dürfen? Wie fühlt sich das Wissen an sterben zu müssen, damit Andere ihre Vermögen vergrößern können? Das sind die Fragen, die die Betroffenen beschäftigen. Eine auf Risikogruppen (niemand weiß genau wer dazu gehört, Herr Jessen. Schon mal die ZEIT gelesen?) beschränkte Ausgangssperre hätte die Phase der Beschränkungen noch viel weiter in die Länge gezogen als die bisherigen halbherzigen aber wenigstens im Ansatz richtigen Maßnahmen und somit die psychische Belastung mit Konsequenzen bis hin zum Selbstmord wegen Depressionen deutlich gesteigert. – Iman Schwäbe

 

Ich möchte mich ausdrücklich für diesen Artikel bedanken und dazu einen weiteren Aspekt anführen: Wir reden inzwischen von der Dauer der „neuen Normalität“ bis zur Einführung eines Impfstoffes, d. h. einer Perspektive von wenigstens noch einem Jahr, und auch dann wird der Impfstoff noch nicht allgemein verfügbar sein. Wer hat eigentlich die Menschen über 80, vielleicht auch noch multimorbid, gefragt, ob sie angesichts ihrer begrenzten verbleibenden Lebenszeit ein Jahr oder mehr in Quasi-Isolation verbringen wollen, getragen von der ungewissen Hoffnung, daß sie das Ende dieser Phase erleben werden, oder ob sie es vorziehen, unter Inkaufnahme des Infektionsrisikos die verbleibende Zeit mit ihren Familien und Freunden zu verbringen und am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen? Ich werde im Sommer 64.

Meine Menschlichkeit ist nicht durch meinen Tod bedroht, auch wenn er das Ergebnis einer Crona-Infektion sein sollte, sondern durch die Gefahr, meine Mitmenschen auf eine Gefahrenquelle für mein Leben zu reduzieren. Die Rede vom „social distancing“ und die Maskenpflicht sprechen in dieser Hinsicht Bände. Wohlgemerkt: es geht nicht um unvernünftiges und unverantwortliches komplettes Laissez-faire, sehr wohl aber um das Wahrnehmen derer, die den Preis für die gegenwärtigen Maßnahmen zahlen müssen und um die Abwehr der Entmündigung der gesamten Alterskohorte 80plus. Unsere Hoffnung liegt angesichts der Unvermeidbarkeit des Todes auf dem Einsatz des Lebens, nicht seiner Verlängerung um jeden Preis. Welche persönlichen Risiken jemend dafür inkauf zu nehmen bereit ist, dazu muß er zumindest gefragt werden. – Christina Salonek

 

Seit ca. 10 Tagen, versuche ich (männlich. über 60, Raucher) meiner Frau zu erklären, was mich in der Coronasituation so unterbewußt belastet, frustriert, deprimiert. Ich habe ihr jetzt einfach Ihren o.g. Artikel gegeben! – T. Heydrich

 

Ja man muss weiter und tiefer denken und wer wäre da besser geeignet als Herr Schäubele. Nur eines bleibet denn doch: Wenn man erst mal tot ist nützen die anderen Grundrechte nicht wirklich was – wie banal! Also noch mal: Das Recht auf Leben (siehe Grundgesetz) ist schlicht die Voraussetzung für alles andere. Und weil ich schon mal dabei bin : Wenn man unter Freiheit mal nicht versteht, dass jeder machen kann was er will (Recht des Stärkeren) sondern Autonomie also Selbstgesetzgebung; und wenn man um das große Defizit der Demokratie weiss, nämlich dass sie die Freiheit sehr zu Gunsten der Mehrheit verteilt, dann ist eine 90%ige Zustimmung in der Bevölkerung eine Sternstunde der Freiheit. – Dieter Herrmann

 

Die Schlussfolgerung, dass man dem Volk nun nicht mehr mit Prinzipien kommen dürfe, hätte ich mit der von Jens Jessen vorgetragenen Schärfe eher für das Regieren unter den Bedingungen vor Corona gesehen. Kennen wir doch den taktisch geprägten Missbrauch der Prinzipien eher aus dieser Zeit: Prinzipen werden vorgeschoben, um dahinter parteipolitisches Kalkül, persönliche Interessen und Lobbyinteressen zu kaschieren und in einem schönenden Licht von Gemeinwohlorientierung erstrahlen zu lassen. Zuletzt wollte es doch kaum gelingen, dieses eingeübte Politikverständnis allein für einen ersten winzigen Schritt in der Klimapolitik zumindest ein wenig zurückzunehmen.

Ist es nicht eher so, dass der chronische Zynismus nun in Coronazeiten einem tatsächlichen Abwägen unserer Prinzipien im Rahmen der politischen Entscheidungsprozesse gewichen ist. Dabei mag dieses Abwägen für die Regierenden wohl so ungewohnt sein, dass sie ungeschickt agieren und die Betroffenen offenbar nur als Objekt sehen können. Loyalität einfordern und Akzeptanz kaufen reichen nicht. Im Vergleich zum berechnenden Vorsatz der früheren Selbstvermarktung allerdings erscheint die jetzige technokratische Abwägung ein minder schwerer Fall des Verstoßes gegen den Geist unserer Verfassung. Gleichwohl ein Verstoß in vielen Punkten, wie die stringente Analyse von Jens Jessen klar zeigt.

Die Bürger haben die tragische Rolle der Regierenden längst erkannt: Diese können nur scheitern. Vielleicht beruht der paradoxe Vertrauensvorschuss, den offenbar viele Bürger der Politik entgegenbringen, genau auf dieser Tragik. Die Bürger kennen sich mit prekären Situationen aus. Und zugleich beinhaltet dieser Vorschuss die Erwartung, andere bisher vernachlässigte Politikfelder (z.B. Klimaschutz) ebenfalls realitäts- und prinzipenbezogen anzugehen, und nicht einfach wieder wegzumoderieren. Auch eine Gerechtigkeitsfrage: Unter dem Corona-Aspekt sind ältere Menschen besonders gefährdet. Unter dem Klimawandel-Aspekt sind jüngere Menschen besonders gefährdet. Es gibt viele Gründe, Solidarität zu üben. – Reinhard Koine

 

Herr Jessen hat sehr Recht damit, dass wir mehr die Türen für einen Diskurs öffnen müssen, in welchem es erlaubt ist, die Grundrechte, oder besser gesagt deren Einschränkungen, gegeneinander abzuwägen. Das Recht auf Leben darf nicht als unschlagbares Argument verwendet werden, Gegner der Maßnahmen Mundtot zu machen. Trotz der Notwendigkeit für diesen Diskurs halte ich es für falsch, der Politik vorzuwerfen, sie verhänge Maßnahmen für alle Altersschichten (anstatt nur für Risikogruppen), aus Gründen der Gerechtigkeit. Die Politik verhängt die Maßnahmen, weil es aus virologischer und medizinischer Sicht keinen Sinn macht, nur die über ‚60-jährige, rauchende Hochrisikogruppe’ einzusperren. Ob diese Gründe schwer genug wiegen, um andere Grundrechte einzuschränken, sei dahingestellt. – Dominic Herting

 

Es ist sicherlich richtig und wichtig, daß die Erlasse der Regierung während der Pandemie parlamentarisch begleitet werden. Statt dies jedoch einzufordern, jammert der Autor eine Zeitungsseite lang herum und fantasiert Konflikte zwischen den angeblich mächtigen Senioren und dem angeblich ohnmächtigen Rest der Erwachsenen herbei. Obwohl selbst nicht mehr der Jüngste, scheint Jens Jessen in einer völlig anderen Welt zu leben als seine Altersgenossen. Wüßte er doch sonst, daß die sogenannte Risikogruppe eine völlig heterogene und im Übrigen sehr große ist – sie umfaßt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Er wüsste ebenfalls, dass sie schon aus Gründen des Selbstschutzes längst so isoliert lebt, wie er es ihr wünscht. Die vom Autor geschmähte Solidarität, welche die Menschen hierzulande zeigen, ist ein hohes zivilisatorisches Gut – etwas, das ihm selbst völlig fremd zu sein scheint. – Kirstin Stark

 

Frage vorweg ? Stammt der Hinweis auf die Zugehörigkeit des Autors „Zwischen Willkür und Freiheit“ zur „Hochrisikogruppe“ – sein Alter 64 2/3 Jahre – und Raucher ( wieviele Zigaretten am Tag und Raucher seit wann ? ) von ihm selbst oder der Feuilletonredaktion der ZEIT, um ihm das Mäntelchen des unerschrockenen wider den Stachel löckenden auch „Älteren“ umzuhängen, ohne daß er dabei Rücksicht auf seine persönlichen gesundheitlichen Risiken zu nehmen scheint ? Da gibt es für ihn den Gegensatz zwischen den „mächtigen“ Senioren und dem dem „Rest“ der Bevölkerung, den weniger mächtigen; die derzeit an den Schaltern der Macht sitzenden/tätigen gehören überwiegend zum diesem Rest – Ausnahmen wie die Kanzlerin bestätigen die Regel – ! Warum erinnert das so an die Attacken eines grünen Oberbürgermeisters Boris Palmer aus Tübingen , der mit seiner „zweiten“ brutalen Welle ( O-Ton im SAT Frühstücksfernsehen “ ich sage es mal ganz brutal “ ) gegen die an den Beatmungsgeräten um ihr Leben kämpfenden „Älteren“ und somit auch gegen Politiker und die Mediziner, die auch deren Leben retten wollen ?

Der wollte zuerst die über 65jährigen aus ihrem Alltag entnehmen, da hätte ein Jens Jessen im Moment noch 3 Monate „in Freiheit“. Mit aller Macht stellt sich für Jens Jesse wie wohl auch für Boris Palmer die Frage, warum bei Senioren und anderen Risikogruppen das Gleichheitsprinzip durchgesetzt werden soll, fehtlt der Hinweis wie bei He. Palmer warum diese so sie ernsthaft an Corvid 19 erkrankt sind intensivst behandelt werden, da sie ja eh kurz oder lang sterben werden ! Genauso bohrend wie für den Tübinger OB die Frage für den Autor warum die Hochrisikogruppen nicht weiter oder mehr beschränkt werden in ihren Kontakten als Kinder und Jugendliche, die in Heimen und sonstigen Pflegeeinrichtungen wegsperrten Alten haben dafür sicher Verständnis.

Der Parforceritt von Jens Jessen durch die Coronakrise einschließlich ihrer gewiß nicht von der Hand zu weisenden Widersprüchen bei den politisch Verantwortlichen wie die Pandemie eine „Zumutung“ allerdings keine demokratische wie es die Kanzlerin zutreffend bezeichnet; gottseidank auf der ersten Seite der ZEIT der Artikel von Giovanni di Lorenzo, mein Fehler war zuerst das Feuilleton aufzuschlagen und Jens Jessen zu lesen P.S. Was beklagte Jens Jessen auf die Reaktionen auf seine Mitschuldzuweisung eines ermordeten Deutschen mittleren Alters den Schlamm aus dem Internet, “ besserwisserische Ältere“ vergifteten das Klima in Deutschland so seine damalige Aussage, gut das der jetzt 64 jährige nicht dazuzuzählen ist ! – Norbert Sandermann

 

Zunächst einmal möchte ich mich bei Jens Jessen für den überaus pointierten und klugen Artikel, dem in seiner präzisen Schärfe nichts mehr hinzuzufügen ist, aus ganzem Herzen bedanken! Und dann möchte ich damit die Frage an Die Zeitverbinden, warum wir erstens fast zwei Monate seit dem Eintreten der „Krise“ (die sich mehr und mehr zu einer gesamtgesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Katastrophe auswächst) auf diesen Artikel warten mussten und warum er sich zweitens in der Nische des Feuilletons und nicht auf der Titelseite befindet. Mit zunehmendem Befremden und auch Unmut habe ich die letzten Wochen Ihre beschwichtigenden Artikel gelesen, die kaum je auf die dramatische Beschneidung unserer Freiheit und Grundrechte eingingen und sich zwischen einem Blick ins Ausland (dorthin, wo es ja noch viel schlimmer sei) und einem „Wir richten uns jetzt mal im Homeoffice ein und vertrauen auf die Regierung“ bewegten. Eine Regierung, der es leider wohl zu keinem Zeitpunkt darum ging, mit vereinten gesamtgesellschaftlichen Kräften möglichst vielen Ü-Achtzig-Jährigen noch ein paar unbeschwerte Jahre zu ermöglichen, wie Giovanni di Lorenzo im März auf der Titelseite vermutete.

Wäre es darum gegangen, hätte man schon vor Jahren das marode Pflegesystem stärken müssen und das viel beschworene Gesundheitssystem nicht durch Privatisierung und Gewinnoptimierung aushöhlen dürfen. Da genau dieses aber zu kollabieren droht, dank der verfehlten Politik in den letzten Jahrzehnten, wird uns nun von der ohne Opposition durchregierenden Obrigkeit der Hausarrest auf unbestimmte Zeit verordnet. Dies ist juristisch unhaltbar, wirtschaftlich desaströs und gesellschaftlich unzumutbar. Mein dringender Rat an die Redakteurinnen und Redakteure der Zeit: Verlassen Sie doch einmal Ihre Homeoffice-Blase, und ja, das ist erlaubt! Was könnte es für einen „triftigeren“ Grund geben, als mit den Menschen auf der Straße zu sprechen? Den Menschen, die bereits jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, was auch kein den Staatsbankrott heraufbeschwörender, unzureichender Rettungsschirm auffangen kann.

Den Menschen, die, frei nach Heinrich Heine, Nacht für Nacht um ihren Schlaf gebracht sind, weil sie in einer Demokratie eingeschlafen und in einer Gesundheitsdiktatur aufgewacht sind, in der eine willkürlich agierende Exekutive unseren Alltag bestimmt, unterstützt vom zunehmenden Denunziantentum der Bevölkerung, alles aus „Solidarität“, versteht sich. Willkommen in der Realität der „Corona-Krise“! Werden Sie endlich wieder zu der kritischen und linksliberalen Zeitung, die Sie einmal waren, nicht alle Ihrer Leserinnen und Leser verkraften den Entzug der Grundrechte so gut, wie gern kolportiert wird. – Dr. Patricia Czezior

 

Herr Jessen schreibt „Nicht dass man der Kanzlerin die Verantwortung für etwas anlasten würde, das niemand absehen konnte…“ Wirklich? Niemand konnte es absehen? Nun wäre es müssig, alle jahrzehntealten Diskussionen und Warnungen aufzuzählen über die katastrophalen Eingriffe in die Natur, die Ausbeutungen der Ressourcen etc. etc. Was mir fehlt in den seit vielen Wochen anhaltenden medialen Fokussierungen ist das grosse Ganze. Stattdessen werden Fragmente ausführlichst besprochen, sei es WC-Papier, leere Regale oder jetzt wie in diesem Artikel eine recht späte Abhandlung über den „Gerechtigkeitsbegriff“, die allerdings auch ins „Praktische“ abdriftet. Wo waren die vom main stream abweichenden Meinungen am Anfang der Krise? Was mich sehr beunruhigt, ist das Ausblenden der Zusammenhänge für das Entstehen dieser m.E. von Menschen herbeigeführten Zustände. Auch beunruhigt es mich, dass nicht ein grosser Diskurs über den exit aus unserem schädigenden Lebensstil öffentlich nachgedacht und diskutiert wird. Ein Beitrag im DLF gibt mir ein wenig Hoffnung nämlich der von Herrn Macron https://www.deutschlandfunk.de/lehren-aus-der-coronakrise-europaweiter-aufruf-zum.697.de.html?dram:article_id=474694Elisabeth Hauser

 

Die Philosophie der Menschen- und Bürgerrechte erscheint in einem politischen Dokument zum ersten Mal im Jahr 1776 in der Unabhängigkeitserklärung der USA. Formuliert hat diesen Text Thomas Jefferson. Er war Sklavenhalter. Da zeigt sich schon der Widerspruch zwischen Prinzip und Lebenswirklichkeit – ein Widerspruch, der nicht aufzulösen ist. Mir erscheint es total daneben, jetzt – angesichts dieser existenzbedrohenden Pandemie – einen solchen juristisch-intellektuellen Kraftakt zu vollziehen, wie Jens Jessen das tut. Die wichtigsten im Vordergrund stehenden Fragen heute sind doch: Wie kommen wir möglichst unbehelligt durch die Pandemie? Und das weiß die medizinische Wissenschaft besser als die Jurisprudenz. Die andere Frage ist: Wird nach der Überwindung der Pandemie hinsichtlich der Weltwirtschaft, des Klimawandels und der zu erwartenden Flüchtlingsbewegungen politisch genauso weiter gehandelt wie bisher? – Albrecht Hauter

 

Herr Jessen schreibt u.a. , sollte es sich zeigen, dass die Kontaktsperren die Pandemie nur sinnlos verschleppt haben, dann …. Am Ende seiner Ausführungen die Notiz: Der Autor gehört zur Hochrisikogruppe der über 60-jährigen Raucher. Sollte es sich zeigen Herr Jessen, dass es in nächster Zeit ein Mittel, bzw. einen Impfstoff gibt, dann …. Zu viel Rauch vernebelt manchmal den Kopf. – Gerhard Knaak

 

Vielen Dank für den realistischen, tiefgründigen und deutlichen Artikel über die Abwägung und vollständige Achtung der Grundrechte im politischen und gesellschaftlichen Alltag. Es ist wichtig, sich immer wieder klar zu machen, was die Menschenrechte sind und worauf sie basieren. Dann lässt sich eher ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen Grundwerten wie Freiheit, Gleichheit, Leben, Gerechtigkeit, Wahrheit, Streben nach Glück usw. bewerkstelligen. Und genau dieser Ausgleich der unveräußerlichen Rechte sollte wohl die Zielvorgabe demokratischer Politik sein. Die Unabhängigkeitserklärung der USA aus dem Jahr 1776 begründete die allgemeinen Menschenrechte aus dem biblischen Schöpfungsglauben (und bis heute gibt es kein geschichtliches Ereignis, das die damalige Begründung ungültig machen könnte):

„Alle Menschen sind gleich geschaffen“ und „der Schöpfer hat ihnen bestimmte unveräußerliche Rechte verliehen“, zu denen „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören“. Die Unterzeichner der Erklärung riefen „den höchsten Richter“ [Gott] an, um die Redlichkeit ihrer Gesinnung zu bekräftigen. Denn diese und andere Grundrechte sind in einer naturalistischen Weltsicht nicht einfach so vorhanden. Sie ergeben sich erst durch eine Rückbesinnung auf den Schöpfer und beinhalten Rechte und Pflichten aus diesem Bezug: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen“, heißt es in der Bibel, „mit ganzer Hingabe, mit all deiner Kraft und mit deinemganzen Verstand. Und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.“

Es ist die wichtigste Aufgabe von Regierungen, die Rechte jedes Menschen z.B. auf Leben, Freiheitund Suche nach Glückzu schützen. Die Menschen erhalten diese Rechte nicht von der Staatsmacht, sondern von Gott, sie sind unveräußerlich und unteilbar. Die Regierung darf ihnen diese Rechte also nicht nach eigenem Gutdünken wegnehmen. Sie darf und muss sie schützen. Wie können Leben, Freiheit und Streben nach Glück gleichzeitig bewahrt werden? Es wäre sicher ein wesentlicher Beitrag zur jetzigen Diskussion in unserem Land, wenn wir uns wieder öffentlich daran erinnern, worauf die Menschenrechte beruhen. Deshalb sollten wir unsere Rechnung nicht ohne unsere demokratischen Grundlagen machen. – Gerhard Jahnke

 

Danke! Wurde auch Zeit! Notiz: Der Autor gehört zur Hochrisikogruppe der über 60-jährigen Ex-Raucher mit Vorerkrankung – Dr. Hans-Werner Adolph

 

Bei Ihrer Betrachtung des „Prinzips der Gleichheit“ und dem (polemisch so von Ihnen formulierten) „Kult um die Volksgesundheit“ geht ein Gesichtspunkt völlig unter: es ging und geht darum, die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Damit wird die Gesundheit der Bevölkerung geschützt mit dem Ziel: wenig Ansteckungen und keine Überlastung des Gesundheitssystems. Das ist offensichtlich in den letzten 6 Wochen gelungen. Dass man jetzt über Lockerungen diskutieren und sie schrittweise umsetzen kann, ist eine Folge davon. Am Anfang war (und ist wohl auch jetzt immer noch) keineswegs klar, dass mit einer auf Hochrisikogruppen beschränkten Kontaktsperre das genannte Ziel erreicht werden kann.

Dass „Gesundheitssystem schützen“ und „Grundrechte diskutieren“ „gänzlich verschiedene Sphären“ sind, soll sich ergeben, weil im einen „Zufall und Markt“ herrschen und im anderen „Seine Majestät das Recht“ – seit wann haben Gesundheit und Recht nichts miteinander zu tun? Fragen Sie doch einmal einen Arzt, ob er in einem Bereich arbeitet, in dem „Zufall und Markt“ herrschen und ob er sich nicht in kritischen Fällen erhebliche und persönlich bedrückende Gedanken über Grundrechte machen muss. Wenn Sie davon sprechen, dass das Gesundheitssystem in dieselbe „Schutzklasse“ „hochgejubelt“ wird wie die bürgerlichen Freiheitsrechte, dann ist das pure Polemik: Freiheitsrechte nutzen niemanden, wenn er/sie schwer krank oder tot ist. Es geht immer, und darauf hat auch Wolfgang Schäuble hingewiesen, um eine Abwägung im konkreten Fall und in der gegebenen Situation. Genau das macht die Kanzlerin mit dem „Fahren auf Sicht“ – und das ist auch gut so. – Bernd Sassenrath

 

Ich bin begeistert und erleichtert, dass sie die momentane Debatte so weitsichtig und klug beschreiben. Vielen Dank! – Kerstin Hodina

 

Das „dringende Maskengebot“/die „Maskenpflicht“ trägt zur Rettung von Leben bei. Sie ist rechtens , keine „Willkür“. Auch ein einfaches Stofftuch um Mund und Nase genügt, um pflichtgemäß zum Schutz anderer und zum eigenen (!) Schutz beizutragen. – Dr. Frank Müller-Thoma

 

In der Zeit der beängstigenden Nachrichten, der Unsicherheiten und Einschränkungen ist dieser Beitrag eine gute und hilfreiche Analyse des politischen Handelns. –Ralf Rudorf

 

Zu Ihrem Beitrag kann man nur gratulieren. Diese Deutlichkeit habe ich bei „meiner ZEIT“ in den letzten Wochen vermisst. Schade ist lediglich, dass er ins Feuilleton verbannt wurde – als Grundsatzartikel hätte er auf die Titelseite der ZEIT gehört. Betrachtet man das Regierungshandeln in jüngster Zeit verdichtet sich der Eindruck, dass das Corona-Exit-Chaos nur mühsam die Planlosigkeit der Regierenden kaschiert. Dann beliebt auch die Offenheit auf der Strecke, wie es die Bundespressekonferenz in ihrem Offenen Brief vom 30. April als ‚Wegducken vor unangenehmen Fragen‘ moniert. Mit der Gutmütigkeit der Bürger ist es zudem schnell vorbei, wenn laufend Kriterien für die Lockerungen verändert werden und ein „Schritt-für-Schritt-Handeln“ propagiert wird, ohne zu beschreiben, was denn Inhalt und zeitliche Perspektive der einzelnen Schritte sein soll. Und schließlich wird noch die Diskussion auf dem Rücken der Bürger durch das mittlerweile offen ausgetragene Machtspiel zwischen Söder und Laschet um die beste Ausgangsbasis für die Kanzlerkandidatur 2021 verschärft. Gut also, wenn kritische Stimmen wie Sie zu Wort kommen. Von Risikogruppe (Senior mit 67 Jahren) zu Risikogruppe – Christian Felgendreher

 

Wohltuend beschreibt Jessen, dass die Kanzlerin mit ihrer Politik „jede Debatte, jede nationale Selbstverständigung, jede öffentliche Abwägung von Nutzen und Opfer (der Anticoronamaßnahmen) sogleich abgewürgt hat“ und hinterfragt diese Art von Politik. Ich möchte daran erinnern, dass Politik doch immer eingebettet sein muss in den rechtlichen Rahmen, den das Grundgesetz uns in Deutschland gibt. Das scheint Frau Merkel gar nicht mehr zu realisieren, was in ihren Erklärungen zur Konferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder vom 30.4.2020 sehr deutlich wurde. Dort hat die Kanzlerin nicht ein einziges Mal das Wort Grundrechte erwähnt. Das zeigt, wie sehr die aktuelle Politik das völlige Außer-Kraft-Setzen der Grundrechte gering achtet.

Es geht immer nur um die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und, dass die Krankenhäuser nicht überlastet werden dürfen. Das sind Dinge, die im Sozialstaatsprinzip verankert sind, es sind keine Grundrechte. Wenn aber Grundrechte gegeneinander streiten, ist eine Abwägung zu treffen, die ein möglichst gutes Verhältnis der einzelnen widerstreitenden Grundrechte zueinander bewirken muss. Es ist also das Grundrecht der Schwerstkranken auf Gesundheit und Leben abzuwägen mit den Grundrechten der vielen Millionen Bürger, die jetzt massiv belastet werden und denen die Grundrechte auf – nur beispielsweise Beruf, Eigentum, Bildung und ebenfalls Gesundheit und Leben – eingeschränkt bzw. ganz genommen werden.

Da es um die Einschränkung bzw. völlige Wegnahme von Grundrechten geht, ist auch die Fragestellung der Regierenden nach der Möglichkeit, Lockerungen der Corona-Regeln zu verantworten, völlig verkehrt. Zu fragen ist, ob diese Einschränkung der Grundrechte für Millionen von Bürgern noch verhältnismäßig ist, dort insbesondere, ob sie (noch) geeignet und notwendig ist. Das ist immer wieder neu und intensiv zu prüfen. Wie wenig das erfolgt sieht man an der fortdauernden Schließung der Kitas. Dort haben die kleinen Kinder das Recht auf Bildung, was ihnen genommen wird. Wenn man berücksichtigt, dass immer häufiger Wissenschaftler und praktisch tätige Ärzte die Auffassung vertreten, dass die kleinen Kinder gerade keine Virenschleudern sind, dann kann man wohl mit Recht der Auffassung sein, hier werde ein Grundrecht für hunderttausende „auf Verdacht“ entzogen. – Dr. Claus Schröder

 

Jens Jessen beschreibt die Dilemmata gut. Freiheit, Gleichheit und Körperliche Unversehrtheit sind zu allen Zeiten, nicht nur bei Corona, anzustreben, doch selten im Idealzustand zu vereinbaren. Als Älterer gehöre ich zu einer besonderen Risikogruppe. Auch meine Enkel sind gefährdet – das Leben ist immer lebensgefährlich. Dennoch möchte ich gerade sie besonders schützen. Daher nehme ich Einschränkungen bei Grundrechten hin, nicht nur jetzt. Gleichzeitig habe ich die Privilegien des Alters: Keine Sorge um Arbeitsplatz und Einkommen. Wer Rechte haben will, muss Pflichten erfüllen. Eine Maske beim Einkaufen zu tragen ist da nur ein Kinkerlitzchen. Dadurch wird unsere Verfassung nicht gefährdet. Was die diskutierte Abwägung der Grundrechte angeht: Leider funktioniert unsere Regierung nicht so wie mein Altmänner-Sportverein: Bei uns gilt das Prinzip der Einstimmigkeit. Einer entscheidet, und das bin ich, der Präsident. Die Bundeskanzlerin hat es nicht so einfach. – Werner Bohn

 

Der Artikel von Jens Jessen in der „Zeit“ vom 29.4. 2019 kritisiert, dass die Diskussion um eine Abwägung der Grundrechte seitens der Bundesregierung „abgewürgt“ worden sei und möchte offensichtlich durch seinen Beitrag (ähnlich wie Wolfgang Schäuble) zu einer Belebung dieser Debatte beitragen. Anders als Wolfgang Schäuble gelingt ihm dies aber nicht mit bedenkenswerten Argumenten, sondern sein Beitrag ist in seinem polemischen Duktus nicht geeignet, Sachlichkeit in die Auseinandersetzung über die politisch richtigen Maßnahmen in der Corona-Krise und ihr Verhältnis zur Verfassung zu bringen.

Den Regierenden pragmatisch-opportunistisches Vorgehen vorzuwerfen und damit zu unterstellen, eine ernsthafte Grundrechtsabwägung gar nicht vorgenommen zu haben, gehört zu dieser unsachlichen Polemik. Das Gleiche gilt, wenn er die Corona-Maßnahmen für Ältere und Risikogruppen „Kontaktsperre“ nennt, die gleichen Maßnahmen für Kinder und Jugendliche aber als „einsperren“ bezeichnet. Schriebe man, es sei besser, nur die Älteren und die gefährlich Vorerkrankten einzusperren, statt eine Kontaktsperre für das ganze Volk anzuordnen, dann klänge das ganz anders. In seinem Furor gegen die angebliche ausschließliche Orientierung am Gleichheitsgrundsatz setzt er die für alle Bürger einschränkenden Maßnahmen mit einer Vorschrift gleich, die allen Menschen den Rollstuhl vorschreibt, weil einige darauf angewiesen sind. Rollstuhlfahrer sind aber in der Regel nicht ansteckend, genauso wenig wie Menschen, die eine salzlose Diät brauchen. Interessanter wäre hier der Bezug auf das Rauchverbot in bestimmten Bereichen gewesen. Hier wird nämlich, ähnlich wie in der Coronakrise, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beschränkt, das ja mit der Einschränkung versehen ist: „…so weit er nicht die Rechte anderer verletzt“.

Aber auch dort, wo Herr Jessen sachlicher argumentiert, ist seine Argumentation nicht immer korrekt. So behauptet er, der Appell „unser Gesundheitssystem schützen“, sei nicht geeignet, in einen Diskurs über Grundrechte einzutreten, da es sich hier um gänzlich verschiedene Sphären handele. Das ist falsch. Der Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung ist ja kein Selbstzweck, sondern die Notwendigkeit der Realisierung dieses Ziels ergibt sich für den Staat aus dem Grundrecht jedes Menschen auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Angesichts der Bilder, die wir aus Bergamo gesehen haben, sollte das evident sein. Hier von einem „Kult um die Volksgesundheit“ zu sprechen, ist in der Tat zynisch. Hilfreich wäre hingegen sich mit der Forderung auseinanderzusetzen, unser Gesundheitssystem so umzubauen, dass das Recht auf Leben auch unter Pandemie-Bedingungen mit einer nicht so umfassenden Beschneidung anderer Grundrechte gewährleistet werden kann. Das wäre mal ein sinnvoller Diskurs über Grundrechte. – Rainer Güttner

 

Beim Durchfahren eines Sturmes hat der Kapitän das Ziel, dass das Schiff möglichst geringen Schaden nimmt und keiner der Mannschaft über Bord geht. Übertragen auf die Coronakrise steht Deutschland bei der Erreichung dieses Zieles im Vergleich mit vielen anderen Ländern bisher sehr gut da. Die Regierung (und glücklicherweise die meisten Bürger) handelte nach der Devise: Je strikter wir die Kontaktbeschränkungen heute beachten, umso mehr Freiheiten haben wir morgen. Die Empörung über diesen erfolgreichen Kurs ist für mich nicht nachvollziehbar. – (Dr.) Michael Parys

 

Zitat: „Darf, wenn einer auf den Rollstuhl angewiesen ist, niemand anders mehr zu Fuß gehen? Wenn einer salzlose Diät braucht, kein anderer mehr sein Essen salzen?“ polemisiert Jens Jessen in seinem Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“ um dann fortzufahren „man muss die Gedankenfigur einmal […] zuspitzen, um den scheinhumanen Schleier von der logischen Struktur des Arguments zu reißen.“ Entgegen der Behauptung von Herrn Jessen steht eine derartige Anwendung des Gerechtigkeits- und Gleichheitsbegriffs nicht zur Debatte. Nicht die Anwendung ist schief, sondern das evozierte Bild. Fakt bleibt: Ein Covid19-Kranker steckt Gesunde an (z. Zt. immer noch 0,79), jedoch kein Rollstuhlfahrer infiziert Fußgänger, kein auf Diät angewiesener Mensch diätfrei lebende Menschen. Fakt ist aber auch, dass das rücksichtslose Ausleben vermeintlicher persönlicher Freiheit, z.B. durch den Verzicht auf den Mund-Nasenschutz in der Öffentlichkeit, dessen Nutzen aktuell die geringeren Infektionszahlen in Österreich belegen, die Gesundheit aller Mitmenschen gefährdet, als Folge höhere Kosten zu Lasten der Allgemeinheit generiert.

Aber die Allgemeinheit, den Staat, der wir alle sind, möchte ja ohnehin Herr Jessen zahlen lassen, auch die Maskenkosten im Centbereich. Fakt ist ebenfalls, dass auch junge Menschen schwer an Covid19 erkranken können, wenn auch die Letalität gering ist. Also doch lieber vorübergehend Einschränkungen für alle, Rücksichtnahme von allen, auch wenn Herrn Jessen das als „Höhepunkt rechtlicher Haltlosigkeit“ geißelt. Um umgekehrt die „Notiz“ vom Ende des Beitrags von Herrn Jessen ebenso polemisch aufzunehmen: Was kann man anderes als Rücksichtlosigkeit bei einem Menschen erwarten, der als Raucher gewohnt ist, seinen „Spaß“ auszuleben. – Jörg Müller

 

Viele Geistesgrößen (z.B. Kant) sind über die Mathematik zur Philosophie gekommen. Für Herrn Jens Jessen hätte der einfache Dreisatz genügt, um herauszufinden, dass Deutschland ohne die aktuellen Hygiene- und andere Maßnahmem hochgerechnet im Vergleich zu Italien (28.700 Coronatote) mit 39.715 Toten hätte rechnen müssen (Daten vom 2. Mai 2020), tatsächlich aber „nur“ 6.812 Verstorbene (immer noch zu viele) zählt. Die vom Rechtsphilosophen Jessen inkriminierten freiheitsberaubenden Maßnahmen hätten somit 32.903 Todesfälle verhindert, also ungefähr – allein in Deutschland – mehr als das zehnfache der New Yorker 9/11-Opfer. Möglicherweise hat der Autor als bekennender Raucher das 2007 in Kraft getretene gesetzliche Rauchverbot in der Gastronomie noch nicht verkraftet. – Dr. med. Peter Demmer

 

danke für diese intelligente, längst überfällige Reflexion. Sie haben messerscharf analysiert und hervorragend auf den Punkt gebracht, was ich mich oft gefragt habe: Sind die angewandten Maßnahmen verhältnismäßig oder wird hier nicht weit übers Ziel hinausgeschossen – zum Nachteil sehr vieler, die – um in Ihrem Bild zu bleiben – den Rollstuhl gar nicht brauchen. Ich, auch über 60jährig, würde mich gern in Manchem etwas einschränken, wenn dadurch jüngere Menschen (z. B. mein Sohn) und Kinder ein halbwegs normales Leben führen könnten und die Wirtschaft nicht permanent vom Totalkollaps bedroht wäre – mit für uns allen unabsehbaren Folgen.

Dann wäre auch die Lage auf dem Markt für Masken entspannter, von denen unser Regierender Bürgermeister Michael Müller vor einigen Tagen in der Berliner Abendschau nassforsch und vollmundig behauptete, ihre Beschaffung wäre gar kein Problem, in seiner Wohngegend an jeder Straßenecke. Wo er wohnt, sagte er natürlich nicht. Es redet angesichts der Preise auch niemand darüber, dass es in diesem Land Gesetze gegen Wucher gibt und warum sie nicht angewendet werden. Weil ich mich als Ungleiche gleichschalten lassen muss, tue ich, was um mich herum Familie und Freunde auch tun: Ich verwende die teuren Einmalmasken mehrfach, wodurch eine zumindest zweifelhafte Maßnahme nun endgültig zur lächerlichen und sinnlosen Maskerade verkommt. Danke, dass Sie dies alles so deutlich aufgezeigt haben. – Dr. Sabrina Hausdörfer

 

Jetzt mache ich Gebrauch von meinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und sage: Konsequenz ist nicht Willkür! Bei der Virusbekämpfung ist Konsequenz gefragt. Es ist ein Segen für unser Land, dass wir eine Kanzlerin haben, die eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat, die Statistik versteht und mit Wissenschaftlern auf Augenhöhe kommunizieren kann. Ja, wir Menschen sind biologische Wesen. Und Juristetei und Ökonomie müssen mal in die zweite Reihe treten. Die Menschen haben eben nicht am Anfang der Pandemie von ihrem Recht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch, weil Masken nicht verfügbar waren, sondern selbst welche genäht. Ohne das Grundgesetz neben der Nähmaschine, wie es der Autor selbst sicher gern gesehen hätte. Ein bisschen Demut gefährdet nicht gleich die Demokratie. Ich kann alles infrage stellen, doch wohl aber den Schutz des Lebens nicht! Wann beginnt Leben? Wann kann es enden? Jahrelang hat die Menschheit das Biblische „Macht euch die Erde untertan“ missbraucht. Wollen wir doch lieber das Umdenken, für das uns die Corona-Krise eine Chance sein kann, nutzen. Risikogruppe – Sieglinde Hilscher

 

Ich liebe Pipi Langstrumpf! Aber dieser Artikel von Jens Jessen gehört auf die 1. Seite und absolut nicht ins „nette“ Feuilleton. Diese schwer nachzuvollziehende momentane Situation zwischen rechtlich ? gesundheitlich ? ist es doch, die uns Bürger umtreibt. Und dazu die Hahnenkämpfe zwischen den Ministerpräsident/innen, die alle ihr eigenes „Recht“ verfolgen. Ein sehr guter Artikel! – Sonia Koch, Volker Klöppner

 

Vielen Dank, Herr Jessen, für diesen hervorragenden Artikel! Er spricht mir aus der Seele. Als der Lockdown vor 7 Wochen begann, war ich fassungslos, mit welcher Selbstverständlichkeit und Bestimmtheit ein Grundrecht nach dem anderen außer Kraft gesetzt wurde – ab sofort und für unbestimmte Zeit. Ein solches Vorgehen hätte ich in einer Demokratie nie für möglich gehalten. Noch mehr irritiert hat mich aber die Tatsache, wie klaglos dies weite Teile der Gesellschaft (offenbar) von Anfang an akzeptiert haben. Wie Sie schreiben, hat hier zu Beginn überhaupt keine gesellschaftliche Debatte über das Ausmaß und die Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahmen stattgefunden bzw. sie wurde sofort unterbunden, kritische Stimmen und Gegenmeinungen wurden diskreditiert. Es war ohne Frage die große der Stunde der Virologen – aber wo blieben (zu Beginn) die Stimmen aus der Wirtschaft, die der Soziologen und der Psychologen? Eine derartige Einschüchterungspolitik ist einer Demokratie unwürdig.

Und dann das Gerede von der großen Solidarität. Es ist eine merkwürdige, eine einseitige Solidarität, die uns da abverlangt wird. Eine Solidarität hauptsächlich mit der großen Gruppe der Rentner in unserem Land (übrigens auch eine große und einflussreiche Wählergruppe gerade der CDU), deretwegen (im Namen der Gleichheit, wie Sie schreiben) sich alle „einsperren“ lassen sollen, anstatt nur diejenigen zu isolieren und zu schützen, die tatsächlich einer Risikogruppe angehören. Wo bleibt die Solidarität mit den Jüngeren – mit den Kindern, den Eltern und jungen Erwachsenen, die das alles einmal werden bezahlen müssen? Wo die Solidarität mit den wirklich Schwachen in unserer Gesellschaft – den Alleinerziehenden, den Geringverdienern, den sozial schwachen Familien, die nun auf engstem Raum aufeinanderhocken und deren Kinder ohne Kita und Schule abgehängt werden und vermehrt dem Risiko häuslicher Gewalt ausgesetzt sind?

Soziale Isolation ist so ziemlich das Schlimmste, was man diesen Kindern antun kann. Und wo bleibt die Solidarität mit den vielen – vermutlich sind es Millionen -, die Existenzängste ob der großen wirtschaftlichen Einbußen haben? Wieviel davon die geschnürten Rettungspakete für die Wirtschaft auffangen können, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bleibt ein Fakt: die einzige Gruppe, die keinen wirtschaftlichen Schaden durch die Krise erleidet, ist gerade die Gruppe der Rentner. Denn anders als in anderen Teilen der Gesellschaft bleiben die Renten in der Krise nicht nur gleich, sie steigen sogar an. Eine größere wirtschaftliche Umverteilung von Jung zu Alt hat meines Wissens in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht stattgefunden. Es sollte in einer Demokratie eigentlich selbstverständlich sein, darüber diskutieren zu dürfen. – Sigrun Geiger

 

Vielen Dank Herr Jessen für die erhellenden Ausführungen zum Stellenwert der Verfassung in Corona- Zeiten. Verwunderlich ist nur, dass solche klaren Widersprüche und Zusammenhänge erst jetzt thematisiert werden. Es ist schon bemerkenswert, dass Verfassungsrechtler bisher zur Frage der Verfassungsmäßigkeit mehr oder weniger geschwiegen haben, obwohl die Problematik von Anfang an evident war. Zu erklären ist dies nur mit „moralischen Einschüchterungen“ und Verbreitung von Angst und Panik um die Gesundheit, nicht zuletzt befördert durch die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten. – Die gesamte so hoch gelobte transparente Informationspolitik des RKI zielt ebenso darauf ab, nämlich täglich die wachsende Zahl der Gesamtinfektionen voran zu stellen, zweifelhafte Reproduktionszahlen zu nennen, anstatt sich auf die Zahl der Neuinfektionen und die Zahl der Genesenen zu fokussieren.

Es ist schon kaum fassbar, dass eine Kontaktsperre für über 80 Mio. Menschen mit der beschränkten Kapazität des Gesundheitswesen begründet wird (wer trägt denn dafür die Verantwortung, z. B. für mangelnde Schutzausrüstungen?), wie Sie, Herr Jessen, richtig darstellen. Dem kann man noch hinzufügen: es ist auch nur schwer erträglich, dass mathematische Modellrechnungen von Epidemiologen und widersprüchliche Expertisen von Virologen ausreichen, um die Grundrechte in diesem Ausmaß auszuhebeln. Dabei spielt das RKI als Bundesbehörde eine besonders traurige Rolle.- In einem Punkt allerdings kann ich Ihren Ausführungen nicht ganz folgen, nämlich der Kritik an der Anwendung des Gleichheitsprinzips auf die besonders betroffenen älteren Bevölkerungsgruppen. Das Gleichheitsprinzip bezieht sich da natürlich auf die grundrechtlich verbürgte Gleichwertigkeit von Leben (Gleiches ist gleich zu behandeln) – und Sie werden wohl nicht die abstruse These von OB Palmer aus Tübingen vertreten wollen, der die ungleiche Lebenserwartungen von Älteren und Jüngeren als Maß für die Notwendigkeit von Ungleichbehandlungen fordert.

Tatsächlich sind die Risiken in den Altersgruppen ungleich und erfordern deshalb auch ungleiche Schutzmaßnahmen. Die Kontaktsperre oder Quarantäne für Risikogruppen sind aber, wenn Sie ihre Argumentation ernst nehmen mit den grundrechtlichen Freiheiten für diese Bevölkerungsgruppen eben auch nicht zu vereinbaren. Es gibt zahlreiche wirksame Möglichkeiten Risikogruppen zu schützen, ohne auf die auf längere Dauer angelegte grundrechtswidrige Kontaktsperren zurückzugreifen. Nebenbei bemerkt fallen Ihre Vergleiche in diesem Zusammenhang (Rollstuhlfahrer, salzlose Diät) deutlich unter das sonst gute Argumentationsniveau ab. – Was auch Anlass zur Sorge gibt, ist, wie bereitwillig die Menschen sich bisher diesem Schicksal der Unterwerfung staatlicher Gewalt gefügt haben und als Kehrseite Politiker, die besonders die staatliche Autorität verkörpern, wie Söder, besonderen Zuspruch erfahren. Sehr enttäuscht kann man auch sein bezüglich der Rolle des Bundesverfassungsgerichts, welches als Hüterin der Verfassung seiner Aufgabe nicht ausreichend nachkommt. – Prof. Hartwig Riedel

 

Herr Jessen, vielen Dank für Ihren hervorragenden Artikel und Schreibstil! Es hat Spaß gemacht, ihn zu lesen und er regt zum Nachdenken an. – Stephan Maluck

 

Art. 1 GG verpflichtet alle staatliche Gewalt, die Würde des Menschen, wozu u. A. auch das Recht auf Leben und Gesundheit gehört, zu schützen. Auch wenn es rechtstheoretisch keine Rangfolge der Grundrechte geben mag, so besteht doch keineswegs eine Gleichwertigkeit, wenn man die Auswirkungen bedenkt, welche aus einer Vernachlässigung dieser Schutzpflicht resultieren können. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit können wieder aufgehoben, unerlaubt gespeicherte Daten gelöscht, ausgefallener Schulunterricht nachgeholt und wirtschaftliche Verluste mehr oder weniger kompensiert werden, Versäumnisse beim Schutz des Lebens dagegen sind zumeist irreversibel. Daher halte ich den sog. lock down so lange für angemessen, wie keine ausreichenden Vorkehrungen für den Schutz des Lebens – Behandlungskapazität, Schutzmasken u.s.w. – getroffen sind. Eine ganz andere Frage ist, inwieweit aus dieser Bringschuld des Staates eine Duldungspflicht des Einzelnen resultiert oder ob hier nicht Regierung und Parlament dazu neigen, die persönliche Freiheit unangemessen einzuschränken. – Dr. med. Oskar Hermann Steiger

 

Auch ich bin Teil einer Risikogruppe, 65 und mit Vorerkrankung. Aber dass sie wegen der Corona-Vorschriften, die uns allen dienen, gleich eine Verfassungskrise heraufbeschwören, kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich sind nicht alle Entscheidungen gleich einfach zu akzeptieren und auch ich wundere mich warum ein kleiner Laden, in dem man Mühe hat, den Mindestabstand einzuhalten, geöffnet sein darf, und ein großer, bei dem man pro Person viel mehr Fläche zur Verfügung hat, nicht. Aber das Tragen einer Maske zum Schutz anderer vor Ansteckung gleich als Anlass zu einer Grundrechtediskussion zu nehmen, halte ich für übertrieben. Auch die hedonistische Großstadtgesellschaft in Berlin benutzt diese Argumentationslinie, dabei hat sich ja herausgestellt, dass die Menschen im Alter zwischen 19 und 35 Jahren die größten Verteiler des Virus sind. Also, ich trage meine Masken, teilweise selbstgemacht von lieben Freundinnen, waschbar und wiederverwendbar, und fühle mich dabei keineswegs in meinen Grundrechten verletzt. Und dass ich das von anderen in dieser Situation auch erwarten kann, ist keine Frage der Grundrechte sondern des Anstands. – Michael Koch

 

Gerade habe ich Ihren Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“ gelesen. Weit haben Sie ausgeholt, um zu beklagen, wie stark Die Bundesregierung in der Corona-Zeit Grundrechte ausgehöhlt hat. Meine Antwort darauf kann kürzer ausfallen. Was nützen uns all die vermeintlich abhanden gekommenen Grundrecht, wenn wir sie nicht mehr nutzen können, weil wir krank oder gar tot sind? Anmerkung: Als über 60-jähriger mit Übergewicht gehöre auch ich zur Hochrisikogruppe. – Volker Krause

 

Danke für diese klare Darlegung. Ähnliche Gedanken treiben mich und etliche Freunde seit geraumer Zeit um, allerdings vor allem als tief gehendes Unbehagen, weniger so klug hergeleitet. Es scheint, das sichere Wissen über Grundrechte und dem Zusammenspiel von individueller Freiheit und den Forderungen des „Gemeinwohls“ ist im Lauf der letzten Jahrzehnte verloren gegangen, jedenfalls sind die Kenntnisse darüber recht verwaschen. Als die Notstandsgesetze diskutiert und verhandelt wurden, war – so glaube ich mich zu erinnern – der Gedanke an eine Exekutive mit unbeschränkten Befugnissen ein Schreckgespenst nicht nur für die APO. Wollten wir jetzt so demonstrieren wie Ende der 60er, hätte die Polizei jedes Recht, wieder mit Wasserwerfern und Gummiknüppeln auf Demonstranten loszugehen. Wir, an Wahlsonntagen als mündige Bürger hofiert, dürfen von Staats wegen keine eigene Meinung äußern zu Risiken und Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pandemie. Nicht nur für mich, so hoffe ich, hat das den Geschmack staatlicher Willkür. Auch ich gehöre zur Risikogruppe, über 65 mit Vorerkrankung. – Eva Kaiser

 

Der Autor greift zu kurz, wenn er die Begründung dafür, warum wir nicht einfach die vulnerablen Gruppen bei weitgehend ungehinderter Durchseuchung der Restbevölkerung isolieren, in einem fehlgeleiteten Gleichheitsbegriff verortet. Diese zielgerichtete Isolation ist zunächst einmal schlicht nicht umsetzbar, wie man etwa am Beispiel Großbritanniens sieht, wo dies mit katastrophalen Folgen versucht wurde. Ebenso hat der Gesetzgeber immer schon unsere Freiheiten begrenzt, uns selbst und andere zu gefährden. Um genau diese Selbst- und Fremdgefährdung geht es aber hier, und zwar in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Das Grundgesetz legt, da hat der Autor recht, allgemeine und teils widerstreitende Kategorien und Prinzipien fest. Deren Abwägung und Ausdeutung ist in der Rechtsprechung der letzten Jahrzehnte angesichts der Bedrohungen von außen und innen, Radikalismus und Terrorismus zu hoher Reife gebracht worden. Die aktuelle Situation ist jedoch eine gänzlich neue und unvertraute, noch dazu eine, bei der die akute Gefahr dringendes Handeln nahelegt. Selbstverständlich wird es eine Diskussion brauchen, wie die Prinzipien des Grundgesetzes im Detail in der Pandemie-Gesetzgebung angemessen umgesetzt werden können. Eine Gegenüberstellung in fast schon allegorischer Form: „Die Freiheit“ gegen „die Gleichheit“ wird uns diesbezüglich aber kaum weiterbringen. – Andreas Porstner

 

Ich gehöre mit 88 Jahren zur Hochrisiko-Gruppe. Ich kann die Aussagen von Jens Jessen nur voll unterstützen. Der kurze Hinweis, dass auch der Autor zur Hochrisiko-Gruppe gehört, macht seine Aussagen besonders glaubwürdig. – Dorothea Tröster

 

Zuerst muss ich dem Autor in einem Punkt recht geben. Eine staatliche Pflicht zum Tragen von Masken in Teilen des öffentlichen Raums muss als Grundlage einen freien und kostenlosen Zugang zu Masken haben, da diese Pflicht sonst gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstößt und diskriminierend wirkt. Damit genug der Zustimmung. Sie postulieren eine „natürliche Konkurrenz“ von Grundrechten wie Freiheit, Gleichheit, Würde des Menschen, das Recht auf Leben und Gerechtigkeit und zielen darauf ab, dass damit eine Priorisierung durch die Politik quasi strategisch notwendig sei. Die von Ihnen genannten Grundrechte stehen aber nicht in einfacher und schon gar nicht in natürlicher, sondern wenn, dann in sozialer Konkurrenz zueinander.

Vielmehr enthält jedes dieser Grundrechte den substantiellen Kern der anderen bereits konstituierend in sich. Eine Einschränkung einiger Grundrechte erfolgte in der ersten Phase der Pandemie, um ein Grundrecht, nämlich das auf Leben und körperliche Unversehrtheit überhaupt möglich zu erhalten. Richtig so: ohne Leben auch keine anderen Grundrechte. Also doch eine Priorisierung?! Wir sind uns vielleicht darin einig, dass der Staat die Finger vom Recht auf Leben zu lassen hat, gerade, aber nicht nur in Deutschland. Ihr Vorschlag, doch die Risikogruppen zu isolieren, um den anderen in der Gesellschaft mehr Freiheit zu ermöglichen, widerspricht nun mal ebenfalls einigen Grundrechten und verstößt insbesondere gegen den von mir so verstandenen Gleichheitsgrundsatz. Nebenbei: wirtschaftlich-utilitaristisch völlig desaströs. Ihr Vergleich anhand der Frage „Darf, wenn einer auf den Rollstuhl angewiesen ist, niemand anders mehr zu Fuß gehen?“ lenkt davon ab, dass es ja darum ginge, nicht nur selbst zu gehen, sondern dem Rollstuhlfahrer einen Tritt zu versetzen und ihn die Treppe hinunterzubefördern.

Vor dieser Körperverletzung bewahrt uns im Fall von Corona das Infektionsschutzgesetz. Wie rechtliche Gleichheit im praktischen Leben Ungleichheiten hervorbringt, ist evident, und eine möglichst schnelle Abhilfe und Entlastung ist dringend nötig, aber nicht zu Lasten ethischer und rechtlicher Standards. Ich glaube, die Menschen haben ein Gespür dafür, wie kompliziert das Schaffen von gerechten Lösungen ist und lassen sich nicht von Ihrer platten Gegenüberstellung, hier „mächtige Bevölkerungsgruppen (Senioren)“, dort „weniger mächtige (Kinder,Eltern, junge Erwachsene)“einfangen. Wirklich zynisch werden Sie in Ihrer Frage „Warum darf man den Risikogruppen keine höheren Lasten als der Gesamtheit auferlegen?“. Es handelt sich nicht nur um Rentner, Altenheimbewohner sowie Menschen mit Behinderung, die eh schon stark unter der Isolation leiden, sondern auch um die 50-jährigen und Jüngeren mit Vorerkrankungen. Haben Sie mitgezählt? Wo wollten Sie in Ihrem Artikel hin – ach ja zu Lösungen! Die sollten wir suchen, ganz pragmatisch und möglichst gerecht, aber ohne die Gesellschaft noch mehr zu spalten! – Dr. Peter Stockmann

 

Ich danke für Ihre mutigen Worte! Wie befreiend in dieser <gedeckelten> Zeit! Inzwischen gibt es viele Redetabus in unserer Gesellschaft. Mit dem Hinweis auf Verschwörungstheorie oder mangelnde Solidarität wird man mundtot gemacht. Gewiss wird man das bei Ihnen nun auch versuchen. Alle verstecken sich hinter Zahlen , die das Robert Koch Institut herausgibt… Es ist doch hinlänglich bekannt, dass die WHO zu großen Teilen von der Bill Gates Stiftung unterstützt wird , also keinesfalls unabhängig ist. (Auch Helmholtz-und Frauenhoferinstitut , Charite, RKI usw. bekommen Fördergelder). Woher der Wind weht, wenn Warnungen dieser Institute vor zu frühen Lockerungen ausgesprochen werden, rechtzeitig vor dem Ministertreffen letzte Woche, liegt doch auf der Hand! Der Impf- und Milliardenerfolg muß erst eingefahren werden. Bis dahin muß das Volk in Angst gehalten werden. Angst schüren, dient dem Geschäft. P.S. Ich bin immunsupprimiert und kann gut selber auf mich aufpassen… – D.Sandritter

 

Herr Jessen (65, R) spricht meiner Frau (65, NR) und mir (65, R) aus ‚Hirn und Herz‘. Um Missverständnissen vorzubeugen : Selbstverständlich halten auch wir medizinische Vorsorge für geboten und sind stets darauf bedacht, unsere Mitmenschen und uns selbst vor ansteckenden Erkrankungen zu bewahren. Unabhängig davon hegten wir schon bei Beginn der – wie wir glauben – politisch eher unter Gruppenzwang und in ihrer Form politökonomisch naiv heraufbeschworenen und nun auch tatsächlichen Krise die gleichen Gedanken hinsichtlich der möglichen Widersprüchlichkeit und der Notwendigkeit der Abwägung von Grundrechten. Unvorstellbar war für uns, was uns heute politisch und im Alltagsleben begegnet : ein vom Grundgesetz scheinbar autonomer, nur durch kurzfristige gutsherrliche ‚Landesverordnungen‘ abgedeckter Rechtsraum, polizeistaatliche Überwachungsmethoden zum ungefragten ‚Schutz der Bürger‘ und das im ‚deutschen Wesen‘ offenbar tief verankerte Untertanentum dazu. Hier wurde ein Geist aus der Flasche gelassen, den wir schon lange verbannt wähnten. Wir danken Ihnen, Herrn Jessen, ‚als Katalysator ‚ unserer beschämend späten öffentlichen Verortung. – Frank und Prof. Dr. Karin Krupinska

 

Sechs Wochen Lockdown mussten vergehen bis Die Zeitganz zaghaft die Maßnahmen in Frage stellt: „… sollte sich zeigen, dass die Kontaktsperren die Pandemie nur sinnlos verschleppt haben, dass die Volkswirtschaft erstickt wurde und man der Jugend des Landes eine unabsehbare Schuldenlast aufgebürdet hat …“. Vorher wurde nur willfährig das Regierungshandeln erläutert und verteidigt. Keine kritischen Nachfragen, keine Bühne für gegnerische Argumente. Das ist mir zu wenig und dafür ist mir mein Geld zu schade. Als Solo-Selbstständige werde ich künftig sowieso jeden Cent zusammenhalten müssen. Ich habe mein (fast dreißig Jahre währendes) Abonnement heute gekündigt. – Christel Beck

 

Eine Auseinandersetzung mit den Maximen, die in der Corona-Krise das Handeln bestimmen, ist ebenso wichtig wie eine Auseinandersetzung mit den praktischen Maßnahmen, die aus den Maximen politisch und gesellschaftlich abgeleitet werden. Die Argumentation des Autors basiert dagegen auf ganz offensichtlich falschen Annahmen und trägt deshalb leider wenig zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit dem Thema bei. Ich möchte zumindest auf drei Missverständnisse eingehen. Erstens ist die Maxime, die hinter dem generellen Lock-Down steht, nicht die Gleichheit. Der Autor fragt, ob Maßnahmen, die für eine Person lebensnotwendig sind, aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes auch allen anderen aufgezwungen werden müssen – und fügt die (offensichtlich alberne) Frage an, ob nur, weil jemand salzlose Diät braucht, kein anderer sein Essen salzen dürfe. Wer Kinder hat, weiß, dass in der Grippesaison jede Kita ein kleines Ischgl ist – und dort eingehandelte Infektionen nicht in der Kita bleiben.

Die Idee der Solidarität beim Lock-Down bedeutet nicht, deshalb zu Hause zu bleiben, weil gefährdete Personen auch zu Hause bleiben müssen; es geht darum, die Infektionsgeschwindigkeit insgesamt zu verlangsamen: Die Idee ist, dass jeder, der zu Hause bleibt, damit auch andere schützt. Ob das der richtige Weg ist, oder ob eine Herdenimmunität der nicht gefährdeten Personen die gefährdeten Person besser schützt, ist eine andere Frage. Aber das im Artikel vorgebrachte und für den Artikel wesentliche Argument der absurden Gleicheitsmaxime ist nicht nachvollziehbar und hilft bei der Beantwortung der wesentlichen Fragen keinen Schritt weiter. Zweitens ist es sachlich falsch, dass in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln Atemmasken getragen werden müssen. Es müssen lediglich Mund und Nase bedeckt sein, was sich auch mit einem Schal bewerkstelligen lässt. Auch hier lässt sich über den medizinischen Nutzen streiten, aber der Vergleich mit der Kopplung von Bürgerrechten an das Tragen bestimmter schwer zu beschaffender Schuhe trägt nicht zur Belebung der konstruktiven Auseinandersetzung mit den konkreten Maßnahmen bei, geht an der Sache vorbei und polemisiert die Diskussion.

Drittens sind natürlich alle Vorschriften und Regeln ad-hoc entstanden und können keine Inkarnationen philosophischer oder rechtstheoretischer Reinheit sein (daraus wird auch kein Hehl gemacht); und entsprechend tragen die Regeln inhärente Ungerechtigkeiten und Widersprüche in sich. Dass zur Durchsetzung der Regeln aber mit Moral und Prinzipien wie der Solidarität an das Volk appelliert wird, ist mir persönlich lieber, als dass die Durchsetzung durch massiv erhöhte Polizeipräsenz oder Drohnen (wie das in anderen Länder passiert) erzwungen wird. – Thomas Heilmann

 

Ich muss zugeben, dass mich dieser Artikel in der ZEIT einigermaßen verärgert hat. Das hat mehrere Gründe. Ich finde es nicht in Ordnung, dass der Autor am Anfang des Artikels suggeriert, es gäbe eine Art „Meinungsdiktatur“ in der Corona-Krise. Merkel und andere Politiker*innen hätten mit Verweis auf den Grundsatz des Lebensschutzes jegliche Diskussion „abgewürgt“. Das ist a) die typische Rhetorik der AfD, die Regierung unterdrücke abweichende Meinungen b) eine Farce für alle Bürger*innen in Ländern, in der aktuell wirklich eine staatliche Repression zum Thema Corona stattfindet (Türkei, Brasilien, China ….) und c) nicht korrekt. Es kann sein, dass die Regierung am Anfang kritische Töne beschwichtigt hat (aus politisch-taktischen Gründen), aber aktuell läuft die Debatte doch lauter denn je. Niemandem wurde je der Mund verboten, Christian Lindner kräht seine Kritik in jede Talkshowrunde. Auch der Autor selbst kann seine Kritik ohne Probleme vorbringen. Von „Unterdrückung“ und „Abwürgen“ keine Spur.

Was ich gut finde ist, dass der Autor aufzeigt, wie die Grundrechte als Prinzipien miteinander im Widerspruch stehen und in der Praxis nicht gleichzeitig alle verabsolutiert werden können. Und auch, welche Konflikte daraus für das politische Handeln entstehen. Zynisch finde ich hingegen das „Schimpfen“ auf das willkürliche Gegeneinanderausspielen dieser Recht in der Praxis durch die Regierung und die Verantwortlichen. Der Autor trägt mit keiner Silbe der Tatsache Rechnung, dass es sich noch vor knapp 2 Monaten um ein völlig unbekanntes Virus handelte (über das auch heute noch Vieles nicht bekannt ist), dessen Folgen kaum abzuschätzen waren. Wenn in Italien Militärlaster Leichen abholen müssen, weil sie sich aufgrund von Corona-Todesfällen ansonsten in den Pathologien gestapelt hätten, gerät eben auch eine Regierung in Deutschland unter Druck, so etwas seinen Bürger*innen nicht zumuten zu müssen. Sicher, man muss über die Abwägungsmöglichkeiten sprechen. Und der Autor profiliert sich dabei als Teil einer „Risikogruppe“, um zu suggerieren, auch die Personen jener Gruppen fänden das ganze Corona-Theater um die Grundrechte nicht in Ordnung.

Eklatant ist, dass im ganzen Diskurs weder Pflegeheimleiter*innen, noch die „Älteren“ selbst je zu Wort kommen. Und eine einzelne Raucher-Meinung macht noch keine Statistik. Unverschämt finde ich auch die Andeutung, wir befänden uns gerade auf einem Weg in die Diktatur, weil man die Einhaltung der Grundrechte von willkürlichen Bedingungen abhängig mache. Das finde ich unzulässig. Dass der Autor hier aufdeckt, dass Prinzipien unter Pragmatismus teilweise ihre Gültigkeit verlieren, das hingegen ist ein schlauer Hinweis. Und auch die Kritik, man hielte die einen Rechte hoch, um zu zeigen, dass man Prinzipien habe („Lebensschutz“), während man auf der anderen Seite andere Rechte pauschal verwürfe („Freiheit“), ist ziemlich legitim. Aber mit Diktatur hat das rein gar nichts zu tun, vor allem, wenn man sieht, wie die Gerichte aktuell reihenweise Vorschriften kippen. Und wie das von „den Politiker*innen“ ohne Protest zur Kenntnis genommen wird. Was mich insgesamt aber am meisten geärgert hat ist, dass der Autor, trotz teilweise berechtigter Kritik und Hintergrundanalyse, pauschal auf das widersprüchliche Handeln der Regierung schimpft, aber gleichzeitig selber keinerlei Lösung vorzuweisen hat.

Er behauptet, man müsse sich zwischen Prinzipien und Pragmatismus entscheiden, beides gehe nicht aufeinmal. Das sehe ich nicht so. Man kann pragmatisch Handeln, ohne seine Prinzipien zu verlieren. Wenn dann das Prinzip Lebensschutz über alles gehoben wird, so ist das eine Entscheidung, die man kritisieren kann. Aber keine „prinzipienlose Willkür“, sondern eine subjektive Abwägung. Außerdem, wollen wir wirklich eine demokratische Regierung hören, die sagt „Wir pfeifen auf die Grundrechte, es ist eben Corona-Not!“? Dann wäre der Schritt zur Diktatur tatsächlich nicht mehr weit (wie beim philippinischen Staatspräsident, der Leuten mit Erschießung droht, wenn sie die Abstandsregeln nicht einhalten). Da gefällt mir „demokratische Zumutung“ durchaus besser. Gleich darauf widerspricht sich der Autor selbst, wenn er sagt, dass die Geltung der Verfassung nicht von technischen Erfordernissen abhängig sein könne. Hier stellt er doch genau die Opposition von Prinzip (Verfassung) und Pragmatismus (technische Erfordernisse) auf, die er gerade selbst negiert hat, weil man sich für eines entscheiden müsse.

Und dann auch noch die Empörung über die Maskenpflicht, weil eine 3€ Maske angeblich finanzielle und soziale Ungerechtigkeit verschärfe – das ist doch Quatsch, besonders, wenn bei jeglicher Pressekonferenz betont wurde, es reiche auch ein umgebundener Schal oder ein Tuch. Insgesamt liest man in diesem Artikel einige Kritik und Beschwerde, manche Empörung, das meiste davon natürlich legitim und berechtigt. Aber eine Lösung präsentiert der Autor nicht, da zieht er sich aus der Affäre. Wieso also verlangt er von Politiker*innen, die auch nur Menschen sind, etwas, was er selber auch nicht kann? Und vor allem, wenn er sich über die Gleichheitsmaxime aufregt, die ja bei Ladenöffnungen und Co. schwer verletzt würde, was gibt es denn in seinen Augen für eine Alternative? Alles gleichzeitig wieder aufmachen, alles wieder ad hoc erlauben, damit dann wieder ein exponentielles Wachstum eintritt?

Dann wären Freiheits-und Gleichheitsprinzipien zwar wieder gewährt, aber wie würde es der Autor dann rechtfertigen, dass Senior*innen dafür „wie die Fliegen“ sterben? Befindet er sich dann nicht in der selben Zwickmühle wie die Politiker*innen jetzt, dass er dann wieder einige Grundrechte über andere erheben würde? Bei solch einem Dilemma verliert also bei jeder Variante irgendwer etwas, das ist die konstitutive Problematik eines Dilemmas. Die Politik auf diese Weise dafür anzuprangern, dass sie dieses Dilemma der Bevölkerung irgendwie zumuten muss, finde ich deswegen unfair. Besonders, wenn man selber auf seinem Redaktionssessel sitzen kann und nichts davon entscheiden muss. Trotzdem danke für die Meinung und Kritik, mit der man sich auseinandersetzen muss. Es war auch so manch wahre Feststellung dabei. – Julia Molina

 

Ich bin erbost. Wieso lässt man jemanden, der wider jede Vernunft als Raucher das Risiko eines früheren Todes in Kauf nimmt, über die Risiken des vorzeitigen Ablebens durch einen Virus schreiben. Seine Argumente, die im Grunde das Recht des Stärkeren postulieren, sind in ihren Vergleichen, den zugrundeliegenden, teils unbewiesenen Behauptungen und ihrer Absolutheit überwiegend so grotesk, dass ich gar nicht wüsste, wo ich in einer Gegenrede anfangen sollte. Wenn da nicht der Name Jens Jessen stünde, hätte ich auf Christian Lindner oder Boris Palmer als Verfasser getippt. Das heißt nicht, dass ich dem Autor nicht in einigen wenigen Kritikpunkten zustimme: Wenn z. B. das Tragen von Masken verlangt wird, müssten sie auch kostenlos zur Verfügung gestellt werden (den Vergleich mit den Schuhen halte ich allerdings für absurd, oder meint er Schutzschuhe – Scherz). Und einige willkürliche Festlegungen wie die Quadratmeterzahl der erlaubten Ladenfläche habe ich auch nicht verstanden. Der merkelfreundliche, mildere Schluss reicht nicht für eine Versöhnung. – Sven Herfurth

 

Dieer Artikel von Jens Jessen ist ein Konglomerat aus dialektischem Empörungsjournalismus und Wortgeklingel wie „jakobinische Lösungen“ oder „krautige Praxis“, Was will er eigentlich sagen? Daß die Regierung den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes umsetzt und nichts tut! Dies würde bedeuten, daß bei einer Herdenimmunität von 60 bis 70 Prozent bei einer Bevölkerung von 82 Millionen circa 67 Millionen sich mit Sars coV 2 infizieren müßten. Dann wäre Schluß mit Corvid 19. Allerdings würde bei einer angenommenen Mortalitätrate von 1 Prozent 6,7 Millionen sterben. Will der Autor dies? – Hübsch immerhin, daß die Redaktion sich die Notiz nicht verkneifen konnte, den Autor ber der rauchenden Risikogruppe zu verorten. Dem Autor wünscht man nicht „pax in aeternam“ sondern „pax in coronam“. – Dr.W.Wiederholt

 

Dieser Artikel ist eine der seltenen Sternstunden des deutschen Journalismus. Nachdem ich seit Wochen einer „Hofberichterstattung “ in Rundfunk und TV seitens ARD und ZDF ausgesetzt bin, in der keine kritische Betrachtung der aktuellen Politik zu erkennen ist, habe ich die Gedanken von Herrn Jessen mit Freude und Erleichterung studiert. Für mich bleibt die Frage ungeklärt, ob Angela Merkel den Grundgedanken der Demokratie wirklich verstanden hat. P.S. Ich bin 69 Jahre alt, sehe mich aber nicht als Risikogruppemitglied. – Peter Wolf

 

Haben Sie vielen Dank für Ihren o.g. Artikel. Sie haben in trefflicher Formulierung das Unbehagen und Gefühlte strukturiert. Sehr beunruhigt sehe ich inzwischen die Zunahme des Denunziatentums und die „Blockwarte“, die ihren Mitmenschen in harschem Ton Verhaltensregeln diktieren. P.s. auch ich gehöre zur Risikogruppe der über 60 jährigen Raucher- allerdings ohne Vorerkrankungen. – Franziska Bickel-Albert

 

So nicht. Das Thema ist zu wichtig, um es mit teils vordergründiger und platter Rhetorik abzuhandeln . Damit leisten Sie einer differenzierten Diskussion einen Bärendienst. Sie schreiben: „ von Anbeginn wurde „drohend“ erklärt, dass der Schutz von Gesundheit und Leben oberste Priorität hat“. Ja, was denn sonst gerade am Anfang, wenn der Verlauf der Pandemie noch unsicher ist, etwa der IFO-Geschäftsklima-Index? Schäuble hat mutig geäußert, dass die Annahme, alles andere habe vor dem Schutz des Lebens zurückzustehen ,in dieser Absolutheit nicht richtig sei. Fügt aber gleich im Interview hinzu „Der Staat muss für alle die bestmögliche gesundheitliche Versorgung gewährleisten.“ Dazu kann natürlich auch gehören, dass man eine gefährdete Bevölkerungsgruppe zum eigenen Schutz „reglementiert“ In der Tat lassen sich Szenarien vorstellen, die auch den Vorrang des Lebens relativieren können, zumindest in Einzelfällen z.B. bei der Triage (s. Italien) und man kann sich in dieser globalisierten Welt auch noch tödlichere Viruspandemien oder andere globale Katastrophen vorstellen, in denen nicht alle Zugang zu einer adäquaten Versorgung finden.

Sie schreiben: „Wie ist es der Politik gelungen, diese Abwägungen zu „unterbinden“ und erkennen durch u.a. “moralische Einschüchterung“ mit den Argumenten „Solidarität“ und „Diskriminierungsverbot“. Frau Giffey hat mal in einem Interview davon gesprochen, dass man keine 2-Klassengesellschaft machen möchte, na und? Das heißt ja nicht, dass man nicht bei sich veränderter Sachlage umdenken kann. Es gibt durchaus mehrere in den Medien veröffentlichte juristische Aussagen zu den Möglichkeiten der Reglementierung des freien Ausgangs unterschiedlicher Risikogruppen mit Zeitkorridoren etc . Aber immer betont wird die Notwendigkeit einer sehr schlüssigen medizinisch/juristischen Begründung, warum die jeweilige Person zur Risikogruppe gehören soll. Da Geschäfte und Dienstleister etc. ebenfalls bei Zeitkorridoren mitspielen müssen, ist diese Aufgabe logistisch sicher anspruchsvoll. Einfach „ausschliessen“ geht nicht! Von Unterbindung einer Diskussion durch die Politik oder moralische Einschüchterung kann also nicht die Rede sein. Ausserdem hätten Sie doch statt Polemik eine sachliche Aufarbeitung der bisherigen Pros & Kons machen können. Die Vergleiche, die Sie zum Thema bringen (Salz u. Rollstuhl) sind wie Ihnen ja schon selber aufgefallen ist zynisch und platt.

Ihre primäre Unterstellung von „Scheinhumanität“ und daß man es mit den „mächtigen Senioren“ nicht verderben wollte, kann eine Rolle spielen, sollte, weil unbewiesen, aber kein führendes Argument sein. Verständlich wäre natürlich als Begründung die nachvollziehbare pure Angst der Regierung , zu einem Zeitpunkt, an dem die Entwicklung der Coronakrise in Deutschland vor den ersten Öffnungen noch nicht absehbar ist , dieses große Fass aufzumachen. Sie haben sicherlich recht, wenn Sie einfordern, daß es zu einer parlamentarischen Diskussion darüber kommen muss, was in Zukunft welchem Bevölkerungsteil in der Pandemie zugemutet werden kann. Ich stimme Ihnen ebenfalls zu, wenn Sie die von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche und z.T. nicht nachvollziehbare Umsetzung der jeweiligen Beschlüsse anprangern, was zu Verunsicherung und Unwillen in der Bevölkerung führt. Auch da wäre eine Abwägung der PRO und KONS der föderalistischen Strukturen Ihrerseits in dieser Krise sehr interessant gewesen.

Aber völlig übertrieben, bezogen auf die aktuelle Situation und daher kontraproduktiv empfinde ich , den überall täglich erlebbaren Widerstreit von pragmatischem und prinzipiellem Handeln argumentativ in die Nähe von „Herrschaftinstrumenten von Diktaturen“ zu bringen und eine potentielle Gefährdung des Vertrauens in die Verfassung heraufzubeschwören. Wenn solche Widersprüche aus der Situation auftreten, müssen Sie natürlich für die Bürger nachvollziehbar erklärt werden können und sie müssen nach angemessener Zeit korrigiert werden. Und was soll der Hinweis, daß der Schutz des Gesundheitssystems und der Kliniken nicht in der gleichen Kategorie wie der Schutz der Grundrechte rangiert, bzw. die „Geltung des Grundgesetzes nicht von technischen oder organisatorischen Erfordernissen abhängig“ gemacht werden kann? Formal sicher richtig, aber Sie können sich sicher vorstellen, dass bei einem dekompensierten Gesundheitssystem Grundrechte wie z.B. die Würde des Menschen, die Freizügigkeit etc kaum aufrechtzuhalten sind. In sofern besteht sehr wohl zumindest im Rahmen der Pandemie eine enge Interdependenz.

 Sie schreiben: “Erst recht lässt sich nicht eine wacklige historische Errungenschaft wie unser Gesundheitssystem in dieselbe grundgesetzlich verbriefte Schutzklasse hochjubeln wie die bürgerlichen Freiheitsrechte und schon gar nicht gegen Sie ausspielen“ Herr Jessen, völlig richtig, das hat aber keiner so gemacht, wie man es Ihrem Text nach annehmen könnte. Die Maßnahmen inklusive der Beschränkung der Freizügigkeit dienen dazu, schlimmere Einschränkungen bzw. Verletzungen der Grundrechte zu verhüten s.o Bei Zusammenbruch des Gesundheitssystems stünden manche Grundrechte nur noch auf dem Papier. Ich kann Ihren Denkansatz in vielem nachvollziehen, die Umsetzung ist jedoch so undifferenziert, dass sie Ablehnung bewirkt. Schade. Also erst einmal runterkommen und dann etwas differenzierter von vorn. Hochrisikogruppe, Gelegenheitsraucher – Frank Wegner

 

Mir stellt sich bei Ihrem Artikel die grundlegende Frage, wo Sie die Diskussion um die Einschränkungen denn erwarten? Ich sehe sie nämlich jeden Tag, in der ZEIT, in den Tageszeitungen, online, in persönlichen Unterhaltungen. Politiker führen sie, selbst Ihr Artikel beendet die Einleitung mit einem passenden Zitat des Bundestagspräsidenten, nicht gerade ein Mensch mit mangelnder Reichweite. Mir scheint, ihr Problem ist eher, dass die Debatte nicht zu dem von Ihnen gewünschten Ergebnis geführt hat? In dem Fall begeben Sie sich meiner Meinung nach auf das dünne Eis des „man darf ja heutzutage nichts mehr sagen“. Ich hätte mir in diesem Fall von der Zeit eine klarere, schärfere und ehrlichere Analyse erwartet. Was übrigens die von Ihnen in einem letzten Rundumschwenk erwähnten Masken angeht: Von der Bevölkerung muss nur ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, dies muss keine zur Zeit seltene Einmalmaske sein. Sie können einen Schal tragen oder eine wiederverwendbare Stoffmaske bei einer Apotheke oder Schneiderei in Ihrer Umgebung erwerben. Aber das wissen Sie vermutlich – eigentlich. – Anna Burrichter

 

Jens Jessen fährt schwere Geschütze gegen das „unausgegorene Gewimmel von Ad-hoc-Vorschriften“ in der Coroma-Krise auf. Tenor: Die “ Willkür“ der Politik beugt sich den Realitäten und erhebt sich so gegen „Seine Majestät, das Recht“. Wobei als Realitäten nur Markt und Zufall gelten, Bereiche zu denen Virologen sich wohl selten äußern. Mit dieser Scheuklappensicht findet man schnell unverzeihliche Verstöße gegen hehre Prinzipien. Beispiel: Das Gebot zum Tragen von Masken ist ein „Höhepunkt rechtlicher Haltlosigkeit“, verstößt es doch gegen das Gleichheitsprinzip. Warum hat das Bundesverfassungsgericht da nicht längst die Badehose aus Schwimmbädern verbannt? Der Autor widerspricht sich selbst, wenn er beklagt, dass „die Politik insgesamt jede Debatte (…) sogleich abgewürgt“ habe. Sein Beitrag ist nur einer von tausenden, die uns Bürger in den Medien seit Beginn der Pandemie präsentiert werden. Selbst krude Polemiken, wie die von Herrn Jessen, finden ihren Platz in der Presse ohne „moralische Einschüchterung“ durch die Politik. – Hermann Pütter

 

Niemand wird je wissen, was gewesen wäre, wenn „die Kontaktsperren auf die Hochrisikogruppen der Älteren und gefährlich Vorerkrankten“ beschränkt worden wären, „anstatt das ganze Volk einzusperren“ . Ich persönlich glaube den Virologen und Epidemiologen, die von Anfang an darauf hinwiesen, dass einer Überlastung der Kliniken vorzubeugen ist, da eine solche Überlastung sonst katastrophale Folgen hätte. Und in der Frage, welchen Patienten eine Intensivbehandlung oder Beatmung zukommen darf, entscheidet nur der Arzt, nicht die Gesellschaft und nicht die Politik, das ärztliche Kriterium dabei darf nur die Frage sein, welcher Patient hat welche Prognose nach dem Überleben auch noch ein in seinem Sinne lebenswertes Leben zu führen. Alles andere ist Euthanasie. Und ja, es macht mir Angst, wenn in dem öffentlichen Unmut über die Kontaktsperre vor allem ein Gegensatz zwischen Alt und Jung in den Vordergrund geredet und geschrieben wird (Herr Jessen ist da keine Ausnahme). Ich könnte mir vorstellen, dass z.B. Eltern gefährlich vorerkrankter Kinder in den meisten Fällen auch nicht alle unglücklich über den staatlichen Versuch waren, die Kliniken vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Für mich wurde die Risikogruppe, also gefährlich vorerkrankte Kinder, vorerkrankte Erwachsene unter Seniorenalter und die Senioren , nicht privilegiert, sondern unter dem Aspekt der Gesundheitsgefährdung als besonders schwache Gruppe in der Gesellschaft geschützt. Durchaus aber hätten die Folgen eines Lockdowns für Opfer von Gewalt innerhalb von Familien von Anfang an besser mit in die Entscheidungsfindung aufgenommen werden sollen. Ich glaube auch den Wirtschaftswissenschaftlern, die meinen, eine zu frühe Lockerung der Auflagen mit erneutem Anstieg der Infektionsraten hätte noch viel verheerendere Folgen für die Wirtschaft als eine etwas längere Kontaktsperre. Im Übrigen hat ja nicht jeder Wirtschaftszweig wegen der Kontaktsperren in Deutschland gelitten, sondern weil auch in Zulieferländern das Virus-Chaos ausgebrochen war.

Herr Jessen hat nachvollziehbar mit den Grundrechten argumentiert, warum jetzt Schluß sein muss mit Kontaktsperre. Trotzdem assoziiere ich auch in seinem Artikel bei „individuellen Freiheitsrechten“ auch „Freie Fahrt für freie Bürger“ und bei zu vielen kritischen Beiträgen zum Lockdown schwingt m.E. eher das „Recht auf Shopping“ mit als Verständnis für die Rücksicht auf Schutzbedürftige. Und natürlich verliert in meiner Abwägung das Recht auf Shopping in der Pandemie genauso wie die freie Fahrt im Klimaabsturz. (Notiz: ich, 67, gehöre zur Risikogruppe der fitten, aber ängstlichen Senioren) – Renate Gunning

 

Nach der Lektüre des Artikels „Zwischen Willkür und Freiheit“ in der Ausgabe vom 29. April frage ich mich: Ist der Autor Jens Jessens unter den Corona-bedingten Einschränkungen zum Wut-Journalisten mutiert? Zwei Aspekte in seinem Artikel legen diesen Verdacht nahe: Zum ersten findet er für die Entscheidungen und Maßnahmen der Regierung nur herabsetzende Formulierungen: Zwangsmaßnahmen, Pandemie nur sinnlos verschleppt, Volkswirtschaft erstickt, der Jugend eine Schuldenlast für den Rest ihres Lebens aufgebürdet, jede öffentlich Abwägung sogleich abgewürgt, Priorität wurde drohend erklärt, moralische Einschüchterung, das ganze Volk einzusperren, scheinhumaner Schleier des Arguments, Gerechtigkeit nach dem Rasenmäherprinzip – alle werden einen Kopf kürzer gemacht, einseitig jakobinische Lösung, vom Einzelnen abstrahierende Volksgesundheit [gewisse Assoziationen sind wahrscheinlich beabsichtigt], Weg des mutmaßlich geringeren Widerstands, rein pragmatisch-opportunistische Auswahl, jedes Bundesland diskriminiert und privilegiert nach eigener Willkür. Und schließlich: Den Höhepunkt rechtlicher Haltlosigkeit markiert das Gebot, … Atemmasken zu tragen.

Zum zweiten leidet die Logik von Jessens Argumentation beträchtlich unter seiner Wut. Am Anfang stellt er ganz richtig fest: Nur als Prinzip gelten diese Rechte absolut, in der Praxis müssen sie stets gegeneinander abgewogen und maßvoll beschnitten werden. Sagt aber sogleich, die Politik hätte diese Abwägung abgewürgt und mit moralischer Einschüchterung den Gleicheitsgrundsatz verabsolutiert. Das ist eine Behauptung, die er ohne genauere Begründung aufstellt. Nun müht er sich, die Verabsolutierung des Gleicheitsgrundsatzes ad absurdum zu führen. Damit, so meint er, habe er dann die politischen Entscheidungen ad absurdum geführt. In Wahrheit hat er nur gezeigt, dass seine These falsch war. Bedenklich finde ich zudem, dass Jessen nur im Umkreis der individuellen Freiheiten denkt, Begriffe wie gegenseitige Rücksichtnahme oder Pflichten gegenüber der Gemeinschaft liegen gänzlich außerhalb seines Horizonts. – Dr. U. Hupbach

 

Ich bin begeisteter Leser eures guten und fundierten Journalismus und möchte gerne eine Rezension zu dem Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“ von Herrn Jessen in der Ausgabe Nr. 19/2020 vom 29. April 2020 abgeben. Herrn Jessen gelingt es auf sachliche und objektive Weise, Sinn und Unsinn des aktuellen politischen Handelns zu hinterfragen. Diesen Eindruck lassen die politischen Entscheidungsträger derzeit leider vermissen. Dabei soll gar nicht die Gefahr durch die Corona Pandemie und der damit einhergehende besonders gewissenhafte Umgang mit der Krise in Frage gestellt werden. Es wäre jedoch durchaus wünschenswert, überhaupt eine Diskussion um alternative Lösungsansätze zuzulassen – auch wenn diese subjektiv als unpopulär eingestuft werden. Sei es auf Länderebene oder in den unterschiedlichen Lebensbereichen: die uneinheitlichen Auslegungen des scheinbar unabänderlichen aber gleichzeitig auch unklaren politischen Kurses stoßen vielerorts auf Unverständnis und schüren Unmut. – Christoph Susek

 

Man kann die Grundsätze von Gleichheit und Gerechtigkeit auch zu Tode reiten. Das Gebot, in Läden und öffentlichen Verkehrsmitteln Atemmasken zu tragen als „den Höhepunkt rechtlicher Haltlosigkeit“ zu bezeichnen und daraus den vergleichenden Schluss zu ziehen, damit „wolle man die Gewährung von Bürgerrechten vom Erwerb bestimmter, schwer zu beschaffender Schuhe abhängig machen“ ist absurd. Ließe man dieses Argument gelten, ist jede präventive Schutzmaßnahme des Staates rechtlich haltlos. Wie lässt sich dann der Eingriff in die persönliche Bewegungsfreiheit durch eine Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Straßen begründen? Die Pflicht, in bestimmten Situationen Masken zu tragen dient der Gesundheit aller, ist sachlich geboten und stellt damit einen absolut vertretbaren Eingriff in die persönlichen Rechte des Einzelnen dar. Der Rest ist Feuilleton. – Dieter Schmidt

 

Das Gebot, Masken zu tragen, brandmarken Sie als Höhepunkt rechtlicher Haltlosigkeit, sprich Verstoss gegen das Gleichheitsprinzip. „Als wolle man die Gewährung von Bürgerrechten vom Erwerb bestimmter schwer zu beschaffender Schuhe abhängig machen.“ Absurder geht‘s nicht. Oder haben Sie wegen der geltenden Anschnall- oder Helmtragepflicht schon die Gerichte angerufen? So wie Sie hoffentlich, mit Rücksicht auf Ihre Mitmenschen, in Läden und öffentlichen Verkehrsmitteln Kleidung tragen, wäre zur Zeit das Tragen einer Maske weniger eine Frage des Grundgesetzes als vielmehr eine des Anstands und des gesunden Menschenverstandes. Der Ihnen zugesprochene „gnadenlose Blick für das Absurde“ sollte sich gelegentlich auch auf Ihre eigenen Elaborate richten. Aber vielleicht gibt es da einfach ein gespaltenes Verhältnis zur eigenen Zeitgenossenschaft: Mal machen Sie in Deutschland ein von den Senioren getragenes Spiesserproblem aus, mal fühlen Sie sich als alter weisser Mann von #metoo bedroht. Hier sehe ich Klärungsbedarf. Und gewöhnen Sie sich bei der Gelegenheit doch gleich auch das Rauchen ab. Frei-willig! – Fred Howald

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein anderes Virus“ von Giovanni di Lorenzo

 

Die schwedische Politik lässt ihre Bevölkerung machen. Trump läßt die Armen allein. Laut NYT (zu1.) stünden wir gut da. Aber doch zu dem Preis, dass viele von uns doch recht untertänig werden und nur eine kleine, aber tapfere Gruppe müpfig. Die Lehre der Krise (zu 2.): Das Digitale liefe weiter, wenn Geschäfte und Büros schließen. Das ist doch Stuß. Womit sollen denn die in den Geschäften und Büros ihre PCs und den Internetanschluß bezahlen. Aus den Schulden, die FinMin. Scholz macht und verteilt. Das wird bald sein natürliches Ende finden. Wie soll das Steuaufkommen aufkommen? Lieber Herr di Lorenzo, lieber Herr Heuser, denken Sie darüber morgen am Tag der Arbeit darüber nach. Das sind keine „staatlichen Milliardenhilfen“. Das ist Steuergeld. Scholz hatte das Glück, das unsere Schuldenlast bei 60% BIP lag und nun auf 75% oder gar 90%* steigen kann. Das funktioniert nur einmal.

Wichtiger wäre die Länderhoheit zu bewahren und das dumme Gerede vom „Flickenteppich“ zu lassen. Schäuble und Palmer, der Sohn des Remstal-Rebellen, haben die Diskussionen zugespitzt. Das ist ein grundsätzliche Problem geworden. Wer etwas sagen will oder in der Corona-Konjunktur hochgespült wird, muß zZ wohl zuspitzen. Oder, als ich heute im iKiosk stöberte, las ich den Bunte-Titel: „Prof. Chr. Dorsten liebt eine erfolgreiche Virologin“. Die Virologen mit den begrenzten Mathematik- und Statistik-Kenntnissen sollte wieder ins Glied treten. Da könnte ZEIT-Wissenschaft I und II sich Verdienste erwerben. PS * Die 90* hat Schäuble der Herr Rogoff sugeriert. So sind sie Freunde geworden. Obwohl er Schwächen bei der EXCEL Technik gezeigt hatte… – Gerhard Schroeder

 

Richtig – rund um Corona kreist und kreisst eine zunehmend saure Debatte. Halbwegs wohlmeinend könnte man das nun pluralistisch nennen, föderalistisch oder repräsentativ, etwas kritischer klientelistisch, Lobby-getrieben oder egoman. Der Gemeinsinn scheint schnell zu erodieren, wenn ein Aufreger die heute typische kurze Halbwertzeit, den einstelligen Wochenbereich, ohne erkennbare Ermüdung überschreitet, das Schlimmste aber nicht eingetreten ist. An Schäubles Wortmeldung ist darum der Aufruf zu einem demokratischen Diskurs mit langem Atem völlig richtig, drum auch sein Lob für den besonnenen Kurs der Kanzlerin. Falsch war allerdings sein Teaser – die Menschenwürde absolut und vor alle Grundrechte zu stellen, auch vor das Lebensrecht. Denn Menschenwürde ist analog und elastisch, so wie auch Freiheit, Gleichheit, Persönlichkeit und sogar das Eigentumsrecht. Leben ist binär, „An“ oder „Aus“. Einmal „Aus“ heißt für immer „Aus“. Das Lebensrecht, das als Höchstrecht das Erleben aller Rechte überhaupt bedingt, von einer so ausfüllungsbedürftigen und Programm-artigen Position wie der Würde abhängig zu machen, das wäre ähnlich unrechtsstaatlich, willkürlich bzw. nicht prognosefähig, wie wenn wir das Leben durch Volksgesundheit oder Staatswohl definieren, sprich begrenzen wollten. – Dr. jur. Karl Ulrich Voss

 

Nein, Giovanni (nachdem ihr euch ja alle duzt)! Wolfgang Schäuble, der mit allen Weihen versehene alte Risikopatient verdient zumindest den Respekt eines durchdachten Gegenarguments. Rauchen, Autofahren und Arbeiten im Haushalt sind unvergleichliche Kategorien, allein die Gruppierung diffamiert Berufspendler und Hausfrauen/männer. Fast alle Vorerkrankten haben ihr folgenschweres Übergewicht, ihre adrenalingetriebene Herzerkrankung, sogar ihre Sportunfälle oder eben auch ihre Raucherlungen mitverursacht, freiwillig zumindest im Sinn eines bewussten Wegsehens. Und wie Schäuble nehmen viele über 80 (auch darunter) ihr kleines bisschen Leben nicht mehr so wichtig wie Sie das in der Projektion eines Mittfünfzigers ungeprüft annehmen. Ihr Leitartikel stünde ohne diese Breitseite so glänzend wie immer da, gekrönt vom Schlusssatz: ZEIT-Prosa at it’s best! –Wolfgang

 

Vielen Dank Herr di Lorenzo, einmal mehr haben Sie treffsicher die richtigen Worte gefunden und das – in Anbetracht der Komplexität des Themas – in beeindruckender Textkürze. – Beate Lemmer

 

Zu Recht mahnen Sie in der gegenwärtigen Diskussion um Corona-Maßnahmen der Regierung, „den Thesenrittern vom Orden der Corona mit Nüchternheit und Geduld“ zu begegnen. Aber gehört auch Wolfgang Schäuble dazu? Immerhin hat er sogar von einem Grünen Unterstützung erfahren. Und auch Sie räumen ein, dass „sein Wort …zwar sein Wahres hat“ mit Beispielen aus dem alltäglichen Leben. Meinen Sie nun, dass der 77Jährige Jurist, seit 30 Jahren im Rollstuhl, den von Ihnen genannten „Unterschied (solcher Beispiele) zu den Corona-Toten“ nicht begriffen hat und jetzt dafür plädiert, dass generell für Regierungsmaßnahmen „das Leben von Menschen über 80 oder das von Vorerkrankten nicht ganz so wichtig sei“? Nennen Sie überhaupt „sein Wahres“? Da ist der Vorstand der „Deutschen Stiftung Patientenschutz“ Eugen Brysch schon klarer: „Es ist nicht besonders weise, die Würde gegen den Schutz des Lebens in Stellung zu bringen.“

Aber welche „Würde“? Als Interessenvereinigung speziell „für alte, schwerstkranke pflegedürftige und sterbende Menschen“ tritt jene Stiftung nach ihrer Satzung „für deren Selbstbestimmung sowie für den Schutz vor Willkür und Inhumanität“ ein. Genau dazu hatte das Bundesverfassungsgericht am 26.02.2020 ein wegweisendes Urteil gesprochen. Mit seinem Diktum stellt Vorstand Brysch nicht nur Herrn Schäubles „Weisheit“ in Frage, sondern zugleich die des BVG. Auch sie ist nur eine menschliche Weisheit, keine „letzte“ oder gar „absolute“. Aber sie gilt in einem demokratischen Rechtsstaat und steht damit über der „Weisheit“ einer Interessenvertretung, die in erster Linie ihrem Stifter verpflichtet ist, dem „Souveränen Malteserorden“, der sich im Besitz höchster Weisheit wähnt. Sollte es daher gerade „in explosiver Gemengenlage“ mit unguten „Thesenrittern“ nicht eine Klarstellung geben? – Eckhard Heumann

 

Was bin ich doch enttäuscht vom kritiklosen, obrigkeitshörigen Kommentar Ihres Chefredakteurs! – Helmut-Martin Felbel

 

Was soll man vom Leitartikel des Chefredakteurs der ZEIT halten, wenn schon die Beispiele darin stark hinken? Dass die meisten Verkehrstote sicht bewusst für die Gefahr entscheiden, wie Di Lorenzo annimmt, ist großer Quatsch. Allein die jährlich über 800 (von Autofahrern) getöteten Radfahrer und Fußgänger, haben sich dazu wohl kaum freiwillig entschieden (und welche Wahl besitzen sie – Auto zu fahren?). Viel mehr setzen sich Radfahrer und Fußgänger einer Gefahr aus, wenn sie den Straßenraum betreten. Und sie sollten eigentlich darauf vertrauen können, dass die Politik ihnen einen maximalen Schutz ermöglicht. Was sie leider nicht macht! Nur ein generelles Tempolimit von 30 km/h innerorts würde wahrscheinlich diese traurigen Zahlen deutlich reduzieren. Und damit sind Verkehrstote und Virustote eben doch wieder vergleichbar.

Denn die Politik muss abwägen, eine Priorität aufstellen, eine Balance zwischen den Interessen finden. Und hier kann schon angezweifelt werden, warum einerseits über 3000 Tote und eine halbe Million Verletzte im Verkehr jedes Jahr das Kabinett Merkel akzeptiert, jedoch bei der aktuellen Situation alles tut, um jeden infizierten Menschen, egal wie krank er auch vorher schon war, am Leben zu erhalten. Und um im Beispiel zu bleiben: Radfahrer und Fußgänger wünschen sich so einen Einsatz von der Regierung seit Jahren. Freilich mit einem ganz anderen Kollateralschaden bei der Wirtschaft als jetzt während der Pandemie. 30 km/h innerorts und vielleicht 70 km/h auf Landstraßen, würde die Wirtschaft wahrscheinlich kaum schwächen, jedoch so viele Leben retten. – Christian v.Appen

 

Wer zu Guttenberg einlädt, obwohl er sich des zu erwartenden Shitstorms gewiss ist, wer sich seiner Tränen mit Klaus von Dohnanyi am 5.3.19 nicht schämt (für mich noch immer DAS Highlight im deutschen TV des letzten Jahrzehnts!), der dürfte über Mut und Selbstgewissheit verfügen. Ich nehmen Ihnen daher ab, eine unabhängige, nicht-käufliche Meinung zu vertreten. Das ist in dieser Zeit ein hohes Kompliment, das ich vorausschicken möchte. Kommen wir zum Anliegen dieses Schreibens: Ich habe mich, mit 66 Jahren und als ehemaliger Adenauer-Stipendiat, bisher immer zur bürgerlichen Mitte gezählt und konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, an den staatstragenden Organen und an der deutschen Medienlandschaft einmal zu zweifeln. Die AfD-Polemik gegen die Lügenpresse war und bleibt Unsinn. Doch inzwischen gibt es andere, zahlreiche andere und begründet vorzutragende Zweifel an dem, was uns als Bürgern vorgesetzt wird. Vorgesetzt, wieder einmal, als “alternativlose Wahrheit”! Es gibt leider zahllose höchst kompetente Kritiker der Vorgehensweise unserer Regierung seit Mitte März, die keinerlei Forum zur Meinungsäußerung haben, als das Netz. Und diese werden völlig zu unrecht, auch von Ihnen, als “Verschwörungstheoretiker” abqualifiziert.

Auch Frau Lau geht auf diese Weise mit Prof. Homburg um (S.4). Er hat, wenn Sie seine Ausführungen sorgfältig betrachten, nur gesagt, das die Reproduktionszahl schon VOR dem Shutdown unter 1 gesunken war. Ihm zu unterstellen, er wisse nicht um die Absagen von Großveranstaltungen etc. seit dem 9. März ist doch eine Frechheit. Mal will ihn damit einfach nur als unglaubwürdig abqualifizieren. Warum nur? Homburg ist nur einer von vielen. Auch dem langjährigen Chefvirologen der Mainzer Uniklink, Prof. Bhakdi, ergeht es ähnlich. So hervorragende Fachleute wie Prof. Haditsch werden in Deutschland nicht einmal zitiert. Warum nur? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine “Order” aus dem Kanzleramt an die Medien gibt. Also muss das freiwillig geschehen. Warum tauchen dann aber in allen Nachrichten-Sendungen und Talk-Shows nur die Damen und Herren Drosten, Kekulé, Mayer-Herrman, Brinkmann oder Wieler auf? Wo sind die Gegenstimmen? Wo sind sie in Ihrem Blatt? Gleichermaßen geht es auf tagesschau.de oder den Regionalsendern zu. Alle Gegenstimmen werden übel abqualifiziert: Unfähig, Einzelgänger, Verschwörungstheoretiker, als Rentner nicht mehr auf der Höhe der Wissenschaft etc., etc. Niemand käme aber auf die Idee zu sagen: “Der Wieler ist doch ‘nur’ Tierarzt, der ist nicht kompetent.” Was für eine unglaubliche Einseitigkeit! Der arme Lungenarzt Dr. Wodard wurde auch als kompletter Idiot dargestellt, und der “Faktenfinder” auf tagesschau.de verstieg sich so weit, seine ‘Inkompetenz’ dadurch zu belegen, dass man seine fehlenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen als Beleg anführte. Der Mann hat aber einfach nur seine Lungenpatienten behandelt!

Die Liste wäre endlos fortsetzbar. Zwei himmelschreiende “mediale Schweinereien” müssen aber noch erwähnt werden: Frau Klöckner verfasst ein 17-seitiges “Panikpapier”, das der “Focus” am 4.4. veröffentlicht. Die österreichische Regierung versteigt sich in gleicher Weise, veröffentlicht am 27.4. in Ö1. Das ist doch ungeheuerlich: Unsere eigenen Regierungen wollen uns in Panik versetzen: Und die öffentliche Berichterstattung verschweigt das weitgehend! Wo war der SKANDAL-Ausruf in der ZEIT? Der zweite Punkt betrifft den Hinweis von Uwe Jean Heuser bezüglich Amazon. Was er nicht zu wissen scheint: Amazon hat sofort mit dem Shutdown den Einkauf von Bücher eingestellt! Novitäten, die bereits im März erschienen waren, wurden als “Mai-Titel” ausgeschrieben. Am Tag der ersten Ladenöffnung aber: Prompt kam die ersten Amazon-Bestellung. So viel zu der Aussage: “Digital läuft einfach weiter.”

Sollten Sie tatsächlich bis hierhin geduldig gelesen haben, dann lassen Sie mich noch abschließend einen Gedanken anführen: Es gibt etwa 300 vergleichbare Viren wie Covid-19. Wir können schon heute darauf wetten, dass in den nächsten zehn Jahren das nächste Virus aus dieser Gruppe auftaucht. Was dann? The same procedure as in 2020? Wolfgang Schäuble hat völlig recht, wenn er den Tod und das Sterben nicht als “absoluten Wert” darstellt. Wenn man Frau Merkel und Herrn Söder hört, könnte man meinen, sie wollen den Bürgern erzählen, sie könnten “den Tod abschaffen”. Wir werden aber damit leben müssen. Die Frage ist allein: Wie? Bleiben Sie liberal und freiheitlich! Ich zähle auf Sie! – Dr. Peter Michel

 

Mit Interesse, Erstaunen und Verwunderung habe ich als Abonnent der ZEIT Ihren Kommentar gelesen. Folge ich Ihrer Logik, sind Menschen, die sich mit den zumindest für Deutschland nachweislich und belegbar, vorsichtig eingeschätzt seit Ostern, vermutlich aber seit dem lock-down, völlig unangemessenen und überzogenen Maßnahmen (vgl. hierzu Übersterblichkeit, Todesfälle, Mortalitätsrate, Neuinfektionen, R-Faktor, Klinikauslastung, Kollateralschäden etc.) auseinandersetzen, wahlweise „Verschwörungstheoretiker“, “ Wutbürger“ oder „Kommentatoren sowie Politiker, die dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern“ und das „Gift der Verhamlosung“ verbreiten. Dies ist bemerkenswert, zeigt aber zweierlei. Zum Einen wird offenkundig eine Auseinandersetzung über Fakten durch Polemik ersetzt, zum Anderen ist auch kritischer Qualitätsjournalismus in einer „Neuen Realität“ angekommen. Darauf zu verweisen, dass Deutschland keinen Sonderweg beschritten habe, folgt einer kruden Logik.

Maßnahmen sollten sich immer im Kontext der Realitäten des betroffennen Landes bewegen und nicht dem Herdentrieb auf dem Markt der Möglichkeiten folgen. Dies war in Deutschland zu keinem Zeitpunkt zu beobachten. Fast musterhaft lässt sich dies schon an einer vergleichbar unbedeutenden Entscheidung wie der über die leidige Maskenpflicht verfolgen. Der einstimmigen Übereinkunft der Ministerpräsidenten, ein Maskengebot auszusprechen, folgte umgehend das Ausscheren erster Bundesländer, nach wenigen Tagen musste sich Bremen rechtfertigen, weil man sich als letztes Bundesland noch an die gemeinsame Übereinkunft hielt und noch keine Maskenpflicht angeordnet hat. Um es mit Ihren Worten auszudrücken, ja, wir leiden unter einem anderen Virus, allerdings unter einem Angstvirus, dass im Verlauf weniger Wochen die Fähigkeit rationaler Handlungen gelähmt hat. – Michael Drebes

 

Die recht autoritär auftretende Regierung nähert sich gefährlich dem „ Overkill „ ,wo die permanenten „ Kassandrarufe“ kein Gehör mehr finden ,sondern eher Gleichgültigkeit auslösen.Statt Mut zu machen und eine zeitlich befristete Perspektive à la Österreich aufzuzeigen,ergeht sie sich in düsteren unbefristeten Bedrohungszenarien à la Wieler :Sie erreicht damit das Gegenteil dessen,was sie eigentlich positiv will. – Dr. Wolfgang Miege

 

Herr Di Lorenzo schreibt in seinem Leitartikel von einer Virus-Diktatur und stellt alle mit anderer Meinung als Verschwörungstheroretiker hin. Wenn das RKI aber heimlich die Referenzzahl der Ansteckungszahl halbiert, um dann den Wert wieder bei 1 zu nennen, dann frage ich mich, wer hier eine Verschwörung zelebriert. Und ganz neu ist, dass Mathematik „Linien definiert“. Nein, Menschen definieren mit Zahlen irgendwelche Linien. Wenn andere Menschen Zahlen des RKI benutzen, um zu zeigen, dass Panik geschürt wird, dann sind das Verschwörungstheroretiker. Schweden ist danach also ein Verschwörungstheroretiklerland. Erstaunlich. Dass sich kein Mensch freiwillig ein Virus anlacht ist klar. Man aber sollte Herrn Schäuble so verstehen, wie er es im Interview gesagt hat. Ihm nicht unterstellen, Leben über 80 oder Leben von Vorerkrankten sei nicht so wichtig. Interessant ist auch, dass das Urteil des saarländischen Verfassungsgerichts keine Online-Zeit-Eilmeldung wert war. Passte wohl nicht zu den Verschwörungstheroretikern. Es war richtig und wichtig, wie anfangs auf das Virus reagiert wurde. Aber Grundrechte unverhältinsmäßig lange außer Kraft zu setzen und das dann mit gezinkten Zahlen des RKI zu begründen, ist verfassungswiderig. Danke Herr Di Lorenzo, Sie haben das Fass zu überlaufen gebracht. Mein Zeitabo endet nun nach 30 Jahren. – Johannes Kleinhenz

 

Dreist-dilettantische Corona-Krisenmanager im Frühjahr 2020 – was nun? Der naiv-empathische „Zeit“-Chefredakteur Givanno di Lorenzo, der einen „zunehmend giftigen Ton“ in der aktuellen Corona-Debatte konstatiert und kritisiert, stellt Spahn & Co. auch noch einen lächerlichen Blanko-Scheck für ihre unausgegorenen spontandidaktischen Geistesblitze aus: „Was wir nicht ändern können, ist eine Politik, die nach dem Prinzip Versuch und Irrtum agieren muss, ob es uns gefällt oder nicht.“ (Giovanni di Lorenzo, DZ, 29.4.2020, S. 1) – Dr. Willi Westhoff

 

Sicherlich wird die Atmosphäre so langsam aber sicher hitziger und giftiger. Und sicherlich gibt es auch kein Patentrezept im Umgang mit einer Pandemie oder einem Virus, wie wir es derzeit erleben. Ich bin allerdings der Meinung, dass eine Regierung sich besser erklären mus und auch bessere Perspektiven aufzeigen muss. Wir als Familie erleben im Moment eine Situation, die nicht einfach aber machbar ist. Uns geht es bei allen Einschränkungen gelinde gesagt dennoch sehr gut. Erwachsene können die derzeitige Lage und Situation sowohl in Deutschland als auch weltweit grundsätzlicher einsortieren und feiner gliedern. Kinder und hier eben die Kleinsten können dies aber nicht. Sie sind noch viel stärker auf ihre sozialen Kontakte angewiesen und es trifft darüber hinaus Einzelkinder stärker als Geschwisterkinder, die sich miteinander beschäftigen und gegenseitig unterstützen können.

Genau hier setzt die Kritik ein. Das ganze Land und unsere Politiker unterhalten sich darüber, welche Branche welche Milliarden Hilfsgelder benötigt und bekommen soll. Es wird darüber debattiert, inwiefern die Wiederaufnahme von Bundesligaspielen als Geisterspiele darstellbar ist. Wir schauen nach Italien, Spanien und in die Vereinigten Staaten. Vergessen bei all dem Trubel aber den wichtigen Blick auf unsere eigenen Kinder. Scheinbar gibt es keine Konzepte, wie eine Normalität nach Corona aussehen könnte. Wie könnten Kitas und Grundschulen wieder zurück in die Normalität finden? Welche Pläne liegen in den Schubladen? Liegen überhaupt Pläne in den Schubladen? Wo sind unsere Lehrer? Was macht unsere Kultusministerkonferenz außer konferieren? Wir haben hunderte von Fragezeichen im Kopf und die Entwicklung unserer Kinder bereitet uns tatsächlich Kopfzerbrechen. Wenn unser Kleinster sagt, er möchte nicht mehr in den Kindergarten. Wenn Grundschüler aus dem engeren Freundeskreis sagen, sie möchten nicht mehr in die Schule. Dann hat der stets so hoch gelobte Bildungsauftrag doch irgendwie versagt oder nicht.

Ich bin auch der Meinung, um hier einen Richtungswechsel zu der viel älteren Gruppe gefährdeter Personen zu schlagen, dass wir auch bei einer noch breiteren Ausweitung der Lockerungsmaßnahmen die Gesundheit dieser Menschen schützen können, indem wir mehr auf Hygiene achten als bisher. Indem wir mehr respektieren und tolerieren als bisher. Kein Menschenleben sollte leichtsinnig verschwendet werden nur damit sich die Gesellschaft im großen und ganzen wieder austoben und feiern kann. Differenzierte Meinungen müssen stets erlaubt sein, sofern sie nicht die Würde des Einzelnen in welcher Form auch immer beleidigen oder untergraben. Die aktuelle Bericherstattung der Zeit gefällt mir sehr gut. Endlich greift sie die Stimmung auf und hinterfragt die Entscheidungen der Politik, hinterfragt aber auch die kritischen Stimmen, welche aus der Gesellschaft nach oben treiben. – Yves Pulst

 

Der Leitartikel Ihres Chefredakteurs hat mich heute wütend gemacht. Ich gebe Ihnen nachfolgend meinen auf meiner Facebook-Seite bereits veröffentlichten Leserbrief wieder. Ich werde mein Abo der ZEIT nicht kündigen. Ich werde auch weiter zusätzlich die ZEIT online beziehen. Aber es wäre schön, wenn ich etwas intellektuell derart Dürftiges nicht mehr lesen müsste: Ein Leitartikel in der neuen ZEIT und ein öffentlicher Leserbrief von einem bislang unbekannten Wutbürger: Ein sehr enttäuschender Leitartikel von Giovanni die Lorenzo, dem Chefredakteur der ZEIT. Der Artikel ist in einer Weise tendenziös oder ideologisch, wie ich es diesem sonst herausragenden Journalisten nicht zugetraut hätte. Kritiker, die den Lockdown in Frage stellen, sind dem Gift der Verharmlosung der Pandemie verfallen und bestenfalls „bis dahin unauffällige Wutbürger“. Die Deutschen würden kein Untertanendenken an den Tag legen: Das soll wohl heißen, dass die, die die Maßnahmen gut finden, kritische Staatsbürger sind. Zweifel sind angebracht. Es könnte sich auch um vom Staat verängstigte Staatsbürger handeln. Es könnte sich auch um Staatsbürger handeln, die zwar nicht ins Restaurant, Kino oder Stadion gehen dürfen, deren Einkommen aber nicht gefährdet ist. Das dürften ca. 70% der Bevölkerung sein.

Das Land habe leicht verspätet, aber effizient reagiert. Auch das ist bestenfalls ein Euphemismus. Bis in den März hinein wurden tausende mutmaßlich Infizierte ohne jede Kontrolle aus aller Herren Länder, zum Teil sogar aus Corona-Hotspots, unkontrolliert ins Land gelassen. Der seit Jahren existierende Pandemieplan wurde im Januar und Februar, ja bis in den März hinein nicht beachtet. Dass die absehbare Pandemie von der Politik in den Jahren zuvor weitgehend ignoriert wurde, soll an dieser Stelle nur angemerkt werden. Geradezu unanständig wird di Lorenzo, wenn er das Wort von Wolfgang Schäuble, wonach das Leben nicht absolut vor allen anderen Grundrechten Vorrang hat, indirekt kritisiert. Das sei ja schön und richtig, denn der Staat verbiete ja auch nicht das Rauchen, das Autofahren oder das Arbeiten im Haushalt. Der Unterschied sei, dass sich niemand freiwillig mit Corona infiziere. Die Auswahl der Beispiele ist intellektuell unredlich. Man hätte auch darauf verweisen können, dass der Staat auch nicht verbietet, dass Lebensmittelkonzerne gesundheitsschädigende Nahrungsmittel mit irreführender Werbung verkaufen dürfen, die dann u.a. an unsere Kinder verfüttert werden.

Allein daran kann man belegen, dass der Schutz des Lebens in der Wirklichkeit unseres Landes keineswegs eine so herausragende Rolle spielt. Und im Gegensatz zum Straßenverkehr kann sich der Einzelne vor einer Covid19-Ansteckung schützen, nicht aber z.B. vor einem Raser im Straßenverkehr. Ich hätte mit den vom Staat verordneten Lockdown überhaupt kein Problem, wenn die Bezahlung fair geregelt wäre: Alle müssen bezahlen und zwar nach ihren Möglichkeiten. Dann hätten Frau Merkel, ihre Regierungsmitglieder und alle, die vergessen haben, dass sie Opposition sein sollten, selbst persönlich schon einmal ein spürbares Opfer bringen müssen. Herr di Lorenzo natürlich auch, weil er sicher, was ihm gegönnt ist, zu den Besserverdienenden gehört. Dann hätte auch Herr Scholz nicht die große Bazooka rausholen und mit dem Geld der künftigen Generation um sich schmeißen müssen:

Dann hätten wir alle die gesamten Kosten des Lockdowns in allernächster Zeit bezahlt. Dies hätte zur Folge gehabt, dass man sich jede Maßnahme auch sorgfältig überlegt hätte. Und wenn die Lorenzo schreibt, dass man nicht ändern könnte, dass die Politik nach dem Prinzip Versuch und Irrtum agiert, dann mag das jetzt richtig sein. Es ist aber nur deswegen richtig, weil ein politisch und rechtlich abgesicherter Pandemieplan nicht existiert. Und das, obwohl seit mindestens 15 Jahren bekannt ist, dass eine solche Pandemie kommen würde. – Hans Theisen

 

Mit Interesse, Erstaunen und Verwunderung habe ich als Abonnent der ZEIT Ihren Kommentar gelesen. Folge ich Ihrer Logik, sind Menschen, die sich mit den zumindest für Deutschland nachweislich und belegbar, vorsichtig eingeschätzt seit Ostern, vermutlich aber seit dem lock-down, völlig unangemessenen und überzogenen Maßnahmen (vgl. hierzu Übersterblichkeit, Todesfälle, Mortalitätsrate, Neuinfektionen, R-Faktor, Klinikauslastung, Kollateralschäden etc.) auseinandersetzen, wahlweise „Verschwörungstheoretiker“, “ Wutbürger“ oder „Kommentatoren sowie Politiker, die dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern“ und das „Gift der Verhamlosung“ verbreiten. Dies ist bemerkenswert, zeigt aber zweierlei. Zum Einen wird offenkundig eine Auseinandersetzung über Fakten durch Polemik ersetzt, zum Anderen ist auch kritischer Qualitätsjournalismus in einer „Neuen Realität“ angekommen.

Darauf zu verweisen, dass Deutschland keinen Sonderweg beschritten habe, folgt einer kruden Logik. Maßnahmen sollten sich immer im Kontext der Realitäten des betroffennen Landes bewegen und nicht dem Herdentrieb auf dem Markt der Möglichkeiten folgen. Dies war in Deutschland zu keinem Zeitpunkt zu beobachten. Fast musterhaft lässt sich dies schon an einer vergleichbar unbedeutenden Entscheidung wie der über die leidige Maskenpflicht verfolgen. Der einstimmigen Übereinkunft der Ministerpräsidenten, ein Maskengebot auszusprechen, folgte umgehend das Ausscheren erster Bundesländer, nach wenigen Tagen musste sich Bremen rechtfertigen, weil man sich als letztes Bundesland noch an die gemeinsame Übereinkunft hielt und noch keine Maskenpflicht angeordnet hat. Um es mit Ihren Worten auszudrücken, ja, wir leiden unter einem anderen Virus, allerdings unter einem Angstvirus, dass im Verlauf weniger Wochen die Fähigkeit rationaler Handlungen gelähmt hat.

P.S. im Nachgang zu meiner Replik auf Ihren Artikel vom heutigen Tage und als Beitrag zur Sachlichkeit gegen Polemik, darf ich Sie mit aktuellen Daten meines Heimatlandkreises, des größten Flächenlandkreises in Hessen, „Waldeck-Frankenberg“, konfrontieren. Die Berechnung ist insoweit mit einem kleinen Unsicherheitsfaktor belegt, als dass bei unterschiedlichen Quellen differierende Angaben zur Zahl der Genesenen zu finden sind und das Gesundheitsamt seit Tagen keine Zahlen zu deren Anzahl veröffentlicht hat. Die Differenz liegt bei genau 10 (120 oder 130), sollte aber die Kernaussage kaum verändern. Im Landkreis Waldeck-Frankenberg leben dem Vernehmen nach aktuell 10 aktiv erkrankte Covid-19 Patienten (143 Infizierte, 3 Verstorbene, 130 Genesene). Bezogen auf die rund 160.000 Einwohner bedeutet dies eine Wahrscheinlichkeit auf einen noch Covid-19 erkrankten Patienten zu treffen (ohne Berücksichtigung einer Dunkelziffer) von 1 : 16.000.

In der Kreisstadt Korbach hat man rein rechnerisch die Gelegenheit einen aktiven Erkrankten durch intensive Suche zu finden. Doch selbst das Antreffen eines solchen Erkrankten ist nicht gleichbedeutend mit einer Infektion. Nach den vorliegenden Studien (u.a. Prof. Streeck) ist die Wahrscheinlichkeit der Infektion selbst bei Kontakt zu Mitbewohnern des eigenen Haushaltes gering (ca. 15 %). Und selbst die Infektion bedeutet nicht zwangsläufig, zu erkranken bzw. schwer zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit 5 Richtige ohne Zusatzzahl im Lotto zu gewinnen liegt bei 1: 54.201. Die Wahrscheinlichkeit hier durch Kontakt an Corona zu erkranken, liegt demgemäß wohl darüber. Mithin ist die Covid-19 Gefahr im Landkreis statistisch fast nicht messbar. Eine Verprobung der Rechnung können Sie leicht anhand der veröffentlichten 7-Tages-Inzidenz, d.h. der Neuerkrankten pro 100.000 Einwohner, vornehmen. Diese liegt bei 3. Um es polemisch auszudrücken, die beschlossenen Maßnahmen von lock-down und Maskenpflicht scheinen hier und sicher auch in weiten Teilen Deutschlands eine Notwendigkeit zu entfalten, wie Sonnencreme bei Nacht.

Ergänzendes zeigen auch die Zahlen unseres Stadtkrankenhaus in Korbach. Zitat: „Im Stadtkrankenhaus Korbach musste bis gestern noch gar kein positiv auf Corona getesteter Patient aufgenommen werden. Aufgrund der Schaffung von Isolierbereichen und der Absage planbarer Operationen werden dort nur halb so viele Patienten behandelt, wie im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres, berichtet Sprecherin Tanja Jostes auf Anfrage: „120 Betten sind nicht belegt. Und das schon über fünf Wochen. Demzufolge dürften etwa 500 bis 600 Behandlungen verschoben worden sein.“ (https://www.wlz-online.de/waldeck/korbach/waldeck-frankenberg-viele-klinikbetten-stehen-leer-13699040.html). Die allein hieraus enstehenden Kollateralschäden kann man nur erahnen. Berichte des größten Klinikbetreibers der Region (Gesundheit Nordhessen) nach denen die Notaufnahmen im März aufgrund von akuten Herzerkrankungen um etwa 25 Prozent zurückgegangen ist, in der ersten Hälfte des Aprils sogar auf 40 Prozent gestiegen sei, lassen bei mir alle Alarmglocken schrill klingen. (https://www.hna.de/kassel/corona-kassel-notfallpatienten-herzkranke-zoegern-behandlung-hinaus-13716004.html). Über die hier bereits zu spürenden wirtschaftlichen Verwerfungen, setze ich sie bei Bedarf gerne in Kenntnis. Es mag wohlfeil sein, derzeit der Angst vor einem Virus alles unterzuordnen, kritischer Journalismus sieht anders aus. – Michael Drebes

 

Chapeau Herr die Lorenzo, Ihnen ist eine außergewöhnliche Form einer öffentlichen Bewerbung als Regierungssprecher gelungen, sie damit schon systemrelevant. In der Sache ziehe ich nicht den Hut vor Ihnen, denn nicht alle die Zweifel äußern und begründen sind Verschwörungstheoretiker oder gar ein neues Virus. Nur weil Bürger zunehmend merken, dass ihnen Verschärfungen als Lockerungen verkauft werden sollen, weil die Auflagen ungleich gewichtiger sind, nur weil Bürger und Unternehmen nach einer Exit-Strategie fragen, die dann auch diskutiert werden kann, sind sie der Lage nicht ungerecht. Solange die Politik und Verwaltung eine Strategie mit daraus begründeten massiven Einschränkungen schuldig bleiben mag der Ton vielleicht schärfer werden, dabei ist auch Verzweiflung ob der dramatischen Auswirkungen. Gegen ihre Beobachtungen gibt es zwei Mittel die wirken, eine Politik und Verwaltung die Wege aufzeigt und erklärt und Medien, die dies kritisch hinterfragen. Ihre Verunglimpfung aller Kritiker als „Thesenritter vom Orden der Corona“ hilft nicht, das ist nur peinlich! – Volker Frischkorn

 

Seit Jahrzehnten lese ich die Zeit mit großem Interesse und viel Genuss. Ihr Leitartikel der aktuellen Ausgabe hat mir jedoch die Sprache verschlagen. Ich konnte nach dem ersten Absatz kaum noch weiterlesen, nur noch, verzeihen sie die Wortwahl, kotzen. Sie beschweren sich allen Ernstes über den zunehmend giftigen Ton der Debatte über Corona, verunglimpfen aber alle, die die nicht auf der Linie der tonangebenden Virologen und Politiker argumentieren, als „Verschwörungstheoretiker“, unauffällige Wutbürger“ und als Karrieristen. Ist Ihnen eigentlich klar, welche Verantwortung Sie als Herausgeber der größte Wochenzeitung Deutschlands für unsere Gesellschaft tragen? Ist ihnen klar, was Sie – und auch die meisten Ihrer Kollegen der deutschen Leitmedien – bislang schon durch Ihre einseitige Berichterstattung und die nahezu völlig unreflektierte Übernahme der Argumente derer, die mit einer nahezu an Wahn grenzender Verbissenheit den Tod um ein Maximum an Zeit hinauszuschieben suchen und denen dabei offensichtlich jedes, wirklich jedes Mittel recht ist, angerichtet haben?

Wie viele Existenzen sollen noch ruiniert, wie viele Familien noch in die völlige Verzweiflung getrieben werden? Wie vielen Kinder wollen sie die Zukunft verbauen, wie viele Menschen in die Arbeitslosigkeit treiben? Die Zahlen werden von Tag zu Tag dramatischer. Und wofür alles? Damit wir alten und kranken Menschen ein paar Monate mehr auf dieser Welt zumuten, ungefragt? Dabei nehmen wir noch ganz nebenbei auch vielen dieser Menschen vielleicht auch das letzte bisschen Würde das ihnen bislang noch blieb und für das es sich zu leben lohnte: Ihre Angehörigen und Freunde, mit denen sie nun keinen Kontakt mehr haben dürfen. Oder geht es darum, dass wir jungen und gesunden Menschen lediglich zwei Wochen Fieber ersparen? Oder nur darum, dass Leute wie Sie sich als Gutmenschen profilieren können? – Dieter Kramer

 

Gestern haben Sie in ihrem Artikel „ Ein anderer Virus“ für die schwierige Corona Situation die richtigen Worte und den richtigen Ton gefunden. Allerdings finde ich, dass man das Thema, das Herr Schäuble angesprochen hat: „die Würde des Menschen achten und sein Leben zu retten nicht immer identisch“, nicht vernachlässigen sollte. Dazu möchte ich Ihnen folgendes berichten. Im Februar 2018 ist mein Vater (71) nachdem er schon einige Tage einen Infekt, hatte an einer Lungenentzündung erkrankt. Die Hausärztin schickte ihn ins Krankenhaus. Dort wurde er mit sehr viel Antibiotika gerettet. Allerdings muss man wissen, dass er zwei Jahre vorher, im Februar 2016 die Diagnose Magenkrebs im Endstadium erhalten hatte. Im Laufe des Jahre 2016 bekam er Chemotherapie und konnte ein eingeschränktes, aber halbwegs normales Leben eines alten Herren führen. Nach einem Jahr ließ die Wirkung der Chemotherapie nach, andere Therapiemöglichkeiten wurden gesucht, alle mit mehr oder weniger keinem Erfolg. Schließlich bekam er sehr viel Gewebewasser am Bauch und auch sonst im Körper, das in immer kürzeren Abständen abgepumpt wurde.

Sein Lebensraum verkleinerte sich auf Bett, Sessel, Esstisch und an manchen Tagen die Arztpraxis. Dann kam die Lungenentzündung und die ganze Familie war darauf eingestellt, dass er jetzt von seinem Leiden erlöst würde. Aber es kam anders. Nach der Rettung seines Lebens wurde sein Zustand immer schlechter, er merkelte ab, war oft sehr erschöpft, konnte wenig reden, wenig essen. Nach den Sommerferien wurde es so schlimm, dass wir als Familie nur noch beteten, Gott möge sich erbarmen und dieses Leid beenden. Im September ist er dann auf der Palliativstation kläglich verhungert, im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem Zusammenhang noch mal die Frage: Was ist ein würdiges Sterben? Wir reden gerade von Sterbehilfe, aber MANCHEN Menschen würde es schon helfen, wenn sie an ihrer Lungenentzündung sterben DÜRFTEN. – T. M.

 

„der zunehmend giftige Ton der Debatte wird der Lage nicht gerecht“ schreibt Giovanni di Lorenzo. Ja, das stimmt: Der giftige Ton in diesem Artikel von Giovanni di Lorenzo! Ich schätze ihn eigentlich als Chefredakteur sehr. Aber dieser Artikel ist schockierend. Er beklagt den giftigen Ton der Debatte, beginnt aber seine Einführung mit einer extrem giftigen Verurteilung aller Andersdenkender als „Verschwörungstheoretiker“, „bis dahin unauffälliger Wutbürger“ und Menschen, „die offenbar dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern“. Das ist weit unter dem Niveau der Zeit! Wie einfach macht er es sich damit, alle Menschen in einen Topf zu werfen mit extrem arroganten und zynischen Bezeichnungen zu versehen, und damit abzustempeln.

Natürlich gibt es Verschwörungstheoretiker und Menschen, die die Realität leugnen möchten. Aber es ist zynisch, alle Menschen, die skeptisch sind gegenüber dem, was gerade passiert, mit ihnen in einen Topf zu werfen. Nein, es geht aus meiner Sicht um etwas anderes in dieser Debatte: Von Anfang an wurde uns auch von Virologen mit diesen wunderbaren Kurven deutlich gemacht, dass das Ziel aller Aktionen ist, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Die große Mehrheit der Menschen hat dieses Ziel akzeptiert und sich daher so wunderbar verhalten. Nun aber ist unser Gesundheitssystem weit unterfordert. Die Notfall-Betten sind leer und die Krankenhäuser schicken Mitarbeitende in Kurzarbeit. Wir haben also das Ziel weit übererfüllt. Natürlich ist es wunderbar, wenn möglichst wenig Menschen sterben und die Krankenhäuser nicht an ihr Limit kommen. Keine Frage! Aber in dieser Situation muss es eine erlaubte und ethisch wichtige Frage sein, in welchem Verhältnis die Gefährdung der Bevölkerung durch dieses Virus mit der Gefährdung des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhaltes steht:

Kinder, die nicht mehr miteinander spielen können, Jugendliche, die sich nicht mehr begegnen dürfen, pflegebedürftige Senioren, die nicht mehr besucht werden, Sterbende, die alleine bleiben, wirtschaftliche Existenzen, die vernichtet werden. Und das alles, ohne dass die Gefährdeten selber dazu etwas sagen könnten, ob sie bereit wären, die Gefährdung für sich in Kauf zu nehmen (was vor allem für Pflegeheime gilt). Angesichts des unterforderten Gesundheitssystems diese Fragen zu stellen, ob das noch richtig sein kann, muss in einer Demokratie erlaubt sein, ohne als Verschwörungstheoretiker, Wutbürger oder karrieregeiler Mensch verunglimpft zu werden. – Stephan Pohl-Patalong

 

In dem Artikel schwingt viel Kritik an der Aussage von Wolfgang Schäuble mit. Ich denke aber die Interpretation von Herrn di Lorenzo ist ein Mißverständnis. Herr di Lorenzo schreibt: „Und in der Abwägung, was für das Wohlergehen eines Landes maßgebend ist, darf niemals das Kriterium eine Rolle spielen, dass etwa das Leben von Menschen über 80 oder das von Vorerkrankten nicht ganz so wichtig sei.“ Dem wird sicher auch Herr Schäuble nicht widersprechen, es darf aber auch nicht wichtiger sein als das der anderen. Der Aufwand es zu schützen ist aber extrem höher als für Junge und Menschen ohne Vorerkrankung. Daraus folgt, dass für eine Minderheit ein Aufwand getrieben wird, der die Mehrheit eher schädigt. Damit ist dem Gleichheitsgrundsatz zuwidergehandelt, weil über 80 jährige und Vorerkrankte damit eine höhere Wichtigkeit zugemessen bekommen.Was dazu führen kann, dass die Jüngeren sogar geschwächt werden, zukünftig Schwächeren zu helfen. Ja, man muß sprechen und auch den Willen zum verständnisvollen Zuhören haben. – Reimer Clausen

 

Warum werden nur die bekannten Argumente hin und her bewegt, um zum Schluss zu kommen die Regierung macht alles so ziemlich richtig? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass ein Dr. Hinhede die Dänen mehr oder weniger vor der Spanischen Grippe rettete. Er ist allerdings sagenhaft unbekannt. Auch ein Dr. Bircher hat ein ganzes Lazarett mit Soldaten durchgebracht. Was war das Geheimnis: pflanzliche Ernährung. Das ist keine giftige Debatte das ist gelebte Geschichte. Interessant ist auch, das immer wieder gefährliche Virusinfektionen und Krankheiten im Zusammenhang mit Tieren wie Schweinepest, Geflügelgrippe, BSE und jetzt Corona, um nur einige zu nennen auftreten. Der neue Virus scheint sich – jedenfalls was die mediale Beschäftigung mit diesem Themen suggeriert – von einem guten Immunsystem nicht beeindrucken zu lassen. Oder etwa doch? Und wir hören nur nichts davon, weil damit diejenigen, die an unserer Krankheit und nicht an unserer Gesundheit etwas verdienen möchten, ein Problem hätten? Hat niemand den Mut den Menschen mitzuteilen das bei der Ernährung etwas falsch läuft? Wenn wir so weitermachen kommt auch das nächste Virus. Bestimmt! Dann können wir unsere Wirtschaft, unsere Kultur, unsere Freiheit und alles was uns lieb ist in die Tonne treten. PS Ich bin weder Vegetarier noch Veganer! – RRottschalk

 

Anders als Sie schreiben ist auch in der BRD die Corona -Epedemie bis zum 26.2. klein geredet worden. Zur Chronologie: Am 21.1 schätzt man die Gefahr als sehr gering ein. Am 22.12 schreibt die SZ. Am 245.1. sagt Spahn“ Kein Anlass zur Unruhe oder unnötigem Alarmismus“. Am 24.12. sagt Prof. Oliver Witzke, Essen, „Die Wahrscheinlichkeit, dass in Europa oder Deutschland eine größere Menge an Fällen gibt, halte ich für sehr gering“. Die FAZ schreibt am gleichen Tag: „Kein Grund zu Corona-Panik- auch auf Reisen“. Am 27.1. Wieler sagt im Morgenmagazin: „die Gefahr für die deutsche Bevölkerung ist sehr gering“. Am 28.1. sagt Dr. Christian Fiedler, Freising gegenüber der SZ: „Das Virus sei gar nicht mal so ansteckend im Vergleich zum Influenzavirus“. Spahn: “kein Grund für übertriebene Sorge“.

Die Welt:“ Warum die Apokalypse nicht kommen wird“. Am 29.1.: Ulrike Porzer äußert sich ähnlich. Am 30.1. Ortwin Renn: die Angst vor dem Coronavirus ist übertrieben“. Usw. Am 5.2. Ifo-Institut: „Das Coronavirus wird die deutsche Wirtschaft kaum betreffe“. Am 6.2. Clemens Wendtner Klinik Mü-Schwabing:“ Di Wahrscheinlichkeit sich hierzulande mit Corona zu infizieren, sei anders als bei Grippe , die alljährlich mehrere Hundertausend Menschen trifft, sehr gering“. Oliver Witzke Essen.“ Es gäbe im Grunde kein relevantes Risiko in Deutschland…“. Und erst am 26.2. sagt Spahn:“ Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie.“ Diese Chronologie muss Ihnen als Presse doch bekannt sein und trotzdem reden Sie davon, dass in Deutschland nichts klein geredet wurde. Und das Alles obwohl bekannt war, dass China bereits am 23.1. die Region Wuhan abriegelte. Ihren o.g. Bericht finde ich unverschämt. Hätten unsere Verantwortlichen ab dem 23.1. Corona ernst genommen wären wir nicht soweit gekommen wirtschaftlich und auch nicht bezüglich unserer nicht vorhandenen Grundrechte!! – Erich ZImmermann

 

„Wenn es eine Sache gibt, die unsere Zivilisation gut kann, dann ist es, einen Feind zu bekämpfen. Wir lieben es, das zu tun, was wir gut können, was wiederum die Gültigkeit unserer Technologien, Systeme und unserer Weltanschauung bestätigt. Und so erschaffen wir uns selbst unsere Feinde, ordnen Probleme wie Verbrechen, Terrorismus und Krankheit in Kategorien des „Wir-gegen-Die“ ein und mobilisieren unsere kollektiven Energien für alle Maßnahmen, die in dieses Schema passen. Deshalb fassen wir COVID-19 als einen Ruf zu den Waffen auf und reorganisieren die Gesellschaft wie für einen Krieg, während wir die Möglichkeit der nuklearen Vernichtung, des ökologischen Kollaps und 5 Millionen verhungernder Kinder als Normalität behandeln …“ (Charles Eisenstein, Die Krönung) https://charleseisenstein.org/essays/die-kronung/?_page=4 Die Politik sowie Medienorgane wie die ZEIT hat sich für das Narrativ eines monströsen Virus entschieden – und mahnt die Menschen mit Bedrohungs- und Untergangs-Szenarien mächtiger Bildwerke, ohne fügsames Verhalten zum passiven Schicksal verdammt zu sein – eine Methode, die aus dem Mittelalter gut bekannt ist und eher nicht aus dem Geist einer aufgeklärt-humanen Gesellschaft des 21. Jhd entspringt.

Ein lebensbejahendes Narrativ, dass dieses Virus als einen normalen Begleiter unseres künftigen Alltags betrachtet, welcher durchaus auch Krankheit und Tod verursachen kann, jedoch Teil einer relativen Gefahr ist, die das Leben eben mit sich bringt, diese Möglichkeit wird als Mittel einer positiven Botschaft kategorisch ausgeschlossen. – Auch die Schulmedizin weiß heute: Ohne eine positive Einstellung, ohne die Aussicht auf einen guten Verlauf ist jede Therapie wirkungslos. Statt den Menschen in der jetzigen Situation Mut zu machen, statt die Bürger auf einen positiven Verlauf der Dinge einzustimmen, betreiben Sie weiter eine Politik der Angstverbreitung und Einschüchterung, lähmen mit dieser Angst die Menschen – und schwächen obendrein noch deren Immunsystem(!). Nachdem das einmal ausgerufene Bedrohungs- und Untergangsszenario nicht eingetreten ist und sich die relative Gefahr von Corona für eine wachsende Mehrheit immer deutlicher und auch faktisch belegbar abzeichnet – stand 25. April 2020 gibt es im Landkreis Konstanz 454 Infizierte, von denen 306 genesen sind, von gesamt 290’000 Einwohnern gab es seit dem 6. März 28 Hospitalfälle mit 8 Verstorbenen, das sind knappe 0,01% – gilt nun, die Erzählung aufrecht zu erhalten. Und so sehen die anhaltenden Folgen des Narratives aus:

Eine Frau, Anfang 80, dement in einem Konstanzer Pflegeheim. Seit fünf Jahren kümmert sich ihr Mann liebevoll und aufopfernd, jeden Mittag besucht und füttert er sie. Doch seit Wochen sind die Besuche nicht mehr möglich, er darf seine Frau nicht mehr sehen. Die Frau verweigert das Essen, ihr Gewicht geht auf 40kg zurück.Was nun folgt, ist absehbar. Im selben Haus: Ein Ehepaar, das ihren todkranken Vater besucht, wird mit Gewalt von der Polizei von dem alten Mann weggezogen und verhaftet. Die erwachsene Tochter eines Konstanzer Ehepaares, untergebracht in einer Einrichtung für geistig behinderte Menschen nahe der Grenze in der Schweiz. Seit 6 Wochen trennen Grenzzäune die Doppelstadt Konstanz-Kreuzlingen. Die Tochter darf nicht mehr besucht werden, sie versteht nicht warum. Deutschland vor der Wende, hier ist es wieder Realität. Drei Beispiele unzähliger Dramen, die sich weiterhin in unserem Land abspielen. Drei Beispiele, die Sie, Herr di Lorenzo, zumindest mitzuverantworten haben. In einem Zustand, in dem unsere Gesellschaft in kollektiver Irrationalität versinkt, setzt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Fokus auf den zentralen Punkt unserer Verfassung, auf das allerwichtigste überhaupt: Die Würde des Menschen.

Angesichts der massiven Einschränkungen von Grundrechten in der Corona-Krise warnt er, dem Schutz von Leben alles unterzuordnen.Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gebe, dann sei es die Würde des Menschen. Und dieser schliesst den Tod und das Sterben mit ein. Hierzu nochmals Eisenstein: „Die ultimative Erfüllung des zivilisatorischen Kontrollprogramms wäre, über den Tod selbst zu triumphieren. Weil sie das nicht schafft, hat sich die moderne Gesellschaft diesen Triumph vorgetäuscht und leugnet den Tod, den sie nicht bezwingen kann … Die angestrebte perfekte Kontrolle über alles, die Leugnung des Todes und die Geschichte vom getrennten Selbst – vor diesem Hintergrund steht die Annahme, dass staatliche Maßnahmen zuvorderst die Sterberate minimieren sollten, nahezu außer Frage … Wie jede Angst deutet die Angst rund um das Coronavirus auf das, was dahinter liegen mag. Jeder, der das Sterben eines nahen Menschen erlebt hat, weiß, dass der Tod ein Portal zur Liebe ist. COVID-19 hat dem Tod zur Prominenz im Bewusstsein einer Gesellschaft verholfen, die ihn verleugnet … – Lutz E. Krause

 

In Vielem kann ich Ihrem Kommentar „Ein anderes Virus“ in DIE ZEIT vom 29.04.2020 zustimmen. In einem Aspekt gehen Sie jedoch sehr „charmant“ über eine der wichtigsten Fragen in der Corona-Krise hinweg. Diese Frage ist: wie gut war Deutschland und die Bundesregierung auf eine eventuelle Pandemie vorbereitet? Und da kann man eben nicht, wie Sie es getan haben, über den Mangel an Schutzkleidung und Masken mal so einfach hinwegsehen. Dieser Mangel war kausal für den verheerenden Lockdown, den wir jetzt erleben und welche verheerenden Auswirkungen dieser Mangel haben kann, zeigen die Verhältnisse in Großbritannien und den USA. Durch Hinweise bin ich auf die Bundestagsdrucksache 17/12051 gestoßen. Meine Frage lautet also: welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in Zusammenhang mit der Veröffentlichung dieser Studie ergriffen, um einer eventuellen Pandemie in Deutschland zu begegnen?

Falls Sie dieser Frage als kritischer Journalist nachgehen würde, wäre ich Ihnen sehr verbunden. Und erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zur oft geäußerten Meinung, dass Leben und die Gesundheit von Menschen über allem anderen stehe. Dieser Standpunkt ist heuchlerisch in Anbetracht des sonstigen politischen Handelns. Oder sind die Toten, die wir durch Feinstaub, Umweltgifte und Klimawandel verursachen weniger wert gerettet zu werden, als die Menschen, die ein Virus tötet? Die Politik verweigert sich dieser bitteren, aber notwendigen Debatte. Bundeskanzler Schmidt entschied sich zum Beispiel gegen Schleyer. – Dr. Hans-Jürgen Blinn

 

In dem Artikel geht Giovanni di Lorenzo unter anderem auf die Äußerung von Wolfgang Schäuble ein, dass nicht alles vor dem Schutz des Lebens zurücktreten müsse. In diesem Zusammenhang sollte man einmal genauer fragen, was das Grundrecht auf Schutz des Lebens umfasst. Es umfasst sicherlich das Recht eines Menschen, alles in seiner Macht stehende zu tun, um sein eigenes Leben zu erhalten. Auch darf er erwarten, dass andere sein Leben unangetastet lassen. In lebensbedrohlichen Situationen darf er auf die Hilfe anderer Menschen zählen, wenn diese sich nicht selbst gefährden. Aber darf er auch erwarten, dass andere eine massive Einschränkung ihrer Lebensverhältnisse hinnehmen, weil sonst sein Leben gefährdet ist? Diese Frage stellt sich mir angesichts der Nachricht, dass die Zahl der Arbeitslosen im April um mehr als 300000 gestiegen ist. Für gewöhnlich sinkt die Arbeitslosenzahl im April, so dass man den diesjährigen Anstieg wohl auf die Lockdown-Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie zurückführen kann. Ist es rechtens zu fordern, dass 300000 Menschen ihre Arbeit und damit eine wichtige Lebensgrundlage verlieren, weil einige tausend Menschen von einem Krankheitsverlauf bedroht sind, der sie (möglicherweise!) ihr Leben kosten kann? Ich glaube nicht, dass man diese Frage ohne Einschränkungen bejahen kann. – Gerhard Taake

 

Danke für Ihren Beitrag. Er öffnet hoffentlich einigen Zeitgenossen die Augen (und Ohren). Die öffentliche Debatte wird oft sehr einseitig geführt und verliert dadurch den Blick dafür, worauf es eigentlich ankommt. Dabei sollten m. E. die Fürsprecher (Lobbyisten) der verschiedenen, mächtigen Interessengruppen in der Gesellschaft nicht vergessen werden. Das gilt ebenso für das Profilierungsbemühen derjenigen. die in und von der Öffentlichkeit leben. Diese üben ihren Einfluss direkt bzw. indirekt auf allen Ebenen im Hintergrund aus. Unabhängig vom in Rede stehenden Thema appelliere ich an Sie, sich für eine Sprache einzusetzen, die jeder versteht. Selbst den „Gebildeten“ ist nicht immer der inhaltliche Unterschied zwischen Shutdown, Lockdown, Fulldown, Side-, High-, Lawboard. Der Intellekt sollte stets ausreichen, entsprechende Begriffe zu wählen, die die Mehrheit der deutschsprachigen Alphabeten klar und eindeutig interpretieren kann. – R. Schmolling

 

Es ist eindrucksvoll, wie es Hr. di Lorenzo in seinem kurzen Beitrag gelingt, das gesamte Porzellan aufgeklärten Denkens zu zerschlagen und so würde mich seine Antwort auf folgende Fragen brennend interessieren: – Warum werden Menschen, die sich um das Gemeinwohl einer Gesellschaft sorgen, die in eine Krise ungeahnten Ausmaßes stürzt, mit Verschwörungstheoretikern und Wutbürger*innen gleichgesetzt? – Warum werden Politker*innen, denen die grundrechtliche Verfasstheit unseres Staates ein Anliegen ist, auf ihre Karriereinteressen reduziert? – Warum werden Psychologie und Mathematik einander gegenüber gestellt als vermeintlich irrational bzw. rational? – Inwiefern ist Fr. Merkel aufgrund ihrer Mathematikaffinität in besonderer Weise als Bundeskanzlerin qualifiziert und überhaupt: ist es tatsächlich die Mathematik, welche die Grundlagen einer funktionierenden Gesellschaft erklären kann? – Und um abschließend auf den von Minister Spahn zitierten Satz anzuspielen: ist es verzeihlich, dass diese Art von Akklamationsjournalismus das Potential der Medien als vierter Gewalt verspielt? Es scheint ganz so zu sein, als habe ich nach über 35 Jahren als „ZEIT“-Leserin meine geistige Heimat verloren. – Barbara Bauer

 

Ich lese DIE ZEIT seit über 40 Jahren und bin als überzeugter Liberaler gelinde gesagt empört über die beiden letzten Sätze im ersten Absatz des Artikels. Wie kann es sein, dass der von mir durchaus geschätzte Chefredakteur sich dazu versteigt, dass berechtigte Kritik an der derzeit sehr einseitigen und vielfach fehlerhaften Corona-Politik nicht nur von Verschwörungstheoretikern, Wutbürgern, neuerdings auch von Kommentatoren sowie Politikern (Laschet?) käme, die dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern. Was soll diese undifferenzierte Diffamierung von Corona-Kritikern und Politikern wie Armin Laschet, der eine gegenüber Merkel andere Politik hin zu einer schnelleren Öffnung propagiert. Er ist gemäß unserer Verfassung nicht an Weisungen der Bundeskanzlerin gebunden, ist aber offensichlich ihrer Meinung nach ein Politiker der einer unverantwortlichen Corona-Öffnung das Wort redet. Nimmt der Autor nicht wie ich und andere politisch denkende Liberale aus der Altersklasse 60+ wahr, wie einseitig und unkritisch „staatstragend“ ARD und ZDF, leider unterstützt von ehemals kritischen Medien wie Spiegel, Süddeutscher Zeitung und Stern, über die Coronakrise berichten?

Warum lässt DIE ZEIT nicht einfach einmal renommierte Kritiker wie Prof. Dr. Sucharit Bhakdi in einem ausführlichen Streitgespräch zu Wort kommen? Oder haben sie Angst davor, nach einem entsprechend veröffentlichtem Interview von vielen einschlägigen Medien als eine Zeitung kritisiert zu werden, die die Thesen eines „Corona-Leugners“ veröffentlicht. Haben Sie einfach Mut zur Liberalität. Zum großen Glück gibt es als Korrektiv das Netz, aus dem ich viele vom Mainstream abweichende Meinungen und Sachinformationen zum Thema hören und lesen kann. Warum wurden in DER ZEIT und vielen anderen großen Medien nicht schonungslos inkompetente oder unzureichend fachlich begründete Entscheidungen der Exekutive wie grotesk praxisferne Förderbedingungen für Selbstständige oder die verbraucherrechtswidrige, zum Glück von der EU gekippte, Gutscheinregelung kritisiert. – Manfred Eberle

 

Viktor Orban ist nur ein, wenn auch extremes, Symptom einer anderen Pandemie; das autoritär/totalitäre Virus verbreitet sich rasch in der Welt. Orban nutzt die Corona-Krise, um seine Macht auszubauen. Er proklamiert den Ausnahmezustand. Carl Schmitt, Kronjurist des Dritten Reiches, schrieb: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“ Sicher gefällt sich Orban in der Rolle des Souveräns, des Herrschers, des Alleinherrschers. Er schürt und nutzt die Angst der Bevölkerung vor dem „Feind“ (siehe Carl Schmitt), um sich als Retter der Nation zu präsentieren. Ungarn und Orban stehen mit dieser Entwicklung nicht allein. Das autoritär/totalitäre Virus hat viele andere Länder und ihre Potentaten befallen: Polen, Russland (mit der Putinschen Verfassungreform), die Türkei, die USA, China, Indien, Israel, Südkorea, Singapur, Kambodscha, Thailand, die Philippinen, Brasilien, afrikanische Staaten…Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte werden beiseite gewischt. Kriegerische Rhetorik ist im Umlauf. „Wir sind im Krieg gegen das Virus“ verkünden Staats- und Regierungschefs, mit der unterschwelligen Idee, dass im Krieg außergewöhnliche Maßnahmen geboten und erlaubt sind und keine Zeit ist für (menschen)rechtliche Bedenken.

Auch in den noch bestehenden demokratischen Rechtsstaaten – weltweit gesehen, eine verschwindende Minderheit – ist höchste Wachsamkeit geboten. Auch da führt die Krise zu tiefgreifenden Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte. Inwieweit sind sie gerechtfertigt, verhältnismäßig, befristet und demokratisch kontrolliert? Und was soll nach der Überwindung der Krise geschehen? Werden diese Eingriffe rückgängig gemacht werden? Was wird vom Überwachungsstaat weiter bestehen? Die Geschichte zeigt, dass es leichter ist, von der Demokratie in ein autoritäres System oder die Diktatur zu schlittern als den umgekehrten Weg zu gehen. Viele der Einschränkungen, die nach 9/11 vorgenommen wurden, bestehen heute noch, Teil der „neuen Normalität“ (Dick Cheney).

Welche Gesellschaft und welcher Staat werden aus der Krise hervorgehen? Ein Opfer der Krise steht fest: die Legende von den Tugenden des „schlanken“ Staates mit Privatisierung und Abbau des Sozialsystems. Der Staat wird gestärkt aus der Krise hervorgehen. Aber wie und wozu werden die Regierenden seine Stärke nutzen? Zur Überwachung und Kontrolle der Bürger oder zur Verminderung der durch die Corona-Krise verschärften Ungleichheit in der Gesellschaft? In und nach der Krise brauchen wir Solidarität und eine aktive, wachsame Zivilgesellschaft als wesentlichen Pfeiler einer lebendigen Demokratie. – Univ. Prof. Dr. Peter Leuprecht

 

Ich möchte mich kurz vorstellen: Markus Veit, 60 Jahre alt, ich habe im Leben viel erreicht und bewegt, an der Hochschule gelehrt, Firmen gegründet, Arbeitsplätze geschaffen, Vieles mitgestaltet, ich bin überzeugter Anhänger unserer Demokratie und bisher Wähler unserer etablierten Parteien, zuletzt der Grünen, ich bin ein Freund der Dialektik und als Wissenschaftler weiß ich um der Notwendigkeit von These und Antithese um zu tragenden und nachhaltigen Erkenntnissen zu kommen, ich bin langjähriger Abonnent der ZEIT. Als kritischer Geist verfolge ich die Berichterstattung zu Corona in den Medien mit großer Sorge und gehöre zu den Menschen, die eine durchaus differenziert Meinung zu dem haben, das sich die Politik gerade anmaßt mal ganz zu schweigen von den „Faktenchecks“ mit denen uns (teilweise halbgebildete) Journalisten aus den Nachrichtenredaktionen (bei einigen Medien sogar aus dem Feuilleton) zunehmend belästigen und die selbst deren investigative Kollegen mittlerweile nur noch mit rollenden Augen ertragen können.

Als Wissenschaftler bin ich entsetzt ob des Abhandenkommens der Antithese in diesen Abhandlungen (und auch in der ZEIT). Ich habe heute bei der Lektüre ihrer Titelseite von ihrem Chefredakteur gelernt, dass ich damit entweder Verschwörungstheoretiker bin, oder ein bis dahin unauffälliger Wutbürger. Lektion gelernt! Ich muss die Unauffälligkeit überwinden, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen das zurzeit tun. Dazu ist sicher auch geeignet mein Abonnement zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Die Politik, aber auch die Medien verlieren zurzeit nicht unerhebliche Anteile der Eliten dieses Landes, betroffene Eltern, Familien, Mittelständler und auch viele Menschen, die ihre Existenz verlieren. Wir alle hätten uns eine differenziertere Darstellung in den Medien gewünscht. Ihr werdet von uns hören! PS. In der Zeit, die ich einst abonnierte, wäre auf der gleichen Seite ein Artikel abgedruckt, dessen Autor die Sachlage anders beurteilt, wie beispielsweise „Die Demokratie ist unter Vollnarkose“ von Roger Köppel von der Weltwoche, heute als Gastkommentar in der WELT. – Prof. Dr. Markus Veit

 

Sie bemängeln einen zunehmend giftigen Ton in der Debatte um das Corona Virus – und liefern dann gleich ausreichend Beispiele dafür, warum das so ist: Die Befürworter (und wahrscheinlich auch die Gegner) der – meiner Ansicht nach – Grundgesetz-widrigen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit wechseln fröhlich Kategorien, weil sich eine Zahl halt man gerade wunderbar ins eigene Denkschema einfügt – egal innerhalb welcher Bezugsgrößen sie erscheint. Logik oder Durchgängigkeit von Argumentationen haben in Zeiten von Corona offensichtlich genauso zurück zu stehen wie das Grundgesetz. Aber direkt zu Ihrem Beitrag: Zum einen die Hörigkeit den Virologen gegenüber: Das RKI propagierte etwa bis ca. Mitte März, dass das Tragen von Masken im besten Fall keinen Schaden anrichten könne, aber ansonsten nutzlos wäre, und schwenkte dann urplötzlich um, ohne dass es irgendwelche validen, neuen Untersuchungen gegeben hätte, die dieses Umschwenken erklärt oder begründet hätten. Das finden Sie sinnvoll?

Wie wir ja auch (alle) wissen, müssten diese Masken sorgfältigst gepflegt bzw. nach einmaligem Nutzen entsorgt werden, sollten sie wenigstens nicht die Träger zusätzlich gefährden: Können Sie sich wirklich vorstellen, dass das auch nur von einem annähernd relevanten Nutzerkreis befolgt wird? Ach ja: Wussten Sie, dass handelsübliche Waschmaschinen bei einem Waschprogramm mit 60° in der Regel nie (!) wirklich diese Temperatur erreichen? Das ist keine Fake News, sondern hat u.a. haftungstechnische Hintergründe! Sollten Sie bei Ihrer Waschmaschine ein „Zeitspar“-Schalter o.ä, benutzen bei diesen Programmen, können Sie davon ausgehen, dass die erreichte Temperatur sogar normalerweise nie über 40° C beträgt. Finden Sie dann diesen Maskenzwang immer noch für so unabänderlich wichtig? Oder es gibt eine Untersuchung zu Aerosolen beim Sport: Der Untersuchungsaufbau (im Windkanal…) war an Unsinnigkeiten nicht zu überbieten, trotzdem zwingt die französische Regierung jedem Sportler im Freien nun eine Maske auf’s Gesicht – Herr Söder wird sich freuen, sich endlich nicht nur immer an diesen Österreicher anhängen zu müssen ohne irgendwas sinnhaltig zu rechtfertigen.

Aber der eigentliche Ursprung der Unsinnigkeit Ihrer Annahme liegt darin, dass Sie sich mit Virologen gemein machen: das einzige, was zählt, ist die Tötung dieses Virus. Das ist das Berufsziel eines Virologen – aber halt leider nicht der Sinn des Leben. Zu behaupten, dass die widerstandslose Abgabe von Grundrechten kein Untertanendenken zeige, eint Sie mit dem esoterischen Zentralorgan der Coronapaniker von der SZ. Es ist aber in höchstem Maße willkürlich, wie und welche „Shut Down“ Maßnahmen ergriffen und durchgesetzt wurden – ohne das leiseste Murren der Unterthanen, weil es wahrscheinlich so ein schön heimeliges Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt. Ich stimme Ihnen zu, dass eine 800 m2-Regelung niemandem zu vermitteln ist: Aber genau hier hätte demokratischer gesinnter Journalismus angreifen müssen. Ich wüsste etwa gerne, warum Optiker nicht als „system-relelvant“ eingestuft wurden: Ich bin „nur“ gelegentlicher Brillenträger, aber wenn dieses Teil kaputt gegangen wäre, hätte ich ein Riesenproblem bekommen – aber ich wäre ja in Ihren Augen sicherlich nur „nicht system-relevante Minderheit“ gewesen.

Erinnert Sie der letzte Halbsatz an irgendetwas? Und genau darin liegt Ihr Versagen! Sie lassen sich von einer Panikfreude leiten, kleiden das in distinguierte Worte – und nennen das dann „rational“. Beispiel: Das Desaster in den USA und in Brasilien. Wie kommen Sie dazu, so einen Unsinn nachzuschreiben? Weil die USA ca. 1,1 Mio Infizierte hat? Dann müssten Sie doch eigentlich eine Vergleichs- oder Bezugsgröße nennen! Welche wollen Sie nehmen? Die BRD? Bitte: Die BRD hat eine Rate an Infizierten von ungefähr 2.000 pro Million Einwohner, die USA von ca. 3.400 pro Million. Klingt erst einmal horrend oder? Nur hat die USA ca. 3,3 Mio Einwohner und die BRD gerade mal 83 Mio. Sollte man da nicht eher gleichartige Bezugsgrößen verwenden – also im Falle eines Konglomerats von der Größe der USA wäre das die EU – und siehe da: Auf einmal sind die Zahlen gar nicht mehr weit auseinander (ca. 1,1 Mio zu ca. 1 Mio). Aber nehmen wir doch vielleicht besser die Rate der Toten: Die ist in den USA bei gar schrecklichen 196 Menschen pro Mio, was gut das doppelte dessen ist, was die BRD mit 82 pro Mio Menschen ereilt hat.

Nur: Italien, Spanien, Belgien, Frankreich mit wesentlich strengeren Verhaltensmaßnahmen stören da Ihr Bildchen: 528 /Mio (ITA), 528/Mio (Spa), 672/Mio (Bel), 363/Mio (Fra). Haben Sie da eine „rationale“ Erklärung? Wie gesagt herrschen in diesen Ländern wesentlich härtere „Regeln“ und das z.T. wesentlich länger als in der BRD: sollte man nicht langsam mal dazu überzugehen, sich über mögliche Hintergründe dieser in der Tat bedenklichen Unterschiede zu machen? Reine Zahlenhuberei bringt ja anscheinend bestenfalls Schlagzeilen, aber keinerlei Erklärungswert. Das Widersinnige des Themas „Masken“ habe ich schon kurz skizziert – aber Sie wollen allen Ernstes eine Corona App? Wissen Sie wovon Sie reden? Diese App funktioniert erst mal auf Bluetooth-Protokoll. Heißt: Sie sitzen (mal angenommen, Sie würden sich noch trauen) in einem Wagon einer U-Bahn, und ein Virusträger im anderen Wagon – aber unglücklicherweise nicht weiter als fünf Meter weg. Das halten Sie für nicht möglich? Doch, ist es und zwar sehr einfach: Sie sitzen im einen Ende des Wagons und Ihr Widerpart im anderen Wagon halt leider an der an Ihren Wagon angrenzenden Wand… Wie wollen Sie diesen Fall behandeln – noch dazu, wo Sie sich ja als „potentiell Infizierter“ sofort in Quarantäne begeben zu haben? Traceability kann man so regeln: „anonymisiert“ und dezentral. Nur: Das Anonymisieren muss die App zum einen aktiv tun und ist zum anderen mit jedem Update vollkommen unbemerkt zu beseitigen!

Daten, die von Google oder Microsoft erhoben werden, sind da – da können Sie noch so oft und so lange Sie wollen die Anonymität betonen: Sie ist de facto nicht gegeben. Genausowenig sind sie dezentral, bloß weil sie für den Moment nur auf einem mobilen Device gespeichert werden. Aber Sie haben recht in einem: Momentan beginnt – endlich – der Kampf der Psychologie gegen die Mathematik. Nur eben genau anders herum als Sie postulieren. Denn wie ich an den von Ihnen einfach willkürlich in den Raum gesetzten Zahlen gezeigt habe, heißt Mathe in Ihrem Fall eben nicht, dass Sie sich rational mit dem Thema Corona auseinandersetzen, sondern dass Sie nicht aus Ihrer latenten Panikhaltung heraus kommen, die Sie – wie ich meine – durch ziselierte Formulierungen mit dem Etikett „Ratio“ – sprich Vernunft / Mathematik beschriften. Auch könnte man meinen, dass Sie auf Ihre Pensionierungsalter zuschreiten: Natürlich darf es erst mal keine Rolle spielen, wie alt die Opfer sind. Aber mit dem Shut down passiert genau dies! Allerdings sind im Falle von diesem Virus die Opfer eben nur scheinbar die Alten! Realiter sind die Hauptopfer die Kinder – gut sie haben es in Ihren Augen ja als scheinbar nachgewiesene Virenschleudern auch nicht anders verdient… Sie (ganz persönlich als Verlautbarungsorgan von falsch relativierten Zahlen) tragen dazu bei, dass Kinder aus sozial schwächeren Schichten mindestens ein halbes Jahr Schulzeit verlieren, die sie gegenüber den sozial besser gestellten (mit Deutschkenntnissen, mit Nachhilfe, mit „gebildeten“ Eltern etc.) nie wieder werden aufholen können!

Beispiel gefällig? Meine Enkelin ist in der ersten Klasse – und damit seit ca. Anfang März – nicht mehr in der Schule. Ihre Eltern können es sich leisten, dass dieses Mädchen täglich zwei Stunden online-Unterricht von einer Privatlehrerin bekommt. Können Sie sich das Ende vorstellen? Können Sie sich vorstellen, wie weit das Bildungsniveau im Herbst zwischen meiner Enkelin und einem vergleichbaren Kind, etwa mit Migrationshintergrund aussehen wird, deren Eltern als Putze und als Paket-Fahrer ihr Leben versuchen auf die Reihe zu bringen? Bitte kommen Sie mir nicht mit so was wie „Ausnahme“: Das ist Normalität in meiner „Schicht“! Von den Tausenden Studenten gar nicht zu reden, die den Hauptteil des Budgets für ihr Studium in der Gastro verdient haben: Die sozialen Katastrophen, die sich da von heute auf morgen aufgetan haben, von denen hat natürlich ein soignierter Leiter der Zeit nicht wirklich eine Ahnung.

Testen und tracken: Kann man. Das Tracken ist eindeutig der Einstieg in Modalitäten, die einem faschistischen Überwachungsstaat barrierefrei den Weg ebnen (ich möchte Sie in diesem Zusammenhang einfach mal an das unglaublich weit entfernt liegende Polen oder Ungarn erinnern…). Das Testen zeigt einfach einen Status quo, der in zwei Minuten hinfällig ist. Mit anderen Worten: Wen wollen sie wann testen? Macht es wirklich Sinn Fußballprofis zweimal am Tag zu testen? Wozu? Wen sollen die anstecken in ihren hoch sterilen Trainingsstätten und Spielarenen? Wenn Sie krank sind, werden sie erstklassigst versorgt – und an Corona stirbt von denen schon aus Altersgründen keiner. Was ich aber wirklich nicht verstehe, ist eben Ihre Auffassung davon, was „Mathematik“ sein soll. Die realen Fallzahlen mögen in ihrer schieren Größe niederschmetternd klingen. Heruntergebrochen auf die „rationale“ Realität sind sie aber verschwindend gering.

Natürlich klingt 60.000 Tote in den USA schrecklich – aber man bewegt sich in einem Bereich von 6,6% aller Infizierten Personen, was aber nichts anderes heißt als ein Prozentsatz von 0,02 Prozent der Gesamtbevölkerung – also dem 20-stel eines Promilles! Das halten Sie für „mathematisch gerechtfertigt“, um die Zukunft einer ganzen Generation zu vernichten? Wenn Sie hier ja sagen würden, was sagen Sie dann zu einem Anteil von sogar 0,008% der Gesamtbevölkerung – ganz ohne Altersunterschiede? Ist das dann immer noch zu rechtfertigen? Das ist der aktuelle Wert in der BRD. Bisher haben wir und unsere Vorgängergenerationen unseren Kindern und Enkeln „nur“ einen ausgeräuberten und geschundenen Planeten hinterlassen. Jetzt zerstören wir gerade noch ihre Zukunft. Denn irgendwer wird die Billionen (!!) bezahlen müssen, die wir jetzt gerade aus nichtigem Anlass verfeuern. Unsere Generation garantiert nicht mehr. – Richard Ebert

 

Corona und impfenVor kurzem hat Herr Professor Drosten nachgewiesen, dass 1/3 der symptomlosen getesteten Menschen mit diesem oder einem ähnlichen Virus schon mal Kontakt hatte und daher immun ist. Dieses Ergebnis deckt sich sowohl mit den Ergebnissen von Professor Streeck als auch mit denen aus St. Ulrich, als auch mit der Einschätzung von Professor Bhakdi. Entweder hatten die betroffenen unbemerkt Kontakt mit dem aktuellen Coronavirus und haben die Infektion unbemerkt überstanden. Oder sie hatten Kontakt zu Viren, die so ähnlich waren, dass die Immunantwort auch das aktuelle Coronavirus abdeckt. Das nennt man Kreuz- oder Hintergrundimmunität. Wir wissen, dass es für das Immunsystem einen Unterschied macht, ob man geimpft wird, oder ob man eine Erkrankung tatsächlich hatte. Ob man auch durch eine Impfung Kreuzimmunität entwickelt, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass man Kontakt zu irgendwelchen Viren braucht, damit überhaupt Antikörper gebildet werden. Das, was wir gerade tun – nämlich die Bevölkerungsgruppe, die am besten mit den meisten Viren zurechtkommt, von Viren fernzuhalten, bewirkt also, dass die breite Masse der Immunsysteme dieses Jahr ein deutlich abgespecktes Trainingsprogramm absolviert.

Da sich angesichts des Klimawandels Mikroorganismen aber noch schneller verändern werden, und die Gruppe der Grippe- und Coronaviren sowieso nicht so konstant ist wie z.B. das Tollwutvirus, ist dieser Gedanke nicht besonders beruhigend. Nach Covid 19 kommt Covid 20. Natürlich gibt es dann noch keinen Impfstoff. Die Menschen, denen das Virus dann schwer zu schaffen macht, werden immer jünger, weil die natürliche Grundimmunisierung ja unterbrochen wurde. Wer will die politische Verantwortung dafür übernehmen, dass unsere Kinder und wir nächstes Jahr möglicherweise ernsthaft gefährdet sind? Wer soll dann die Alten pflegen? Seit der Verwendung des Begriffs Impfgegner ist eine sachliche Diskussion über das Thema Impfen nicht mehr möglich. Wenn es um etwas Wichtiges geht, dann muss man doch darüber sprechen, und es von verschiedenen Seiten aus betrachten. Wer erst Fronten aufbaut, so, wie es dieses Wort tut, verbaut die Möglichkeit dazu.

Den, der anderes denkt, als man selber, in eine Ecke zu stellen, statt den Versuch zu machen, sich gemeinsam der Wahrheit mit ihren vielen Facetten zu nähern, unterwandert Demokratie und Wissenschaft. Wissenschaft ist doch was Gutes – warum sollte sie es dann nötig haben, mit Diffamierung zu „arbeiten“? Seitdem ich denken kann, gibt es diesen Begriff. Also wird seit mindestens 40 Jahren in Deutschland etwas praktiziert, über das nicht adäquat gesprochen wird. Da auch die Politik die Begrifflichkeit „Impfgegner“ nicht hinterfragt, unterstützt sie an dieser Stelle die Unterwanderung von Wissenschaft und Demokratie. Wenn man mit sogenannten Impfgegnern spricht, stellt man fest, dass das Menschen sind, die sich weit mehr und sehr aktiv mit dem Thema befasst haben, und einfach nur differenziert mit der Fragestellung umgehen. Wünscht man sich als Politiker nicht Menschen, die die Verantwortung für die eigene Gesundheit selber übernehmen wollen? Welcher 29.4.2020 Politiker möchte denn die Verantwortung für meine persönliche Gesundheit haben, und wie will er/sie die Umsetzung dieser Verantwortung gestalten?

Was Impfen mit Corona zu tun hat: Ich zähle mich nicht zu den blauäugigen (so empfinde ich sie) Impfbefürwortern, weil ich Respekt davor habe, wie fein abgestimmt unsere diversen Systeme ineinander greifen und funktionieren. Jede Impfung stört dieses feine Gleichgewicht. Ob dieser sichere Schaden gerechtfertigt ist oder nicht, ist eine Nutzen-Risikoabwägung. Eine Tollwutimpfung für Jäger und Förster ist sinnvoll. Die Erkrankung verläuft tödlich. Eine Tetanusimpfung ist sinnvoll, ab einem Alter, in dem man sich beim Spielen verletzt. Die Hauptrisiken, die ich im Impfen sehe sind: – Wenn man harmlose Erkrankungen wie Windpocken flächendeckend impft, bewirkt das, dass flächendeckend immer weniger Menschen mit Viruserkrankungen umzugehen wissen. Für den Verlauf einer Erkrankung im häuslichen Umfeld ist aber nicht entscheidend, ob die richtige „Waffe“ einsatzbereit ist, sondern ob die richtige Behandlung/Pflege erfolgt.

Pflegen ist nicht banal und nicht einfach. Als Mutter ist es nicht einfach, Krankheiten der eigenen Kinder auszuhalten. Mit zusätzlichem Druck durch den Beruf ist das noch schwieriger. Seitdem wir die Kinderkrankheiten nicht mehr haben, fehlt uns Know-How, das bei neuen Viruserkrankungen aber entscheidend sein kann. – Überstandene Krankheit stärkt in einer Weise, die eine Impfung niemals ersetzen kann. Es macht einen Unterschied, ob man einen Berg zu Fuß erklimmt, oder mit der Seilbahn hinauffährt. Die Besteigung dauert länger und ist vielleicht auch risikoreicher. Sie erweitert aber die eigene Kompetenz. Die Seilbahn tut das nicht. Wir verhalten uns so, als würden wir angesichts einer möglichen erforderlichen Matterhornbesteigung dringend dazu raten, die Zugspitze und noch 5 weitere Berge mit der Seilbahn zu erreichen, und sich ansonsten von allen Bergen fern zu halten. Das ist paradox. – Eine Impfung suggeriert Sicherheit, die letztlich niemand garantieren kann. Jeden Tag kann man einen Unfall haben. Indem der Staat durch seine Impf-Unterstützung die Illusion nährt, er könne Leben schützen, anstatt dafür zu sorgen, dass bei Zeiten eine gute Auseinandersetzung mit dem Thema Tod, Sterben und Behinderung erfolgt, bauen sich massive Ängste auf.

Insgeheim weiß ja doch jeder, dass das Leben endlich ist. Da aber darüber nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird, fühlt man sich mit seinen Ängsten allein. Was liegt da näher, als von dem starken Staat, der doch so hilfreich die Hand ausgestreckt hat, auch vor dem Tod beschützt werden zu wollen. Vorhandene Illusionen zu nehmen ist schwer. Sie bestehen zu lassen, ist verantwortungslos. Ich plädiere nicht dafür, die Impfungen abzuschaffen. Ich plädiere aber dafür, sie nur noch Impfung und nicht mehr Schutzimpfung zu nennen. (In Abgrenzung zu was braucht es diesen Begriff? Gibt es eine Risikoimpfung? Seit wann gilt es als wissenschaftlich korrekt, einer Maßnahme die Silbe „Schutz“ voranzustellen, anstatt über ihre Risiken aufzuklären?) Und ich plädiere dafür, die anderen Themen, die man so gerne wegschiebt, eben auch zu bearbeiten.

Nicht-greifbare Ängste vieler Menschen sind leichter Nährboden für politische Systeme, die keiner von uns will. – Noch ist unklar, warum in anderen Ländern so viel mehr Menschen an Corona sterben als bei uns oder in Kalifornien. Das herauszufinden, ist extrem wichtig. Dafür muss man auch Impfungen als mögliche Risikofaktoren für Erkrankungen durch neue Viren in Betracht ziehen. Wer willkürlich einen Reiz im Immunsystem setzt, muss in Kauf nehmen, dass es mit anderen Reizen, die jeder Zeit dazukommen können, zumindest für eine gewisse Zeit nicht adäquat zurechtkommt. Sowohl Italien als auch Frankreich haben für 12 verschiedene Erreger Impfpflicht. Es heißt, es habe kurz vor der Corona-Epidemie in Italien eine Meningokokken-Impfaktion gegeben. Es ist möglich, dass in verschiedenen Ländern verschiedene Bedingungen Grund für die Schwere der Corona-Epidemie sind. Es wäre schlimm, wenn wir in Deutschland Risikofaktoren für schlechte Verläufe übernehmen würden.

Es macht keinen Sinn, in Ländern, die nicht so schwer betroffen sind, die gleichen Maßnahmen anzuwenden und aufrechtzuerhalten wie in den schwer betroffenen. Wir gipsen ja auch nicht jedem ein Bein ein, weil es Menschen gibt, für die das vorübergehend wichtig ist. – Das mögliche Fehlen von Kreuzimmunität durch Impfen habe ich oben schon benannt. Schon vor Corona haben medizinische Halbwahrheiten als Begründung für politisches Handeln herhalten müssen. Z.B., als die erhöhte Rate an Herzinfarkten und Schlaganfällen als Argument gegen die Zeitumstellung verwendet wurden. Zeitumstellung ist aber kein kardiovaskulärer Risikofaktor. Die direkt beeinflussbaren Risikofaktoren sind Rauchen, falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Für thrombembolische Ereignisse (Schlaganfall durch Blutgereinsel) ist die Pille ein Risikofaktor, der oft vergessen wird. Ich habe nicht mitbekommen, dass jemand das richtig gestellt hat. Ist das im Parlament wirklich nicht bekannt? Dann haben wir massive Lücken in der Aufklärung. Nicht nur, was medizinische Zusammenhänge betrifft, sondern auch, was das Verstehen von Statistiken betrifft. Ich finde, unsere Regierung hat die Krise gut gemeistert. Damit es nicht nächstes Jahr wieder so kommt, ist Aufklärung erforderlich. Z.B. darüber, dass jeder von uns mehr Mikroorganismen in sich trägt, als körpereigene Zellen – seit Jahrmillionen leben wir in friedlicher Symbiose mit Viren und Bakterien. Wenn man das den Kindern nicht erklärt, entwickeln sie ungesunde Vorstellungen von ihrer Umgebung. Damit die Krise keine nachhaltigen Schäden hinterlässt, brauchen wir Aufarbeitung.

Z.B. darüber, wie die BewohnerInnen von Pflege- und Behindertenheimen ihren Schutz empfinden – und ob sie den überhaupt wollten. Oder darüber, dass Pflegedienste berichten, dass mit guter Versorgung und Beruhigung viele Coronapatienten zuhause wieder genesen konnten. Oder darüber, welche Auswirkung Angst auf einen Krankheitsverlauf hat – und ob es in diesem Zusammenhang verantwortungsvoll ist, Bilder von sich stapelnden Särgen zu publizieren. Darüber, wie die Behörde, die die wissenschaftlichen Grundlagen für gesundheitspolitische Entscheidungen liefern soll, von Obduktionen abraten konnte. Und bitte auch, warum unser Staat Geld hat, Pflegekräfte mit bis zu 1500 Euro zusätzlich zu honorieren, plus alle anderen notwendigen Maßnahmen – aber nicht für die Massenuntersuchung auf Antikörper, die doch möglicherweise dazu führt, dass die Maßnahmen sehr viel schneller beendet werden können. Peinlich wäre, wenn die Politik diese Untersuchung fürchtet, weil damit rauskommen könnte, dass die zu Beginn gerechtfertigten Maßnahmen zu lange aufrecht erhalten wurden.

Noch ist Rückzug ohne Gesichtsverlust möglich. Wenn in 2 Jahren eine wirkliche Pandemie eintritt, und die Regierung jetzt ihre Glaubwürdigkeit verliert, haben wir ein ernstes Problem. Bedenklich ist es, wenn das Wort Euthanasie eingesetzt wird, für ein sich-nicht- gegen-einen-natürlichen-Tod-wehren. Ein Wort für den Schaden, den das Gegenteil (nämlich kämpfen bis zum letzten Moment, anstatt sich gut zu verabschieden und zu erledigen, was zu erledigen ist) anrichtet, haben wir nicht. Genauso wenig, wie die wissenschaftlich begründete Medizin kein Wort für „Lebenskraft“ kennt. Damit ist sie die einzige, unter all den vielen verschiedenen medizinischen Richtungen, die es weltweit gibt. Es wirkt, als würde die wissenschaftlich begründete Medizin feststellen, ihr würde das Werkzeug „Säge“ fehlen. Anstatt aber nun zu sagen:“ Ich habe keine Säge, frag mal meinen Nachbarn“, sagt sie: „Sägen ist irrational und gefährlich. Alle Werkstücke, die eine Säge benötigen, müssen zerstört werden.“ Ich war bis 2017 Fachärztin für Allgemeinmedizin. Ich lasse seitdem meine Approbation ruhen und arbeite als Heilpraktikerin, u.a. deshalb, weil mich die Impfvorgaben der STIKO in einen dauerhaften Gewissenskonflikt gebracht haben. Ich bin keine Impfgegnerin. Ich vermisse lediglich eine sachliche Diskussion zu dem Thema. – Gisela Fischer

 

Ich möchte Herrn di Lorenzo nun doch einmal widersprechen und mich auf die Seite von Herrn Schäuble schlagen, über dessen Äußerungen ich sehr dankbar war. Vor allem: Selbstverständlich würde ich mich freiwillig mit dem Virus infizieren, bzw. die Gefahr eingehen, mich zu infizieren. Das Schlimme ist doch gerade, dass der Staat die eigene Risikoabwägung und Entscheidungsfreiheit aufhebt – und zwar für alle und mit Zwang. Ich habe schon seit Beginn der Situation weniger Angst vor dem Virus als vor der Angst der Menschen und vor irrationalen politischen Maßnahmen. Schon in Herrn di Lorenzos letztem Artikel zum Thema wunderte ich mich vor allem über seine entschiedene Einseitigkeit. Er lobt die Corona-Solidarität im Namen der Menschlichkeit. Aber ist nicht auch eine legitime Sichtweise, dass wir gerade im Namen der Menschlichkeit unsere Menschlichkeit aufgeben? Was heißt es, ein Mensch zu sein? Ist das nicht mehr als die bloße biologisch-physische Existenz?

Eine Rechnung: Reduziert man Lebenssinn und Lebensinhalt von 7,7 Milliarden Menschen nur um durchschnittlich 10 Prozent und nimmt eine durchschnittliche Lebenserwartung von global 75 Jahren an, dann gehen täglich 28128 Menschenleben verloren. Nicht biologisch-physisch, aber inhaltlich. Die Corona-Krise zeigt auch auf, dass unsere Gesellschaft jeden natürlichen Zugang zum Tod verloren hat. Wir sind sterbliche, biologische Wesen mit einer Lebenserwartung von maximal 80-90 Jahren, wobei die letzten Jahre oft von Krankheit gezeichnet sind. Nicht die zeitliche Ausdehnung der bloßen Existenz führt zu einem guten Leben, sondern ein reichhaltiges Leben in den Jahren, in denen das biologisch möglich ist; auf Inhalt und individuellen Sinn eines Lebens kommt es an, nicht auf die Dauer.Die weitgehende Aufgabe der Grundfreiheiten aller Bürger wegen eines – nach Erkenntnissen in Obduktionen – nicht tödlichen Virus ist aus meiner Sicht äußerst bedenklich. – Sebastian Stehle

 

Ohne ein Wutbürger zu sein oder Corona Leugner oder Anhänger von Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit Covid 19 und als Bürger, der durchaus gut informiert ist (z.B. höre ich fast immer die podcasts von Prof Drosten) einige Anmerkungen zu dem Artikel: Wolfgang Schäuble hat sich diese Woche in angemessener Form und durchaus zurückhaltend in die Diskussion eingebracht – das Argument des „freiwillig in Kauf Nehmens“ von Gefahren wie dem Pkw Verkehr trägt nicht. Nur ein weiteres Beispiel, dass unsere Gesellschaft selbstverständlich Todesfälle an vielen anderen Stellen „einkalkuliert“: Wir betreiben seit Jahrzehnten die Kohleverstromung mit Braunkohle – die daraus resultierende Umweltverschmutzung ist weitreichend. Es gibt Studien z.B. von Greenpeace (Tod aus dem Schlot), dass diese Kraftwerke im Jahr zu Zehntausenden von Todesfällen führen – und wir schalten diese Kraftwerke nicht etwa ab. Die Branche wird sogar subventioniert – keiner der betroffenen Opfer stirbt freiwillig an der Luftverschmutzung; nur die konkrete Zurechnung ist schwierig – auf keinem der Toten steht am Ende der Name eines bestimmten Kraftwerkes; wenn ich das einmal so ins Bild setzen darf.

Dass sich die Diskussion unangemessen verschärft hat, nehme ich wahr. Das Thema Covid 19 ist ein Thema, dass die Gesellschaft bis hinein in die Familien spaltet – vergleichbar vielleicht dem Thema der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA. Den Ton hat allerdings die Regierung zu verantworten. Die Kanzlerin regiert nicht mehr nach demokratischen Grundsätzen – die Willensbildung wird beschnitten; sie droht damit, dass für den Fall, dass Diskussionen um weitere Lockerungen nicht aufhören, der strenge Lockdown wiedereingeführt wird. Sie erklärt Ihre Entscheidungen nicht – Widersprüche werden offensichtlich (auch an Kurs des RKI); das Schlimmste: Es ist kein Konzept ersichtlich – „auf Kurs fahren“ geht in dieser Krise m.E. nicht – die Familien und die Wirtschaft werden „tot gespielt“ – und wieder mal alles ziemlich alternativlos. Der Bundespräsident (den ich bislang geschätzt habe) trägt zur Spaltung bei, indem in einer emotionalen Rede die Bevölkerung in sehr sehr gut (das sind die, die die Maßnahmen mittragen) und sehr sehr böse (diejenigen, die schnell zurück wollen zu einer Normalität) eingeteilt wird – es ist unglaublich. Das Thema hat viele Facetten – ich habe bislang noch nie einen Leserbrief an eine Zeitung geschrieben – ich bin jetzt aber doch mal gehalten, eine Gegenposition zu beschreiben, die m.E. mehr „geerdet“ ist als das, was Politik aktuell fast schon hysterisch umsetzt (nämlich jegliches Handeln nur einem Thema unterordnen).

Es ist einfach so, wie Herr Schäuble sagt: Auch zukünftig werden einige Menschen an Covid 19 sterben – und: Je stärker eine Bevölkerung durchseucht ist, dest mehr Tote gibt es – es ist also unseriös, die Zahl der Toten in einer Gesellschaft zum Maß aller Dinge zu machen; und dass das RKI und die Bundesregierung auf Durchseuchung zumindest anfänglich gesetzt hatte, ist ja wohl nicht zu bestreiten. Anbei ein paar weitere Anregungen – z.B. ein Zeitungsausschnitt von letzter Woche; ein seriöser Insolvenzverwalter gibt die Prognose ab, dass der gesamte deutsche Mittelstand „ausverkauft“ wird, wenn es noch wenige Wochen so weiter geht – wir sind dabei die Grundlagen dieser Gesellschaft zu zerstören und das wegen einer Gefahr, die wir letztlich nicht einschätzen können. Und dann noch Schreiben, die ich an „der Spiegel“ gemacht hatte und an Herrn Welke (heute Show) – und den MP von Sachsen und den Deutschen Ethikrat (der früh demokratische Defizite im Handeln der Kanzlerin benannt hatte).

Eine mail ist eine Kanzleiinterne mail, in der ich mich lustig mache über eine Entscheidung des Hessischen VGH, der es verbietet, dass in Hessen die 4. Klassen mit als erste „dem Virus ausgesetzt werden“ !! – ich weiss, dass diese mail etwas unsachlich ist – was auch etwas mit den Erfahrungen mit Entscheidungen von OVGs aus den letzten Jahren zu tun hat. Was sich akzuell andeutet (darüber war gestern berichtet worden) ist, dass sich die Lehrer offenbar jetzt organisieren, weil sie sich als Gruppe auch dem Virus ausgesetzt sehen uns Angst haben – m.E. hat die Politik diese Angst in übertriebener Weise geschürt – was Gerichte jetzt mit Klagen machen und in welcher Form Hürden aufgebaut werden, wieder zu einer halbwegs normalen Gesellschaft zurückzukehren, ist nicht absehbar.

Ich bin ratlos – und sprachlos; wir haben ein leistungsfähiges Gesundheitssystem; wir sollten es belasten – eines noch am Ende; der OB von Magdeburg, Lutz Trümper hat letzte Woche eine Pressekonferenz gegeben (dazu gibt es ein eindrucksvolles youtube video)– es gibt in Magdeburg aktuelle 9 Infizierte; und deswegen wird die gesamte Stadt „dichtgemacht“ – das was die letzten 20 bis 30 Jahre aufgebaut wurde, geht den Bach runter; der Magdeburger OB zeigt sich geschockt und gibt klar zu erkennen, dass er das nicht mehr versteht – das muss nicht weiter kommentiert werden. – Stefan Fenzel

 

Sie beschreiben ‚das giftige Virus‘ der Verharmlosung und der Auflehnung gegen die Pandemiemaßnahmen und sehen als deren Verbreiter unter anderem Verschwörungstheoretiker, Wutbürger und karrieresuchende Politiker an. Doch woher kommt das Gift? Kann es sein, dass DIE ZEIT an dessen Entstehung umfänglich beteiligt ist? An keiner Stelle lassen Sie die vielen hochangesehen Experten zu Wort kommen, die die vorhandenen Daten wesentlich präziser durcharbeiten und dadurch zu einem vollkommen anderen Schluss kommen als die regierungsberatenden Herren. Ihre Leserschaft wird nicht vollumfänglich informiert – diese Einseitigkeit macht wütend. Auch so wird das von Ihnen beklagte Gift freigesetzt. Bisher müssen Sie sich diesbezüglich schon schwere Versäumnisse zuschreiben lassen. Sie selbst haben es in der Hand, das andere Virus einzuhegen, indem Sie alle Fakten auf den Tisch legen und nicht nur die regierungskonformen.

Übernehmen Sie selbst die seriöse Berichterstattung, dann brauchen die Wutbürger keine Verschwörungstheorien. Kommen Sie Ihrer Verantwortung nach, legen Sie breitgefächerte Informationen vor und sorgen Sie für die Aufklärung der Gesamtzusammenhänge. Sie sind der ganzen Wahrheit verpflichtet. Wer trägt die Verantwortung dafür, dass hunderttausende Menschen durch die vollkommen überzogenen Maßnahmen schweres und schwerstes Leid zugefügt wurde? Die Regierung und die Medien müssten diese Menschen schon längst um Vergebung bitten und – vor allem – diesen Wahnsinn endlich beenden. Zornig macht mich Ihre abschließende Aufforderung, den Thesenrittern mit Geduld zu begegnen – was für eine Anmaßung! Empfehlen Sie, Andersdenkende mit Kindern gleichzusetzen und gütig abzuwarten, bis deren Trotzanfall wieder vorbei ist? Der Segen sei mit Ihnen. – Brigitte Hannig

 

Das dritte VirusIn einer Bestandsaufnahme zur Situation unserer Gesellschaft in Woche 13 nach Etablierung des Corona-Virus SARS-CoV-2 in Deutschland (Stand 29. April 2020) teilt der Autor und Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo Deutschland in zwei Lager; neben den (vernunftgeleiteten) Mitbürgern, die dem vorsichtig tastenden Kurs der Regierung auf dem Weg zu einer verantwortungsvollen Begrenzung der Gefahren folgen, identifiziert er dabei ein Konglomerat aus Verschwörungstheoretikern, Wutbürgern, Kommentatoren und Politikern, die aus unterschiedlichsten Gründen einer Verharmlosung der Pandemie das Wort reden. Insoweit drängt sich ein Vergleich der Corona-Krise mit der nun in den Hintergrund geratenen Klima-Krise auf, bei der sich Unterstützer von Maßnahmen zur verantwortungsvollen Begrenzung der globalen Erwärmung von Skeptikern bzw. Klimaleugnern behindert sehen.

Mag man mit dieser Betrachtungsweise noch einverstanden sein, so ändert sich das Bild, wenn man auf die den Virologen zugeschriebene Rolle im Prozess der politischen Meinungsbildung guckt. Ein Blick auf die kürzlich eingeführte Maskenpflicht zeigt, dass es nach Anlaufen der Pandemie gerade nicht die Politik war, die eine vermeintliche Forderungen der Virologen nach eben dieser Maßnahme als profilsüchtige Panikmache diskreditiert hat. Hier waren es vielmehr die in den Medien omnipräsenten Virologen selbst, die unisono ein öffentliches Masken-Bashing betrieben hatten.* Eine 180-Grad-Wende in der Haltung der Virologen zu Gesichtsmasken vollzog sich etwa zeitgleich zur Veröffentlichung eines Interviews, das ein Redakteuer der angesehenen Wissenschaftszeitschrift Sciencemit George Gao, dem Generaldirektor des „Chinese Center for Disease Control and Prevention (CDC)“, am 27. März 2020 geführt hat. Befragt danach, welche Fehler bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gemacht werden, antwortete er: „The big mistake in the U.S. and Europe, in my opinion, is that people aren’t wearing masks.“** Auch in der Frage nach Schul- und Kitaschliessungen haben unsere Virologen keineswegs alle das empfohlen, was die Politik letztlich verabschiedet hat.

Nun sollte man aber trotzdem nicht glauben, die Politik hätte in der Pandemie-Causa immer verantwortungsvoll gehandelt. Der „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012“ zum Thema „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ – seinerzeit vom RKI in Auftrag gegeben – hatte der Politik ja schon sehr früh eine Pflicht zur angemessenen Vorratshaltung von Atemschutzmasken auferlegt. Für mich ist dieses fiktive Virus „Modi-SARS“ nun ein weiteres „anderes Virus“, das aber eklatantere Versäumnisse in der Gesundheitsvorsorge aufgedeckt hat als es im Beitrag von Herrn di Lorenzo durchschimmert. Und übrigens: Noch Anfang Januar, als die Sequenz des Virus SARS-CoV-2 veröffentlicht wurde und in der Folge auch die Lage in Wuhan bereits sichtbar zu eskalieren begann, gab es auf dem Weltmarkt noch Schutzmasken und andere Sicherheitsausrüstung zu kaufen. Herr Spahn und Herr Wieler hätten ihre Beschwichtigungs-Phrasen wie „wir sind sehr gut vorbereitet“ und „wir nehmen das sehr ernst, wir sind wachsam, aber mit kühlem Kopf auch gleichzeitig“ nur etwas weniger naiv auslegen müssen.

*Anmerkung des Verfassers: dazu gehörte neben den Herren Kekule, Schmidt-Chanasit, Streeck, Wendtner und Wieler auch der sonst so besonnen und reflektiert auftretende Berater der Bundesregierung, Herr Drosten. **In seiner Antwort führt Gao weiter aus: „This virus is transmitted by droplets and close contact. Droplets play a very important role—you’ve got to wear a mask, because when you speak, there are always droplets coming out of your mouth. Many people have asymptomatic or presymptomatic infections. If they are wearing face masks, it can prevent droplets that carry the virus from escaping and infecting others.“ – Gerald Henkel

 

Wurde man in letzter Zeit von den Medien und leider ungefragt auch von Zeit Online schon unerträglich bombardiert mit den abwegigen Anforderungen von sogenannten „Thesenrittern vom Orden der Corona“ (einleuchtendes Schlagwort!), so etablierte sich zunehmend der innere Wunsch, dass sich mal einer auftue, ein Machtwort gegen die Selbsternannten und Heilverkünder in die Menge zu schleudern. Da kommt der Leitartikel von Giovanni di Lorenzo gerade recht und erfüllt mich nun mit Dankbarkeit, dass ich nicht allein bin mit meinem Verständnis für die sich a priori nicht zu definierende Corona Situation. Ein Jeder postuliert nach seiner persönlichen Attitude ohne Hinsehen auf das Ganze, das Politik und Wissenschaft zu steuern und verantworten hat. Jens Spahn hat das richtig bemerkt. – Renate Schwengers

 

Ach, und schlußendlich, lieber Giovanni di Lorenzo, besser die Milliarden Euro der Steuerzahler in den Ausbau der Testkapazitäten oder sonstwie in die Vorsorge zum Schutze der Bevölkerung stecken, als „notleidende Aktionäre“ der deutschen Großindustrie dividendenmäßig zu versorgen…….meine ich, bevor Sie endgültig zum Ritter der Merkelschen Tafelrunde geschlagen werden, oder ? – Roland Peter

 

Sie schreiben zurecht, dass wir in Sachen Rauchen und Straßenverkehr auch nicht den Schutz des Lebens über alles stellen. Aber Ihre Abgrenzung zum Virus, dem man sich nicht freiwillig aussetzen wolle, ist keine. Ich unterstelle nämlich, dass auch kein*e Fußgänger*in freiwillig von einem Auto überfahren wird. Und kein Kind wird freiwillig in einen Raucher-Haushalt hinein geboren. Sie denken, als zu Fuß Gehender setzt setzt man sich freiwillig dem Risiko aus, von einem über den Gehweg schlingernden Auto getötet zu werden? Nun, man könnte doch hochbetagte Pflegeheim-Bewohner*innen vor die Wahl stellen, ob Sie Sich der Gefahr einer Infektion aussetzen oder lieber weiter Sozialkontakte haben wollen. Vielen älteren Menschen sind ihre Sozialkontakte buchstäblich lebenswichtig, und sie suchen sie aktuell im Supermarkt und im Baumarkt. Wohl wissend, dass es ein Infektionsrisiko bedeutet und obwohl hilfsbereite Menschen unentgeltlich den Einkauf für sie erledigen würden. Für mich ist die Entscheidung klar. So schlimm es ist, dass viele Menschen sterben: Der Mensch ist ein soziales Wesen und ich möchte gerne wieder mit Freunden ein Bier trinken gehen. Wem das zu riskant ist, muss es ja nicht tun. Ich bin Herrn Schäuble sehr dankbar, dass er seine Meinung öffentlich gemacht hat – er hat einfach nur Recht! – Bastian Loosberg

 

Wir sind schon wirklich weit gekommen in der Corona-Krise. Wurden abweichende Meinungen zur Größe der Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch das SARS-CoV-2-Virus und grundsätzliche Kritik an der Politik des Lockdowns bisher schon vom Diskurs ausgeschlossen und die Kritiker intensiv in den Medien bekämpft (haben Sie mal gezählt, wieviele „Widerlegungs“-Artikel bzw. -Videos es allein gegen Prof. Stefan Homburg gab?), so wird den Kritikern jetzt vom Chefredakteur der ZEIT vorgeworfen, dass sie mit ihrer Kritik eine „ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft ziehen könnte(n)“. Da weiß man wirklich, wo man steht, wenn jetzt schon die ZEIT gegen die freie Meinungsäußerung zu Felde zieht! Hier noch einmal die Namen von Kritikern allein aus dem akademischen Bereich, die, wenn es nach Giovanni di Lorenzo geht, jetzt endlich mal den Mund halten, vielleicht sogar noch Abbitte für ihre Kritik leisten sollen:

Prof. Carsten Scheller, Prof. Klaus Püschel, Prof. John Ioannidis, Prof. Karin Mölling, Prof. Sucharit Bhakdi, Prof. Martin Haditsch, Prof. Stefan Hockertz, Prof. Stefan Homburg (nehmen wir sicherheitshalber Prof. Hendrik Streeck auch noch dazu?). Wo di Lorenzo allerdings die Wissenschaftler bei seiner diffamierenden Aufzählung von „Verschwörungstheoretiker(n)“, „bis dahin unauffälligen Wutbürger(n)“, Kommentatoren sowie „Politiker(n), die offenbar dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern“(welchem Karrieresprung fiebern eigentlich Wolfgang Kubicki und Christian Lindner entgegen?) einsortieren möchte, bleibt unklar. Vermutlich hat er ihre Äußerungen zur Sache gar nicht näher zur Kenntnis genommen. Und wenn das wesentliche Argument für den Lockdown lautet, dass „Deutschland (damit) keinen Sonderweg beschritten“ hat und es in Brasilien und den USA schlecht gelaufen ist (kein Zufall, dass Schweden nicht erwähnt wird!), heißt das nichts anderes, als dass die Mehrheit eben Recht hat, weil sie die Mehrheit ist. Um das durchzuziehen, darf natürlich mit der Minderheit nicht diskutiert, sie muss diffamiert und bekämpft werden. Ich finde, der Corona-Mainstream in Deutschland sollte darüber nachdenken, ob hier nicht langsam das Strafrecht ‚ranmuss, um die Diskurshegemonie zu verteidigen. Um den von di Lorenzo befürchteten Schaden für die Gesellschaft zu verhindern, wäre folgender Paragraf sicher hilfreich:

„(1) Wer öffentlich äußert, dass das SARS-CoV-2-Virus hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit Influenza-Viren verglichen werden kann oder wer öffentlich die Notwendigkeit der Politik des Lockdowns bestreitet oder in Zweifel zieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. (2) Von Strafe kann abgesehen werden, wenn der Täter sich verpflichtet, unverzüglich und dauerhaft nach Schweden auszuwandern.“So könnte es doch weitergehen, oder? P.S. Wer sich auch zu den von di Lorenzo Exkommunizierten zählen darf, ist BILD-Chefredakteur Julian Reichelt (BILD, 26.04.20): „Die Experten müssen Recht behalten, weil sie nicht falsch liegen dürfen. Die deutsche Wirtschaft vorschnell ruiniert zu haben, wäre für keine Partei, vielleicht nicht einmal für die Demokratie überlebbar.“– Wenn BILD die Wahrheit sagt und die ZEIT gegen die freie Meinungsäußerung polemisiert. Schöne neue Corona-Welt! – Matthias Guericke

 

Zu Ihrem Artikel ist anzumerken, dass nicht der angeblich „giftige Ton der Debatte“, die Gott sei Dank nun erwacht das Problem ist, sondern die kritiklose, gleichgeschaltete und fehlerhafte Berichterstattung der Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, aber auch Der Zeit und anderer namhafter Zeitungen. Seit Wochen werden Horrorszenarien von den Medien verbreitet, in dem man einzelne schlimme Zustände z.B. in Italien verbreitet, ohne gleichzeitig zu zeigen, dass fast alle Krankenhäuser in Deutschland halb leer standen und sogar Kurzarbeit angemeldet haben, obwohl auch jedes leere Bett mit 560 Euro von unseren Steuergeldern finanziert wird. Wo bleibt hier die ausgewogene Berichterstattung der vierten Gewalt? Es werden Statistiken des RKI verbreitet, die in keiner Weise aussagekräftig sind. Weshalb wurden diese Statistiken nie wirklich hinterfragt, weshalb werden sie nicht zerpflückt? Immerhin hat Die Zeit vor 2 Ausgaben in einer Randnotiz darauf hingewiesen, dass die Zahlen interpretierungsbedürftig sind.

Weshalb wird unkritisch die Meinung des RKI, die von der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten übernommen wurde, wiedergegeben, obwohl diese Behörde permanent widersprüchliche Angaben verbreitet – von das Virus sei völlig ungefährlich bis es sei extrem tödlich, von Masken seien sinnlos bis zur Maskenpflicht? Und Sie wissen nichts Besseres zu tun, als die nun erwachte Diskussion sofort zu tadeln, sie mit Verschwörungstheoretikern in Verbindung zu bringen und als die Gefährlichkeit des Virus verharmlosend zu bezeichnen? Ich will Ihnen sagen, die Diskussion ist in Anbetracht der Schädlichkeit und Schwere der Eingriffe in die Grundrechte und die Wirtschaft viel zu harmlos. Nicht die Gegner des Lock-down verharmlosen die Gefährlichkeit des Virus, Sie verharmlosen die Grundrechts-beschränkungen und die Eingriffe in die Wirtschaft.

Da lob ich mir die Aussagen von Jens Jensen im Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“. Er beginnt der Haltlosigkeit der Argumentation der Regierung den Spiegel vorzuhalten. Wie er, zähle ich übrigens auch zur Hochrisikogruppe, Endsechziger und Vorerkrankungen. Und man muss nicht Wutbürger sein wenn man dies anprangert, ob dieser staatsstreichartigen Außerkraftsetzung der Grundrechte im Namen unseres (der Hochrisikogruppe) Schutzes. Ich hoffe Die Zeit findet nun schnell wieder zurück zu sachgerechter, fundierter Berichterstattung und unterlässt nicht nur die Herabwürdigung jedes Andersdenkenden in dieser Corona-Debatte, sondern lässt sie auch ausführlich zu Wort kommen. – Max Reisch

 

Letzte Woche noch war ich bei der Lektüre der ersten Seite beruhigt, dass endlich auch in der „Zeit“ die Schockstarre überwunden schien. Da war der Artikel „Ein anderes Virus“ diese Woche leider ein Rückschritt. Zwar heißt es, Zweifel und Kritik seien „nötiger denn je“. Aber letztlich wird alles, was über harmlose kritische Anmerkungen hinausgeht, dann doch pauschal in die Ecke gestellt. Wirklich kritische Fragen fehlen. Dafür wird sogar Wolfgang Schäuble kritisiert, der mit seinem Interview in eine „explosive Gemengelage hereinplatzt“. Ein Bundestagspräsident, der zu Recht darauf verweist, dass nach dem Grundgesetz die Menschenwürde und nicht der Gesundheitsschutz über allem steht, stört scheinbar doch. Wer kritisiert, wird schnell zum Verschwörungstheoretiker oder zum „Thesenretter vom Orden der Corona“ abgestempelt. Das „andere Virus“ scheint mir eher in der scheinbar allumfassenden Einigkeit zu liegen, dass der eingeschlagene Weg richtig und nicht zu kritisieren ist. Dass wir ruhig bleiben und uns mit den Einschränkungen abfinden müssen. Werden wir irgendwann „froh und dankbar“ sein über jede Lockerung und dabei vergessen, welche Freiheiten es vor der Krise gab?

Es sind nicht nur Irregeleitete, die ins Nachdenken kommen. Höchste Zeit, dass sich die Medien aus ihrem eigenen Lockdown und ihrer Selbstzensur befreien und wieder wirklich kritische Fragen stellen. Zum Beispiel die, ob denn geplant ist, die Grundrechtseinschränkungen über Jahre bestehen zu lassen (denn nur das wäre die konsequente Fortführung der bisherigen Linie „bis ein Impfstoff vorliegt“) und wann man gedenkt, der Bevölkerung hierüber die Wahrheit zu sagen. Oder die Frage, wie lange alte und behinderte Heimbewohner noch in “Einzel– oder Gruppenhaft“ gehalten und von allen sozialen Kontakten abgeschnitten werden sollen. Oder auch, warum die Kinder, die für noch Monate ihrer Unbeschwerheit und des Rechts auf Lernen beraubt werden sollen, der Kanzlerin unlängst nicht einmal eine Erwähnung wert waren. Und auch die Frage, ob es nicht scheinheilig ist, wenn dieselben Leute, für die der Gesundheits – und Lebensschutz jetzt an oberster Stelle steht, bei den Zuständen in den griechischen Flüchtlingslagern zuvor keine so strengen Maßstäbe anlegen wollten? Giovanni di Lorenzo hat recht, dass Politik derzeit oft nur nach „Versuch und Irrtum“ agieren kann. Nur ist in der derzeitigen Herrschaft der Virologen offenbar gar kein Irrtum vorgesehen. Massive Grundrechtsverletzungen aber später mit einem „Irrtum“ zu entschuldigen, wird nicht ausreichen! – Kai-Uwe Schütz

 

Vor gut einer Woche erklärte Hendrik Streeck in einer Talkshow Bemerkenswertes: „Wir müssen es wissen und Wissen kann man nur über Studien herausfinden.“ Die empirische Wissenschaftsreligion scheint einen neuen Jünger gefunden zu haben. Dem Professor entgeht dabei vollständig, dass es sich bei der Medizin um eine sogenannte Indizienwissenschaft handelt, die keineswegs die Kriterien der Wissenschaftlichkeit des galileischen Paradigmas (Experiment, Mathematik) erfüllt. Die Medizin ist eine qualitative Wissenschaft, die das Individuelle zum Gegenstand hat und somit einen Rest an Unsicherheit nicht vermeiden kann. Um dies zu umgehen wird seit den Anfängen der Neuzeit die Mathematik (Statistik, Stochastik) bemüht. Doch die Zahlen der viralen Krise folgen nicht der Korrespondenztheorie der Wahrheit: so ist eine Aussage dann wahr, wenn sie auch der Fall ist. Die Aussage zum Beispiel Die Neuinfektionen sind seit gestern wieder gestiegen bildet keine Wirklichkeit ab. Es handelt sich bei dieser Zahl ausschließlich um die Anzahl positiver Testungen und nicht um die Anzahl der Neuinfektionen.

Um das Spiel der Zahlen zu garantieren, werden auf dem Altar des Fetisches selbst liebgewonnene Gewohnheiten wie Repräsentativität, Stichprobengröße u.a. geopfert. Durch dieses Opfer (es ist nur eines unter vielen) erlangt die Zahl jedoch ihren Glanz, der uns vorgaukelt, Kontrolle über die Angst zu haben. Diese Rationalisierungen funktionieren auf dem Boden einer kaum korrigierbaren objektiven Gewissheit, die sich in der Attacke, die Giovanni di Lorenzo gegen Kritiker der Zahlenspiele reitet, offenbart: Letztere sind dann Verschwörungstheoretiker, Wutbürger, Karrieristen oder gar Quartalsirre. Die Festung der vermeintlich objektiven Gewissheit, die uns die Zahl anbietet, um unsere Angst abzuwehren, muss mit allen Mitteln, auch mit Projektionen von Pathologien (Quartalsirre), verteidigt werden. Wir leben in einer kollektiven Psychose. – Dr. R. Weber

 

Man muss weder Verschwörungstheoretiker, noch notorischer Corona- Leugner oder gar Wutbürger sein, um bei den vielen gegenwärtig von den Regierenden ergriffenen Maßnahmen großes Unbehagen zu verspüren. Das begann bei den erheblichen, wie Giovanni di Lorenzo zurecht schreibt, von der Politik keineswegs immer schlüssig erklärten Einschränkungen der Freiheitsrechte und endete keineswegs bei den nahezu überfallartig vollzogenen Grenzschließungen, von denen wir uns noch vor wenigen Wochen nicht einmal in unseren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können, dass es sie noch einmal geben würde.

Zu berichten wäre in diesem Zusammenhang beispielhaft über unschöne Ausgrenzungen von Nachbarn beiderseits der Grenze, deren Zeuge wir in unserer deutsch- französischen Grenzregion beschämenderweise wiederholt werden mussten – ein Wiederherstellung der uns vertrauten Schengen- Verhältnisse ist bis heute noch nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht nur Sorgen machen, ob es nach der Krise noch einmal ein Zurück zum Davor geben wird, sondern auch wann dies im besten Fall sein könnte. Über Lockerungen und auch Aufhebungen von Maßnahmen zu sprechen, ist daher nicht nur legitim, der Diskurs ist vor dem Hintergrund der in unserer jüngeren Geschichte beispiellosen Einschränkungen der Freiheitsrechte, der damit einhergehenden drohenden Vernichtungen von Existenzen, aber auch der erfreulich positiven Entwicklung der Infektionszahlen in Deutschland längst überfällig.

Diesen Diskurs so lange Zeit nicht geführt, ja ihn streckenweise verweigert zu haben ( Öffnungsorgien ), mag je nach Betrachtung ein eklatantes Versagen der Politik gewesen sein. Ihn noch dazu bei fast völligem Ausfall der politischen Opposition nicht viel vehementer eingefordert zu haben, sollten sich viele Medienvertreter allerdings auch selbst zum Vorwurf machen. Dies gilt ebenso für einen relativ kritiklosen Umgang mit biometrisch häufig sehr fragwürdigem Zahlenmaterial und eine weitgehende Einengung der Berichterstattung auf das Meinungsspektrum der Regierungsexperten, selbst als offenkundig wurde, dass deren rein wissenschaftlich geprägtes Vorstellungsvermögen mit der Lebenswirklichkeit immer weniger kompatibel war. Dies führte in der Summe zwar zu einer recht konsistenten Legitimation des Regierungshandelns, abweichende Einschätzungen waren in der Berichterstattung aber eher unterrepräsentiert, ja vereinzelt wurden sie auch schon einmal als verantwortungslos diffamiert. Dabei hätten zum Beispiel die Erfahrungen in Schweden durchaus eine eingehendere Betrachtung verdient gehabt – und haben sie sicherlich noch.

Wenn also jetzt von einer zunehmenden Giftigkeit der Debatte die Rede ist, mag das auch daran liegen, dass es für manchen mittlerweile um die blanke wirtschaftliche Existenz geht. Viele von uns Lesern werden solche Fälle persönlich kennen, man kann dafür durchaus Verständnis haben. Auch Ihre Belange müssen in der gegenwärtigen Diskussion Berücksichtigung finden, meist sind sie es nämlich, die unseren Wohlstand erwirtschaften und mit ihren Sozialabgaben maßgeblich dazu beitragen, dass unser Gesundheitssystem diese Krise bisher so gut bewältigen konnte. Eine genuine Aufgabe der Medien würde mithin darin bestehen, die Gründe für diese an sich nachvollziehbaren Emotionen aufzugreifen und einer Versachlichung zuzuführen. Mag sein, dass Deutschland im Gegensatz zu Schweden keinen Sonderweg beschritten hat, ein besonderer Verdienst ist dies zunächst noch nicht. Ob das Land jetzt gut aus der Krise kommt, wird sich erst noch zeigen müssen. Wir alle können das natürlich nur hoffen, Augenmaß und auch ein wenig Mut werden wir dafür aber schon benötigen. Und ja, vielleicht auch ein Überdenken bestimmter gesellschaftlicher Koordinaten, weshalb auch die Anmerkungen von Wolfgang Schäuble keineswegs zur Unzeit kommen – vielleicht hatten wir bisher nur immer Angst, uns mit solchen Themen auseinanderzusetzen ? – Dr.Th.Schmitz

 

Herr di Lorenzo schreibt (auf Seite 1!) „Tatsächlich hat das Land leicht verspätet, aber dann doch effizient reagiert…“ Kennt Herr di Lorenzo die Fakten nicht? Bereits am 6. Januar 2020 warnt die WHO vor einer globalen Gesundheitsgefahr. Mehr als zwei Wochen später (22. Januar) ist Herr Spahn der Ansicht Fiebermessungen an Flughäfen in Deutschland wären unverhältnismäßig.“ Am 30. Januar erklärt die WHO die Coronavirus-Epidemie zum internationalen Gesundheitsnotstand. Am 12. Februar wiederholt Herr Spahn „Fiebermessen an den Flughäfen macht keinen Sinn.und das dem Gesundheitsministerium unterstehende RKI schätzt die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch Coronaweiterhin als gering ein. Weitere zwei Wochen später (26. Februar) wendetsich Herr Spahn gegen das pauschale Absagen von Großveranstaltungen. Am 10. März treten in Österreich Beschränkungen des Reiseverkehrs in Kraft.

Am 13. Februar 2020 lehnt Herr Spahn nationale Alleingänge bei Einschränkungen des Reiseverkehrs von und nach China – wie sie etwa Italien oder Österreich verhängt hatten – ab. Ich höre an dieser Stelle auf, die massiven Versäumnisse und Fehler der deutschen Politik in der Coronakrise weiter darzustellen, das wäre ermüdend und müßig (ganz zu schweigen von der Bundestags Drucksache 17/12051 vom 3. Januar 2013!). Man kann das überall da nachlesen, wo Journalisten an Fakten interessiert sind. Und falls man der Ansicht ist, dass „Land“ läge (z.B. in einer dubiosen Rangliste der Deep Knowledge Group, in der China (!) auf Platz fünf liegt) im internationalen Vergleich ganz weit vorne, dann schaue man sich an, wie überragend Taiwan (immerhin im Gegensatz zum „Land“ in sehr direkter Nachbarschaft zum Ausbruchsland China) mit der Krise umgegangen ist: Noch nicht einmal als 500 bekannte Infektionen, weniger als zehn Todesfälle (bei fast 24 Millionen Einwohnern) und bisher hat das Virus dort auch keine größeren Auswirkungen auf die Wirtschaft gehabt, die auf Faktoren im Inland zurückzuführen wären; keine einzige Schule oder Universität oder sonstige öffentliche Einrichtung wurde bisher geschlossen, es wurden sogar Präsidentschaftswahlen während der Krise durchgeführt. Warum ignoriert Herr di Lorenzo diese Fakten? Bezeichnend ist auch, dass er die Verantwortlichen für dieses Versagen, die Bunderegierung und die Landesregierungen, nicht beim Namen nennt, sondern vom „Land“ spricht. Was hat das noch mit ernst zu nehmendem Journalismus zu tun?

Das fragt man sich auch angesichts des zweiten o.g. Artikels, der die Frage stellt, ob die Kritik an der WHO berechtigt ist. Es soll wohl irgendwie der Versuch unternommen werden, die WHO gegen diese Kritik zu verteidigen. Eine Antwort auf die gestellte Frage sucht man allerdings letztendlich in diesem Artikel vergeblich. Hinweise auf Taiwan sucht man dort auch vergeblich, das würde wohl nicht zur Absicht des Artikels passen. Aufgrund der unterwürfigen Haltung gegenüber China ist Taiwan von fast allen internationalen Organisationen ausgeschlossen, dazu gehört auch die WHO. Selbst in der derzeitigen Ausnahmesituation konnten, soweit bekannt, bislang nur in einem einzigen Ausnahmefall Fachleute aus Taiwan in Genf ihr Fachwissen vorbringen. Am 11. und 12. Februar „durften“ taiwanische Mediziner an einem Fachforum zum Umgang mit dem Virus teilnehmen. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Sars-Virus im Jahr 2003 war in Taiwan eine für solche Fälle bestimmte Institution gegründet worden, die „Nationale Gesundheits-Kommando-Zentrum“ (NHCC) fungiert seither als zentrale Koordinationsstelle, der einige Unter-Organisationen unterstehen.

Zu diesen gehört das ebenfalls aufgrund der Sars-Erfahrungen neugegründete „Zentrale Kommandozentrum für Epidemien“ (CECC), das „Kommandozentrum für biologische Pathogene“, das „Kommandozentrum für Bioterrorismus“ und das „Zentrale medizinische Notfall-Operationszentrum“. Warum gibt es solche Organisationsstrukturen in unserem „Land“ nicht? Zumindest seit der oben erwähnten BT 17/12051. Ich vergaß, mit dem betreten von Neuland tut sich unsere Kanzlerin bekanntlich etwas schwer, und entsprechend tut unsere Regierung aktuell auch gerne so, als befänden wir uns gerade inmitten eines höchst unvorhersehbaren Science-Fiction-Szenarios. Diese Art von beschwichtigendem und beschönigendem „Journalismus“ erinnert ganz fatal an die Berichterstattung in der Flüchtlingskrise 2015. Man darf sich nicht wundern, wenn man so dem Virus des Rechtspopulismus weiter Nahrung gibt. Das Lesen solcher Artikel macht es mir sehr schwer, die ZEIT weiter zu abonnieren, aber in der Hoffnung auf bessere ZEITEN versuche ich, in der Krise durchzuhalten. Vielleicht schaffe ich das. – Oliver Kleinmann

 

Wir sind schon wirklich weit gekommen in der Corona-Krise. Wurden abweichende Meinungen zur Größe der Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland durch das SARS-CoV-2-Virus und grundsätzliche Kritik an der Politik des Lockdowns bisher schon vom Diskurs ausgeschlossen und die Kritiker intensiv in den Medien bekämpft (haben Sie mal gezählt, wieviele „Widerlegungs“-Artikel bzw. -Videos es allein gegen Prof. Stefan Homburg gab?), so wird den Kritikern jetzt vom Chefredakteur der ZEIT vorgeworfen, dass sie mit ihrer Kritik eine „ganze Gesellschaft in Mitleidenschaft ziehen könnte(n)“. Da weiß man wirklich, wo man steht, wenn jetzt schon die ZEIT gegen die freie Meinungsäußerung zu Felde zieht! Hier noch einmal die Namen von Kritikern allein aus dem akademischen Bereich, die, wenn es nach Giovanni di Lorenzo geht, jetzt endlich mal den Mund halten, vielleicht sogar noch Abbitte für ihre Kritik leisten sollen: Prof. Carsten Scheller, Prof. Klaus Püschel, Prof. John Ioannidis, Prof. Karin Mölling, Prof. Sucharit Bhakdi, Prof. Martin Haditsch, Prof. Stefan Hockertz, Prof. Stefan Homburg (nehmen wir sicherheitshalber Prof. Hendrik Streeck auch noch dazu?).

Wo di Lorenzo allerdings die Wissenschaftler bei seiner diffamierenden Aufzählung von „Verschwörungstheoretiker(n)“, „bis dahin unauffälligen Wutbürger(n)“, Kommentatoren sowie „Politiker(n), die offenbar dem nächsten Karrieresprung entgegenfiebern“(welchem Karrieresprung fiebern eigentlich Wolfgang Kubicki und Christian Lindner entgegen?) einsortieren möchte, bleibt unklar. Vermutlich hat er ihre Äußerungen zur Sache gar nicht näher zur Kenntnis genommen. Und wenn das wesentliche Argument für den Lockdown lautet, dass „Deutschland (damit) keinen Sonderweg beschritten“ hat und es in Brasilien und den USA schlecht gelaufen ist (kein Zufall, dass Schweden nicht erwähnt wird!), heißt das nichts anderes, als dass die Mehrheit eben Recht hat, weil sie die Mehrheit ist. Um das durchzuziehen, darf natürlich mit der Minderheit nicht diskutiert, sie muss diffamiert und bekämpft werden.

Ich finde, der Corona-Mainstream in Deutschland sollte darüber nachdenken, ob hier nicht langsam das Strafrecht ‚ranmuss, um die Diskurshegemonie zu verteidigen. Um den von di Lorenzo befürchteten Schaden für die Gesellschaft zu verhindern, wäre folgender Paragraf sicher hilfreich: „(1) Wer öffentlich äußert, dass das SARS-CoV-2-Virus hinsichtlich seiner Gefährlichkeit mit Influenza-Viren verglichen werden kann oder wer öffentlich die Notwendigkeit der Politik des Lockdowns bestreitet oder in Zweifel zieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. (2) Von Strafe kann abgesehen werden, wenn der Täter sich verpflichtet, unverzüglich und dauerhaft nach Schweden auszuwandern.“So könnte es doch weitergehen, oder? – Matthias Guericke

 

Zu Ihrem Artikel ist anzumerken, dass nicht der angeblich „giftige Ton der Debatte“, die Gott sei Dank nun erwacht das Problem ist, sondern die kritiklose, gleichgeschaltete und fehlerhafte Berichterstattung der Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, aber auch Der Zeit und anderer namhafter Zeitungen. Seit Wochen werden Horrorszenarien von den Medien verbreitet, in dem man einzelne schlimme Zustände z.B. in Italien verbreitet, ohne gleichzeitig zu zeigen, dass fast alle Krankenhäuser in Deutschland halb leer standen und sogar Kurzarbeit angemeldet haben, obwohl auch jedes leere Bett mit 560 Euro von unseren Steuergeldern finanziert wird. Wo bleibt hier die ausgewogene Berichterstattung der vierten Gewalt? Es werden Statistiken des RKI verbreitet, die in keiner Weise aussagekräftig sind. Weshalb wurden diese Statistiken nie wirklich hinterfragt, weshalb werden sie nicht zerpflückt? Immerhin hat Die Zeit vor 2 Ausgaben in einer Randnotiz darauf hingewiesen, dass die Zahlen interpretierungsbedürftig sind. Weshalb wird unkritisch die Meinung des RKI, die von der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten übernommen wurde, wiedergegeben, obwohl diese Behörde permanent widersprüchliche Angaben verbreitet – von das Virus sei völlig ungefährlich bis es sei extrem tödlich, von Masken seien sinnlos bis zur Maskenpflicht?

Und Sie wissen nichts Besseres zu tun, als die nun erwachte Diskussion sofort zu tadeln, sie mit Verschwörungstheoretikern in Verbindung zu bringen und als die Gefährlichkeit des Virus verharmlosend zu bezeichnen? Ich will Ihnen sagen, die Diskussion ist in Anbetracht der Schädlichkeit und Schwere der Eingriffe in die Grundrechte und die Wirtschaft viel zu harmlos. Nicht die Gegner des Lock-down verharmlosen die Gefährlichkeit des Virus, Sie verharmlosen die Grundrechts-beschränkungen und die Eingriffe in die Wirtschaft. Da lob ich mir die Aussagen von Jens Jensen im Artikel „Zwischen Willkür und Freiheit“. Er beginnt der Haltlosigkeit der Argumentation der Regierung den Spiegel vorzuhalten. Wie er, zähle ich übrigens auch zur Hochrisikogruppe, Endsechziger und Vorerkrankungen. Und man muss nicht Wutbürger sein wenn man dies anprangert, ob dieser staatsstreichartigen Außerkraftsetzung der Grundrechte im Namen unseres (der Hochrisikogruppe) Schutzes. Ich hoffe Die Zeit findet nun schnell wieder zurück zu sachgerechter, fundierter Berichterstattung und unterlässt nicht nur die Herabwürdigung jedes Andersdenkenden in dieser Corona-Debatte, sondern lässt sie auch ausführlich zu Wort kommen. – Max Reisch

 

Letzte Woche noch war ich bei der Lektüre der ersten Seite beruhigt, dass endlich auch in der „Zeit“ die Schockstarre überwunden schien. Da war der Artikel „Ein anderes Virus“ diese Woche leider ein Rückschritt. Zwar heißt es, Zweifel und Kritik seien „nötiger denn je“. Aber letztlich wird alles, was über harmlose kritische Anmerkungen hinausgeht, dann doch pauschal in die Ecke gestellt. Wirklich kritische Fragen fehlen. Dafür wird sogar Wolfgang Schäuble kritisiert, der mit seinem Interview in eine „explosive Gemengelage hereinplatzt“. Ein Bundestagspräsident, der zu Recht darauf verweist, dass nach dem Grundgesetz die Menschenwürde und nicht der Gesundheitsschutz über allem steht, stört scheinbar doch. Wer kritisiert, wird schnell zum Verschwörungstheoretiker oder zum „Thesenretter vom Orden der Corona“ abgestempelt. Das „andere Virus“ scheint mir eher in der scheinbar allumfassenden Einigkeit zu liegen, dass der eingeschlagene Weg richtig und nicht zu kritisieren ist. Dass wir ruhig bleiben und uns mit den Einschränkungen abfinden müssen. Werden wir irgendwann „froh und dankbar“ sein über jede Lockerung und dabei vergessen, welche Freiheiten es vor der Krise gab?

Es sind nicht nur Irregeleitete, die ins Nachdenken kommen. Höchste Zeit, dass sich die Medien aus ihrem eigenen Lockdown und ihrer Selbstzensur befreien und wieder wirklich kritische Fragen stellen. Zum Beispiel die, ob denn geplant ist, die Grundrechtseinschränkungen über Jahre bestehen zu lassen (denn nur das wäre die konsequente Fortführung der bisherigen Linie „bis ein Impfstoff vorliegt“) und wann man gedenkt, der Bevölkerung hierüber die Wahrheit zu sagen. Oder die Frage, wie lange alte und behinderte Heimbewohner noch in “Einzel– oder Gruppenhaft“ gehalten und von allen sozialen Kontakten abgeschnitten werden sollen. Oder auch, warum die Kinder, die für noch Monate ihrer Unbeschwerheit und des Rechts auf Lernen beraubt werden sollen, der Kanzlerin unlängst nicht einmal eine Erwähnung wert waren. Und auch die Frage, ob es nicht scheinheilig ist, wenn dieselben Leute, für die der Gesundheits – und Lebensschutz jetzt an oberster Stelle steht, bei den Zuständen in den griechischen Flüchtlingslagern zuvor keine so strengen Maßstäbe anlegen wollten? Giovanni di Lorenzo hat recht, dass Politik derzeit oft nur nach „Versuch und Irrtum“ agieren kann. Nur ist in der derzeitigen Herrschaft der Virologen offenbar gar kein Irrtum vorgesehen. Massive Grundrechtsverletzungen aber später mit einem „Irrtum“ zu entschuldigen, wird nicht ausreichen! – Kai-Uwe Schütz

 

Vor gut einer Woche erklärte Hendrik Streeck in einer Talkshow Bemerkenswertes: „Wir müssen es wissen und Wissen kann man nur über Studien herausfinden.“ Die empirische Wissenschaftsreligion scheint einen neuen Jünger gefunden zu haben. Dem Professor entgeht dabei vollständig, dass es sich bei der Medizin um eine sogenannte Indizienwissenschaft handelt, die keineswegs die Kriterien der Wissenschaftlichkeit des galileischen Paradigmas (Experiment, Mathematik) erfüllt. Die Medizin ist eine qualitative Wissenschaft, die das Individuelle zum Gegenstand hat und somit einen Rest an Unsicherheit nicht vermeiden kann. Um dies zu umgehen wird seit den Anfängen der Neuzeit die Mathematik (Statistik, Stochastik) bemüht. Doch die Zahlen der viralen Krise folgen nicht der Korrespondenztheorie der Wahrheit: so ist eine Aussage dann wahr, wenn sie auch der Fall ist. Die Aussage zum Beispiel Die Neuinfektionen sind seit gestern wieder gestiegen bildet keine Wirklichkeit ab. Es handelt sich bei dieser Zahl ausschließlich um die Anzahl positiver Testungen und nicht um die Anzahl der Neuinfektionen.

Um das Spiel der Zahlen zu garantieren, werden auf dem Altar des Fetisches selbst liebgewonnene Gewohnheiten wie Repräsentativität, Stichprobengröße u.a. geopfert. Durch dieses Opfer (es ist nur eines unter vielen) erlangt die Zahl jedoch ihren Glanz, der uns vorgaukelt, Kontrolle über die Angst zu haben. Diese Rationalisierungen funktionieren auf dem Boden einer kaum korrigierbaren objektiven Gewissheit, die sich in der Attacke, die Giovanni di Lorenzo gegen Kritiker der Zahlenspiele reitet, offenbart: Letztere sind dann Verschwörungstheoretiker, Wutbürger, Karrieristen oder gar Quartalsirre. Die Festung der vermeintlich objektiven Gewissheit, die uns die Zahl anbietet, um unsere Angst abzuwehren, muss mit allen Mitteln, auch mit Projektionen von Pathologien (Quartalsirre), verteidigt werden. Wir leben in einer kollektiven Psychose. – Dr. R. Weber

 

Man muss weder Verschwörungstheoretiker, noch notorischer Corona- Leugner oder gar Wutbürger sein, um bei den vielen gegenwärtig von den Regierenden ergriffenen Maßnahmen großes Unbehagen zu verspüren. Das begann bei den erheblichen, wie Giovanni di Lorenzo zurecht schreibt, von der Politik keineswegs immer schlüssig erklärten Einschränkungen der Freiheitsrechte und endete keineswegs bei den nahezu überfallartig vollzogenen Grenzschließungen, von denen wir uns noch vor wenigen Wochen nicht einmal in unseren schlimmsten Träumen hätten vorstellen können, dass es sie noch einmal geben würde. Zu berichten wäre in diesem Zusammenhang beispielhaft über unschöne Ausgrenzungen von Nachbarn beiderseits der Grenze, deren Zeuge wir in unserer deutsch- französischen Grenzregion beschämenderweise wiederholt werden mussten – ein Wiederherstellung der uns vertrauten Schengen- Verhältnisse ist bis heute noch nicht erfolgt. Vor diesem Hintergrund muss man sich nicht nur Sorgen machen, ob es nach der Krise noch einmal ein Zurück zum Davor geben wird, sondern auch wann dies im besten Fall sein könnte. Über Lockerungen und auch Aufhebungen von Maßnahmen zu sprechen, ist daher nicht nur legitim, der Diskurs ist vor dem Hintergrund der in unserer jüngeren Geschichte beispiellosen Einschränkungen der Freiheitsrechte, der damit einhergehenden drohenden Vernichtungen von Existenzen, aber auch der erfreulich positiven Entwicklung der Infektionszahlen in Deutschland längst überfällig.

Diesen Diskurs so lange Zeit nicht geführt, ja ihn streckenweise verweigert zu haben ( Öffnungsorgien ), mag je nach Betrachtung ein eklatantes Versagen der Politik gewesen sein. Ihn noch dazu bei fast völligem Ausfall der politischen Opposition nicht viel vehementer eingefordert zu haben, sollten sich viele Medienvertreter allerdings auch selbst zum Vorwurf machen. Dies gilt ebenso für einen relativ kritiklosen Umgang mit biometrisch häufig sehr fragwürdigem Zahlenmaterial und eine weitgehende Einengung der Berichterstattung auf das Meinungsspektrum der Regierungsexperten, selbst als offenkundig wurde, dass deren rein wissenschaftlich geprägtes Vorstellungsvermögen mit der Lebenswirklichkeit immer weniger kompatibel war. Dies führte in der Summe zwar zu einer recht konsistenten Legitimation des Regierungshandelns, abweichende Einschätzungen waren in der Berichterstattung aber eher unterrepräsentiert, ja vereinzelt wurden sie auch schon einmal als verantwortungslos diffamiert. Dabei hätten zum Beispiel die Erfahrungen in Schweden durchaus eine eingehendere Betrachtung verdient gehabt – und haben sie sicherlich noch. Wenn also jetzt von einer zunehmenden Giftigkeit der Debatte die Rede ist, mag das auch daran liegen, dass es für manchen mittlerweile um die blanke wirtschaftliche Existenz geht.

Viele von uns Lesern werden solche Fälle persönlich kennen, man kann dafür durchaus Verständnis haben. Auch Ihre Belange müssen in der gegenwärtigen Diskussion Berücksichtigung finden, meist sind sie es nämlich, die unseren Wohlstand erwirtschaften und mit ihren Sozialabgaben maßgeblich dazu beitragen, dass unser Gesundheitssystem diese Krise bisher so gut bewältigen konnte. Eine genuine Aufgabe der Medien würde mithin darin bestehen, die Gründe für diese an sich nachvollziehbaren Emotionen aufzugreifen und einer Versachlichung zuzuführen. Mag sein, dass Deutschland im Gegensatz zu Schweden keinen Sonderweg beschritten hat, ein besonderer Verdienst ist dies zunächst noch nicht. Ob das Land jetzt gut aus der Krise kommt, wird sich erst noch zeigen müssen. Wir alle können das natürlich nur hoffen, Augenmaß und auch ein wenig Mut werden wir dafür aber schon benötigen. Und ja, vielleicht auch ein Überdenken bestimmter gesellschaftlicher Koordinaten, weshalb auch die Anmerkungen von Wolfgang Schäuble keineswegs zur Unzeit kommen – vielleicht hatten wir bisher nur immer Angst, uns mit solchen Themen auseinanderzusetzen? – Dr. Th. Schmitz

 

Herr di Lorenzo schreibt (auf Seite 1!) „Tatsächlich hat das Land leicht verspätet, aber dann doch effizient reagiert…“ Kennt Herr di Lorenzo die Fakten nicht? Bereits am 6. Januar 2020 warnt die WHO vor einer globalen Gesundheitsgefahr. Mehr als zwei Wochen später (22. Januar) ist Herr Spahn der Ansicht Fiebermessungen an Flughäfen in Deutschland wären unverhältnismäßig.“ Am 30. Januar erklärt die WHO die Coronavirus-Epidemie zum internationalen Gesundheitsnotstand. Am 12. Februar wiederholt Herr Spahn „Fiebermessen an den Flughäfen macht keinen Sinn.und das dem Gesundheitsministerium unterstehende RKI schätzt die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch Coronaweiterhin als gering ein. Weitere zwei Wochen später (26. Februar) wendetsich Herr Spahn gegen das pauschale Absagen von Großveranstaltungen. Am 10. März treten in Österreich Beschränkungen des Reiseverkehrs in Kraft.

Am 13. Februar 2020 lehnt Herr Spahn nationale Alleingänge bei Einschränkungen des Reiseverkehrs von und nach China – wie sie etwa Italien oder Österreich verhängt hatten – ab. Ich höre an dieser Stelle auf, die massiven Versäumnisse und Fehler der deutschen Politik in der Coronakrise weiter darzustellen, das wäre ermüdend und müßig (ganz zu schweigen von der Bundestags Drucksache 17/12051 vom 3. Januar 2013!). Man kann das überall da nachlesen, wo Journalisten an Fakten interessiert sind. Und falls man der Ansicht ist, dass „Land“ läge (z.B. in einer dubiosen Rangliste der Deep Knowledge Group, in der China (!) auf Platz fünf liegt) im internationalen Vergleich ganz weit vorne, dann schaue man sich an, wie überragend Taiwan (immerhin im Gegensatz zum „Land“ in sehr direkter Nachbarschaft zum Ausbruchsland China) mit der Krise umgegangen ist: Noch nicht einmal als 500 bekannte Infektionen, weniger als zehn Todesfälle (bei fast 24 Millionen Einwohnern) und bisher hat das Virus dort auch keine größeren Auswirkungen auf die Wirtschaft gehabt, die auf Faktoren im Inland zurückzuführen wären; keine einzige Schule oder Universität oder sonstige öffentliche Einrichtung wurde bisher geschlossen, es wurden sogar Präsidentschaftswahlen während der Krise durchgeführt. Warum ignoriert Herr di Lorenzo diese Fakten? Bezeichnend ist auch, dass er die Verantwortlichen für dieses Versagen, die Bunderegierung und die Landesregierungen, nicht beim Namen nennt, sondern vom „Land“ spricht. Was hat das noch mit ernst zu nehmendem Journalismus zu tun?

Das fragt man sich auch angesichts des zweiten o.g. Artikels, der die Frage stellt, ob die Kritik an der WHO berechtigt ist. Es soll wohl irgendwie der Versuch unternommen werden, die WHO gegen diese Kritik zu verteidigen. Eine Antwort auf die gestellte Frage sucht man allerdings letztendlich in diesem Artikel vergeblich. Hinweise auf Taiwan sucht man dort auch vergeblich, das würde wohl nicht zur Absicht des Artikels passen. Aufgrund der unterwürfigen Haltung gegenüber China ist Taiwan von fast allen internationalen Organisationen ausgeschlossen, dazu gehört auch die WHO. Selbst in der derzeitigen Ausnahmesituation konnten, soweit bekannt, bislang nur in einem einzigen Ausnahmefall Fachleute aus Taiwan in Genf ihr Fachwissen vorbringen. Am 11. und 12. Februar „durften“ taiwanische Mediziner an einem Fachforum zum Umgang mit dem Virus teilnehmen. Aufgrund der Erfahrungen mit dem Sars-Virus im Jahr 2003 war in Taiwan eine für solche Fälle bestimmte Institution gegründet worden, die „Nationale Gesundheits-Kommando-Zentrum“ (NHCC) fungiert seither als zentrale Koordinationsstelle, der einige Unter-Organisationen unterstehen. Zu diesen gehört das ebenfalls aufgrund der Sars-Erfahrungen neugegründete „Zentrale Kommandozentrum für Epidemien“ (CECC), das „Kommandozentrum für biologische Pathogene“, das „Kommandozentrum für Bioterrorismus“ und das „Zentrale medizinische Notfall-Operationszentrum“.

Warum gibt es solche Organisationsstrukturen in unserem „Land“ nicht? Zumindest seit der oben erwähnten BT 17/12051. Ich vergaß, mit dem betreten von Neuland tut sich unsere Kanzlerin bekanntlich etwas schwer, und entsprechend tut unsere Regierung aktuell auch gerne so, als befänden wir uns gerade inmitten eines höchst unvorhersehbaren Science-Fiction-Szenarios. Diese Art von beschwichtigendem und beschönigendem „Journalismus“ erinnert ganz fatal an die Berichterstattung in der Flüchtlingskrise 2015. Man darf sich nicht wundern, wenn man so dem Virus des Rechtspopulismus weiter Nahrung gibt. Das Lesen solcher Artikel macht es mir sehr schwer, die ZEIT weiter zu abonnieren, aber in der Hoffnung auf bessere ZEITEN versuche ich, in der Krise durchzuhalten. Vielleicht schaffe ich das. – Oliver Kleinmann

 

Herzlichen Dank für diese differenzierte Betrachtung der aktuellen Lage. Allerdings gibt ein allgemeines Lebensrisiko, dem wir alle ohnehin ausgesetzt sind. Sicherlich möchte niemand mit einem Krankheitserreger infiziert werden, aber sehr viele nehmen es in Kauf, unabhängig von der Corona-Pandemie, genauso, wie sie auch am Straßenverkehr teilnehmen. Und sie tun das, weil die Vorteile, wie z.B. das Bestreiten des Lebensunterhalts oder die sozialen Kontakte, das abstrakte Risiko einer Infektion in den Hintergrund treten lassen. Dieses Risiko ist auch im Hinblick auf eine Erkrankung an Covid19 gering und damit hinnehmbar, zumal die Symptomatik in den allermeisten Fällen nicht schwerwiegend ist. Deshalb gilt einmal mehr und spätestens jetzt: Risikogruppen schützen, allgemeine Beschränkungen aber weitgehend abbauen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass es unseren Politikern schwerfällt, Fehler zu korrigieren. Sie können offenbar noch auf große Unterstützung aus der Bevölkerung hoffen. Beeinflusst sie das in ihren Entscheidungen ähnlich wie die mittlwerweile zu Politikern gewordenen Virologen? Dann wäre es ein argumentum ad populum. – Dr. Bernhard Suermann

 

Ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich vom „Bündnis 90/Die Grünen“, mehr als enttäuscht bin. Jetzt in dieser menschenunwürdigen Coronavirus-Pandemie, da kommt einfach nichts zum Thema Grundrechte und auch nichts mehr zum Thema Umweltpolitik. Außer dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann („Noch-Grüner“), der auch leider noch gemeinsame Sache mit dem Ministerpräsidenten von Bayern Markus Söder (CSU), in der soganannten Südschiene macht, gibt es da kaum noch ein weiteres Lebenszeichen. „Bündnis 90/Die Grünen“, wo seit ihr bloß abgeblieben? Wo habt ihr euch versteckt? Da lob ich mir doch Wolfgang Kubicki, Sabine Leutheuser-Schnarrenberger und Christian Lindner, alle keine „Super-Grünen“ und auch nicht in der Regierung, aber die „schießen“ wenigsten noch kreuz und quer um sich, und diese drei, die haben die eigentliche „Aufgabe“ des Bündnis 90/Die Grünen übernommen, meine Hochachtung, ihr FDP´ler! – Riggi Schwarz

 

Sie haben es ja meisterlich verstanden in Ihren Artikel ganz geschickt die Corona – App einzubauen und somit, wie von der Regierung gewünscht, die Bevölkerung darauf einzustimmen. Von der ZEIT würde ich mir eigentlich etwas mehr Einsatz wünschen für den Erhalt unserer freiheitlichen Grundordnung. Widersprechende Meinungen als Verschwörungs- und Wutbürgertheorien abzutun, da macht man es sich leicht. Ich bin zornig , aus Sorge allerdings . Aus Sorge um unseren Rechtstaat. Das gebetmühlenhafte Hinweisen darauf: <Wenn dann mal der Impfstoff da sein wird> , wird bei Ihnen in der ZEIT ja auch gehorsamst befolgt.

80% der Bevölkerung wird sich (und die Kinder) freiwillig impfen lassen.Doch der Rest von Freidenkern muß zwangsgeimpft werden, denn erst bei ca 95% Geimpften ist ist eine Immunisierung da. Ist Ihnen die Ungeheuerlichkeit bewußt, dass eine Impfpflicht ein massiver Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit bedeutet, noch dazu mit einem Impfstoff ,der , wie Gates in der Tagesschau sagte , neuartig ist und in dieser Art noch nicht gab. Ein tolles Menschheitsexperiment. 33.000.Menschen sterben jährlich an resistenten Keimen (siehe <Ende der Antibiotika> im NDR 17.9.19) , da die Forschung an neuen Antibiotika für die börsenorientierten Pharmkonzerne nicht lukrativ ist . Wenn einem das nicht zu denken gibt… – D.Sandritter

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Patriarchat lebt!“ und „Zurück in der Männerwelt“. Streit von Julia Jäkel et al.

 

Frau Jäkel beklagt in der Corona-Krise die „männliche Expertendominanz“ (Hensel) der Virologen, Ökonomen usw. Ich bin etwas ratlos. Meines Wissens ist es in Deutschland doch keiner Frau verwehrt, Medizin, Mikrobiologie, Mathematik oder Wirtschaftswissenschaften zu studieren und es durch Fleiß, harte Arbeit und Zielstrebigkeit zu einer international respektierten Expertin zu bringen. Ich frage mal ganz vorsichtig: fehlt nicht bei vielen Frauen vielleicht einfach auch der Wille, diesen mühseligen, steinigen Weg zu gehen? – Josef Vogt

 

Ja, da zeigt es sich, das wahre Gesicht der Männer Emanzipation, war doch immer so schön bequem hier! Ich habe einmal als Malerin mit Förderschulkindern im Alter von 12 / 13 Jahren ein großes Gemeinschaftsbild gemalt. Die Rollen waren auch da schon klar verteilt: Jungs stellten den Keilrahmen her, Jungs und Mädchen rührten die Pigmentfarben an, Mädchen wuschen die Pinsel aus und räumten auf. Plötzlich bemerkte eine Zwölfjährige (fast im Originalton) „Jungs sind nicht emanzipiert!“ Ich traute meinen Ohren nicht, warum war sie auf der Förderschule? Dann erklärte sie: „ Jungs müssen immer gesagt bekommen, was gemacht werden muss, nie schauen sie, was zu tun ist.“ Männer, emanzipiert euch endlich! Im Sinne von Frau Merkel: Probleme von hinten lösen! – Anne Wirtz

 

Ich wollte nur auch mal eine andere Sichtweise beitragen. Mein Mann ist nämlich derjenige, der sich schon immer um unsere beiden Kinder (morgen 6 und 7) kümmert. Ich bin Partner in einer Großkanzlei. Und so ist mein Mann derjenige, der Lehrer, Koch und Putzteufel ist – während ich im Homeoffice verschwinde und nur zu den hervorragenden Mittagessen das Zimmer verlasse (und für die Klavierstunde meines Sohnes, die per Zoom weiterläuft). Die Situation ist so außerordentlich und surreal wie sie leider eben ist. Nicht alle Entscheidungen können wir nachvollziehen, wie auch – ohne Daten keine Basis… Aber wir stemmen uns weiterhin gegen das Patriachat. – Mathias & Anna Masser

 

Welch überaus gute Idee, der großartigen Pippi Langstrumpf nicht nur mehrere Seiten, sondern sogar den Titel zu widmen! Und den Frauen von Seite 10 möchte ich (hier steht schon die Überschrift „Streit“) zurufen: Macht es wie sie! Lehnt euch auf, legt die Füße auf den Tisch! Irgendwann werden die Männer schon merken, dass es daheim Wäsche zu waschen, eine Spülmaschine auszuräumen und Schularbeiten nachzuschauen gibt! – Birgit Wolters

 

Diese Seite hat mich dann doch etwas ratlos zurückgelassen. Wow, mich hat es doch etwas überrascht, in welcher Welt einige doch leben. Was sollen mir diese „Rufe“ sagen? Dass diese Frauen nach vielen Jahren erst merken, den falschen Mann geheiratet zu haben? Manche Mutter erst nach 17 Jahren merkt, ihren Sohn nicht zu einem hilfsbereiten Menschen erzogen zu haben? Oder will hier eine Jura-Professorin mit sicherem Job mein Mitleid für ihr so hartes Leben? Soll der Chirurg in diesen Zeiten zu Hause bleiben, weil die Ehefrau gerne ihr selbständige Tätigkeit ungestört von den drei eigenen Kindern weiter nachgehen will? Weil gerade keine Unfallopfer reinkommt? Dann schalte ich den Fernseher ein und sehe Beiträge über Selbständige, die dabei sind unverschuldet ihre gesamte Lebensleistung zu verlieren, über indische Familien, die mit sieben Personen in einem Raum leben müssen, trotz Angst vor Corona zum Arbeiten gehen müssen und mehrere Kilometer zur nächsten Wasserentnahme haben sowie über zahlreiche Corona-Tote in New York, dem Inbegriff einer fortschrittlichen Stadt.

Oder ich lese in der aktuellen „Die Zeit“ über Hausärzte in Italien, die von den Behörden alleine gelassen werden und an Corona alleine sterben mussten, weil sie sich ihren Patienten gegenüber verpflichtet fühlen. Und da hält sich mein Mitleid mit diesen Frauen doch sehr in Grenzen und ich sagen ihnen: Lasst euch scheiden, wenn ihr mit euren Männern unzufrieden seid! Erzieht eure Söhne richtig, dann werdet ihre auch nicht allein gelassen! Wie wäre es einmal fünf Minuten nicht auf die Karriere zu schauen und z.B. die Autorentätigkeit hinten anzustellen und sich dafür um die selbst in die Welt gesetzten Kinder zu kümmern! Seien sie ein bisschen demütiger dafür, dass sie im Gegensatz zu anderen Selbständigen einen Mann haben, der seine Arbeit gerade nicht verliert! Wie lang läuft der Shut Down schon? Zwei Jahre? Oh, nein nur sieben Wochen! Das kann ja was werden! – Jens Kruse

 

Die Geschichten der Frauen haben mich berührt. Aber – wenn beide gerne ihren Beruf ausüben und beide gerne gemeinsame Kinder haben möchten, dann hätten beide vorher einige Dinge abklären und beschließen sollen. Alle 7 Frauen klagen mir als fremden Leser ihr Leid; sie sollten (meine Empfehlung: müssen) ihre Texte IHREN Männern zum Lesen geben und mit ihnen reden um einige Dinge nachträglich abzuklären und Beschlüsse zu fassen, um das Zusammensein „schmerzfreier“ zu gestalten. – Klaus Prinz

 

Mit großer Verwunderung und Unverständnis habe ich den Artikel gelesen. Da müssen sich die Frauen nicht wundern , das “ die Männer “ im Haushalt nichts tun. Es gibt einen schönen Spruch zu diesem Thema “ Einmal blöd angestellt , für immer Ruh “ . Das scheint für viele Männer die passende Taktik zu sein , um sich vor den häuslichen Pflichten zu drücken . Und solange das funktioniert, werden die Männer einen Teufel tun, das zu ändern. Diesen Text schreibt übrigens ein Mann , der bereits als Kind im elterlichen Haushalt mit anpacken musste , da beide Elternteile berufstätig waren . Das praktiziere ich , mittlerweile Vater einer neunjährigen Tochter , auch . Die Kinder müssen möglichst früh Verantwortung im Haushalt übernehmen . Das beinhaltet auch , dass wir unserer Tochter “ einimpfen “ , dass Sie später die Hausarbeit aufteilt. Nur so kann eine Änderung in der Gesellschaft stattfinden. – Heiko Labusch

 

Die Kinder würden immer nur „Mama, Mama, Mama…“ sagen, so war im Artikel „Das Patriarchat lebt!“ zu lesen. Logisch, wenn vor allem die Mama sich um sie kümmert, egal, aus welchen Gründen. Unsere drei Jungs waren 7,6, und 1 als ihre Mama vor ein paar Jahren starb, davor war etwas mehr „Mama“ und etwas weniger „Papa“ zu hören, seitdem höre ich „Papi, Papi, Papi…“, sagen wir gefühlte 1000 Mal am Tag. Warum ich das schreibe? Um den Väterkollegen, die es gar nicht so übel finden, dass im Homeoffice immerzu die Mama belangt wird, zuzurufen: Hey, rauft euch mit Euren Kindern zusammen, stellt euch dieser großen Anstrengung, der sich eure Frauen schon immer stellen, und freut euch an dem großen Reichtum, den eine tiefe Bindung zu den Kindern in Euer Leben bringen wird! – Stefan Schwarzer

 

Die Corona-Krise forciert nur das uralte strukturelle Problem der meisten Paare mit Kindern. Viele Frauen aus den Beispielen geben an, in Teilzeit zu arbeiten bzw. nicht die Hauptverdienerin zu sein. Solange weiterhin nur die Frauen im Beruf kürzer treten, um sich dann zu Hause unbezahlt um Haushalt und Kinder zu kümmern, wird sich dieses Modell in Krisenzeiten weiter verfestigen, gerade wenn dann mögliche „Auslagerungen“ wie Putzfrau und Kita wegfallen. Mein Mann und ich (beide Lehrer) arbeiten 75% und teilen uns Haushalt wie Kinderbetreuung. Man kann jetzt wieder über die privilegierten Lehrer schimpfen oder darüber nachdenken, ob es denn wirklich so unmöglich ist, auch in der Wirtschaft wirklich flexible Arbeitsstrukturen für Männer und Frauen zu schaffen. Diese müssen aber von beiden Geschlechtern eingefordert werden. Solange sich alle in Ausreden flüchten („Er hat den Haushalt eben nicht so im Blick/Die Kinder brauchen mich ja“ vs. „Das wäre gerade in meinem Unternehmen undenkbar“), ist die Gleichberechtigung eben nur behauptet. – Kristin Hugo

 

Ich möchte Ihnen allen zurufen: Ja, was denkt denn ihr? War es jemals anders? Und erst jetzt merkt ihr das?? Zunächst aber ein Dankeschön! Ohne SIE ginge nichts in dieser Gesellschaft! Danke! Dies betrifft jede einzelne von Ihnen! Mich erstaunt sehr, dass Ihre Generation – Sie sind alle fast 20 Jahre jünger als ich – immer noch mit den gleichen Unwegbarkeiten kämpfen muss wie andere vor Jahrzehnten. Dachte denn nicht die „Alice-Schwarzer-Generation“, dass das mal der Vergangenheit angehören muss?? Selbst bin ich verheiratet, kinderlos, aber ich habe es auch nicht wirklich forciert, keine technischen, chemischen oder gar kalendarischen Hilfsmittel angewendet. Denn: schon in Kindheit und Jugend sah ich das Leben meiner Mutter: 6 Kinder, Schwiegerelten mit im Betrieb, Selbstständigen Unternehmen, riesiger Garten, Arbeiten ohne Ende, kein Geld, kein eigenes Leben, keine Hobbys, Urlaub-Freizeit ein Fremdwort. Definitiv wollte ich anders leben. Ja, auch ich kaufe hauptsächlich ein, koche, wasche, aber zum Putzen leiste ich mir Unterstützung, das hasse ich eben am meisten. – Katharina Steinrücke

 

Was ist denn das für ein Gejammer. Ja liebe Frauen, wir sind halt systemrelevant – und wir wollen es auch sein – und (tatsächlich) es macht uns im Kern auch Spaß – und wir können es! Jetzt wäre es einfach an der Zeit, uns diese Arbeitsleistung auch bezahlen zu lassen! Erst dann wird es wahre Gerechtigkeit geben! Emanzipation 2.0 – Birgit Siller

 

Zum Thema: „Das Patriarchat lebt!“, sträuben sich mir die Haare. Als Kinder- und Jugendsozialarbeiterin bin ich seit Jahren mit den „Haben“ Kindern konfrontiert. Kinder, die „angeschafft“ werden, um sie als Statussymbol zu besitzen, um eigene Lebensträume an ihnen abzuarbeiten, um sich über sie Vorteile bei der staatlichen Geldverteilung zu sichern, um im familiären Erbenranking gute Plätze zu ergattern oder weil es der Tradition entspricht. Ich fürchte die Aggression der Betroffenen und möchte daher nicht mit meinem Namen erwähnt werden. Corona,O…Corona, der Arme an der Ecke ist seinen Job los und muss eine Frau und vier Kinder versorgen. Plötzlich zu wenig Geld ? Die Kollegin mit den sechs Kindern in der viel zu kleinen Wohnung will jetzt endlich eine große Wohnung für all die Rentenzahler, die sie und ihr Mann dem Staat schenken. Plötzlich zuwenig Platz ? Und all den Paaren, mit dem durchgeplanten Berufs- und Familienleben verreckt der Spezialistenturbo. Plötzlich gar keine Zeit ? Und dann,…. Hoppalla, rutscht auch noch die Hand aus, wegen Corona. Oder die Faust. Oder das Messer. Plötzlich gewalttätige Menschen, die Lieben ? Warum wissen die Leute,- (Männer und Frauen und auch alle anderen) erst von Corona, dass sie weder Geld, noch Platz, noch Zeit, noch Liebe und Geduld und Anerkennung für Familie erübrigen können. Und wollen ? Der Arme verfluchte mich schon, die Kollegin redet kein Wort mehr mit mir und jetzt ziehe ich den Schwanz ein vor all den einflussreichen Menschen, die Kinder bekommen, um sie zu „haben“ und bleibe anonym. Als sozialpädagogische Facharbeiterin wünsche ich allen Kindern Eltern, die sie bekommen, weil sie ihr Leben mit ihnen teilen möchten. Egal ob Mutter oder Vater. – Eveline Mai

 

Danke für das Stück „Das Patriarchat lebt“. Insbesondere die Geschichten der Kassiererin und der Polizisten fand ich endlich einmal erhellend. Nach der Flut an Akademiker-Berichte aus dem Homeoffice (Im Einleitungstext heißt es ja auch hier wieder irreführend“Berichte aus dem Stresstest Homeoffice“) endlich einmal, wenn auch nur angedeutet, die Sicht vom Menschen, die noch immer auf die Arbeit gehen müssen. Und jeden Abend nach Hause kommen mit der Angst, ihre Familie mit der Krankheit anzustecken. Wenigstens zwei von sieben Geschichte bilden diese Realität endlich einmal ab. Leider gibt es daneben wieder die Jura-Professorin, die mit ihren Kindern im Homeoffice ihre Buchprojekte nicht fertig bekommt und deswegen eine Debatte möchte, dass das ja nicht gehe. Statt die Debatte – als Jura-Professorin und regelmäßige Gastautorin der Zeit ja machbar – mit einem Argument mal zu erweitern (oder nach ihrer Ansicht zu eröffnen), fordert sie einfach nur, dass andere bitte mal Diskurs machen und zu ihrem Ergebnis kommen. Das das schon wieder so viel Raum bekommt, finde ich entäuschend. Trotzdem überwiegt die Freude über die beiden kleinen Lichtblicke, nochmals Danke. – Daniel Woitoll

 

Den oben genannten Artikel habe ich am Ende der Lektüre etwas nachdenklich beiseitegelegt. Warum ist der Artikel mehr oder weniger nur auf die heutige Coronasituation reflektiert worden? Nur zu schreiben, dass das Patriachat lebt, ist zu wenig. Ich habe lange im Homeoffice gearbeitet, eben weil ich zwei Kinder versorgen musste und einiges kam mir bekannt vor. Die Erschöpfung ist vorprogrammiert, wenn Frau allem gleichzeitig gerecht zu werden versucht. Allerdings ist viel mit gutem Zeitmanagement der ganzen Familie und Entgegenkommen der Arbeitgeber zu schaffen. Und, ganz wichtig, Frau muss ihre Grenzen setzen und diese auch wiederholt einfordern. Wichtig ist doch, dass wir Frauen uns zur Wehr setzen müssen gegen die Doppelbelastung durch Arbeit und Beruf bei schlechterer Bezahlung und weniger Aufstiegschancen im Vergleich zu unseren Ehemännern. Das wir Grenzen beruflich wie privat setzen müssen, das habe ich aus dieser Zeit mitgenommen. Frauen haben von je her mitgearbeitet.

Aussagekräftiger wäre für mich gewesen, wenn hier nicht nur junge Frauen, sondern auch die Generation der Mütter und Großmütter beleuchtet würde. Für mich stellt sich auch die Frage, ob Frauen heute weniger belastbar sind als früher. Denn da haben diese im Arbeitsprozess ohne Waschmaschine, Geschirrspüler und Saugroboter gestanden. War vielleicht die Erziehung der Kinder konsequenter oder strenger? Oder war der Familienrahmen durch helfende Großeltern pp besser „bestückt“? Der Schrei nach staatlicher Hilfe/ Kindergartenöffnung ist menschlich verständlich. Aber wir sollten nicht vergessen, dass geschlossene Kindergärten und Schulen durchaus auch Kindern ein wenig ruhigere Zeit bietet, in der sich deren Eltern hoffentlich um sie liebevoll kümmern, wenn das „homeoffice“ in die Randzeiten des frühen Morgens, während des Mittagsschlafs der Kleinen und den Abend gelegt werden. Anstrengend für die Eltern? Auf jeden Fall, man muss sich natürlich neu organisieren als Familie. Ein kleiner Trost: Für die heutigen Mütter gibt es ein Ende, für die Generationen davor gab es nur durchhalten in puncto Kinderbetreuung. – Sibylle Schwandt

 

Oberfläche, Gutes und Schlechtes. Durch den Sturm, der über die Welt fegt, verschwindet die dünne Schicht des weiblichen Einflusses in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und die stabile Phalanx männlicher Macht tritt wieder offen zu Tage. Wie Phönixe aus der Asche steigen die alten wei(ß)sen Männer hervor und retten die Welt. Gutes Beispiel ist das Expertenteam der Leopoldina, das aus 24 Männern und zwei Frauen besteht, Durchschnittsalter 60 Jahre. Und wie Fr. Celia Parbey richtig sagt “ Eine Gruppe von Männern wird in Diskussionen den Schwerpunkt auf Themen setzen, die sie als Männer für wichtig halten„. (https://ze.tt/leopoldina-warum-expertinnenteams-zu-homogen-sind-corona-krise) Dabei sind es die Frauen, die alles am Laufen halten, ohne die nichts mehr funktionieren würde. Aber warum streben Frauen nicht nach Macht sondern nach mächtigen Männern? Ich weiß es nicht, ist es Erziehung, Bescheidenheit, Unvermögen, mangelndes Selbstwertgefühl? Freiwillig werden die derzeit Mächtigen jedenfalls nichts abgeben, das müssen wir Frauen uns schon holen. Wir bleiben am Ball! – Katrin Schobig

 

Ja, ja, die Wirklichkeit. Vielleicht wäre es ja besser gewesen, Frau Jäckel wäre ihrem ersten Instinkt treu geblieben und hätte sich nicht zu dem Thema geäußert. Mit Ihren Einlassungen hat sie nun aber ein Werteverständnis formuliert, daß Fragezeichen bis Kopfschütteln auslöst. Man könnte fast annehmen, daß vor lauter beruflicher Karrierefixierung der Blick für vieles andere Wesentliche verloren gegangen ist. So ehrenwert ihr Einsatz und ihr Fördern von Frauen auch ist, so erschreckend ist ihre deutlich zum Ausdruck gekommene Geringschätzung für all solche Tätigkeiten, die außerhalb der Berufs- und Karrierewelt liegen. Aber ggf gehöre ich zu den Lesern, von denen Frau. Jäckel befürchtet, „daß man mich missverstehen könnte“.

Besser wäre es gewesen, hätte Frau Jäckel sich Frau Allmendinger anschließen können und viel deutlicher wertgeschätzt, „daß es vor allem Frauen sind, die seit Wochen dafür sorgen, daß es ….. irgendwie läuft“ . Ja, stimmt, absolut richtig. Nur, warum sieht Fr. Jäckel in dieser außerordentlichen Leistung der Frauen kein Verdienst, sondern etwas geringerwertiges, warum findet sie dafür keine Wertschätzung, sondern eher Mitleid, warum fordert Sie dafür nicht soziale und materielle Anerkennung ein, sondern beklagt statt dessen einseitig, daß diese Frauen möglicherweise den nächsten Karrieresprung verpassen. Hallo !? Wieso ist denn Karriere machen um so viel erstrebenswerter als privates & nachbarschaftliches Krisenmanagement, oder erstrebenswerter als soziale und gesellschaftliche Wertbeiträge, die gerade in dieser Krisenzeit so dringend benötigt werden? Wer so einseitig die berufliche Karriere aufwertet, und es als „bitter“ empfindet, den nächsten Karrieresprung zu verpassen, der hat offenbar nicht so viel übrig, für das, was all diese Frauen anstelle von beruflicher Karriere an sozialen und gesellschaftlichen Wertbeiträgen zum Wohl von Kindern, Familien, Lebensgemeinschaften, Nachbarschaften leisten. Sind nur Karrierefrauen glückliche Frauen ? Sind diejenigen Frauen, die jetzt alles am laufen halten minderwertig, so ganz ohne Karriere ? Sind diese Frauen tatsächlich „weniger weit, als wir gedacht haben“ ? Ist das die Wirklichkeit ? Meine nicht. – Hans-Joerg Glass

 

Mir geht es wie Ihnen. Es fällt einfach auf, dass die Männer in der Krise präsenter sind, weil wichtige Positionen (wie Experten und Länderchefs) i.d.R. von Männern besetzt sind. Bei der Politik ist es leider so, dass Frauen sich viel weniger in Parteien engagieren als Männer. Es würde sich doch lohnen das näher zu untersuchen. Bei den Grünen zum Beispiel, die Sie wohl nicht zu den Volksparteien zählen, sieht das Verhältnis Frauen zu Männern wesentlich besser aus. Was hindert Frauen daran Mitglied einer Partei zu werden? Selbst bei einem konservativen Haushalt (Mann arbeitet und Frau kümmert sich um Kinder und Haushalt) gibt es keinen Grund, warum eine Frau nicht in eine Partei eintritt und ggf. an auch Sitzungen teilnimmt. Männer machen nur selten Frauenpolitik. Wenn Frauen auf politische Teilhabe verzichten, wird sich wenig ändern. Es ist wichtig, dass Frauen präsenter werden, nicht nur für sich selbst, sondern für die Gesellschaft im Allgemeinen. – Jochen Schlick

 

Sehr dankbar bin ich. Dankbar dafür, dass Sie sich durchgerungen haben, Ihre Zeilen zu schreiben und sie in der ZEIT und über die digitalen Kanäle zu veröffentlichen! Dankbar dafür, dass Sie sich die Zeit und Energie dafür genommen haben, denn sicher sind Ihre Tage derzeit mit vielen anderen höchstwichtigen und dringlichen Aktivitäten ausreichend gefüllt. Sie stehen als großes Vorbild. Auf individueller Ebene und als erfolgreiche Gestalterin egalitärer Strukturen. Ich wünschte sehr, dass wir diese gesamtgesellschaftlich hätten, zumindest weiter wären als wir sind. Sehr hätte ich mir auch gewünscht, in ähnlicher Form wie Sie dazu beitragen zu können. Nun, auch wenn sich die Lage mehr als ernüchternd darstellt… Vielleicht ist es auch eine Chance, dass es jetzt so sichtbar wird. Sich der Handlungsbedarf und die Handlungsfelder nochmals deutlich zeigen. Es bleibt ein „großes Paket“. Es betrifft jeden Lebensbereich.

Es geht über das hinaus, was jede(r) Einzelne von uns tun kann. Immerhin gibt es schon viele Initiativen an vielen verschiedenen Stellen. Wie lassen sich diese zusammenführen, so dass es zu einer wirklich großen Bewegung wird? Sie haben mit Ihren Zeilen sichtbar gemacht, aufgezeigt und einen Anstoß gegeben. Das ist großartig! Wie können wir in einem nächsten Schritt die Resonanz nun bündeln und positiv nutzen? Ich schreibe Ihnen sehr spontan und aus dem Bauch heraus direkt im Anschluss an das Lesen Ihrer Zeilen. So habe ich ad hoc keine konkreten Handlungsideen. Es bräuchte eine gesamtgesellschaftliche Bewegung. Eine, die all die verschiedenen Bereiche umfasst. Und sehr viele konkrete Einzelmaßnahmen. Hier und heute möchte ich Sie erstmal wissen lassen, dass ich als Schwester im Geiste an Ihrer Seite stehe. Und Ihnen nochmals für Ihre Zeilen danken! Wenn sich die Gelegenheit ergibt, etwas gemeinsam zu tun, freue ich mich! – Jelena Jenzsch

 

Ich habe lange gezögert, ob ich diese Stellungnahme schreiben sollte. Bin aber jetzt zum Schluss gekommen, mich doch zu diesen verschiedenen Briefen der Leserinnen zu äußern. Ich bin 1944 als jüngstes Mitglieder der Familie in einem Haushalt mit drei Geschwistern, geführt von einer selbstbewußten hanseatischen Kauf – und Ehefrau, groß geworden. Die Familie hat privat sehr viel Höhen und Tiefen überstehen müssen, mittendrin stand die genannte Ehefrau, Mitarbeiterin und Mutter. Ihren letzten Arbeitstag beendete sie 1981 mit 75 Jahren. Ich selber habe bereits 1970/1971 in der wunderschönen Stadt Leer unser Kind zum Erstaunen vieler Ostfriesen im Kinderwagen durch die Stadt geschoben. Des wegen kann ich viele Klagen der Leserinnen nicht verstehen, u.a., wenn eine der Leserinnen erstaunt über die Frage ihres 17 – jährigen Sohnes ist, welchen Mülleimer sie meint? Ich wußte dies bereits mit 10 Jahren. Habe ich da irgendetwas nicht verstanden. Ist der Sohn in enem anderen Haushalt groß geworden?

Wer erzieht die Macho dieser Welt?Sicherlich nicht nur in Familien mit Migrationshintergrund ist dies üblich. Was meinen die Damen, wie dieser 17 -jährige junge Mann demnächst in seiner eigenen Beziehung mit seiner Lebenspartnerin umgeht? Haben sich die Damen einmal überprüft, wie unterschiedlich sie sich gegenüber ihren Söhnen und ihren Töchtern verhalten, auch heute noch. Die Zeiten von „rosa und blau“ sind sicherlich vorbei. Aber ist dem Jungen nicht einmal zu häufig die Jacke, der Tornister nachgetragen worden, die er im Flur hat liegen lassen. Während die Tochter mit Nachdruck dazu aufgefordert wurde, im Haushalt zu helfen. Oder ist dem Lebenspartner nicht einmal zu oft das Hemd herausgelegt worden? Die Tasche gepackt worden? Eine Veränderung findet zunächst im eigenen Umfeld statt, um diese dann in der Gesellschaft durchzusetzen. Ich kann mich nicht immer nur hinstellen und über die noch immer unterschiedliche Behandlung des weiblichen Geschlechtes, was ich ganz bestimmt nicht für Gutheiße und auch nicht nachvollziehen kann, da ich anders groß geworden bin, beschweren, aber in meinem Haushalt dieses über jahrhunderte manifestierte Verhalten durch mein eigenes Handeln und meine Erziehung fördern. – Michael Dürke

 

Mir ist das Bild zu einseitig: Frauen haben das Nachsehen. Ich bin Vater von drei Kindern (6, 6, 7) und teile seit unserer Trennung vor ca. 4 Jahren die Betreuung mit der Mutter zu exakt 50%. Auch in diesen Zeiten hat sich daran nichts geändert. Beruflich stelle ich fest: Alle Väter in meinem Team engagieren sich ähnlich aktiv in die Kinderbetreuung, beide Elternteile stehen im Berufsleben. Unsere CEO ist eine Frau, seit kurzem. Die Entscheidung, mich um meine Kinder war keine, sondern eine Selbstverständlichkeit. Es ist ärgerlich, mich als Mann immer wieder in einem negativen Licht wiederzufinden, das mich als Egoisten zeichnet. – claude mindt-krie

 

Up! – Da war doch was? Nur-Hausfrau war schon sehr doof. Aber jetzt dann doch vielleicht ein Full-time Job, der nicht so mal eben nebenbei zu machen ist (mindestens nicht während der Zeit der Kinderbetreuung und nicht ohne Oma und Opa)? Und wer macht das jetzt alles? Zeit im Jahr 40 (?) der Emanzipation und Improvisation mal grundlegend darüber nachzudenken. (z.B. 30ig Stundenwoche für alle auf 6Tage verteilt. Vormittags ein Elternteil und nachmittags der andere – da laufen die Bänder 6 Tage lang je 10 Stunden – ist doch toll?) Oder – oder – bitte Kreativität! Innovation! (Nur Hausmensch ist auch keine Lösung dann fehlt nämlich ein Gehalt und dann wird es heutzutage knapp! Was auch immer die Statistiken von Herrn Rudizo behaupten. Gott sei Dank gibt es wenigstens noch Ehegattensplitting). – Dieter Herrmann

 

Wenn Julia Jäkel schreibt, wir wären „zurück“ in einer Männerwelt, möchte ich fragen:
Waren wir wirklich jemals woanders? Allein die Tatsache, dass Jennifer Morgan als erste CEO, Entschuldigung: Co-CEO, eines Dax- Unternehmens so frenetisch gefeiert wurde, ist doch ein klarer Hinweis auf die systemische Singularität eines solchen Ereignisses. Eine Schwalbe macht schließlich noch keinen Sommer. Für diese Erkenntnis hätte es ihre Abberufung nach nur sechs Monaten gar nicht gebraucht. Spätestens letztere hat aber einmal mehr gezeigt: Der Maschinenraum der Welt, in der wir alle leben und arbeiten, funktioniert nach wie vor auf Grundlage eines tradierten männlichen (Macht-)Habitus, mit Männerzirkeln und -netzwerken. Alles andere ist überwiegend PR. Frauen dürfen daher gerne auch ein bisschen mitspielen, Stichwort cultural diversity, aber nur wenn sie die Spielregeln kennen und sich vor allem daran halten.

Natürlich gibt es sie, die Geschichten erfolgreicher Frauen, als Unternehmerinnen, Gründerinnen, Vorständinnen. Aber schauen wir genauer hin! Sind diese Beispiele tatsächlich Zeichen einer echten Zeitenwende – oder haben sie doch eher anekdotische Evidenz? Trotzdem wäre es zu kurz gesprungen, allein den Männern die Schuld dafür zu geben. Für die Motivation soll es zwar hilfreich sein, sich regelmäßig die bereits erreichten (Zwischen-)Erfolge vor Augen zu führen. Aber der zu häufige Blick zurück verstellt leider auch den Blick nach vorne: Der verbleibende Weg zu wirklicher Gleichberechtigung ist noch weit und steinig. Falls wir eines Tages mit Hausarbeit, Kindererziehung, Home-Schooling, Job und, ach ja, dem Friseurbesuch nicht mehr so beschäftigt sind, können wir uns ja gemeinsam Gedanken machen, wie wir an dieser Stelle weitermachen. – Dr. Anke Hoffmann

 

Sie haben sicherlich mit ihrer Schlussbemerkung recht, dass Frauen noch viel weniger weit sind als sie dachten. Ich frage mich aber auch, ob Frauen auch schon mehr bereit sind, ihre Ziele überzeugend anzugehen? Warum ist ihr „Corona-Kreis“ nach Ausbruch der Krise weniger weiblich geworden? Wo sind die 50 % Frauen geblieben, die nicht bereit waren, ihre Führungsaufgaben einzufordern? Liegt das nur an den Ellenbogen der Männer, oder sind Frauen immer noch mehr bereit zurückzustehen? Sie zählen auf, wo überall Männer dominieren. Eine ähnliche Aufzählung ließe sich auch für Frauen aufzeigen. Wer betreut unsere Kinder in den Krippen und Kindergärten, wer bildet sie in den Grundschulen, Gesamtschulen und Gymnasien aus: 75 % Frauen oder mehr? Politische Talkshows werden von Frauen angeführt, auch in Sportsendungen stehen Frauen ihren „Mann“. Die Ministerien für Landwirtschaft, Familie und sogar für Verteidigung werden von Frauen angeführt. Das Bundeskanzleramt liegt nun 16 Jahre in den Händen einer sehr kompetenten und durchsetzungsstarken Frau. War vielleicht das Trio von Merkel, von der Leyen und AKK zu viel Weiblichkeit? Meine unmaßgebliche Empfehlung für Frauen mit Führungswillen: Weniger beklagen, mehr Bereitschaft, sich zu positionieren und durchzusetzen! Es gibt auch hier noch viel zu tun mit gegenseitiger Achtung, Respekt und Anerkennung und den Willen, Verantwortung zu übernehmen und auch einzufordern. – Dr. Günter Griebenow

 

Danke für die sieben geschilderten Hamsterräder. Endlich ein Einblick darin, wie es wirklich ist! Meine Lehre aus der Corona-Zeit steht jetzt schon fest: Kriege nicht mehr Kinder, als du notfalls für bis zu einem halben Jahr alleine betreuen oder unterrichten kannst. Erwäge bei der Familiengründung ernsthaft die Hausfrauen- bzw. Hausmänner-Lösung – (unfassbar, dass ich so etwas schreibe!). Natürlich können die wenigsten Eltern selbst beurteilen, ob aus epidemiologischer Sicht der immer noch andauernde Nicht-Unterricht (mit offenem Ende) der allermeisten Jahrgangsstufen geeignet und erforderlich ist, die Pandemie einzudämmen. Jedoch können sich die Eltern sehr wohl eine Meinung dazu erlauben, ob nach ihrem Eindruck die Priorisierung des Bildungsanspruchs der Kinder und Jugendlichen gegenüber anderen gesellschaftlichen Interessen nachvollziehbar erfolgt und seitens der Politik entsprechend kommuniziert wird.

Mir jedenfalls hat noch keiner nachvollziehbar erklärt, weshalb die Interessen der Kinder und Familien, die nach dem Grundgesetz unter dem besonderen Schutz des Staates stehen sollten, nachrangig sind gegenüber den Interessen von Fußballfans an Geisterspielen, den Konsumenten am Konsum (Autos) und den Erwachsenen an Bewegung im Fitness-Center. Selbst wenn es dafür gute medizinische Gründe geben sollte: Die Selbstverständlichkeit, mit der hier Kinder und Jugendliche in ihren natürlichen Bedürfnissen eingeschränkt und Familien in die glatte Überforderung geschickt werden – ohne Respektzollung, ohne andauernde rechtfertigende Erklärung – regt auf. Die Wahrheit ist: Es gibt real keinen digitalen „Unterricht“: es gibt nur die Verteilung von Arbeitsblättern und Aufgaben, Aufforderung zum Nachlesen im Selbststudium (wohlgemerkt: Selbst“studium“ für Schülerinnen und Schüler!) und die Verteilung von Lösungsschemata zur Selbstkontrolle. Dabei wird nicht gezögert, auch völlig neue Themenfelder einzuführen, nicht etwa nur bereits erlerntes geübt. „Homeschooling“: dieser Begriff trifft es schon besser, denn er benennt klar, wer (wenn überhaupt) den Unterricht erteilt: die Eltern; mit einem wichtigen Unterschied zu der Praxis der Homeschooling-Bewegung, die sich inhaltlich unabhängig zu machen versucht von inhaltlichen Vorgaben des Staates, wohingegen in der derzeitigen Situation die Kinder von der Schule die Aufgaben erhalten, die zu bearbeiten sind (oder auch „zugeschüttet werden“).

Der Leitartikel in der vorletzten Ausgabe: „Lasst sie frei!“ ergänze ich für mich so: „Und lasst sie (Kinder und Eltern) endlich vom Haken!“. Benennt ehrlich, dass es derzeit keinen Unterricht gibt. Zieht die einzig logische Konsequenz, nämlich dass es keine Noten geben kann für die abgelieferten Arbeiten und dass nach der Krise der Schulstoff zu wiederholen ist, damit „keiner zurück gelassen wird“, wie Frau Merkel versprochen hat. Legt das Faktum des Unterrichtsausfalls in die Waagschale bei der Abwägung, welche Branchen wieder wie schnell öffnen dürfen und hört auf mit der Augenwischerei eines digitalen „Unterrichts“.

Eines ist auch klar: Die Texte der sieben Frauen stellen nur die Situation der Überforderung der engagierten Familien, die an sich die Kompetenz und Kraft haben, Schule oder Kita zu ersetzen, dar. Damit sind die Kinder und Jugendlichen in dysfunktionalen Familien noch nicht einmal in den Blick genommen worden! Oder die Belastungen und Schwierigkeiten von Eltern von behinderten Kindern oder solchen mit Sonderförderbedarf sowie von behinderten oder chronisch kranken Eltern und deren Kinder. In der Krise werden alle gleich behandelt: Jede Familie ist in seiner völlig individuellen Situation auf sich alleine zurückgeworfen. Dies wird sich spätestens am Ende der Krise den Eltern dieses Landes nachhaltig eingeprägt haben. – Gerlinde Neuhaus

 

In der Krise gehen Maenner an die Spitze, um das Geschaeftliche zu organisieren, und Frauen gehen zurueck an den Herd und zu den Kindern? Warum ist das eigentlich so erniedrigend? Kann man es nicht auch so sehen, dass Frauen besser geeignet sind, Familienkrisen zu schlichten? Sind die Kinder, die ja nun nicht ploetzlich bei ihnen vor der Tuer standen, es nicht Wert, sins mit aeusserstem Einsatz und groesster Sorgfalt behuetet zu werden? Aus Sicht des Kindes muss man sich fragen, warum denn beide – Mutter und Vater – fuer das Wohlhaben sorgen muessen, und nicht wenigstens einer fuer das Wohlsein. Wo ist denn unsere Identitaet grundsaetzlich verwachsen?

In der Feministin oder der Mutter? Wie kann man Kindern zumuten, dass ihnen der Vater oder die Mutter als Fuersorge ‚zugegeordnet‘ wird? Bemessen an der hoeheren geschaeftlichen Unentbehrlichkeit? Und wie koennen Muetter ueberhaupt in Frage stellen, dass die einmal Muetter werden wollten? Es scheint, dass dieser Tage Kinder und Familie zu Pflicht Projekten geworden sind. Eigentlich bin ich gar nicht so sicher, dass diese Frauen so sehr empoert sind, vom Krisenmanagement ausgeschlossen zu werden. Einerseits sind solche Situationen fuer Frauen oft peinigend, weil sie ungern harsche Entscheidungen treffen. Andererseits nuetzen sie Maennern oft als Beihilfe, wofuer sie spaeter keine Anerkennung finden.

Die Rolle als Karrierefrau hat uns nicht muetterlicher gemacht. Deswegen ertappen wir uns hin und wieder dabei, dass wir nicht nur gleichberechtigt sondern mannesgleich sein wollen. Koennen wir uns nicht einigen darauf, dass Frauen ebenso wie Maenner Faehigkeiten haben, die fuer die Allgeimeinheit und auch die Wirtschaft unentbehrlich sind? Dass Frauen, die auch Muetter sind, sich von ihren Funktionen als Geschaeftsfuehrer nicht entmachted sondern befreit fuehlen. um haeusliche Krisen zu managen? Beginnt das nicht schon bei der Schwangerschaft? Muss man wirklich mit dem Fortschritt der Emanzipation hadern? – Christel Krause

 

Es stellt sich hinsichtlich einiger der zitierten Frauen die Frage, wer denn nach ihrer Ansicht dafür zuständig ist, dass sich ihr Los bezüglich der Aufgabenverteilung bessert? Wenn sich Männer im 21. Jahrhundert noch aus der Verantwortung für Haushalt und Familie ziehen können, obwohl auch ihre Frauen in Vollzeit arbeiten, dann stimmt anscheinend etwas mit der Beziehung nicht. Gleiches gilt für die Erziehung der nächsten Generation, wenn ein Jugendlicher mit der Auffassung durchkommt, seine berufstätige Mutter habe ihn zu bedienen. Immerhin eine der Frauen teilt sich die zusätzliche Erziehungsarbeit mit ihrem Mann und führt berechtigterweise an, dass schon das für Berufstätige eine Zumutung sei. Solange keine Lösung für dieses Problem in Sicht ist, erscheint es umso wichtiger, sich über den Umgang mit der Situation zu verständigen. Und ja, oft kommt dabei sicherlich auch heraus, dass sich die Frau beruflich zurücknimmt, was in Ordnung ist, solange Sachgründe dazu führen und die Entscheidung einvernehmlich getroffen wird. Zwar werden auch solche Beispiele angeführt, insgesamt erscheint mir die Darstellung im Ressort „Streit“ jedoch recht einseitig, zumal auch Julia Jäkel ein düsteres Fazit zur Lage der Frauen zieht.

In meinem Umfeld gibt es viele Frauen, die mindestens so viel verdienen wie ihre Männer und beruflich sehr erfolgreich sind. Im Vergleich zur Elterngeneration sind wir daher aus meiner Sicht sehr weit. Es gibt Beispiele, in denen der Mann die Kinder betreut, aber auch solche, in denen die besserverdienende Frau zugunsten der Familie nicht auf Elternzeit bzw. Teilzeit verzichten möchte. Dass in vielen Unternehmen noch einiges schiefläuft, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die Gleichberechtigung von Frauen angeht, möchte ich nicht bestreiten. Auch sind die Männer gefragt, ihren Chefs nahezubringen, dass auch sie familiäre Verpflichtungen haben. Die Wahl des Partners ist aber glücklicherweise seit Langem jedem selbst überlassen – und kann auch ohne Schande durch uneheliches Zusammenleben im Alltag geprüft werden, bevor man eine Familie gründet. Dass jetzt in der Krise vielen sicherlich die Kraft fehlt, auch noch diesen Kampf auszufechten, ist nachvollziehbar. Grundsätzlich sollten wir Frauen aber keine Hemmungen haben, unsere Bedürfnisse an den Mann zu bringen. Halten wir es doch lieber mit Pippi als mit einer Prinzessin, die auf einen Retter oder ein Wunder wartet. – Kathrin Rühl

 

Ich freue mich zu lesen, dass Sie in Ihrem beruflichen Kontext, auch zusammen mit männlichen Kollegen, wesentliche Schritte in Richtung beruflicher Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht haben. Dies scheint mir jedoch in keiner Weise für unsere Gesellschaft repräsentativ. Die Verdrängung von Frauen aus dem beruflichen in den privaten/familiären Sektor, wie sie zurzeit geschieht, ist kein historisches Novum und damit auch in Zeiten von Corona keine wirkliche Überraschung. In gesellschaftlichen Krisenzeiten jeglicher Couleur wurden Frauen nach Bedarf aus dem Arbeitsmarkt hinausgeschoben und gegebenenfalls auch wieder hineingeholt (Letzteres möglichst als unterbezahlte Arbeitskräfte). Ihre Frage „Wo sind nur die Frauen hin?“ verstehe ich daher eher rhetorisch. Auch Sie wissen, dass das „bisschen“ Haushalt, die Versorgung der Kinder, älterer/kranker Menschen, die gesamte Care-Arbeit in unserer Gesellschaft in sehr hohem Prozentsatz von Frauen getragen wird, in der Regel zusätzlich zu einer Erwerbstätigkeit in Voll- oder Teilzeit. Dass es in der momentanen Krise als selbstverständlich erachtet wird, die durch den Lockdown anfallende Mehrarbeit in diesem Sektor den Frauen auch noch obendrauf zu laden (mit allen bekannten Konsequenzen), überrascht daher ebenfalls nicht.

Insgesamt fehlt mir in Ihrem Artikel – Sie dürfen sich da ruhig mehr trauen – eine differenzierte Analyse der gesellschaftspolitischen Gründe für die momentane Situation von Frauen. Diese Hintergründe sind meiner Ansicht nach seit Langem bekannt und liegen völlig auf der Hand. Hier müsste wieder einmal mehr ein entsprechender Forderungskatalog mit zielführenden Änderungsvorschlägen entwickelt und die politische Umsetzung eingefordert werden. Allerdings ist diesbezüglich in unserer androzentrischen Gesellschaft parteienübergreifend kein politischer Wille erkennbar. Auch IhrArtikel wird damit, ohne Wellen zu hinterlassen, in kurzer Zeit wieder in der Schublade verschwinden. Mein Fazit: Wir Frauen sind nicht „zurück in der Männerwelt“ – wir haben sie nie verlassen. – Silvia Matentzoglu

 

Gelegentlich kaufe ich Die Zeit am Kiosk. Leider machte ich dieses Mal (wieder) einen Fehlgriff und damit mir das nicht wieder passiert, werde ich Die ZEIT nicht mehr kaufen, So eine diskriminierende Männer- und Väterbashing-Zeitung werde ich nicht mehr kaufen. Ich hatte von der Redaktion Die Zeit mehr Stil, Gerechtigkeitsempfinden und Seriosität erwartet. – Karl Maucher

 


 

 

Leserbriefe zum Titelthema „Keine Angst vor niemand!“ von Nina Pauer et al.

 

Habe ich mich heute Morgen erschreckt beim Anblick der neuen ZEIT! Vor wem fürchtet sich die Redakteurin? Wer ist es? Hat sie Angst vor der Astrid oder dem Lektorat? Vor der Grammatik sicher nicht, wie neulich ein emeritierter Professor in einer ebenfalls angesehenen Tageszeitung die neue Zeit in der deutschen Sprache anhand solcher Beispiele kritisch untersuchte. „Lies eine gute Zeitung und übe das korrekte Deutsch.“ Das war früher ein oft erteilter Rat der Alten. Beim Lesen so manchen Druckerzeugnisses kommen mir jetzt Zweifel – gilt das zukünftig auch für mein Jahrzehnte altes ZEIT-Abo oder gar für das Zeit-Loe-Abo meiner Enkelin? Ich werde es kritisch beobachten. – Werner Ch. Buchwald

 

Ich freue mich immer sehr über neue Artikel von Ihnen, da sie stets sehr aktuell und informativ sind sowie niemals an Spannung einbüßen. Da ich Studentin bin, habe ich bereits mehrmals ein kostenloses, vierwöchiges Abo Ihrer Zeitung bezogen und war begeistert. Als ich jedoch gestern eine E-Mail über das neue Exemplar Ihrer Zeitung anlässlich des 75. Jubiläums von Pippi Langstrumpf bekam, hat es mich doch sehr verwundert, eine nicht dem Fall Dativ entsprechende Form des Indefinitpronomens „niemand“ im Titel vorzufinden. Das Deutsche ist dank seiner vier Fälle reich an unterschiedlichen Deklinationsendungen. Eigentlich war ich gewohnt, in einer so renommierten Zeitung die ursprünglichen und korrekten grammatikalischen Formen zu lesen.

Selbstverständlich ist mir bewusst, dass mittlerweile auch die Form „niemand“ für gleichermaßen Akkusativ und Dativ geduldet wird. Dies ergibt aber, die Grammatik betrachtet, keinen Sinn. Sie schreiben ja auch nicht „Keine Angst vor du“ statt „Keine Angst vor dir“. Die Präposition „vor“ fordert eine Dativdeklination, deshalb also „niemandem“ statt „niemand“. Ich würde mich freuen, in Zukunft wieder Formulierungen auf Ihrer Titelseite zu finden, die der Sinnhaftigkeit der Grammatik unserer deutschen Sprache gerecht werden und sich an die ursprünglich korrekte und einzig sinnvolle Variante halten. Ich hoffe, Ihnen damit einen hilfreichen Denkanstoß geben zu können. Des Weiteren bedanke ich mich für die Kenntnisnahme meines Kommentars und wünsche Ihnen viel Erfolg beim Schreiben Ihrer wunderbaren Artikel! – Gina Kehren

 

Müsste die Überschrift der aktuellen Ausgabe nicht: Keine Angst vor NIEMANDEM heißen? Herzlichen Dank für die Antwort! – Stephanie Lutrelli

 

Wie kann es sein, dass eine Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur in ihrer Ausgabe zum 1. Mai Pippi Langstrumpf zum Titelthema macht? Und das Thema „Arbeit“, das gerade jetzt aus verschiedenen Gründen im Fokus steht, in ihrer Ausgabe zu diesem Gedenktag nahezu völlig ignoriert. Als Abonnent bin ich fassungslos über so viel Ignoranz – oder ist es Arroganz!? – Reinhard Strecker

 

Pippi Langstrumpf wird 75 Keine Angst vor niemand! „Wie eine anarchische Kinderbuch-Heldin Generationen von Menschen stark gemacht hat. Und warum sie heute noch ein systemsprengendes Vorbild ist.“ Liebe ZEIT-Redaktion, gleich und sofort wollte ich Ihnen gestern Mittag, als mir die ZEIT gebracht wurde, meine Freude über diese Titelgeschichte rüberschicken. Gleich… und blätterte erst mal weiter… Da sind ja so viele versammelt in dieser Ausgabe der ZEIT, die ich mag und schätze und denen ich gerne zuhöre bzw. zugehört habe, – bzw. von ihnen lese: Pippi Langstrumpf mit ihrer Schöpferin Astrid Lindgren und deren Kindern und Enkeln, Norbert Blüm Mit Franz Alt, Hannah Ahrendt, Gerhart Baum mit Helmut Lachenmann, Edgar Selge und Luisa Neubauer. Und noch so viele andere interssante Menschen.

LIEBE mit Peter Dausend, „Wir können die Welt verändern“ mit rotem Wimmelbild, und „Frieden für die Seele“ mit rotem Kopftuch. Und im ZEITMagazin Paul McCartney persönlich. Morgen geh‘ ich raus und lese. Das Wochenende ist gerettet. „Keine Angst vor niemand!“ läßt mich an den Vollblutkünstler Konstantin Wecker denken, der in seinem Lied „Willy“ sagt, singt oder, besser, fast schreit! : „Freiheit“, (…), „Freiheit, das heißt, keine Angst haben vor nichts und niemand.“ Das habe ich mir damals, als ich Konstantin Wecker in der Heidelberger Stadthalle auch mit diesem Lied live erlebte, mag 43 Jahre her sein oder 44 Jahre, gut gemerkt. …und heute, 43 Jahre oder 44 Jahre später – ist dies Lied so aktuell wie je. Und Pippi erst recht. Tja… Es grüßt, mit Dank für Pippi – Beate Schwärzler

 

Ich liebe euch für dieses Titelbild! Das ihr in dieser besonderen Zeit Pippi und also Astrid Lindgren so platziert – wunderbar! – Uta Kühne

 

Ein Scherz ist es sicher nicht, doch ein eklatanter Fehler, den die „Zeit“ niemals machen dürfte: Auf dem Titel heißt es, bezugnehmend auf Pippi Langstrumpf: „Keine Angst vor niemand!“ Doppelte Verneinung = Bejahung! Heißt also in der Tat, „Angst vor allen/Jedermann…“. Wie kann so etwas nur gedruckt werden? Das geht nun wirklich nicht, und ein Satireblatt (der Sinn würde mir auch dort entgehen) ist Ihr Blatt ja auch nicht… – Ulrike Müller

 

Zu Ihrer Ausgabe vom 29. April und darin zur Titelgeschichte „75 Jahre Pippi Langstrumpf“: Als Astrid Lindgren 1978 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, erzählte sie in ihrer Dankesrede von einer alten Dame. Dieses Zitat ist es anlässlich Ihrer Titelgeschichte wert, in Erinnerung gebracht zu werden, damit es in jedem Zuhause dieser Welt einen kleinen „Lindgrenstein“ geben möge, der alle Kinder vor Gewalt bewahren möge; ich habe als Lehrerin jeder meiner Klassen diesen Passus in der Friedenpreisrede feierlich vorgetragen: „Eines Tages hatte ihr kleiner Sohn etwas getan, wofür er ihrer Meinung nach eine Tracht Prügel verdient hatte, die erste in seinem Leben. Sie trug ihm auf, in den Garten zu gehen und selber nach einem Stock zu suchen, den er ihr dann bringen sollte. Der kleine Junge ging und blieb lange fort. Schließlich kam er weinend zurück und sagte: „Ich habe keinen Stock finden können, aber hier hast du einen Stein, den kannst du ja nach mir werfen.“ Da aber fing auch die Mutter an zu weinen, denn plötzlich sah sie alles mit den Augen des Kindes. Das Kind musste gedacht haben, „Meine Mutter will mir wirklich weh tun, und das kann sie ja auch mit einem Stein.“ Sie nahm ihren kleinen Sohn in die Arme, und beide weinten eine Weile gemeinsam. Dann legte sie den Stein auf ein Bord in der Küche, und dort blieb er liegen als ständige Mahnung an das Versprechen, das sie sich in dieser Stunde selber gegeben hatte: „NIEMALS GEWALT!“Barbara Klann

 

An den 75. Geburtstag von Pippi Langstrumpf zu denken, ist eine hübsche und unterhaltsame Einladung mal wieder „DIE ZEIT“ zu lesen, wenn ich nicht beim Blick auf die Titelseite ein entsetztes: „Oh nein“ ausgerufen hätte… Nun schreibt die Deutsche Grammatik ganz eindeutig die Verwendung von Präpositionen im Genitiv, Dativ und Akkusativ vor. In diesem Fall – nämlich dem Dativ – werden folgende Präpositionen verwendet: an auf hinter in neben über unter vor und zwischen (Es gibt noch weitere Präpositionen; nachzulesen in jedem guten Grammatikbuch.) Das heißt, dass die korrekte Überschrift der Ausgabenicht: Keine Angst vor niemand!, sondern: Keine Angst vor niemandem!heißen muss. Können Sie sich vorstellen, dass ich diese Reihenfolge noch aus meiner Grundschulzeit behalten habe?

Das war immerhin schon Ende der 50er Jahre in der DDR, wo Grammatik bis zum Abitur hoch und runter gepaukt wurde. Wenn Verlage nicht darauf achten, dass die Deutsche Sprache einwandfrei und fehlerlos angewendet wird, dann sind alle Bemühungen in der Bildung von jungen Menschen obsolet (Deutschland steht ohnehin nicht gut da). Kinder und Jugendliche besuchen sehr oft Zeitungsläden, resp. sehen sie Zeitungen bei den Eltern zuhause. Achten Sie bitte darauf und weisen Ihre Redakteure und Korrektoren diesbezüglich an, sorgfältiger zu schreiben. Es ist nicht das erste Mal, dass mir derartige Fehler aufgefallen sind. Auf einer Titelseite alledings geht es gar nicht. – Waltraud Grevenrath

 

Wie schön, meine Jugendheldin Pippi auf der ZEIT-Titelseite zu finden. Danke für die interessanten Beiträge und ganz besonders für Nina Pauer’s wunderbare Huldigung eines freien, unkonditionierten Mädchens, das Generationen geformt hat. Pippi hat mir und vielen anderen Mädchen meiner Generation schon in ganz jungen Jahren gezeigt, dass a) nichts unmöglich ist, und b) schon gar nicht, weil ich ein Mädchen bin. Im Gegenteil. Inspiriert von Pippi hatte ich ein wunderbar unkonventionelles Leben. Ich wanderte mit 20 nach England aus; gründete eine Black Metal-Musikfirma; zog in meine eigene Villa Kunterbunt an einem Friedhof; studierte Psychologie, ohne je mein Abitur gemacht zu haben; arbeitete in Männergefängnissen als heidnische Priesterin; und ließ irgendwann alles hinter mir, um für zehn Jahre die Welt als moderne Nomadin zu bereisen, unter anderem auf Frachtschiffen. Diese und viele andere Abenteuer, so bin ich mir sicher, wären vielleicht ohne das Vorbild des ’stärksten Mädchens der Welt‘ gar nicht zustande gekommen. Pippi hat mir und vielen anderen Mädchen den Mut gegeben, anders zu sein und uns die Welt so zu machen, wie sie uns gefällt. Danke, Pippi, danke, Astrid Lindgren! – Tiziana Stupia

 

Das Titelbild von Pippi habe ich mir aufgehängt. Annähernd ikonographisch! Hat mir sehr gut gefallen weiter so! – Jan D. Fahning

 


 

 

Leserbriefe zu „Wie rassistisch ist der Westen?“ von Ijoma Mangold

 

Was ist das hier: Berichterstattung über Hintergründe? Oder Meinungsbekundung und Meinungsmache? Wie der Autor den Staat Israel darstellt, um dessen Politik sich ja die hier thematisierte Kontroverse letztlich auch entzündet hat, mutet mehr als befremdlich an, man könnte sogar sagen: es ist verharmlosend, verschleiernd, verfälschend. „Tödlich bedroht “ sei der von seinen Nachbarn, und die groteske Reaktion darauf sei der „Hass auf Israel“, der nicht nur dem Herrn Mbembe unterstellt wird. In Wirklichkeit ist dieser „bedrohte Staat“ seit über 20 Jahren der wahre Totengräber des Friedensprozesses in Palästina; nicht nur als hochgerüstete Atommacht allen Nachbarn wie bei David gegen Goliat haushoch überlegen; seine objektiv völkerrechtswidrige und menschenverachtende Politik – die in ihrer Konsequenz der Apartheid-Politik Südafrikas vor Jahrzehnten in nichts nachsteht – hat in dieser Zeit immer neue Dimensionen erreicht, vom langjährigen tausendfachen illegalen Siedlungsbau in den nach wie vor „besetzten Gebieten“ über die rechtliche Diskriminierung seiner nicht jüdischen Staatsbürger bis hin zum neuesten Koalitionsvertrag, in dem sogar die rechtswidrige „Annexion“ auch schwarz auf weiß festgeschrieben ist.

Für solcherlei eklatante und arrogante Brüche des Völkerrechts werden über andere „Sünder“ Sanktionen verhängt; im Falle Israel versagen die internationalen Gremien wie auch die nationalen Regierungen gerade der „westlichen Demokratien“- niemand fällt dem Aggressor in den Arm. Aus zunehmender Verzweiflung über diesen Skandal wurde ja BDS überhaupt gegründet, um das Unrecht dann mit anderen, eher kulturellen als den politischen Mitteln zu bekämpfen- dies alles auszublenden und primitiv-reflexhaft die verbale Keule „Antisemitismus“ wieder mal auszupacken und das auf „Hass auf Israel“ zurechtzustutzen – das ist eine erbärmliche intellektuelle und moralische Selbstoffenbarung, die sich in der aktuellen Diskussion erneut widerspiegelt- und nicht zuletzt im geschilderten Artikel anklingt. – Karl-Heinz Grau

 

Leider weiß ich nach der Lektüre immer noch nicht ‚wie rassistisch der Westen‘ ist. Entweder liegt das an meinem Unvermögen oder an dem – für meine Begriffe – etwas zu hochgestochenen Versprechen… Eine andere Sache hinterlässt mich ebenfalls ratlos. Der Artikel von Ijoma Mangold ist doch sicherlich veranlasst durch Achille Mbembes Artikel aus der Nr. 18. Ich habe diesen Artikel aufmerksam und grundsätzlich zustimmend gelesen. Irgendeinen Hinweis auf ‚Israelhass‘ habe ich dort nicht gefunden. Meine Frage also: wie kommt es zu der Zuschreibung in der ‚Sub-Überschrift‘? – Wolfgang Killguß

 

Es war interessant, Ihren Beitrag zu lesen. Aus meiner Sicht bleiben einige Fragen offen. Wenn es um Afrika geht, werden dessen gegenwärtige Situation und die dortigen Probleme überwiegend als Opferrolle beschrieben. Die Afrikaner, ebenso die arabischen Länder sehen sich selbst in dieser Rolle. Die Verantwortung für die Unterentwicklung dieser Länder wird im Jahre 2020 immer noch ausschließlich dem Westen zugeschrieben. Verdrängt wird dabei, dass die Sklaverei ein wesentlicher Bestandteil der nordafrikanischen Staaten Tunis und Algier bis Anfang des 19. Jhdt war und wann sie dort abgeschafft wurde. Ausgeblendet wird ebenfalls die Geschichte der Barbaresken-Piraten, die europäische Handelsschiffe und Küsten überfielen, Menschen raubten und sie auf ihren Märkten als Sklaven verkauften.

Diese über mehr als dreihundert Jahre bis Anfang des 19. Jhdt währende Tatsache wird in den Geschichtsbüchern der vom politischen Islam beherrschten Länder verschwiegen. Nach dem Unabhängigkeitskrieg der USA entwickelte sich der Welthandel besonders stark. Die Kanonenboot-Politik der USA und die militärische Intervention der Europäer beendeten diesen Menschenhandel. Wenn über Rassismus gesprochen wird, muss man sich grundsätzlich Klarheit darüber verschaffen, was Rassismus bedeutet. Von Arabern betriebener Menschenhandel mit Afrikanern und Europäern ist ebenso Rassismus wie der Sklavenhandel in Amerika. Dazu gehört auch die Tatsache, dass afrikanische männliche Sklaven grundsätzlich kastriert wurden. Damit wurde ausgeschlossen, dass es jemals zur Vermischung von Arabern und Afrikanern kam. Solange die Afrikaner, der politische Ilam undderen geistigen und politischen Eliten nicht selbst die Ursachen ihrer gesellschaftlichen Probleme erkennen, wird es dort keine Lösung der akuten Probleme geben. – R. Schmolling

 

Es ist zu hoffen, dass Ijona Mangolds hervorragende Analyse von Achille Mbemb und dessen Auseinandersetzung in den „postcolonial studies“ die unbegründeten und ihn als Person beschädigenden Vorwürfe des Antisemitismus entkräften. Der Humanist Mbembe kritisiert nicht nur die offensichtliche Apartheid Politik der Israelis (die gerade wegen der furchtbaren Schoah Erfahrung eine „Täterrolle“ den Paliästinensern gegenüber verabscheuen sollten)- er übt vielmehr Kritik am Kapitalismus generell, der eine gerechte Welt unmöglich macht. – Timm Zorn

 

Vielen Dank für Ihre, wie ich finde, sehr differenzierte und ausgezeichnete Aufarbeitung zum Diskurs um den Autor Mbembe und sein postkolonialistisches Werk. Besonders gut gefällt mir dabei, dass Sie in keins der polemisierenden Hörner stoßen – also weder jede*n Kritiker*in Mbembes unter Rassismusverdacht stellen, noch die Israelkritik des Autors selbst gebrauchen wollen, um ihn pauschal zum bösen Antisemit abzustempeln. Wie so oft liegen die Dinge ein wenig differenzierter, als sie im aufgeregten Diskurs suggeriert werden. Toll finde ich auch ihre wissenschaftstheoretische Frage zum Schluss, ob die Postcolonial Studies, mit denen ich mich momentan für eine wissenschaftliche Studienarbeit intensiv beschäftige, eigentlich gut daran tun, wenn sie sich über die Wissenschaft hinaus als politisches Instrumentarium verstehen (ähnliches gilt auch für die Gender-Studies). So eine systematische Frage zeugt davon, dass Sie das Thema nicht nur oberflächlich durchdrungen haben. Mehr von so intelligenten Analysen würde ich in der ZEIT sehr gerne lesen! – Julia Molina

 

Eigentlich ist es ein Skandal, wie verständnisvoll Mangold mit dem erklärten Antisemiten Mbembe umgeht. Antisemitismusverdacht? Der Sammelbegriff „Antisemitismus“ schliesst gewöhnlich Antizionismus ein und gilt als Tarnung für Antisemiten. Stellen Sie sich vor, ein Kollege von Mbembe namens Marc Jongen, AfD, hätte solche BDS-Thesen verbreitet. Die vereinigte Linke in Presse, Funk und Fernsehen einschliesslich der ZEIT wäre zu recht über ihn hergefallen. Wetten, dass…? – Winfried Wolf

 

Zur Auseinandersetzung um Achille Mbembe (ZEIT No. 19, Wie rassistisch ist der Westen) und den Antisemitismusvorwurf möchte ich auf den Appel jüdischer Wissenschaftler und Künstler aufmerksam machen, die den Fall Mbembe zum Anlass nehmen, die Ablösung des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein zu fordern. Der engliche Originaltext ist im Anhang, unten eine deutsche Version: Herrn Horst Seehofer Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Alt-Moabit 140 10557 Berlin Germany Cc: Angela Merkel, Bundeskanzlerin Heiko Maas, Außenminister Betrifft: Aufruf zur Ablösung von Felix Klein als Beauftragter der Bundesregierung für die Bekämpfung des Antisemitismus 30 April 2020 Sehr geehrter Minister Seehofer, Wir, jüdische Wissenschaftler und Künstler aus Israel und anderswo, von denen viele auf Antisemitismus und auf Jüdische, Holocaust- und Israelstudien spezialisiert sind, fordern Sie auf, Felix Klein, den Beauftragten der Bundesregierung für das jüdische Leben in Deutschland und die Bekämpfung des Antisemitismus, nach seinem schändlichen Angriff auf Prof. Achille Mbembe zu ersetzen.

Wie Sie wissen, ist Prof. Achille Mbembe einer der wichtigsten Intellektuellen in Afrika, dessen humanistische Stimme und Gelehrsamkeit weltweit gehört und bewundert wird. Wir halten Herrn Kleins Versuch, Prof. Mbembe als Antisemiten hinzustellen, für unbegründet, unangemessen, beleidigend und schädlich. Wir sind uns bewusst, dass der Angriff auf Prof. Mbembe von anderen initiiert wurde, die ihn als den Eröffnungsredner des diesjährigen Ruhrtriennale-Festivals ablehnten. Angesichts seiner offiziellen Rolle und Verantwortung halten wir es für inakzeptabel, dass Herr Klein sich diesem Angriff, der zu einer Hexenjagd degradierte, angeschlossen hat. Wir sind verblüfft, dass Herr Klein dies tat, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, das Werk von Prof. Mbembe zu studieren. Stattdessen stützte er sich für seine Behauptungen auf eine zutiefst selektive Lektüre und manipulative Interpretation der Schriften von Prof. Mbembe durch andere. Wenn man bedenkt, dass der Vorwurf des Antisemitismus den Ruf von jemandem ruinieren kann, kommt dies an sich schon einem schweren beruflichen und moralischen Fehlverhalten gleich. Das Festival der Ruhrtriennale ist wegen des Coronavirus inzwischen abgesagt worden.

Dieser Vorfall, kann jedoch nicht ohne Folgen für Herrn Klein bleiben. Abgesehen von dem persönlichen und beruflichen Schaden, der Prof. Mbembe zugefügt wurde, hat Herr Klein dem dringenden Kampf gegen echten Antisemitismus einen schlechten Dienst erwiesen und einen Schatten auf die Integrität seines öffentlichen Amtes geworfen. Mit dem Vorwurf, Prof. Mbembe habe den Holocaust „relativiert“, hat Klein auch die akademische Freiheit verletzt. Dieser toxische Vorwurf bezieht sich auf die Studie von Prof. Mbembe in Bezug auf den Holocaust im vergleichenden Kontext. Wir möchten ganz klar sagen: eine solche Studie ist keine Verharmlosung des Holocaust und schon gar nicht Antisemitismus. Sie ist legitim, wesentlich und in der Tat alltäglich in der Holocaust- und Völkermordforschung. Etwa 600 führende Holocaust-Forscher haben kürzlich festgestellt, dass das Verbot von Analogien in der Debatte über den Holocaust „eine radikale Position ist, die weit von der Mainstream-Forschung über den Holocaust und Völkermord entfernt ist. Und sie macht es fast unmöglich, aus der Vergangenheit zu lernen. Der Angriff von Herrn Klein auf Prof. Mbembe passt in ein Muster.

Er hat eine führende Rolle bei der „Bewaffnung“ des Antisemitismus gegen Kritiker der israelischen Regierung und Aktivisten übernommen, die von ihrer Rede- und Versammlungsfreiheit Gebrauch machen, um gegen Israels Verletzungen der Grundrechte der Palästinenser zu protestieren. Als offizieller Vertreter der deutschen Regierung untergräbt Herr Klein die Ausübung der Grundfreiheiten – dies sollte Ihre Regierung angesichts ihres Bekenntnisses zu demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit zutiefst beunruhigen. Ungerechtfertigte Vorwürfe des Antisemitismus schaffen in Deutschland zunehmend ein Klima der Angst, das Intellektuelle, Journalisten und die breite Öffentlichkeit davon abhält, sich frei zu kontroversen Themen zu äußern, die öffentlich diskutiert werden sollten. Gerade jetzt ist eine freie und kritische Rede in Bezug auf Israel notwendiger denn je. Während die Welt verzweifelt gegen das Coronavirus kämpft, bewegt sich die neue israelische Regierung auf die Annexion wichtiger Teile des besetzten palästinensischen Westjordanlandes zu – ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht, der die Situation zweier Völker mit ungleichen Rechten innerhalb eines Territoriums festschreibt. 56 ehemalige Mitglieder der Knesset, von denen einige als Minister in verschiedenen israelischen Regierungen gedient haben, haben kürzlich davor gewarnt, dass dadurch ein Apartheidstaat in Israel-Palästina entstehen würde.

Hält Herr Klein sie für Antisemiten? Und alle anderen, die nach erfolgter Annexion von Ungleichheit und Diskriminierung sprechen werden? Diese Fragen stellen sich, nachdem Herr Klein Prof. Mbembe des Antisemitismus beschuldigt hat, weil er Israel angeblich mit dem Apartheidstaat Südafrika gleichsetzt. Darüber hinaus hat Herr Klein aggressive Kampagnen gegen Organisationen und Einzelpersonen, einige von ihnen jüdisch, gefördert und verstärkt, weil sie den „BDS“ unterstützen. Er ist eindeutig besessen von der BDS-Kampagne, die in Deutschland nur eine geringe Bedeutung hat, und scheint ihr mehr Zeit zu widmen als der akuten Bedrohung, die der Anstieg des rechtsextremen Antisemitismus für Juden und jüdisches Leben in Deutschland darstellt. Unsere Ansichten über den BDS gehen auseinander, aber es ist völlig klar: Der BDS als solcher ist nicht antisemitisch und wird im Wesentlichen durch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit geschützt, was auch von mehreren deutschen Gerichten bestätigt wurde. Es ist bedauerlich, aber nicht überraschend, dass die israelische Regierung Krieg gegen den BDS führt – aber wie kann sich ein deutscher Regierungsbeamter diesem Krieg an vorderster Front anschließen?

In diesem Zusammenhang möchten wir hinzufügen, dass dieser Anti-BDS-Kreuzzug unbestreitbar zur Marginalisierung nicht-weißer Stimmen und Minderheiten in Deutschland beiträgt und Rassismus und nationalistische Gefühle fördert. Es ist eine Schande, dass niemand anders als der Bundesbeauftragte für die Bekämpfung des Antisemitismus diesen Trend anführt. Wir bedauern auch, dass Herr Klein den politisierten Missbrauch der IHRA-Definition Vorschub ermutigt, die Antisemitismus mit Kritik und Aktivismus gegen Israel vermengt, um Gegner der israelischen Politik zu diskreditieren und zum Schweigen zu bringen. Auch hier beobachten wir, dass Herr Klein in Synergie mit der israelischen Regierung arbeitet. Dieselbe israelische Regierung bereitet derzeit die Annexion wichtiger Teile Palästinas vor. Sie hat den Antisemitismusvorwurf absichtlich zur Waffe erhoben, um diesen dramatischen Schritt politisch abzuschirmen und von den gut dokumentierten Beweisen für die systematischen Verletzungen der Menschenrechte der Palästinenser abzulenken. Bei zahlreichen Gelegenheiten seit seiner Ernennung im Mai 2018 hat Herr Klein diese fatale Instrumentalisierung, die – das möchten wir wiederholen – dem Kampf gegen echten Antisemitismus schadet, ermöglicht und legitimiert.

Das jüngste Beispiel ist sein Angriff auf Prof. Mbembe. Aus all diesen Gründen halten wir Herrn Klein für unqualifiziert und ungeeignet für die ihm übertragene wichtige Aufgabe. Er ist ein Beamter, der unter Ihrer politischen Verantwortung arbeitet. Wir fordern Sie auf, Herrn Klein unverzüglich als Beauftragter der Bundesregierung für das jüdische Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus abzulösen. Mit freundlichen Grüßen, Prof. Gadi Algazi, Department of History, Tel Aviv University; Associate Fellow at Re:Work: International Research Center Work and Human Lifecycle in Global History at Humboldt University, Berlin Dr. Seth Anziska, Department of Hebrew and Jewish Studies, University College London Prof. Louise Bethlehem, Department of English and the Program in Cultural Studies, The Hebrew University of Jerusalem; recipient European Research Council Consolidators Grant Prof. Daniel Boyarin, Taubman Professor of Talmudic Culture, University of California, Berkeley; Fellow American Academy of Arts and Sciences; Von Humboldt Senior Laureate Prof. (emeritus) Jose Brunner, Cohn Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas (former director) and Buchmann Faculty of Law; co-founder of Israel’s first legal clinic for the rights of Holocaust survivors, Tel Aviv University Prof. (emerita) Jane Caplan, History Department, University of Oxford; Emeritus Fellow, St. Antony’s College, Oxford; Marjorie Walter Goodhart Professor Emeritus of European History, Bryn Mawr College; Visiting Professor, Birkbeck, University of London Dr. Raya Cohen, formerly Department of Jewish History, Tel Aviv University; formerly Department of Sociology, University of Naples Federico II

Prof. Jean Comaroff, Alfred North Whitehead Professor of African and African American Studies and of Anthropology; Oppenheimer Research Fellow in African Studies, Harvard University Prof. John Comaroff, Hugh K. Foster Professor of African and African American Studies and of Anthropology; Oppenheimer Research Fellow in African Studies, Harvard University Prof. Alon Confino, Pen Tishkach Chair of Holocaust Studies, Director of The Institute for Holocaust, Genocide and Memory Studies, Department of History and of Jewish and Near Eastern Studies, University of Massachusetts; recipient of the Humboldt-Stiftung and of the Guggenheim Fellowships Prof. (emerita) Sidra DeKoven Ezrahi, Department of General and Comparative Literature, The Hebrew University of Jerusalem; recipient of Guggenheim Fellowship Prof. (emeritus) Gideon Freudenthal, The Cohn Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas, Tel Aviv University Dr. Katharina Galor, Hirschfeld Visiting Associate Professor, Program in Judaic Studies, Brown University Prof. Amos Goldberg, Department of Jewish History and Contemporary Jewry, The Hebrew University of Jerusalem Prof. Neve Gordon, School of Law, Marie Curie Fellow, Queen Mary University of London Dr. Ilana Hammerman, Writer, recipient of the Yeshayahu Leibowitz Prize Prof. David Harel, Department of Computer Science and Applied Mathematics, The Weizmann Institute of Science; recipient of the Israel Prize and of the EMET Prize

Prof. Eva Illouz, The Department of Sociology and Anthropology, The Hebrew University of Jerusalem; The European Centre for Sociology and Political Science, Paris; recipient of the Anneliese Meier International Award for Excellence in Research from the Alexander von Humboldt-Foundation and of the EMET Prize Dani Karavan, Sculptor, projects include the Memorial to the Sinti and Roma victims of National Socialism in Berlin, the Regensburg Synagogue Memorial and the Way of Human Rights in Nuremberg; recipient of the Israel Prize Miki Kratsman, Photographer; former head of the Photography Department at Bezalel Academy of Arts and Design; recipient of the EMET Prize Alex Levac, Photographer, recipient of the Israel Prize Prof. (emeritus) Yehuda Judd Ne’eman, Tel Aviv University, recipient of the Israel Prize Dr. (emeritus) Mark Levene, Department of History, University of Southampton UK; Parkes Centre for Jewish/non-Jewish Relations; recipient of the Lemkin Prize of the Institute for the Study of Genocide Prof. Neil Levi, English Department (chair), Drew University Dr. Anat Matar, Department of Philosophy, Tel Aviv University Prof. (emeritus) Paul Mendes-Flohr, Dorothy Grant Maclear Professor Emeritus of Modern Jewish History and Thought and Associate Faculty in the Department of History, The University of Chicago Divinity School; Professor Emeritus of Jewish Thought, The Hebrew University of Jerusalem Prof. Isaac Nevo, Department of Philosophy, Ben-Gurion University of the Negev

Prof. (emeritus) Adi Ophir, The Cohn Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas, Tel Aviv University; Visiting Professor of the Humanities, The Cogut Institute for the Humanities and the Center for Middle East Studies, Brown University Prof. Nurit Peled-Elhanan, School of Education, The Hebrew University of Jerusalem; The David Yellin Academic College of Education; co-recipient of the Sakharov Prize Prof. Amnon Raz-Krakotzkin, Department of Jewish History, Ben-Gurion University of the Negev, recipient of the Zalman Shazar Prize for Jewish History Prof. (emerita) Shlomith Rimmon-Kenan, Departments of English Literature and Comparative Literature, The Hebrew University of Jerusalem; member of the Israel Academy of Sciences and Humanities

Prof. Ishay Rosen-Zvi, Head of the Talmud and Late Antiquity section, The Department of Jewish Philosophy and Talmud, Tel Aviv University Prof. Michael Rothberg, 1939 Society Samuel Goetz Chair in Holocaust Studies, Department of Comparative Literature, University of California Prof. Catherine Rottenberg, Department of American and Canadian Studies, University of Nottingham Prof. Barry Trachtenberg, Michael R. and Deborah K. Rubin Presidential Chair of Jewish History, Department of History, Wake Forest University Prof. David Shulman, Department of Asian Studies, The Hebrew University of Jerusalem, member of the Israel Academy of Sciences and Humanities, recipient of the Israel Prize and of the EMET Prize Prof. (emeritus) Moshe Zuckermann, The Cohn Institute for the History and Philosophy of Science and Id – Claus Walischewski

 

Es ist schade, dass die Überlegungen von Achille Mbembe keinen Ansatz bieten, die Zukunfts-Probleme der Menschheit und speziell Afrikas zu lösen. Das liegt daran, dass Mbembe die demographischen Probleme nicht berücksichtigt. Dies obwohl, das grösste Problem der Menschheit das zu hohe Bevölkerungswachstum ist (z.B. Vervierfachung in hundert Jahren). Dies ist nur zum geringen Teil die Schuld des Westens. Einst war der Anteil der Europäer an der Weltbevölkerung 30 % heute sind es nur noch 10%. Hätte sich die der Rest der Menschheit so gering vermehrt wie die Europäer, dann betrüge die Weltbevölkerung nur ein Drittel der heutigen (30%/3 + 70%/3 = 100%/3). Wenn sich jedoch auch die Europäer vermehrt hätten wie der Rest der Menschheit, dann betrüge die Zahl der Menschen heute statt 7.8 Milliarden über 10 Milliarden.

Wäre das Wachstum der gesamten Weltbevölkerung zwischen 1950 und 2050 so hoch wie das Wachstum der Bevölkerung Afrikas im gleichen Zeitraum (UN-Prognosen entsprechend) gäbe es im Jahr 2050 über 25 Milliarden Menschen.Eroberungszüge und Sklaverei gingen auch von Afrika aus. So wurden die Küsten Europas im Mittelalter bis hinauf nach Island (dies im Jahre 1627) von afrikanischen Sklavenjägern heimgesucht. Zwischen 1530 und 1780 wurden so über eine Millionen Europäer versklavt Diese Periode wurde nicht durch ein Umdenken beendet, sondern durch politische Entwicklungen. Seeräuberei war damals Haupteinnahmequelle zwischen Tunesien und Libyen. Der grössere Wohlstand Europas kommt hingegen im Wesentlichen nicht vom Sklavenhandel, sondern von der Forschung in Klöstern und Universitäten und vom geringeren Bevölkerungswachstum. Auch zu letzterem Effekt trugen Klöster und Universitäten bei. Übrigens sind auf dem Bild zum Artikel neben weisse Sklaven-Händler auch schwarze Sklaven-Jäger zu sehen.

Zum Vorwurf des Rassismus ist zu sagen, dass auch ein Bevölkerungswachstum, das langfristig die vorhandenen Ressourcen ausser Acht lässt, als Rassismus gedeutet werden kann. Dies weil man den Wert der ungebremsten Vermehrung der eigenen Rasse stärker gewichtet als die möglichen Folgen für den Rest der Weltbevölkerung. Dies zwar nicht durch Aufstellen von Theorien sondern durch Verhaltensweise, was letztlich wirksamer ist als abwertende Theorien. Aufgabe der Eliten Afrikas ist es, zu helfen, die Ursachen dieses Vorwurfs zu beseitigen.Was Israel betrifft so kann man die Gründung Israels als Resultat eines Bevölkerungsaustausches ansehen (vergleichbar mit einem Austausch zwischen der Türkei und Griechenland). Der Grossteil Israels Bevölkerung stammt heut nicht mehr aus Europa. Die Probleme der Palästinenser rühren zu einem wesentlichen Teil von zu hohem Bevölkerungswachstum her.

Wenn sich eine Bevölkerung verzehnfacht, dann hat dies für den einzelnen Bürger denselben Effekt, als wäre bei gleichbleibender Bevölkerung das Staatsgebiet um 90% geschrumpft. Dieser Effekt ist besonders dann wirksam, wenn die Wirtschaft weitgehend auf Landwirtschaft oder Tourismus beruht. Es bringt nichts, allen Europäern eine Kollektivschuld anzulasten und den Eliten Afrikas eine Kollektiv-Entlastung zu gewähren. Nötig ist eine gemeinsame Weltsicht, die Lösungsansätze bietet. Zu hohes Bevölkerungs-Wachstums hat weitgehend zur heutigen bedrohlichen Lage der Menschheit geführt. Die Folgen lassen sich mit der Metapher «Tragik der Allmend» charakterisieren. Das Recht auf Eigentum oder entsprechende staatliche Kontrollen ergeben Ansätze zur Problemlösung. Dabei gilt allerdings auch: Eigentum verpflichtet.

Dies auch zu Transferleistungen. Insbesondere dann, wenn ökonomische Gräben aufs Wirken des (durch den Fortschritt geförderte) Prinzips «The Winner takes it all» zurückführen lässt. Dieses Prinzip wird übrigens auch durch hohes Bevölkerungswachstum gefördert, da dieses die Massenproduktion rentabel macht, was Arbeitsplätze kostet.Wenn Transferleistungen allein die Probleme Afrikas lösen könnten (egal wie die Transferleistungen begründet würden) dann wäre das eine gute Lösung für ein gewaltiges Problem. Da dem nicht so ist, ist folgendes nötig: Transferleistungen dürfen nicht auf ein Fass ohne Boden treffen, daher müssen sie mit der Forderung nach dem Einlösen demographischer Verantwortung verbunden sein.

Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen oder deren Abwehr. Ich sehe keinen anderen Lösungsansatz als den angedeuteten, angesichts einer Reihe von Problemen: Erstens, der Klimawandel, reduziert die verfügbaren landwirtschaftlichen Ressourcen. Zweitens der Klimawandel verlangt, den Verbrauch von Bodenschätzen (insbesondere Öl) zu reduzieren, womit für viele Staaten eine wichtige Einkommensquelle reduziert wird. Dritten, der Wegfall von Arbeitsplätzen fördert das Suchen nach Ersatzperspektiven, die das Bevölkerungswachstum erhöhen und zu Extremismus führen.Das Berufen auf eine historische Opferrolle ist nicht geeignet diese Probleme zu lösen.- Dr. tech. Gernot Gwehenberger

 

1. Mangold sucht Israel wohl mit dem Finger auf der Landkarte. Sonst wäre ihm das Apartheid-Regime der israelischen Politik in den besetzten Gebieten und die immer rassistischer werdende israelische Gesellschaft, die sich mittlerweile sogar in einem breit angelegten Gesetzeswerk niederschlägt, wohl bekannt. Darauf hinzuweisen und kritisch zu kommentieren und einzuordnen ist das gute Recht von A. Mbembe. Warum seine Hinweise auf diese für die Palästinenser leidvolle Wirklichkeit von I. Mangold mit dem Diktum Hass auf Israel belegt wird bleibt Mangolds Geheimnis. Immerhin vermeidet er die Antisemitismuskeule. – Helmut Schmitz

 

Der Autor gibt seiner Auseinandersetzung mit dem afrikanischen Historiker Achille Mbembe den Untertitel „ Sein Israelhass rückt die Postcolonial Studies ins Zwielicht.“ Wenn ein Autor nach dem Werkstudium eines Historikers zu solch einem urteilenden Satz kommt, ist dessen Werk für deutsche Ohren beschädigt. Aber sind derartige Verurteilungen für den globalen Dialog förderlich? Sollten wir einer Geschichtsschreibung außerhalb der westlichen Welt nicht eher aufmerksam zuhören und ihre Gedanken in ihrer Andersartigkeit gründlich wirken lassen, hinterfragen und sie nicht einzig mit der Messlatte westeuropäischen Denkens bewerten? Aber gerade das vermisse ich in der Analyse bei Mangold. Sie ist voll von kritischen Bemerkungen, wie einer Rückkehr zur großen Erzählweise Marxscher Herkunft und „totalisierenden Ansprüchen“ oder von „einer Abkehr des Begriffs Neger von einer empirischen Gestalt zu einer metaphysischen Größe“.

Aber gerade diese uns provokant erscheinenden Vergleiche lassen das Werk spröde und unserer Denkweise ungewohnt erscheinen. In einer Abwertung, wie sie in diesem Artikel zu finden ist, befestigt sich die Kluft zwischen europäischem (westlichem) und außereuropäischem Denken. Viele junge Afrikaner, die aus Armut und Perspektivlosigkeit geflohen sind, fordern von uns Europäern gerade eine Abkehr von unseren alles erklärenden Wahrheiten. Sie tragen das Erbe des Kolonialismus in sich und hoffen auf Gehör ihrer Erfahrungen und sie solidarisieren sich mit den Palästinensern, weil sie Diskriminierung und Unrecht körperlich erfahren haben und es nicht nur dialektisch, intellektuell betrachten können.

Sie erzählen, wie oft Europäer in ihren Heimatländern Einfluss auf Wahlen und die Regierungsbildung genommen haben, sie haben die Auswirkungen von Waffenlieferungen in die Bürgerkriege ihrer Länder körperlich und seelisch zu tragen gehabt. Und sie staunen, dass die Bundesregierung einen Afrikabeauftragten wie Günter Nooke zum Sprecher ihrer Angelegenheiten macht. Viele dieser Gedanken spiegeln sich in dem Afrikaner Achille Mbembe wider. Wir haben zwei Ohren und nur eine Zunge. In diesem Verhältnis wäre es vielleicht angemessen, die kritischen Werturteile zu prüfen und sie nicht lauthals provokant zu veröffentlichen. – Dagmar Scherzer

 

Ijoma Mangold stellt die richtige Frage, nämlich nicht, „ob“ der Westen rassistisch ist, sondern „wie“. Anders als die neuen Propheten der Moral meint er dem Westen nicht nachweisen zu müssen, „dass“ er rassistisch ist. Vielmehr skizziert er mit einer geradezu leichten Eleganz die Parameter der Diskussion um den Vorwurf des Antisemitismus gegenüber Achille Mbeme als einen Aspekt des Vorwurfs westlichen Rassismus. Die Ära des philosophischen Poststrukturalismus in Frankreich gab den Impuls, jede Wissensorganisation und jede kulturelle Formation überhaupt mit Machformen verknüpft zu sehen. So begann die Ära der Entlarvung der Macht. Von dieser Bewegung, daraus weist Herr Mangold hin, sind vor allem die Humanwissenschaften der letzten zwanzig Jahre geprägt. Macht zu entlarven, die Täter zu überführen, das ist jetzt das Credo. Unabhängig von jedem politischen und historischen Kontext.

Nicht nur in den herrschenden akademischen Diskursen, nein, bis in die Kitas und Schulen, die Demos und Meinungsfluten in den Social Media ist diese Entlarvung der Macht das Hauptthema. „How dare you?“ oder „Fuck you” sind die weniger anspruchsvollen Formen der Versprachlichung des immer gleichen Vorwurfs. Macht an sich ist böse, Macht an sich muss entlarvt, bekämpft und abgeschafft werden. Welche Macht aber ist die einflussreichste, die zerstörerischte überhaupt. Natürlich die des Kapitalismus und des Rassismus. Achille Mbemebe meint dem Westen nachweisen zu müssen, „dass“ er rassistisch ist, macht aber keinen Unterschied, in welchen Formen Rassismus in Erscheinung trat, und wie er auch im Westen selbst bekämpft wurde. Genau auf diese Unterschiede aber macht der Artikel von Ijoma Mangold aufmerksam. Stellt damit auch in Frage, weshalb ausgerechnet Israel so besonders vehement vom „How dare you“ von Achille Mbembe angeklagt wird. – Miriam Wagner

 


 

 

Leserbriefe zu „Das Ende der Selbstgewissheit“ von Christian Staas

 

In einem Buch habe ich beschrieben, wie ich als 13jähriger „Hitlerjunge“ (das waren wir zwangsläufig alle!!) die „Befreiung von Nazideutschland“ (ZEIT-Titel) erlebt habe, nämlich als Befreiung vom ständigen Flieger-Alarm,, von Jaobs und Bomben und Luftminen, wobei schon „Nazideutschland ein geschichtswidriger Begriff ist, weil wahrscheinlich für 99% der Deutschen den 8.Mai 1945 nicht die Befreiung von Nazi- , sondern als die Kapitulation eines Deutschland in Trümmern und am absoluten Tiefpunkt erlebt haben. Eine Jungjournalistin kann das wahrscheinlich nicht nachempfinden; aber die ganze, an sich sehr notwenigeZEIT SERIE zum 8.Mai scheint ja nach dem gescheiten Ausspruch von Dieter Nuhr verfaßt zu sein: „Medien zeigen nur die Abweichung vom Normalen“ (Sendung vom 9.1.’20) Von den 16 Mio in übelster Art vertriebenen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien ist kaum die Rede, und es stimmt, daß es bald keine Zeitzeugen*** mehr geben wird, die das Ende des „dritten Reiches“ erlebt haben ,aber sie scheinen der ZEIT weniger wichtig zu sein. – J O B

 

Wenn es unser Bundespräsident am jüngsten Auschwitztag als „unverdientes Geschenk“ bezeichnet, wieder jüdisches Leben in Deutschland zu haben, so könnte sich manch einer fragen, ob nicht den Verfassern unseres Grundgesetzes und allen, die sich im Weiteren für Menschenrechte und ein harmonisches Miteinander engagiert haben, Dank und Anerkennung gebührt. In diesen Leistungen steckt durchaus ein Verdienst. Warum muss dieser von höchster Stelle her offiziell aberkannt werden? Wäre nicht das schöne Wort „Geschenk“ ausreichend gewesen? Warum explizit „unverdientes Geschenk“? Vielmehr noch als das könnte aber auch die Instrumentalisierung des Holocaust für verschiedenste Zwecke zur geschilderten Ambivalenz in der Bevölkerung führen. Viele Menschen würden wohl der Aussage zustimmen, dass man als Deutscher keine Kritik am Staat Israel äußern darf, ohne harsch auf die historische Schuld der Deutschen hingewiesen zu werden. Eine Analyse, die beide Aspekte weitgehend außer acht lässt, greift meines Erachtens zu kurz. – Dr. Christian Voll

 

Wenn man eine Erinnerungskultur am Leben erhalten möchte, dann sollte sie einem nicht aufgezwungen werden, denn das führt zu Trotzreaktionen. So etwas kann man selbst bei kleinen, unerwachsenen Menschen ( Kindern ) beobachten. Kaum noch ein erwachsener Deutscher, ausgenommen eine kleine Gruppe ewiger gestriger Wirrköpfe, kann die Verbrechen der Nationalsozialisten gut heißen, weil sie unmenschlich, und unentschuldbar sind. Solch geistig Verirrte gibt es in jedem Land, auch in Israel. Die Erinnerungskultur die von uns erwartet wird soll überblenden das Israel selbst ein gewaltiges Problem hat, eine Leiche im Keller, und das ist Palästina. In dem Land leben seit Jahrzehnten Hunderttausende Palästinenser unter desolaten, und menschenunwürdigen Zuständen in zerbombten Städten, (oder was davon übrig geblieben ist), und in riesigen Zeltlagern in der Wüste, hinter meterhohen Betonmauern eingepfercht als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land, kontrolliert, und schikaniert, mit Ansätzen von Genozid.

Ohne Hoffnung darauf das sich das jemals ändern wird. Daran sollten sich die Herren in Tel Aviv erinnern, und die Beziehung zu ihrem Nachbarn überdenken, und ihre starre, dogmatische, menschenverachtende Politik ändern. Dann könnte die Religion des Judentums, die sich selber als die von Gott erwählten bezeichnet, ihre Propagandakampagnen zur Erinnerungskultur einstellen, weil sie unnötig sind. Aber wer einen Ministerpräsident hat der wegen Korruption vor Gericht steht, von dem kann man kaum erwarten das er so einsichtig ist die unsäglichen Nöte des palästinensischen Volkes zu verstehen. So viel an Selbstgewissheit ist nicht da. Ihm, und seinen Mitstreitern könnte ein wenig Erinnerungskultur gut zu Gesicht stehen. Ich finde es bedenklich das nach jahrzehntelangem „ Brainwash „ sich die Journalisten einer so renommierten Zeitung wie DIE ZEIT zu solch einem Bericht instrumentalisieren lassen, und einseitig über die Kultur der Juden berichten, und dabei Palästina vergessen. Denn alles hängt ursächlich zusammen. Deutschland, und Israel, und Palästina. Ohne die Verbrechen der Nazi`s gäbe es heute kein Israel, und kein geknechtetes, ihres Landes beraubtes Volk Palästina.

Die Juden sollten Deutschland heute eigentlich dankbar sein, für die vielen finanziellen Wiedergutmachungen die sie erhalten haben, und immer noch bekommen, und auch für die fragwürdige Entscheidung der UN, ihnen Teile von Palästina als jüdisches Staatsgebiet zu geben auf Grund der im Dritten Reich begangenen Verbrechen. Bitte helfen sie mit objektiver Berichterstattung diese, und andere Ungerechtigkeiten in der Welt aufzudecken, auch um zu zeigen das wir aufgeklärt, und wach sind, und genug haben von aufgezwungener, orchestrierter Erinnerungskulturpropaganda. Irgendwann reicht es. – Gert Besner

 

Klärt uns auf! Achtzehn, blond, blauäugig und politisch interessiert. Ich würde aussehen, wie einer aus der Hitlerjugend. Schon mehrmals wurde dieser Vergleich gezogen. Das bin ich, diese Beschreibung trifft es, nur dass ich mich bei Fridays for Future und in der grünen Jugend wiederfinde. Ich absolviere demnächst mein Abitur an einer Gesamtschule in Garbsen und kann 15 Punkte in Politik, Deutsch und Mathematik vorweisen. Ich halte es für meine Pflicht, mich mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen, doch ich bin erschrocken wie wenig ich weiß. Mein Interesse an Politik und Geschichte nahm erst während der letzten zwei Jahren zu, wie auch sonst, wenn man vorher den ganzen Tag Fußball spielte? Und so stelle ich heute fest, dass ich über den Nationalsozialismus so gut wie nichts weiß. Nazi-Größen, die ich kenne: Hitler, Goebbels, Himmler, Speer und Schirach. Mehr fallen mir nicht ein. Wie war der nationalsozialistische Staat aufgebaut? Keine Ahnung. Wie kann aus der Weimarer REPUBLIK ein Führer hervorgehen? Keine Ahnung. Wie war das Leben als Achtzehnjähriger Deutscher im Mai 1935 und im Mai 1945? Ich habe keine Ahnung. Ich schäme mich dafür, nichts zu wissen. So sitze ich hier, nachdem ich den ZEIT Artikel „Das Ende der Selbstgewissheit“ (19/2020) gelesen habe und glaube, zumindest jetzt zu wissen, warum ich all dies nicht weiß.

Ich erinnere mich an etwas Unterricht zum Nationalsozialismus in der 7. Oder 8. Klasse, ansonsten gab es nichts dazu. Ein Schulausflug nach Bergen-Belsen wurde mehrmals verschoben und dann nie nachgeholt. An die Zeit, in der jeden Abend Nazi-Dokus im Fernsehen liefen kann ich mich nicht erinnern, laut ZEIT endete diese Zeit 2010. Alles was man wissen sollte, muss sich selber zugeführt werden. Ich bezweifle sehr, dass die meisten Abiturienten meiner Schule die Namen Speer und Schirach überhaupt kennen. „Einen Schlussstrich“ unter die Erinnerung an die NS-Zeit ziehen zu wollen, ist gefühlt schon länger getan. Ich wundere mich nicht, dass Rechte erstarken und Antisemitismus und Rassismus zunimmt (auch an meiner Schule). – Niklas Cordes

 

Die eigene Erinnerungskultur hängt von dem ab, woran man sich zweifelsfrei erinnert, was einem von Eltern und Lehrern erzählt wurde und was man späte bei Historikern gelesen hat. 1936 geboren, setzt bei mir die eigene Erinnerung im Zusammenhang mit dem 16. März 1944 ein. Damals wurde meine Familie mit drei kleinen Jungen beim 3. Luftangriff auf die Industriestadt Friedrichshafen (Zahnradfabrik , Maybach, Dornier) ausgebombt. Das erste, was mich interessierte, als wir heil aus dem total zerstörten Wohngebäude heil herausgekrochen waren, war die Suche nach Bombensplittern. Zwei Tage später kamen beim 4. Luftangriff auf meine Heimatstadt, meine beiden Brüder, 2 Jahre jüngere Zwillinge durch einen Volltreffer auf die Wohnung meines Onkels und meiner Tante, mit diesen und einem Teil von deren Kindern ums Leben. Die Zwillinge hatten dort Unterschlupf gefunden.

Die Reaktion meines Vaters, der bei der Zahnradfabrik Friedrichshafen als kaufmännischer Angestellter tätig war, waren regimekritische Äußerungen im Dienst und das Anbrüllen eine Gruppe von Hitlerjungen, sie sollen angesichts der Kriegstoten aufhören, zu singen „Wir werden weiter marschieren, bis alles in Scherben fällt . . .“ So erlebte ich meine Eltern zumindest von März 1944 an als entschiedene Gegner des Nationalsozialismus. Wir konnten von Glück reden, dass niemand meinen Vater verpfiffen hat. Die zögerliche Aufarbeitung des Geschehenen in Nachkriegsdeutschland ist in dem Zeitbeitrag, auf den ich hier Bezug nehme, ausführlich geschildert. Was mich nachträglich noch wundert, ist, dass ich als Gymnasiast und meine Mitschüler es ohne nachhaltige kritische Hinterfragung hinnahmen, dass der Geschichtsunterricht in der Unter- und Oberstufe jeweils mit dem Ende des Kaisesrreichs aufhörte. Wann ich zuerst vom Holocaust erfuhr, kann ich nicht mehr sagen. Was meine Eltern davon vor der allgemeinen Aufklärung wussten , kann ich nicht abschätzen. Mein Vater wurde ja wegen seiner Arbeit in einem kriegswichtigen Betrieb nicht an die Front geschickt. Und als ihm im Rahmen des Volkssturmseinsatzes in den letzten Kriegstagen in Aulendorf in Oberschwaben eine Panzerfaust in die Hand gedrückt wurde, legte er diese in der Nähe der Panzersperre ab und verdrückte sich.

Leider vollzog sich die Besetzung Deutschlands nicht überall friedlich, weil der Widerstand bei Teilen des Militärs und auch in der Bevölkerung bis zuletzt nicht erlahmte. Hinsichtlich der drei Zeitumfragen ist meine Meinung seit langem eindeutig. Das deutsche Volk kann nie einen Schlussstrich unter die Vergangenheit des Nationalsozialismus ziehen, und es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass die Geschichte (und auch die Vorgeschichte) des Nationalsozialismus und der Holocaust nicht vergessen werden. Das ist umso wichtiger, als die Zeitzeugen mehr und mehr aussterben. Deswegen bin ich auch dagegen, dass, wie es jetzt vielerorts geschieht, Straßen von Personen, die Antisemiten, Verfechter der Rassentheorie oder des NS-Staates waren, umbenannt werden.

Eine Damnatio memoriaeist nicht der richtige Weg, um die Erinnerung an alles wachzuhalten. Diesem Zweck ist mit der Beibehaltung der bisherigen Namen und einem erklärenden Zusatz auf dem Straßenschild besser gedient. Die dritte Frage, dass die Masse der Deutschen keine Schuld hatte, kann ich nicht mit Ja beantworten. Ohne die Zustimmung der Mehrheit der Deutschen wäre Hitler nie an die Macht gekommen. Im Krieg konnten die Soldaten ja den Dienst an der Waffe nicht verweigern. Sie zogen aber nicht mehr wie die deutschen Soldaten im 1. Weltkrieg voll Begeisterung ins Feld. Der Wahlspruch der preußischen Monarchie seit 1701 „Gott mit uns“ auf den Koppelschlössern der Soldaten des 1. Weltkriegs blieb allerdings auch im 2. Weltkrieg erhalten. – Dr. Winfried Hagenmaier

 

Erinnerungskultur ist für mich als angehende Geschichtslehrerin ein Thema das mir durchaus Sorgen bereitet. Es ist gefährlich, dass viele Ermüdung verspüren oder das Gefühl haben, die Erinnerung sei irgendwie „auf erzwungen“. Übereinstimmendes Gedenken ohne hundertprozentig hinter der Erinnerungskultur zu stehen, stärkt diese nicht, sondern kann im schlimmsten Fall eher zu einer Schwächung dieser führen. Auch Erinnerungskultur braucht Diskurs und muss sich immer wieder neu finden. Gerade wenn Zeitzeugen immer weniger werden und der Druck von Rechts größer wird, ist es wichtiger denn je, dass die Erinnerung von einer Gesellschaft getragen wird, die verstanden hat, worum es geht. In der Ansicht, dass der Nationalsozialismus nie wiederkehren ist man sich einig, doch wieso und weshalb und welche Bedeutung der Nationalsozialismus für unsere heutige Zeit spielt, darauf haben die meisten keine Antwort. Doch so kann keine vernünftige glaubwürdige Erinnerungskultur getragen werden.

Dann bestünde diese nur noch aus Leuten, die sich mit dem Anschließen an das Gedenken eine Maske des guten Gewissens schüfen. Angeblichen Schuldzuweisungen und desinteressierten Schülern, muss man entgegen wirken, indem man eine Erinnerungskultur schafft, die gestaltet werden kann und in der durchaus Debatten zugelassen sind. Nur so kann man der blinden Übernahme einer Erinnerungskultur, ohne diese verstanden zu haben, entgegenwirken. Geschieht dies nicht verliert das Gedenken seinen Wert und seinen eigentlichen Sinn. Der Satz „Das darf nie wieder passieren!“ braucht überzeugte Vertreter, denen das ganze Bild transparent vermittelt und nicht auferlegt wird. – Johanna Meyer

 

Denkt einfach an die Kinder! Denkt einfach an die Kinder. Dann fällt es euch nicht schwer, das Gedenken zuzulassen. Denkt immer nur an die Kinder: an der Auschwitz-Rampe – den Säugling, der den Armen der Mutter entrissen an den Beinchen gepackt wurde und dessen zarter Kopf gegen eine Mauer geschleudert wurde; im Warschauer Ghetto die Kleinkinder – aus dem oberen Stockwerk aus dem Fenster in den Tod geworfen; der kleine Junge mit durch Schläge zertrümmertem Unterkörper, der mit einer kleinen Menge Nahrung zurück durch die Ghettomauer kroch, bevor er dort verstarb; die unbekleideten Füßchen im polnischen Januar der vor Hungerschmerz weinenden bettelnden kleinen Kinder, die elternlos zurückgeblieben sich um die Allerkleinsten sorgten; die Kinder, die in den Konzentrationslagern fortan keinen Namen mehr hatten, weil niemand dort einen Namen haben durfte.

Ein „Vogelschiss der Geschichte“? Seid ihr keine Menschen, wenn ihr glaubt, das vergessen zu dürfen, zu können? Massenhaft unter grausigen Umständen ermordete Kinder – ein „Vogelschiss“? Wandert aus, wenn ihr die Erinnerung nicht ertragt. Denn dieses Land hat nun einmal diese Geschichte. Und unsere Gene sind die unserer Vorfahren, der Täter. Und das sei gesagt: alle haben es gewusst, alle! Wer sind wir also, dass WIR entscheiden, wann der Schlussstrich gezogen wird? Erst wenn alle Völker, Opfer und deren Nachkommen uns verziehen haben werden, erst dann können wir auf einen Schlussstrich hoffen. Dann dürfen und sollten wir überhaupt erst anfangen, darüber Nach-zu-Denken. Und bis dahin: sobald uns das Sehnen nach einem Schlussstrich überkommt, stellen wir uns eines dieser Kinder vor. Dann vergeht uns das Sehnen. – Brigitta v Westphalen

 

Generell zur Impf-Geldmaschine: Ist bestimmt ein Problem, eben wg der isolierten Betrachtungsweise: Die Pharmaindustrie sagt = Ein Problem = eine Impfung. Der Körper als Ganzes wird dabei nicht betrachtet. Tja, die Impfmasche ist ein Problem, und wird noch grösser werden. Da hat der Kennedy wohl Recht. Denke ich auch. Aber wieso glaubt dieser Kennedy, siehe Video, dass er hier etwas erreichen kann, was er bei sich zu Hause eben NICHT erreicht hat ? Glaubt er, dass die Deutschen ihn brauchen ? Hört sich für mich etwas abstrus an. Vielleicht sollte er erstmal mit all seinem Geld versuchen, die USA auf den Kopf zu stellen? Denn Kohle haben die Kennedys genug. Sie wollen s aber eben auch nicht gern für den generellen Antiimpfkampf einsetzen und gegebenenfalls alles verlieren.

(Nachtrag dazu: Keiner hat mal genau untersucht, wieso das Coronavirus zB in New York so viele Tote verursacht hat. Die simpelste Erklärung besagt nämlich: Da gibt s extrem viele Menschen mit einem maroden Immunsystem. Und da sagen die Impfbefürworter: Haben wir doch gesagt – Alle müssen einfach geimpft werden, und das Problem ist gelöst. – Herr, gib Hirn….) (Noch ein Nachtrag: Die Impfmaschinerie wird natürlich auch nur dann in Gang gesetzt, wenn die reichen Industrieländer bedroht werden und als gemolkene Kuh in Frage kommen. Siehe, perfektes Beispiel, jetzt die 7 Milliarden, die zur Entwicklung eines Anticoronaimpfstoffes eingesammelt worden sind. Kennt einer zB Dengue? Da sind jetzt zB in Argentinien mehr Menschen durch Dengue als durch den Coronavirus gestorben. Ist jedes Jahr dasselbe. Dengue könnte man ausrotten. Aber der Aufwand lohnt sich nicht für die reichen Industrieländer. Also bleibt s bei den vielen Toten jedes Jahr. Und solche, jedes Jahr hunderttausende oder gar millionen Tote verursachende Krankheiten gibt s etliche. Und in vielen ärmeren Ländern. Interessiert hier keinen. Was soll also dies Drücken auf die Moraldrüse hier beim Coronavirus ?) – Klaus Elgner

 

Man sollte den sehr interessanten Beitrag „Das Ende der Selbstgewissheit“ von Christian Staas in einem weiteren Zusammenhang sehen. Der Geschichtsschreibung über das 3. Reich sind starke moralische Vorgaben gesetzt. In allen anderen Bereichen geht man davon aus, daß die beschriebene historische Vergangenheit ein Muster aus schwarz, weiß und grau ist. Meistens enthalten sich die Historiker aus gutem Grund einer moralischen Wertung. Sie werden in einem Werk über römische Geschichte kaum moralische Wertungen finden. Dabei liegt das z. B. im Falle von Cäsars gallischem Feldzug durchaus nahe. Schreibt hingegen jemand über die Zeit von 1933 – 45, ist es hochriskant dem Bild auch nur eine Spur Grau, geschweige denn Weiß beizumengen. Durch diese Selbsteinengung verbaut man sich aber selbst die Möglichkeit zu konsistenten Erklärungen.

Zum Beispiel wird einerseits auch an postiven Entwicklungen wie Reduzierung der Arbeitslosigkeit, dem Bau hunderttausender Siedlungshäuser, dem Autobahnbau, der zwar vor 1933 schon geplant wurde aber eben erst danach verwirklicht wurde, der Förderung des Tourismus kein gutes Haar gelassen, aber andererseits steht man fassungslos vor der Tatsache, dass die Deutschen lange Zeit zumindest eine teilweise positive Einstellung zum Hitlerregime hatten. Ich bin keineswegs der Ansicht, diese Zeit solle weiß oder hellgrauer gewaschen werden. Aber man sollte auch an diese Zeit keine überhöhten Maßstäbe stellen, indem man von den Zeitgenossen prophetische Fähigkeiten fordert. Wie wirlichkeitsfremd teilweise heutige Berichte sind lässt sich daran ersehen, daß über Personen dieser Zeit erschrocken angemerkt wird, sie seien Parteimitglieder gewesen. Was denn nun: Hatten die eine Wahl oder war das Hitlerregimne eine Diktatur? Lesen Sie doch bei Joachim Fests Buch „Ich nicht“ nach, wie es Leuten erging die sich z. B. als Beamte weigerten, der NSDAP beizutreten.

Ein anderes Beispiel: Zum Kehlsteinhaus nahe Berchtegaden wurde in ca. 15 Monaten eine grandiose Aussichtsstraße gebaut, die natürlich nur für Hitler reserviert war aber heute eine touristische Attraktion erster Güte darstellt. Ich wollte nur eine technische Beschreibung der Strasse und ihren Bau. Die bekam ich auch, aber der Beginn bestand aus einer eindringlichen Ermahnung mit Zitaten aus dem Grundgesetz. Fühlt sich unser Staat so schwach (Stichworte: BER; Autobahnrheinbrücke bei Köln), dass man nicht ohne diesen lächerlichen ideologischen Irrsinn auskomm? Wenn man diese moralischen Vorgaben fallen läßt wird man auch bei den heutigen Zeitgenossen keine so wiedersprüchliches Haltung finden. Eine realistische Darstellung dieser insgesamt natürlich fürchterlichen Zeit würde wohl auch dem Rechtsextremismus den Boden unter den Füßen wegziehen. Ich meine nach 75 Jahren ist es an der Zeit die moralischen Vorgaben durch strenge wissenschaftliche Anforderungen zu ersetzen. – Dr. Christian Netzel

 


 

 

Leserbriefe zu „Versuch und Irrtum“ von Mariam Lau

 

Der Beitrag „Versuch und Irrtum“ war beinahe unlesbar. Und das nicht deswegen, weil Miriam Lau plötzlich verlernt hat, ordentlich zu schreiben, sondern weil diese überambitiobierte Grafik in der Mitte einem permanent die Pupillen einwickelte. Ich deckte diese Hölle aus gelb und schwarz irgendwann mit dem Zeit-Magazin ab. (Es war fast kongruent mit dem Bild). Dann ging’s. – Andreas Hainzinger

 

Dass in der „Zeit“ die journalistischen Genres mehr und mehr verschwimmen, Glosse- und Kommentar-Elemente in Nachricht und Meldung oder Reportage auftauschen, ist ein Thema meiner zunehmenden Unzufriedenheit mit der journalistischen Qualität der „Zeit.“ Gleichwohl mehr an den Chefredakteur zu richten – OK. Dass im Artikel von Ihnen, Frau Lau, sich jedoch handwerkliche Schnitzer finden, regt mich auf und ist m.E. zumindest bemerkenswert. Daher dierser kurze Leserbrief. Sie schreiben: „Alle sind sich einig, dass eine derartige Technologie unerlässlich ist.“ – Da frage ich mich: Wer sind diese „alle.“ Haben Sie eine Erhebung gemacht, Allensbach befragt, das Statistische Bundesamt, sonstwie recherchiert? Ich zumindest (und meine Frau auch) gehören nicht zu diesen „alle.“ – Somit stimmt „alle“ schonmal nicht.

In Rage geschrieben, müsste ich sogar fragen: War recherchieren zu anstrengend? Was mich noch zu einem zweiten Punkt bringt, das Ende des Artikels. Dort heißt es: „Ob so etwas im Kanzleramt derzeit auf Sympathie stößt, war nicht herauszufinden.“ Soll, nehme ich an, locker flockig klingen, Ende eines „Bunten Beitrags“ für die Wochenendausgabe einer Lokalzeitung. Klingt für mich aber ebenfalls nach: journalistische Arbeitsverweigerung. Es ist doch originäre Aufgabe, Sachen herauszufinden und zu berichten [zu den Genres siehe Beginn meiner Mail]. Wenn also ein Bericht (?) endet mit „war nicht herauszufinden“ – nun ja, dann ist der Journalist, die Journalistin, die Redakteurin, der Redakteur zu früh stehen geblieben, anstatt nachzufragen, nachzufragen, nachzufragen. Flapsigkeit und Lockerheit in einem Bericht liegen m.E. eng neben Luschigkeit – „Vorsicht an der Bahnsteigkante.“ – Thomas Conrad

 

Das mit den Zahlen ist so eine Sache. 165000 Infizierte bei 83 Mio. Einwohner sind 0,2 % , weit von den von Ihnen beschriebenen 2 bis 3 %. Eine Dunkelziffer mit dem Faktor 10 bis 15 wurde meines Wissens bisher nicht bestätigt. 25 Jahre sind demnach bei weitem nicht ausreichend. Wie das Ziel bei einer Physikerin die Herdenimmunität sein kann bleibt für mich ein Rätsel. Und die Presse plappert es munter mit. Die daraus resultierenden Toten rechnet auch lieber keiner durch. – Prof. Dr. Manfred Stilz

 

Im Kontext der im Teil „Streit“ dargestellten Rückversetzung der Rolle der Frauen möchte ich auf eine Formulierung von Ihnen hinweisen, die ein rückständiges und in diesen Tagen leider viel verwendetes Frauenbild vermittelt: „Stattdessen schleichen jetzt die Ansteckungen geisterhaft und potentiell umher, […] was bisher vermieden wurde: […] heulende Krankenschwestern[…]. Das stetig wiederholte Kernanliegen […] ist die Vermeidung […] der „Triage“: der Situation, in der Ärztegezwungen sind, zu entscheiden, wer behandelt und wer aufgegeben wird. Diese Formulierung suggeriert stark ein Machtbild mit der schwachen Frau auf der einen und dem starken, zu lebenswichtigen Entscheidungen gezwungen, Mann. Ich möchte darauf hinweisen, dass dies nicht der Realität entspricht. Das gesamte medizinische Personal steht vor grossen Herausforderungen, ob Mann oder Frau. Viele Ärtzinnen wie Pfleger stehen an vorderster Front. Gerade ob der Tragweite Ihrer Artikel, wünsche ich mir eine stärkere Sensibilisierung (Zeit-weit) hinsichtlich solcher Formulierungen. – Lukas Hoppenau

 

Ich vermisse Ihre sonst geschätzte Wortsensibilität. Corona? Ihre Formulierung „heulende Krankenschwestern“ in oben genanntem Artikel hat mich empört. Erstens: heulen??? Ist das in diesem Zusammenhang das richtige Wort? Zweitens: Weinen auch Krankenpfleger? Drittens: Völlig falscher Tonfall in diesem Kontext. Ich könnte heulen. Weil es zum Weinen nicht wichtig genug ist. – S. Seul

 

Echt jetzt, nur 300?? „Mittlerweile habe, so sieht es Lauterbach, die Bundesregierung die Idee der Austrocknung des Virus vorerst aufgeben. Die Infektionszahlen sind derzeit zu hoch (1144 am 29 April https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-04-28-de.pdf?__blob=publicationFile) um jeden einzelnen Fall nachzuverfolgen und zu isolieren. Die Gesundheitsämter, so schätzt man im Kanzleramt, könnten etwa 300 Fälle pro Tag bewältigen.“ Es gibt über 400 Gesundheitsämter in Deutschland (http://www.gesundheitsaemter-deutschland.de/) und da soll jedes Amt mit, ich schätze mal mindesten zwischen 10 und 100 Mitarbeitern überfordert sein, im Durchschnitt weniger als einen Fall zu verfolgen?

Ich vermute, jedes professionelle Call Center mit so einer Leistungsbilanz würde nicht einmal mit großzügigen Corona-Hilfen länger als einen Monat überleben können. Man braucht kein examinierter Virologe zu sein, um am Telephon eine Fragenliste mit einem neu infizierten Menschen durchzugehen. Das wäre zur Not auch im „home-office“ noch gut zu bewältigen. Wie wäre es denn, wenn von den hunderten von Milliarden Steuergeldern, die jetzt an Corona-Hilfen in die notleidende Großindustrie zur Sicherung von Dividenden, Boni und Parteispenden gepumpt werden, wenn von diesen Milliarden mal ein oder zwei Millionen abgezweigt werden, um die Gesundheitsämter vernünftig miteinander zu vernetzten, und zur Not auch noch ein oder zwei private Call-Center zu engagieren, die den überforderten Gesundheitsämtern ein bisschen unter die Arme greifen? – Dr. med. Stephan Gerke

 

Die zwei seit Langem befreundeten Landstreicher „Estragon“ und „Wladimir“ warten auf einen Menschen namens „Godot“! Im großen Warten auf diesen sonderbaren Fremden kommt es zu sehr bizarren und weltfremden Situationen und Absurditäten. Samuel Beckett (1906-1989), ein bedeutender irischer Schriftsteller publizierte sein Theaterstück „Warten auf Godot“ im Jahre 1952. Jetzt, da sich das Coronavirus weltweit auf dem Rückzug befindet, da warten wir schon mal zur „Vorsorge“ auf die zweite Infektionswelle des Coronavirus! „Wir alle werden verrückt geboren. Manche bleiben es!“ (aus: „Warten auf Godot“) Und noch zwei Zitate von Samuel Beckett: – „Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt! Nichts ist komischer als das Unglück – natürlich anderer. Unsere Zeit ist so aufregend, dass man die Menschen eigentlich nur noch mit Langeweile schockieren kann.“ – „Manche Menschen mögen sich noch so fein waschen und noch so fein parfümieren – sie stinken!“ – Klaus P. Jaworek

 

Dass Herr Altmaier bei Anne Will von Krankenschwestern und Ärzten spricht, fällt auf, überrascht aber eher nicht. Dass die Zeit, bzw. Frau Lau, im Artikel ‚Versuch und Irrtum‘ von heulenden Krankenschwestern spricht und Ärzten, die entscheiden, ärgert mich sehr. Danke für das zukünftige Vermeiden von Geschlechterstereotypen! – Carolin Rickers

 


 

 

Leserbriefe zu „Gescheitert?“ von George Packer

 

Der Bericht ist eine schonungslose und auch sehr zutreffende Analyse des Zustandes der Vereinigten Staaten unter dem gegenwärtigen Präsidenten. Nicht akzeptabel finde ich jedoch das Bild von Sarah Palin als Johannes dem Täufer, wird damit doch Donald T. mit Jesus gleichgesetzt. Dem Präsidenten würde das sicher gefallen, mir als Christ jedoch gar nicht. – Prof. Dr. Wolfgang Schmidt

 

Volltreffer! Ich wünsche mir mehr solch scharfer Analysen wie der von George Packer über die Lage der US-amerikanischen Politik und Gesellschaft. Er offenbart die brutale Realität, dass es das Amerika, das wir für seine vorbildliche, liberale Demokratie so bewundert haben, nicht mehr gibt – und doch so notwendig gebraucht würde. Ein Land, das für eine weltoffene, faire und unvoreingenommene Liberalität steht und nicht nur an sich selbst zuerst denkt. Mit dem aktuellen Präsidenten an der Spitze und seinen chancenreichsten demokratischen Herausforderern wird sich das wohl nicht ändern. Leider! – Dipl.-Ing.Peter Breuninger

 

Unsere Freunde leben in einem Vorort von New York. Deren Sohn ist Apotheker in einer Klinik in New York und wissen deshalb aus erster Hand was sich dort abspielt. Deshalb möchte ich Ihnen deren Kommentar zu diesem Artikel zuschicken: Ihr Lieben, wir haben den Original Artikel in „The Atlantic“ Magazine per Computer abgerufen, und David sendet ihn zu Freunden hier. Ich werde das mit der deutschen Uebersetzung auch an meine Freunde hier und drueben tun. Es gehoert Intelligenz, Interesse, Wissen und Mut dazu, eine solche Analyse zu veroeffentlichen und es waere nicht das erste Mal, dass ehrliche und besorgte Warnungen als Hetze und Verrat an den Pranger gestellt werden. Es ist wirklich schlimm, auch wenn wir persoenlich es noch nicht so spueren. Die Unmengen von taeglichen Bettelbriefen vieler Sozial-Institutionen und die armen Menschen, die frueh am Morgen oder spaet abends heimlich den Muell durchsuchen, um etliche Muenzen durch die Rueckgabe von Dosen oder Flaschen zu ergattern oder die langen Reihen von Menschen, die fuer Basis -Nahrung anstehen, zeigen klar, dass dieser Artikel definitiv die lange moralische ‚Slide‘ mit dem Ausgang einer Katastrophe sieht.

Ein Unsicherheits-Gefuehl macht sich breit, sobald das Vertrauen in die Regierung ausgehoehlt ist, was „The Great“ mit Hilfe von Luegen und seinen zweifelhaften Dealer- Aktionen endlich fast erreicht hat. Covid19 brachte es nur drastisch an den Tag! Wann immer wir diese (Hilferufe-Briefe) fuer Unterstuetzung sortieren, befallen mich Zweifel/Schuldgefuehle/und ein enormer Aerger! Ein Land wie Amerika heute hat nicht das Recht als Vorbild oder „World-Leader“ zu gelten! Wir haben hier einen „Moechtegern-Alleinherrscher, der am liebsten die gesamte Regierung – ohne persoenliche Verantwortung – privatisieren moechte – natuerlich mit seinen „Anbetern“. Wir hoffen immer noch, dass Covid 19 ihm einen Strich durch seine Plaene macht! Herzlich Eure David und Irene – Fritz Rehe

 

Wenn es stimmt, dass die Schwarmintelligenz einer Nation niemals höher sein kann als die der von ihr demokratisch gewählten Fuehrungspersoenlichkeiten, dann ist das ein schlechtes Omen fuer die USA, jedoch ein Kompliment fuer Deutschland. – Hans H Krueckemeier

 

Der Artikel auf Seite 2 „Gescheitert“ hat mir so aus der Seele gesprochen, dass ich ihn gern weitergeben möchte. Ich habe weitläufige Verwandte in Texas, die „unverbesserliche“ Trump – Anhänger sind. Denen möchte ich diesen Artikel gern weitergeben. Leider können die aber kein Wort Deutsch. Wäre es möglich mir diesen Artikel in Englisch zu kommen zu lassen? – Rudolf Hofmann

 

Es steht zu befürchten, dass der maßlos absurde Populismus des US-amerikanischen Präsidenten, der mitunter die Züge eines geistigen Amoklaufs trägt, auch von Covid-19 nicht gestoppt werden kann. Donald Trump verfügt nach eigenem O-Ton nicht nur über eine „ungeheure Kontrolle“ des Corona-Virus, er verfügt realiter über eine ungeheure Kontrolle der amerikanischen Politik, deren Habitus sich während seiner Amtszeit rapide entdemokratisiert und geradezu inflationär entwertet hat. Zu allem Überfluss setzt das heimtückische Virus Trumps ausgeprägtem Mangel an Vernunft und Reflektiertheit in diesen Tagen mithin in einem exponentiellen Ausmaß die Krone auf.

Denn gerade in diesen Zeiten, die allenthalben so außerordentlich maßgebend sind für die globale Zukunft, braucht es überaus fähige, im wahrsten Sinne des Wortes geistreiche und moralisch integre Leader. Es ist schlichtweg verheerend, wenn derzeit Narzissmus und Dummheit zu inkurablen Synergien in Machtpositionen finden und ein jedes vernunftgerechtes Mindestmaß unterschreitend angewendet werden können. Und es ist fatal, wenn ein so großartiges und starkes Land wie die USA um seine Grundkonzeption, die des American Dream und um jegliche soziale Stabilität gebracht wird. Bei allem gebotenen Respekt, so etwas lässt sich wohl nur mit ausgesprochenem Stoizismus oder aber mit Defätismus ertragen. Mir jedenfalls treibt das Wirken des Donald Trump regelmäßig Tränen in die Augen. PS: Dear Mr. Packer, you’re so right, thank you for every single word. Best regards, respectfully. Sehr geehrte Frau Röhricht, sehr geehrte Damen und Herren der ZEIT-Redaktion, vielen Dank für die Übersetzung und den Abdruck der von George Packer verfassten Kritik, die an Klarheit und Deutlichkeit erfreulicherweise nichts vermissen lässt und die ich derartig noch in keiner deutschen Zeitung wahrgenommen habe. – Matthias Bartsch

 

Eine brilliant geschriebene Abrechnung mit der Trump-Regierung angesichts des Versagens in der Corona-Krise. Kompliment in diesem Zusammenhang auch an die Übesetzerin, Bettina Röhricht. Ich bin fasziniert und gleichzeitig abgestoßen, wie es Trump schafft, immer noch etwa die Hälfte der US-Amerikaner hinter sich zu bringen. Wie groß muss der Hass breiter Schichten auf „die da Oben“ sein, um einem unfähigen und korrupten notorischen Lügner Gefolgschaft zu leisten. In einem youtube-Video, in dem Gregor Gysi den Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach interviewt, bringt es Lauterbach auf den Punkt: Bei Trump kommen drei Eigenschaften zusammen, die ihn gefährlich machen: Ausgeprägter Narzissmus, völlige Empathielosigkeit und gleichzeitig eine Neigung zur Bösartigkeit. Amerika, wie tief bist Du gesunken! – Bernd Riegsinger

 


 

 

Leserbriefe zu „Plötzlich am Boden“ von Claas Tatje

 

Sicher haben alle Branchen stark unter der Corona- Krise zu leiden. Mit am heftigsten trifft es sicher die Luftfahrtbranche. Hier allerdings soll die Krise hauptsächlich auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden. Die Auseinandersetzung bei der Beantragung von 10 Milliarden Euro Überbrückungskredit oder Staatsbeteiligung läuft darauf hinaus, dass die Rückkehr zum normalen Flugbetrieb auf Kosten des Steuerzahlers und der Lufthansamitarbeiter erkauft werden soll. Lufthansachef Spohr möchte eine Mitsprache des Staates verhindern, um ohne Widerspruch 10000 Mitarbeiter entlassen zu können. Bei einer Mitsprache des Staates hat zumindest der Koalitionspartner SPD angekündigt, dass sie nicht widerspruchslos dieser Massenentlassung zustimmen würde. CDU, FDP und ADF vertreten wie gewohnt das Arbeitgeberinteresse. Hoffnung liegt wie so oft auf Frau Merkel. Nun muss man wissen, dass das Lufthansamanagement seit Jahren einen Sanierungskurs auf Kosten der Mitarbeiter fährt.

So wurden in den letzten Jahren insolvente Fluggesellschaften aufgekauft und die Piloten und Flugbegleiter als Lohndrücker bei der Lufthansa eingesetzt. Piloten und Flugbegleiter mit älteren höher dotierten Verträgen sollen freigesetzt und gegen billige Konkurrenten ausgetauscht werden. Die Lufthansa hat 4 Milliarden Euro an Liquidität, möchte aber lieber Staatsgelder, denn mit den Geldern lässt sich nach der Krise der ein oder andere Konkurrent preiswert schlucken. Auch kann man von den 10000 entlassenen Mitarbeitern nach der Krise mit neuen für LH günstigeren Arbeitsverträgen viele qualifizierte Piloten und Flugbegleiter wieder einstellen. Da man von diesem Großkonzern in den letzten Jahren keine innovativen Ideen zu Kooperationen und klimafreundlichem Flugbetrieb gehört hat, wäre zu überlegen, ob man sich nicht auch die Millionengehälter des LH Managements sparen könnte. – Peter Manzke

 

Danke. „In einer wirtschaftlich vernetzten Welt ist es völlig undenkbar, nicht zu fliegen“, haben Sie ein mir das Messer in der Tasche aufgehen lassendes Zitat eines Herrn Spohr prominent auf Seite 19 in der Zeit No 19 platziert. Hart rechts oben davon im Text der entlarvende Satz: „So erklärt der damalige Chefpilot Robert Salzl, was er Spohr beibrachte: ‚Es darf nichts Alternativloses geben.‘“ Dass ihm das einst beigebracht wurde, scheint Herr Spohr aber vergessen zu haben, angesichts des zitierten Postulats. Dass Herr Spohr im Homeoffice jetzt eine Alternative lebt, statt ständig auf der Strecke MUC-FRA zu pendeln, freut mich. Es gibt nämlich immer mindestens eine Alternative. Sogar zu „heiligen Kühen“ wie der Lufthansa oder unseren anderen hoch subventionierten „Staatsbetrieben“ wie VW oder Daimler ;-) Man kann nämlich auch woanders arbeiten, andere „Mobilitätslösungen“ nutzen und andere Pseudo-Steuereinnahmen generieren. – Frank P. Erben

 

Lufthansa, der ‚Vorzeigekonzern‘ mit den Milliardengewinnen aus dem Vorjahr mit dem Topmanager und Krisenbewältiger Carsten Spohr an der Spitze muss gerettet werden. Aber bitte immer schön ohne Bedingungen und staatliche Einflussnahme. Wie so oft, ist wieder einmal der Steuerzahler gefragt, wenn Unternehmen in Schieflage geraten. Sicher ist mit der Coronakrise eine ungewöhnliche Situation entstanden. Die Frage, die sich stellt, ist nur: Warum sind unsere Unternehmen auf Umsatzeinbrüche, aus welchen Gründen auch immer, so schlecht vorbereitet? Ein Arbeitnehmer ist sozialversicherungspflichtig, d.h. er muss vom Gesetz her für unvorhergesehene Ereignisse vorsorgen. Die Politik hat in der Vergangenheit mit der viel gescholtenen ‚Schwarzen Null‘ eine Haushaltssituation geschaffen, die der Situation gerecht wird.

Aber unsere ‚Konzerne‘ benötigen vom ersten Tag der Krise an staatliche Unterstützung. Und die mögen doch dann bitte ohne Bedingungen und Einmischung in die Unternehmensführung erfolgen. Oder ist es Teil des Unternehmenskonzeptes, anstatt auf Rücklagen und nachhaltigen Wirtschaftens lieber auf öffentliche Gelder zu setzen? Im Falle eines ‚Global Players‘ wie der Lufthansa scheinen sich ja auch genügend Geldgeber anzubieten (Österreich, Schweiz, Belgien, Bayern, Hessen und nicht zuletzt die Bundesregierung). Ich denke bei Unterstützungen für Unternehmen in diesen Größenordnungen ist es zwingend erforderlich, dass der Geldgeber, sprich der Steuerzahler, über die Politik eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf die Unternehmensführung erhält. Es muss ja nicht zwangsweise das „Anfliegen von Regionalflughäfen“ sein. Ich kann mir vorstellen, dass unsere Politiker auch in Sachen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Sozial- und Steuergerechtigkeit durchaus konstruktive Ideen in die Unternehmungsführung einbringen können. – Heiko Käßner

 

Der Artikel klingt wie eine lange Hommage an einen großartigen Führer eines deutschen Flaggschiffs – lebendig geschrieben. Aber im Zusammenhang mit der ganzen Weltlage stellt er die Wiederherstellung des bisherigen gewohnten Flugverkehrs gar nicht einer kritischen Beurteilung – nur schemenhaft sind kritische Andeutungen zu Alternativen zum Fliegen durch Videokonferenzen und Manager-Takt des Herrn Spohr. Der Artikel suggeriert eine vermeintliche Bedeutung des Flugverkehrs durch das in der Mitte platzierte Zitat: „In einer wirtschaftlich vernetzten Welt ist es völlig undenkbar, nicht zu fliegen.“ Dabei ist doch wenigstens zu fragen, ob es vielleicht einen Unterschied macht, ob Menschen fliegen, weil sie wirtschaftliche Kontakte pflegen wollen oder ob sie aus purer Lust, in der Welt umherzuschweifen, sich immer noch in einen Flieger setzen, der die Atmosphäre belastet und mit anderen Faktoren uns u.a. diese Trockenheit und die Klimakapriolen beschert. Diese fliegenden Touristen vertrauen aber offensichtlich nicht den vielen außereuropäischen Ländern, in die sie fliegen, sondern wollen dann zu Hunderttausenden anlässlich der Corona-Pandemie zurückgeholt werden. Auf einer anderen Ebene stellt sich die Frage, ob man nicht mit dem nicht unbedingt notwendigen Fliegen wartet, bis Fliegen ohne die verschiedenen schädlichen Folgen möglich ist. – Walther Moser

 

Die Fluggesellschaften haben wesentlich zu den Klimaschäden beigetragen und wie auch die Lufthansa riesige Gewinne erzielt. Die „unternehmerische Freiheit“ und ihr Erfolg haben sich jedoch zukünftig „klipp und klar“ an Umwelt- bedingungen zu halten. Entsprechend müssen auch Klimaschäden in die Bilanz mit eingerechnet werden. Der Flugverkehr sollte solange weltweit nur auf ein Drittel hochgefahren werden, bis umweltfreundliche Treibstoffe entwickelt wurden. Durch die Grenzen, die nun das Corona-Virus setzt, erlangt der Lufthansa-Chef nach den Höhenflügen vielleicht doch noch seine Bodenhaftung. Er schätzt es, jetzt wieder regelmäßig mit seiner Frau und den beiden Kindern zu Abend essen zu können. Hoffen wir, daß er hier das soziale Gleichgewicht und das richtige Maß für zukünftige Verhandlungen findet. – Walter Moritz

 

Vielen Dank für Claas Tatjes Porträit von Carsten Spohr! Sehr anschaulich die Beschreibung dieser Gedankenwelt, aber überraschend, wie ein Konzernlenker so realitätsvergessen sein kann: Natürlich muss der Staat die Möglichkeit der Einflussnahme nutzen, wenn er um Unterstützung gebeten wird. Wo Steuergeld eingesetzt wird, muss es um’s Gemeinwohl gehen: diese unsäglichen Kurzstreckenflüge z.B. mit ihrer Lärm- und Umweltbelastung für minimalen Zeitgewinn hätte es besser nie gegeben. Videokonferenzen funktionieren doch scheinbar ganz gut? Das kriegt Herr Spohr auch hin … und dann klappt es auch mit der Auslastung der Flugsicherung wieder. Es wird jetzt viel Geld auch in die Stützung von Industrien gesteckt, die tendenziell problematisch im Hinblick auf die Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben Klima- und Umweltschutz sind: Das Geld steht nicht zweimal zur Verfügung. Es sollte zugleich zur ökonomischen Abfederung des Umbaus und einer Verschlankung des Angebots u.a. von Tourismus, Flug- und Autoverkehr genutzt werden, die Teils absurde Dimensionen angenommen haben. Es wäre schön, wenn kontraproduktive steuerliche Begünstigungen auch entfallen würden. – Dr. Gunda Matschonat

 


 

 

Leserbriefe zu „Was wirklich lohnt“ von Uwe Jean Heuser

 

In Ihrem Artikel bezeichnen Sie Verbrenner als CO2 Schleudern und E-Autos als Öko-Autos. Ich gehe fest davon aus, dass Sie wissen, dass diese Aussage so nicht stimmt. Deshalb irritiert es mich sehr, dass eine angesehene Wochenzeitung, auch eine die links-grün positioniert ist, dieses unwahre Narrativ wiederholt in seine Berichterstattung einfließen lässt. Fakt ist, E-Autos sind im Betrieb lokal emissionsfrei. Das ist, insbesondere im urbanen Bereich, eine sehr begrüßenswerte Eigenschaft. Hierbei geht es auch um Lärm. Aber das war es dann schon. In der Produktion sind E-Autos natürlich nicht emissionsfrei, und Verbrennern deutlich unterlegen. Auch im Betrieb sind E-Autos nicht wie suggeriert emissionsfrei. Der Strom für E-Autos muss ja erzeugt werden. Selbst bei der Annahme von 40% Strom aus Wasser, Sonne und Wind müssen je nach Studie zwischen 100.00 und 200.00 km zurückgelegt werden, bevor ein E-Auto eine bessere CO2 Bilanz vorweist als ein moderner Diesel. Und dann dürfte ein neuer Satz Batterien fällig sei. Und diese Rechnung schmeichelt den E-Autos gar noch. Zu Ende gedacht ist es doch so, solange nicht 100% unseres Strombedarfs aus Wasser, Sonne, Wind erzeugt werden, muss jede kWh, die für E-Autos benötigt wird, fossil erzeugt werden. Sie steht dann nämlich nicht für andere Zwecke zu Verfügung – z.B. meinen Staubsauger, Fernseher und meinen Kühlschrank. E-Autos mit Batterien, auch Hybride werden in den nächsten 10 Jahren keinen Beitrag zu geringeren globalen CO2 Emission leisten. Nur weil die große EU-Schummelverordnung E-Autos als emissionsfrei deklariert, ist das CO2 ja nicht weg. – Dietmar Baier

 

Ich habe mich sehr über diesen Artikel gefreut. Vielleicht tragen Sie damit dazu bei, dass Staatshilfen endlich bevorzugt Unternehmen unterstützen, die nachhaltig wirtschaften. Eine Frage habe ich mir allerdings am Ende des Artikels gestellt. Was meinen Sie eigentlich, wenn Sie davon schreiben, dass es bei Digitalisierung und Klimaschutz ummehr Wohlstandgeht. Gibt es in Ihren Augen auch „ausreichender Wohlstand“? Und wann wäre der erreicht? Ist beispielsweise der Eierschalensollbruchstellenverursacher als ein Beispiel für die vielen unnötigen Dinge, die unter dem Wachstumsdruck produziert werden, tatsächlich ein Zeichen für Wohlstand? Es erscheint mir kaum mehr möglich, die Augen davor zu verschließen, dass der Wohlstand, der durch das Wirtschaftswachstum erreicht wurde, mittlerweile überholt wird von den negativen Folgen des Wachstums.

Übrigens denke ich persönlich da in erster Linie gar nicht an die Folgen fürs Klima oder die Artenvielfalt, sondern daran, dass wir unter dem Druck und Stress, den unsere Wirtschaftsweise mit sich bringt, in zunehmendem Maß erkranken oder zumindest die Lebenszufriedenheit abnimmt! Wenn wir eine Wirtschaftsform haben, die Wachstum notwendig macht, die Folgen davon aber mittlerweile vielleicht für einige noch mehr Wohlstand erzeugen, aber für die meisten mehr Unwohlsein, müssen wir dann nicht überlegen, wie die Wirtschaftsform verändert werden muss, damit sie außer mit Wohlstand, den wir bereits in sehr hohem Maße haben, auch mit Wohlergehen vereinbar ist? – Dr. med. Sibylle Riffel

 

Ich bin Ihrer Meinung: Keine Kaufprämie für CO2-Schleudern, auch nicht für die Schummel-Hybriden. Wir werden wohl auch mehr Digitalisierung brauchen. Man sollte aber nicht die Augen davor schliessen, was eine weitere Beschleunigung der schnellen Entwicklung bedeutet: Wesentliche Teile der alten Bevölkerung werden abgehängt. – Dr. Walter Engel

 

Online Dienste nutze ich gerne. Gleichwohl bin ich ein begeisterter Zeitungsleser geblieben (old modern school). Die ZEIT lese ich seit Anfang der 70iger Jahre. In den letzten Jahren nicht regelmäßig. Ich habe die Zeit nicht nur gelesen, sondern auch aufgehoben; entkernt um Unwesentliches. So finden sich in meinem Archiv wahre Stapel alter Ausgaben der ZEIT. Nichts sei langweiliger, als eine Zeitung von gestern, wird gesagt. Dies ist nicht zutreffend.. Gerade in Zeiten von Corona, in denen sich alles nur um dieses Thema zu drehen scheint, sind die alten Ausgaben ein wahrer Fundus von Artikeln mit interessanten Themen. Nur ein Beispiel: Die ZEIT 2001, Nr. 23 S. 2, Susanne Gaschke, Olaf Scholz ist in Hamburg Innensenator geworden u. gilt als kanzlertauglicher Nachwuchs. „Der heutige Tag ist das Resultat des gestrigen.“ Um diesen zu verstehen müssen wir also wissen was jener gewollt hat. – Hubert Enke

 

Die Autoindustrie ist wieder mal schnell dabei nach Kaufprämien zu „schreien“. Sicherlich, diese Industrie ist ein wesentlicher Wirtschaftszweig Deutschlands. Aber warum nicht Kaufprämien für andere Bereiche? Gerade haben viele Menschen das Radfahren entdeckt, nachdem so viele Freizeitangebote nicht mehr möglich waren. Radfahren dient der Ökologie und der Gesundheit. Warum also nicht Kaufprämien für die Anschaffung hochwertiger sportlicher Räder, möglichst ohne E-Motor. – Martin Fehrle

 


 

 

Leserbriefezum Politischen Fragebogen „»Für andere zu leben …«“. Gespräch mit Norbert Blüm geführt von Britta Stuff

 

Zu Ihrem Nachruf auf Norbert Blüm (Ihre Ausgabe vom 29. April): Neben dem sprichwörtlichen Blümsatz über die sichere Rente ging folgender Satz des Verstorbenen in die Fernsehgeschichte ein, an den Sie leider nicht erinnern: „Letzte Meldung: In einem Bremer Studio wurde heut´ abend deutlich, dass ein deutscher Minister einem holländischen Showmaster durchaus das Wasser reichen kann.“ Ein pudelnasser Rudi Carrell, soeben vom Bundesarbeitsminister einen Wassereimer über den Kopf gestülpt, und der CDU-Politiker Norbert Blüm, zum legendären Nachrichtentisch des großen Moderators der „Tagesshow“ geeilt und dem sich auf Augenhöhe hinknienden Carrell liebevoll den nassen Kopf tätschelnd, bildeten in der letzten Folge von „Rudis Tagesshow“ (in der Blüm fast immer vorkam und sogar einen fiktiven Hauseingang mit Klingelschild besaß) am 09.03.1987 ein kongeniales Team – diese bis heute singulär-sympathische Union zwischen (Bonner) Politik und dem Medium Fernsehen trug – lange vor Talkshowzeiten mit eher peinlichen Anbiederungen – zur volkstümlichen Beliebtheit Blüms bei, weckte politisches Interesse und erschuf ikonographische Bilder – bis hin zur Moderation von „Rudis Tagesshow“ durch Blüm selbst zum Jahresausklang 1999. – Felix Evers

 

Nichts schlechtes über die Toten, ja, aber bitte nicht einem selbstverliebten, überheblichen und seine Mitarbeiter anschreienden Politiker einen Heiligenschein verpassen – und dann auch noch auf einer ganzen Seite! Lassen Sie ihn ruhen – und uns endlich in Ruhe vor ihm. Es wäre schön gewesen, hätten Sie dies in der Schublade gelassen und nur einen kleinen, trockenen Nachruf geschrieben. – Lutz Jäger

 

Nach der Lektüre des von Norbert Blüm beantworteten Fragebogens (ZEIT vom 29. April), der mich sehr überzeugt hat, muss ich Ihnen endlich und endgültig zu diesem Format gratulieren. Bis jetzt erweisen sich alle Interviews dieser Art als überaus lehrreiche und wertvolle Anregung zum Nachdenken über wichtige Fragen des Lebens. Bitte weiter so! Und wenn möglich, dann sollten Sie diese sammeln und irgendwann gesondert veröffentlichen. – Adolf Warns

 

Es hat mich sehr irritiert, dass in Ihrer Redaktion sich niemand berufen oder befähigt fühlt, einen Nachruf auf einen Ausnahmepolitiker wie Norbert Blüm zu verfassen. So unterhaltsam und sympathisch sich das Interview mit ihm liest, kann es doch nicht die Einschätzung seiner Lebensleistung ersetzen. Werden Sie eines Tages auf den Tod von Herrn Schäuble, Frau Merkel oder Herrn Seehofer ähnlich reagieren? – Wolf Baus

 

Bin traurig. Norbert Blüm habe ich als einen sehr engagierten, klugen Politiker und eine überaus warmherzige, humorvolle Persönlichkeit wahrgenommen. Mit ihm haben wir einen großartigen Menschenfreund verloren, ein Original. Einer wie keiner, der Kultur hatte im allerbesten Sinne. Seine mitfühlende Stimme, sein klares soziales Gewissen, reinweg sein herausragender Charakter, werden uns fehlen. Hoffe sehr, dass wir uns an sein „Venceremos“ im Hinblick auf nachhaltige, ökologisch-ökonomisch austarierte Sozialpolitik des Öfteren erinnern. – Matthias Bartsch

 


 

 

Leserbriefe zu „“Deutschland ist voller Schwarzgeld, das war immer mein Glück““. Gespräch mit Mike Wappler geführt von Stephan Lebert und Stefan Willeke

 

Im aktuellen Dossier über den Straftäter Wappler haben sie eine Grenze überschritten die in einer seriösen Publikation nicht überschritten werden darf. Ja, der Artikel liest sich humorvoll. Aber bleiben wir bei den Tatsachen, der Betrüger eines Betrügers bleibt ein Betrüger (in vielen interessanten Artikeln bringen sie ihren Lesern das Metier „Recht“ näher). Ich halte die Stimmung, „die da oben haben es verdient betrogen zu werden“, welche auch im Fall Betrachi kolportiert wurde für unsäglich. Fordern sie mehr Steuerprüfer und Fachstaatsanwaltschaften die z.B. die Erlangung und Hortung von Schwarzgeld bekämpfen, aber fördern sie nicht die Häme wenn jemandem der mehr hat von einem anderer etwas davon unrechtmäßig genommen wird. Die Zeit neigt seit einiger Zeit zu boulevardesken Artikeln, dies ist nicht verwerflich (wenn diese Zeitung wegen Tierfotos und Herzensaussagen gekauft wird, auch gut), aber nur unter der Voraussetzung dass das Niveau gehalten wird. Bleiben sie komplett seriös, bitte! – Thomas Steinbach

 

Selbst die renommierte „ZEIT“ verschafft einem Egomanen wie -Wappler- einen mehr als fragwürdigen Auftritt. Selbst als Analphabet wird er sich hinter seinem Postfach in Portugal die geschmierten Hände reiben ob solcher Vorstellung in einem solchen Presse-Organ in Deutschland. Die ZEIT als Vihekel einer „Verbrecheridee“ mit natürlich vielen Hintergrund Info als abschreckendes Beispiel. Ja, die leichtsinnig Betrogenen haben es nicht anders verdient so vorgeführt zu werden. Der jetzt noch malzinoes Lachende ist der „Betrüger“ und dies am 1.Mai 20 dem Tag der Arbeit. Offensichtlich hat dieser Mann einen nicht zu bändigen „Virus“ von Kindesbeinen an geimpft bekommen. Wie kann er sonst seinen zweijährigen Enkel „BEN“ als Verbrecher hinstellen und die ZEIT druckt es auch noch. – Gerd Hummert

 

Mit leichtem Restalkohol ob des gestrigen Spargel-Weißweins schlug ich heute Morgen, Samstag, 2. Mai 2020, x-te Woche des Corona Drecks mit vielen Toten und einer Rezession, die vor allem die ärmeren Teile der Bevölkerung und damit die deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland und weltweit trifft, Ihr Dossier auf. Ich las das an Sternoder Focuserinnernde Interview mit einem mir bislang nicht bekannten Verbrecher. Nach dem Umblättern auf die zweite Seite hielt ich inne, blätterte zurück und schaute nach, ob dies tatsächlich das Dossier der Zeit ist. Mit diesem Thema zu diesem nichtsnutzigen Betrüger – in diesen Zeiten, in denen Menschen von einem Leitmedium wie der Zeit erwarten, die relevanten Dinge auf den Tisch und ins Dossier zu bringen. Irgendwie lustig – dank Restalkohol. – Lutz Jäger

 

Ich kann dem nicht viel abgewinnen, wenn Kriminellen eine Bühne bereitet wird. Auch wenn, wie hier, es noch so pikant erscheinen mag, dass Herr Wappler, der so kokett aus seinem rosafarbenen Anzug lächelt, Analphabet ist und offen nichts bereut. Letzteres glaube ich ihm aufs Wort, oh ja, sonst hätte er wohl kaum trotz zahlreicher Haftstrafen immer weiter gemacht. Keine große Erkenntnis. Allerdings nehme ich ihm nicht ab, dass er seine Opfer nur um Schwarzgeld gebracht haben will. Abgesehen davon, dass ich seine Wahrheitsliebe dann doch für nicht so groß einschätze, kann er wohl kaum die Geldquellen aller seiner Opfer gekannt haben. Egal, selbst wenn es stimmt, relativiert das nichts und ändert auch nichts daran, dass er selber betrogen hat. Nun sitzt er in der JVA und wird nach seiner Haftstrafe vielleicht weiter machen. Zumindest kann er ja in Saus und Braus weiterleben, dafür ist gesorgt. Ich neide es ihm nicht. Irgendwann habe ich einmal ein Buch von Ulrich Wickert gelesen, Titel: „Der Ehrliche ist der Dumme“. Wenn man diesen Artikel gelesen hat, könnte man fast glauben, es sei so gekommen. Ich selbst glaube es nicht und zum Glück gibt es ja noch andere Werte als Geld. Befragen Sie doch einmal einen Rechtschaffenen (ein altmodischer Begriff, ich weiß). Das ist vielleicht nicht so schillernd, könnte aber durchaus interessant sein. – Regina Stock

 

Ich frage mich, warum die ZEIT einem notorischen Hochstapler und Lügner drei Seiten widmet. Sollen wir akademisch gebildeten Einfaltspinsel von Herrn Wapler lernen, wo’s langgeht? Vielleicht sind ja die ZEIT-Redakteure selbst einigen Lügen des Herrn zum Opfer gefallen. Immerhin gelingen dem Artikel ja durch die Stellungnahmen von Weggefährten des Herrn zumindest Ansätze von kritischer Distanz. – Dr. Klaus-Dieter Beims

 


 

 

Leserbriefe zu „Gefährdet die Corona-App die Demokratie?“ von Thomas Fischermann und Jens Tönnesmann

 

Ein verantwortungsbewusster Mensch achtete darauf Andere nicht zu gefährden. Er trägt einen Mund-Nasen-Schutz und hält Abstand, wäscht sich reichlich die Hände und reduziert seine Aufenthalte in Geschäften auf das nötige Minimum. Ein solcher verantwortungsbewusster Mensch findet Mittel und Wege Andere über seine Erkrankung zu informieren: Anrufe und Mails bei Arbeitskollegen, Nachbarn und besuchten Geschäften bieten sich hier an. Ein verantwortungsbewusster Mensch benötigt keine App dafür. Ein nicht-verantwortungsbewusster Mensch wird sie im Ernstfall nicht benutzen. – Iman Schwäbe

 

Bitte nicht! Ich teile vollständig die Argumente von Thomas Fischermann! Einmal eingeführt, wird sie nie zurückgenommen werden sondern für immer neue Zwecke eingesetzt. Warum nicht auch gegen Schnupfen oder das nächste Virus? Die Berichterstattung aus China (ZEIT, ARTE) zeigt, was bereits jetzt technisch möglich ist. Wehret den Anfängen! – Dr. Wilma Mohr

 

Bei der unablässigen Diskussion zur sog. Corona-App, auch in der Tagespresse, vermisse ich das Argument, dass ohne lückenlose Durchtestung der Bevölkerung eine solche App nutzlos ist. Die meisten unerkannt Infizierten laufen auch weiterhin unerkannt herum, weil es keinen Grund für eine Testung gibt, außer bei Personen, die Kontakt zu nachweislich Corona-Infizierten oder Patienten oder Heimbewohnern (letztere noch längst nicht flächendeckend) hatten. Nicht einmal bei Grippesymptomen besteht ein Anspruch auf Testung und es liegt im Ermessen des Einzelnen, mit diesen sich freiwillig in Quarantäne zu begeben. Ansonsten stimme ich Thomas Fischermann zu: Es gibt keine Hinweise aus der Geschichte, dass Einschränkungen persönlicher Freiheiten wie u.a. Videokameras an allen Ecken, jemals wieder zurückgefahren worden wären. Mit der Corona-App und demnächst mit der nächsten Virus-App, wie immer ein neues Virus heißen mag, wäre dem totalen Überwachungsstaat von Badeanstalt über Stadtbummel bis Zirkus, von Bücherei bis Supermarkt Tür und Tor geöffnet. Vielleicht überwacht dann auch eine App das Einhalten der Impfpflicht und schließt für Nicht-Geimpfte, wofür es auch medizinische Gründe geben mag, die Teilnahme am normalen Leben aus. – Dr. med. Susanne Wetzel

 

Eine App zur Nachverfolgung von Infektionsketten kann auf freiwilliger Basis nicht funktionieren. Zunächst müssten 50 Millionen Deutsche diese App installieren. (Gibt es denn überhaupt so viele Handys, auf denen die angepassten Betriebssysteme und Bluetooth-Einstellungen laufen könnten?) Dann müsste jede positiv getestete Person sofort dies Ergebnis freiwillig in ihr Handy eingeben. Das mag ja alles noch geschehen, doch nun kommt der entscheidende Punkt: Mein Handy zeigt mir an, dass ich einen möglicherweise gefährlichen Kontakt mit einer positiv getesteten Person hatte und soll nun freiwillig und zeitnah reagieren. Zum einen müsste ich mich aufgrund dieser Meldung sofort testen lassen (In welchem Zeitraum? Wo ist das nächste Testzentrum?) und zum anderen sollte ich mich sofort freiwillig in Quarantäne begeben. (Akzeptieren die Arbeitgeber das Fernbleiben vom Arbeitsplatz mit dem Hinweis auf eine Alarmmeldung in einer freiwilligen App?) An mehreren Stellen wird also freiwilliges Agieren von mir erwartet, doch wir sind Menschen: Hab mein Handy vergessen, die Eingabe mache ich morgen, diesen wichtigen Termin muss ich erst noch wahrnehmen, usw. – Ich befürchte, dass die von mir skizzierten Unwägbarkeiten schnell zur Beendigung der Freiwilligkeit führen könnten, damit die App überhaupt die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen kann. Und das lehne ich ab! – Thomas Brunner

 

Angesichts dessen, was Herr Tönnesmann beim geschilderten Buchbinder-Desaster erlebt hat, kann man über seine Folgerungen bestenfalls staunen. Aber selbst dort hüpft nicht nur er zu kurz: Es gibt tatsächlich auch heute noch Menschen, die aus guten Gründen bis heute kein Smartphone besitzen. Und es gibt welche, denen es noch nicht in der Hosentasche festgewachsen ist. Oder solche, die Bluetooth deaktivieren, weil ständig unsinnigerweise Energie aus dem nicht allerneuesten Handy gesaugt wird, worunter die Akkurestkapazität fürchterlich leidet. Was folgt aus der – natürlich in Deutschland, selbstverständlich mit verzögerter Verfügbarkeit, entwickelten – irgendwann nutzbaren App? Die Pflicht zur Anschaffung eines Smartphones? Die Pflicht, dieses ab sofort und überall mit aktivierter Bluetooth-Funktion/App bei sich zu tragen, um irgendwo Zutritt zu erhalten? Und wo, bitte, sind die Zahlen, die Auskunft geben darüber, wieviele Menschen welchen Alters in Deutschland überhaupt bisher ein Smartphone ständig bei sich tragen? All diese Aspekte bleiben bisher unbeleuchtet. Keiner meiner Freunde, keiner in meiner Verwandtschaft hat ständig ein Smartphone am Bein kleben. Auch die 30-jährigen nicht. – Silvia Romann

 


 

 

Leserbriefe zu „Hart an der Grenze“ von Mark Schieritz

 

Gestatten Sie mir ein paar ergänzende Gedanken zur ihrem Beitrag, denn das klingt mir viel zu selbstverständlich, wir liegen ja voraussichtlich innerhalb bisheriger Erfahrungen. Die Situation ist aber real eine ganz andere und aus der Finanzkrise haben wir schon nichts gelernt oder verändert. Derzeit reagiert die Politik mit ihren Maßnahmenbündeln, nicht immer ist eine klare Struktur erkennbar. Jedoch erkennt man bereits wieder das gezielte agieren der Lobbyisten die ihre riskante Unternehmenspolitik nachträglich durch die Gesellschaft absichern wollen. Die Politik verharrt mit nervösen Blicken auf die Staatsschulden, denn aktuelle Zwischenstände sind nichts als Schätzungen und Annahmen. Freunde, was passiert, wenn wir nächstes oder übernächstes Jahr wieder eine Pandemie erleben oder es zeigen sich verstärkt Ergebnisse des Klimawandels. Sperren wir dann zu? Diese Zeit erfordert aufzublicken und nach vorne zu schauen. Wir stehen mit dem Rücken zur Wand. Aufschub gibt es keinen mehr. Das dürfte etwas schwieriger sein als Ausgangsverbote zu verhängen. Wer traut sich da als erstes aus der Deckung? Das braucht Mut und Zutrauen und wahrscheinlich viele Leute auf der Straße! – Wenger Gottfried

 

Es ist für mich immer wieder irritierend, wenn im Zusammenhang mit Staatsanleihen und anderen Wertpapieren von Sparkapital die Rede ist. Sparkapital mag zwar auch dabei sein, aber der weit überwiegende Anteil ist vermutlich Geldvermögen, das nicht wirklich durch Sparen auf Anlagemöglichkeiten wartet sondern durch „Geldvermehrung“ in Form von Kapitalrenditen oder unverhältnismäßig großen Einkommen stammt. Oder täusche ich mich da grundlegend? Sparen hat für weniger einkommensstarke Leute immer damit zu tun, auf dies oder jenes zu verzichten, um etwas zur Seite legen zu können. Klar werden letztlich auch solche Mittel teilweise von Banken angelegt. Aber ist das dann noch Sparkapital? – Fritjof Möckel

 

Wie lange können wir uns das noch leisten?“ fragt Mark Schieritz und beziffert die staatlichen Kosten der bisherigen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise mit 453 Milliarden €. (In seinem Artikel „Heilung durch Geld“ vom 26. März war die Rede von „mehr als 1 Billion für in dieser Woche beschlossene Hilfsprogramme der Bundesregierung“). Eingerechnet sind also noch nicht weitere Kompensationsprogramme etwa für die Kommunen (schon gar nicht im Falle einer 2. Infektionswelle), die Programme zum Wiederaufbau der Wirtschaft und zur Stärkung des Gesundheitssystems nach Corona, auch nicht die für die Abwendung des Klima-Menetekels in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen sowie auf EU-Ebene (European Green Deal) bereitzustellenden Mittel oder z.B Entschädigungsleistungen für Land- und Forstwirtschaft infolge des anstehenden nächsten Dürresommers. Da dürften 1 Billion € bei weitem nicht reichen. Klar ist nur, woran Bundestagspräsident Schäuble gerade wieder erinnert hat: das Geld muss irgendwann erwirtschaftet werden. Und: wer keine Inflation und keine drastische Einschränkung staatlicher Leistungen will, muss auf Steuereinnahmen aus einer wachsenden Wirtschaft setzen. In die Steuerdiskussion im Kontext von Corona wurde bisher nur eine höhere Besteuerung großer Vermögen und eine einmalige Abgabe (Corona-Soli) eingebracht. Aber warum spielt seit Beginn der Pandemie die Frage nach den Steuerleistungen der Digital-Giganten Google, Facebook, Microsoft und vor allem der Krisengewinner Amazon oder Netflix keine Rolle mehr? Und was ist mit der zuvor heftig diskutierten CO2-Steuer?

Amazon und Co. türmen riesige Vorsteuergewinne in Steuerparadiesen auf, wo sie – wenn überhaupt – Abgaben im einstelligen Prozentbereich entrichten. Das war schon vor Corona ein Krebsgeschwür im post-industriellen Kapitalismus. Angesichts der Corona-bedingten Überschuldung fast aller Länder müssen jetzt endlich die mit Abstand größten Wertschöpfungsunternehmen weltweit ihre Gewinne genauso versteuern wie alle anderen. Das ist ein unverzichtbares, wenn auch nicht hinreichendes Element einer langfristigen Resilienzstrategie. Das Thema Globale Digitalsteuer ist allerdings hochkomplex, Alleingänge einzelner Staaten sind nicht zielführend. Die Bundesregierung könnte aber im Rahmen der G20 und der EU-Präsidentschaft im kommenden Halbjahr zusammen mit Gleichgesinnten einen neuen Anlauf nehmen, um die sich seit Jahren dahinschleppenden Verhandlungen in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angesichts des Coronanotstandes endlich zum Abschluss zu bringen. Sie mag dabei die Interessen der deutschen Exportwirtschaft im Auge behalten – aber eines geht gar nicht: bei der Finanzierung der Corona-Folgekosten und der Investitionen zum Aufbau einer klimaneutralen und ressourcenerhaltenden Wirtschaft die globalen, auch hierzulande umsatzstärksten Giganten außen vor zu lassen.

Verhältnismäßig einfach und auf nationaler Ebene kann eine CO2-Bepreisung oder -Steuer etabliert werden. Dieser entscheidende Hebel für eine „Green Economy“ muss jetzt angesetzt werden, vorrangig im Verkehrssektor, wo niedrige Spritpreise die Weichen in Richtung Individualverkehr fehlstellen. Meine These: die Politik wird sich nicht bewegen, solange Wirtschaftswissenschaftler und -journalisten unter den neuen Vorzeichen der Corona-Krise keine neue Debatte entfachen. In den USA ist man da schon weiter: Ende Februar stellte DIE ZEIT ein neues Buch („Der Triumph der Ungerechtigkeit“) der „Vordenker“ Emmanuel Saez und Gabriel Zucman vor mit „praktischen Verfahren zur Steuererhebung“ auch auf Unternehmensgewinne, die offiziell in Steueroasen anfallen! – Dr. Klemens van de Sand

 

Kompliment für Ihren Artikel, klar strukturiert, leicht lesbar. – Dr. Walter Engel

 


 

 

Leserbriefe zu „Ein System wankt“ von Jeannette Otto und Martin Spiewak

 

Die Überschrift des Artikels lautet: „Wann brauchen Schüler überhaupt einen Lehrer? Und wozu genau?“ In der Kürze: Um motiviert zu werden und interessante Fragen gestellt zu bekommen. Damit Schüler*innen über die Beziehung zu ihrer Lehrperson Wissen vermittelt bekommen, Lernanregungen, Ansporn, Widerspruch, Auseinandersetzung und Spaß am Lernstoff erfahren. Um über Tiefs hinwegzuhelfen und gelegentlich auch, um Druck aufzubauen damit Unlust überwunden wird. Um einen geregelten Tagesablauf und verbindliche, feste Lernzeiten zu haben. Um in den Lernort Klassenzimmer mit seiner spezifischen Lernatmosphäre einzutauchen. Dafür, dass Lehrer*innen den Eltern einen großen Teil des Motivierens und Sanktionierens im Bereich des Lernens abnehmen. Damit Eltern und Kinder jeweils eigene „Biotope“ haben, in denen sie sich unabhängig voneinander bewegen, um dann wieder zusammen zu kommen, sich auszutauschen und sich zu begegnen. Ausführlich: Ich selbst bin Lehrerin an einer Beruflichen Schule und verheiratete Mutter von zwei Kindern im Alter von 12 und 13 Jahren.

Der genannte Artikel macht mich so fassungslos und wütend, dass ich um Worte ringe. Wenn die Schulleiterin am Ende des Artikels den Gedanken äußert, dass Schule in Zukunft vielleicht „der Ort der Debatte, der Ideen, der sozialen Begegnung, aber nicht mehr der Ort der Wissensvermittlung“ sei, hört sich das ungeheuer fortschrittlich und in die Zukunft gerichtet an. Schöne neue Welt, in der Corona plötzlich ganz neu denken lässt. Nur leider deckt sich das überhaupt nicht mit dem, was ich erlebe. Meine Realität sieht so aus: die Wissensvermittlung findet nicht in der Schule, aber bei weitem auch nicht selbständig statt. Die Wissensvermittlung findet durch die Eltern, genauer gesagt in der Regel durch die Mütter statt (siehe ZEIT-Artikel „Das Patriarchat lebt“). Meine Kinder bearbeiten die von der Schule gestellten Aufgaben, brauchen aber bei fast jedem Schritt einen Ansprechpartner, einen Motivator und Schrittmacher. Ansonsten passiert: nichts. Nach einiger Aufforderung gehen sie an ihre Aufgaben, doch wenn ich nicht danach schaue, dann sitzen sie da und träumen vor sich hin. Oder sie finden schlicht keinen Anfang, oder sie sind sich nicht sicher und wurschteln etwas vor sich hin. Auseinandersetzung mit Lernstoff der ihnen nicht liegt ist allein schlichtweg unmöglich, da Motivation und Korrektiv fehlen.

Es braucht beständige Begleitung, Ansporn, Zureden, Erklärungen, Antreiben. Das bedeutet in der Konsequenz, dass ich meine Kinder mehrere Stunden am Tag motiviere und beschule, mit allen nerven- und kräftezehrenden familiären Auseinandersetzungen die es mit sich bringt, wenn die Rollen von Eltern und Lehrern plötzlich in einer Person vereint sind. Gleichzeitig versuche ich meine eigenen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Aufgaben, interessanten Youtube-Clips zu Unterrichtsthemen und angeleiteten Lerneinheiten bei Laune und bei der Stange zu halten. Erschwerend wirkt, dass ein Unterricht über Skypesessions nicht leichter wird, wenn im Hintergrund die eigenen Kinder Aufmerksamkeit fordern, ihre Aufgaben nicht machen, auf Fragen sitzenbleiben. Und: klar verliert man immer Schüler, aber Lernen geschieht durch Beziehung. Und diese durch digitalen Unterricht aufrecht zu erhalten ist deutlich erschwert. Ich habe konkret einige wenige meiner Schülerinnen und Schüler im Kopf, die im „echten“ Unterricht dabei und engagiert sind, jetzt aber ihre von mir gestellten Aufgaben immer oberflächlicher und lückenhaft, manchmal auch gar nicht mehr bearbeiten. Schülerinnen und Schüler jeglichen Alters brauchen Lehrerinnen und Lehrer, die Bezugsperson sind, anspornen, motivieren und auch mal antreiben. Sie brauchen die Lernatmosphäre, den Sog des Gemeinsamtuns in der Klasse, des Lernens und des Austauschs mit anderen, Gleichaltrigen.

Wenn ich den Artikel so auf mich wirken lasse, dann entsteht bei mir der Eindruck, dass hier keine Menschen mit eigenen Schulkindern zu Wort kommen, sondern Lehrer*innen und Schulleiter*innen, die die Situation allein aus dieser Perspektive wahrnehmen, und sich freuen, was plötzlich alles möglich scheint und wie selbstorganisiert die Schülerinnen und Schüler doch anscheinend lernen. Ich hingegen kann es kaum abwarten, dass Schule wieder so wird wie sie war. Die Doppelbelastung ist zermürbend, die täglichen Auseinandersetzungen um das Was-Wann-Wieviel-„wirklich heute“-„warum nicht morgen“-„ich versteh das nicht“-„warum sind diese Aufgaben auch so doof“ bringen mich an die Grenze meiner Kräfte. Schule nimmt uns Eltern einen großen Teil dieser Last ab und auch im normalen Alltag vor Corona blieb noch genügend an uns hängen. Dabei leben meine Familie und ich in einer durchaus privilegierten Situation: wir Eltern haben beide gesicherte Einkommen, wir haben genügend Platz, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer und einen eigenen Schreibtisch hat, wir sind (noch) fachlich in der Lage unseren Kindern bei den schulischen Themen zu helfen, wir haben ein gutes Eltern-Kinder-Verhältnis, eine intakte Paarbeziehung und einen lebendigen Familienalltag.

Doch auch bei uns gab es ob des Homeschoolings kombiniert mit Homeoffice in letzter Zeit gehäuft lautstarke Auseinandersetzungen, Tränen der Verzweiflung auf allen Seiten und das Gefühl der völligen Überforderung und des Aufgeriebenseins bis hin zum Ausbrennen. Auch unsere Kinder sagen „Wisst ihr, für uns ist die Situation auch nicht einfach“. Dann stelle man sich den momentanen Alltag von Menschen mit größten existenziellen Ängsten, in beengten Wohnverhältnissen, in zerrütteten Beziehungen, die vielleicht auch nicht genügend schulische Bildung haben, um ihren Kindern zu helfen, vor. Ich mag gar nicht daran denken, was sich dort abspielt. Und dann höre ich eine Schulleiterin fragen, wofür Schüler überhaupt noch in die Schule kommen müssen… – Christine Bauer

 

Und wieder wird gleich ganz grundsätzlich die Systemfrage gestellt! Es mag ja sein, dass das „System“ Schule wankt, weil Schulen bei wachsenden gesellschaftlichen Anforderungen mit unverändert großen Lerngruppen und bescheidener Ausstattung arbeiten müssen. Es mag auch sein, dass mit den von Corona diktierten Erfahrungen digitale Lernformate in Zukunft eine größere Rolle spielen werden – aber gewiss nicht als systemsprengende Alternative! Denn auch den Enthusiasten des digitalen Unterrichts – in der Regel Bildungstheoretiker, Universitätspädagogen, Mediendidaktiker, selten Lehrer – sollte klar sein: Schule ist mehr als Vermittlung von Lernstoff, ist soziales Lernen unter Gleichaltrigen, ist Auseinandersetzung mit anderen Autoritäten als den Eltern (deren Autorität mit dem Alter der Heranwachsenden schrumpft), und zwar im direkten Gegenüber, nicht im Chat oder in einer Video-Schalte, ist „ganzheitliches“ Einüben von (nicht nur fachlichen) Problemwahrnehmungen und Problembewältigungen. Wann und wozu brauchen Schüler Lehrer? Diese Fragen stellen sich nicht wirklich! – Dr. Arnold Bühler

 

Ich stelle mir vor, in welches Entsetzen die Autorinnen der sieben Texte des Artikels „Das Patriarchat lebt“ die Lektüre von „Ein System wankt“ versetzen muss. Vielleicht bin ich wegen der mir – wie gerade allen Eltern – zugemuteten Stresssituation, die es bedeutet, neben der eigenen beruflichen Tätigkeit zwei Kindern zu Hause von der Schule vorgegebene neue Lerninhalte beizubringen, unfähig, die eigentliche Botschaft dieses Artikels richtig zu verstehen, dann sei mir bitte verziehen. Aber: Sagt der zitierte Pädagoge wirklich über die Kinder, die nicht gut lernen und die man zu Hause verliere: „die verlieren wir auch hier“ – klingt wie: „das nehmen wir in Kauf“? Wie zynisch kann man sein! Wenn es heißt: Die Kinder kommen in Zukunft „mit ihren Geräten“ in die Schule, sei die Frage erlaubt: mit welchen Geräten? Hat Deutschland wie z. B. Schweden schon immer oder Neuseeland in der Krise die gesamte Schülerschaft mit sinnvollen digitalen Geräten ausgestattet oder derartiges vor? Sind die Lehrer mit entsprechenden Dienstgeräten ausgestattet? Und mit dem dazugehörenden Know-how?

Sagt der zitierte Pädagoge im homeoffice wirklich: „Unser Digitalunterricht läuft doch gut.“? Welcher „Unterricht“? Und sagt er dies wirklich, obwohl ihm nicht entgangen sein kann, dass der Unterricht derzeit auf dem Rücken der Eltern ausgetragen wird, die seinen Job machen, oder vielmehr: dies verzweifelt versuchen (siehe die Beispiele für sieben Hamsterräder im Artikel „Das Patriarchat lebt“)? Wie kann der Pädagoge dies vor allem sagen, bevor er die Schüler wiedergesehen und einen wirklichen Eindruck von deren Lernfortschritten während der Corona-Zeit hat? Das Beispiel von Julia, 45, aus Berlin, deren Tochter eine Woche lang den lateinischen Imperativ in Übungen abarbeitet und am Sonntag fragt „was ist eigentlich ein Imperativ“ ist doch die Regel, nicht eine drollige Ausnahme! Der Latein-Lehrer dieses Kindes denkt vielleicht auch: Ach, Mensch, toll, die Anna kann ja jetzt den Imperativ! Lehrer haben in letzter Zeit auch sicher Unterschiede festgestellt, wessen Eltern viel Zeit haben, bei den Aufgaben zu helfen oder diese gleich mitzumachen, und wessen Eltern nicht zur Verfügung standen.

Ist es wirklich so geil, wenn Lehrer „ohne Datenschutzprobleme“ per Video unterrichten können sollen? Was ist hier eigentlich gemeint: dass die Lehrer in Rheinland-Pfalz unter Beachtung des Datenschutzes digital unterrichten oder dass sie unterrichten und dabei auf den Datenschutz pfeifen (dürfen)? Wie simplifizierend ist es denn, dass in den Artikeln der Zeit, die aus Sicht der Schulen berichten, regelmäßig Bürger mit Datenschutzbedenken an den Idioten-Pranger gestellt werden? Denn, Leute wacht auf: Digitaler Unterricht unter Beachtung von Datensicherheit und Datenschutz wäre ja möglich (siehe nur homepage der „Digitalcourage e. V.“), daher ist eine Nutzung der digitalen Medien durch Lehrer ohne Beachtung des Datenschutzes nur eins: die bequeme Lösung. Und gerade weil es datenschutzkonforme Lösungen gäbe, mögen sie auch aufwendiger sein, wird eine datenschutzwidrige Unterrichtslösung sich in Deutschland vielleicht (rechtlich) gar nicht durchsetzen können, Krise hin oder her.

Wozu also auf diesem Weg überhaupt Energie verschwenden? Die Versäumnisse der Vergangenheit beim Thema Digitalisierung der Schulen lassen sich jedenfalls nicht mit Hau-Ruck-Lösungen nachholen, sondern nur mit vernünftigen Konzepten, zu denen man sich jetzt vielleicht mal Gedanken machen müsste. Im übrigen wäre auch nach didaktisch sinnvollen digitalen Konzepten zu schauen und Lehrer erst einmal entsprechend zu schulen. Glaubt wirklich jemand, man könne einfach eine herkömmlich ausgebildete Lehrkraft zu dem Einsatz ihres eigenen digitalen Gerätes im Unterricht ermuntern und heraus käme ein funktionierender Lernprozess beim Endkunden (= Kind). Wo sind die Evaluationen und pädagogischen Konzepte? Oder wie war das mit den Versuchskaninchen?

Nach der Lektüre der Conclusio des Artikels mit der Zukunftsvision eines halb-Präsenz-halb-Fernunterricht setzen Fluchtgedanken ein. Es ist ja wohl bekannt, dass Kinder, je jünger desto mehr, aus der Bindung heraus lernen. Fernunterricht kann maximal durch die Sendung digitaler Lernvideos der Lehrer erfolgen, was qualitativ einer Vorlesung an der Uni gleichkommt und sicher zumindest für Kinder der Grundschule, Unter- und Mittelstufe ein gänzlich ungeeignetes Mittel darstellt. Die Texte der Autorinnen im Artikel „Das Patriarchat lebt“ zeigt doch, was dieser Heimunterricht, und sei er auch nur ein Teil des ganzen, in den Familien anrichtet. Und: Je mehr das Lernen nach Hause verlagert wird: wie sollen die Nachteile, die dieses Konzept für ohnehin benachteiligte Kinder und Jugendliche bedeutet, ausgeglichen werden? Wo sollen die arbeiten, die nicht einmal einen eigenen Schreibtisch haben, etwa auf dem Fußboden? Haben die Lehrer auch die sechsköpfige Familie der Kassiererin auf 50 qm vor Augen oder ist dies ihrer eigenen Lebenswirklichkeit zu fremd?

Wenn die Gesellschaft dauerhaft – so klingt es im Artikel in meinen Ohren an – für jedes Kind nur einen halben wirklichen Präsenz-Schulplatz zur Verfügung stellt und sich nicht mehr leisten will, dann wird sich sicher jeder junge Mensch gut überlegen, ob überhaupt und wenn ja, wie viele Kinder er sich leisten kann zu bekommen. Dann wird sich das Problem vielleicht von dieser Richtung her lösen. Halb so viele Kinder: Wieder genug Platz für alle! Ich bin mir nicht sicher, ob man dies einfach als übertrieben abtun kann. Aus meiner eigenen Erfahrung, das Wissen um die krassen Situationen vieler Familien in meinem Umfeld und die Berichte der Frauen im Artikel „Das Patriarchat lebt“ steht für mich zu befürchten, dass die derzeitige Erfahrung des völlig Auf-sich-Zurückgeworfenseins der Familien eine tiefe und nachhaltig verunsichernde Negativerfahrung der Beteiligten ist, die jedenfalls nach der Krise nicht einfach von alleine verschwindet. Bitte erst mal tief durchatmen und Nachdenken! Wir brauchen keine schnelle Revolution sondern durchdachte Lösungen und entsprechende Investitionen in die Zukunft. Bitte.

P.S.: Gedanken zum Thema Benotung der von den Schülern im Selbststudium erstellten Arbeiten, wie in Berlin diskutiert: Wie kann man – wie die Senatsverwaltung in Berlin – überhaupt auf die Idee kommen, dass hier eine Benotung wie bei „Hausaufgaben“ in Frage kommt; wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, es handle sich hier um Hausaufgaben? Hausaufgaben = Wiederholung und Vertiefung des im Unterricht erarbeiten neuen Lehrstoffes, oder? Was soll der Unfug mit der Berliner Idee, man könne Noten auf die zu Hause gefertigten Aufgaben geben, soweit sich die Schüler damit verbessern. Erstens stellt die Benotung auch mit dieser Einschränkung eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Schüler dar, da ja erklärtermaßen nur ein Teil der Schüler die Möglichkeit hat, sich zu verbessern, was ja gerade als Grund dafür angeführt wird, nur eingeschränkt benoten zu können (1. Ungewissheit, ob der Schüler wirklich alleine gearbeitet hat und 2. ungleiche Arbeitsbedingungen der Schüler zu Hause). Und zweitens fragt man sich, ob die Benotung der Leistungen in der derzeitigen Krise wirklich diese hohe Priorität haben kann. Viel wichtiger ist doch, dass derzeit die Wissenvermittlung völlig fehlt, heißt: den Kindern abgeht.

Ich bin absolut kein Freund der Idee einer Schule ohne Noten; aber: Als das Rad des normalen Schulbetriebes quasi über Nacht zum Stillstand kam (an dem Wochenende …) und plötzlich alles anders war, lief ein Rad bei den Lehrern zuverlässig weiter: der Wille zur Benotung. Sicherlich ist das Benoten in normalen Zeiten ein wesentlicher Bestandteil der Lehrtätigkeit; aber: Wie kann es sein, dass schon die allerersten Nachrichten der Lehrer an die Schüler neben der Aufgabenerteilung (es durfte nicht einen Tag eine Lücke entstehen! Wichtig!) einen Hinweis auf mögliche, beabsichtigte oder erwogene Notengebung auf die eingereichten Arbeiten beinhalteten. Man hatte den Eindruck, hier wird mit Gewalt versucht, das Normal aufrecht zu erhalten und gar nicht realisiert, was nun anders ist und was es bedeutet. Für solche Überlegungen wurde auch nicht einmal innegehalten und nachgedacht. Diese Fixierung auf Leistungsbewertung zu Beginn einer solchen Krise ist nicht in Ordnung und deren Sinn ist in der Krisensituation auch nicht erkennbar.

Soll hier Druck auf Schüler (und Eltern) ausgeübt werden? Oder geht es um die Not der Lehrer, den von ihnen grundsätzlich abverlangen Bürokratievorgang der Schülerbenotung irgendwie am Laufen zu halten, anstatt mal die Eier zu haben, dies hintenanzustellen und sich darum zu kümmern, wie es den Schülern zu Hause überhaupt geht? Nun in der zweiten Hälfte der Krise wird auf Seiten der Schulverwaltung in Berlin viel diskutiert, wie man es nun macht mit der Benotung. Momentan steht da eine komplizierte, vertrackte Vorgehensweise im Raum, wie man zu den Zeugnisnoten kommt. Bitte: eine einfache Regel würde es auch tun: Kein Sitzenbleiben, keine Benotung in der Krisenzeit, nach Rückkehr in die Schulen Wiederholung (zumindest eine schnelle) des Unterrichtsstoffs und dann benotete Prüfungen; ansonsten Rückgriff auf die Noten des ersten Schulhalbjahres und die Zeit vor der Schulschließung. Damit wären nicht nur die Gerichte entlastet, sondern können derzeit die für solche Diskussionen und Benotungsvorgänge der Lehrer draufgehenden Energien gespart werden für die Frage, wie man es praktisch umsetzen kann, dass möglichst früh möglichst viele Kinder wieder möglichst viel Präsenzunterricht erhalten. Wer Leistung fordert, muss auch liefern! Und die Lehrer hätten vielleicht mehr Kapazitäten dafür, sich für die teilweise vorhandenen seelischen und psychischen Nöte der Jugendlichen in der derzeitigen Zeit zu interessieren. – Gerlinde Neuhaus

 

Auf Seite 27 f. der ZEIT hören wir vom Beginn eines neuen Schulzeitalters, in dem der Schüler nicht mehr überwiegend in der Schule ist und die Wissensvermittlung digital daheim stattfindet. Auf S. 10 der gleichen Ausgabe lesen wir Erfahrungsberichte von Frauen aus dem Homeoffice, die beklagen, dass Funktionen des Lehrers wie Disziplinierung, Kontrolle, Stofferklärung auf die Eltern, v.a. die Mütter verlagert sind? Sind das Anfangsprobleme einer neuen Ära? Oder nur einfach der Unterschied von Theorie (S. 27) und Praxis (S. 10)? – Dr. Klaus-Dieter Beims

 


 

 

Leserbriefe zu „»Man wird Schritt für Schritt kleiner«“ von Tina Hildebrandt

 

Die Erkenntnis von Herrn Schäuble in dieser Situation ist „bahnbrechend“: Wir müssen alle sterben ! Mit dem Tod eines Menschen jedoch „stirbt“ auch seine Würde mit. Vielleicht meinte er: In Würde sterben ? Das liegt in der Selbstbestimmung des einzelnen Menschen. Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen machen es jedem einzelnen möglich, zu formulieren, was er sich unter einem (seinem) Sterben in Würde vorstellt. Das gilt für jung und alt. Es wäre jetzt an der Zeit eine Kampagne für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen zu starten und diese fürsorglich zu begleiten. Habe davon jedoch noch nichts gehört. Wer sagt der Schutz des Lebens stehe über allem anderen ? Der Diskurs , den ich verfolge ist ein anderer. Solche „Denkanstöße“ brauchen wir nicht. Was ist mit der Versorgung mit Schutzkleidung, wie ist es um die Schulen und KITAS bestellt, was ist mit der (sozialen) Markwirtschaft, die es ja nicht gibt etc. ? Das was jetzt sichbar wird , bietet Anlass genug, zu sagen: So wie bisher kann es nicht weitergehen . – Friedrich Bensch

 

Wolfgang Schäuble wagt als elder statesman frei von Karrieregedanken mutig einen anderen Blick auf die Dinge und ich kann ihm da nur zustimmen. Ich frage mich auch, was sagen denn die Alten selbst über Lebenswünsche, Krankheit, Sterbeprozess und Tod ? Wer fragt sie? Richtet man sich nach ihren Antworten ? Unabänderlicher Fakt ist, dass wir alle sterben müssen. Wenn ich über 80-jährig sterbe (z.Zt. eine Hauptgruppe der Coronatoten), dann bin ich schon 2 Jahre über mein zu erwartendes Durchschnittslebensalter hinaus. Wie auch ich, haben viele von den Alten eine Patientenverfügung, durch die sie sich vom Sterben an den Schläuchen schützen möchten. Ein alter Mensch hat in der Regel eine realistische Sichtweise von der Tatsache des immer näher rückenden Todes. Viele wünschen sich dann unter den zur Auswahl stehenden Todesarten einen schnellen und gut begleiteten Sterbeprozess, statt jahrelange Krankheit, Siechtum und lebenserhaltende Apparatemedizin. Wie beantworten die Alten selbst die Frage nach dem gesellschaftlichen Preis ihres Schutzes (Insolvenzen, massive Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Einschränkung Grundrechte usw.) ?

Der jetzt in der Coronakrise zwangsweise proklamierte „Schutz“ der Alten bedeutet für diese unter den heutigen Umständen: Isolierung, Kontaktverbot, Alleinsein am Lebensabend, hochgestresstes Betreuungspersonal in totaler Zeitnot, isoliertes Sterben im hochtechnisierten Intensivmedizinbett. Nur Zyniker glauben daran, dass man hier die Alten bestens versorgt wisse. Stattdessen werden die Alten hierdurch zu Opfern von Gesundheitstechnokraten. Wolfgang Schäuble hat die Problematik auf den Punkt gebracht: Es gilt genau diese Würde des Menschen zu achten, auch und gerade am Lebensabend und beim Sterben. Wenn meine Zeit gekommen ist, möchte ich in Würde meine letzten Tage verbringen und sterben können. Auch das Bundesverfassungsgericht hat letztens geurteilt: Es gibt ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und die grundgesetzlich verbriefte Freiheit über sein Leben selbst bestimmen zu können. – Bernd Gasser

 

Coronavirus… und nun? Seit mehreren Wochen erleben wir das radikale Versagen des Nationalstaats. Nicht des einen oder anderen Nationalstaats, sondern der Staatsform an sich. Es grassiert mal wieder ein Virus. Das kommt vor. Dieser Virus ist pretiös: er hat eine recht lange Inkubationszeit und in den meisten Fällen unerkannte bzw. unspezifische Symptome, von Grippe oder Erkältungen oft kaum zu unterscheiden; seine höchste Infektiosität erreicht ein Infizierter schon bevor Symptome auftreten (wenn sie denn auftreten); 44% der Transmissionen finden im asymptomatischen oder vorsymptomatischen Zustand statt. Der Virus hält sich also bedeckt und macht erst spät oder gar nicht auf sich aufmerksam, was Gegenmaßnahmen erschwert; die meisten Fälle werden erst identifiziert, wenn ein Infizierter sich krank genug fühlt, um den Arzt anzurufen, was nur bei einer kleinen Minderheit der Fall ist. Die Krankheit, die der Virus hervorrufen kann, Covid-19, ist alles keineswegs harmlos. Wenn Patienten krank werden, dann z.T. heftig; manche landen auf der Intensivstation, manche sterben; manche, die sich schließlich erholen, werden in der Folge ggf. ernste und dauerhafte Gesundheitsprobleme haben. Die Krankheit ist insbesondere gefährlich für Ältere und für Patienten mit signifikanten Vorerkrankungen bzw. -belastungen; das Durchschnittsalter der an Covid-19 Verstorbenen liegt in Europa bei ca. 80. Was wissen wir noch?

Zunehmend mehr. Eine französische Studie hat kürzlich interessante und wohl recht zuverlässige Eckdaten geliefert (Christian Drosten besprach sie kürzlich im NDR-blog). Man projiziert, dass sich in Frankreich bis zum Ende der derzeitigen „lock-down“ Periode (d.h., bis zum 11. Mai) ca. 5% der Gesamtbevölkerung infiziert haben werden (in den z.Zt. am meisten betroffenen Regionen, Ile de France und Grand Est, ca. 11-12%). Man errechnet, dass 2.5% aller Infizierten ins Krankenhaus eingeliefert werden, d.h., ernstere Symptome haben, dass 1% auf die Intensivstation verlegt werden, und dass 0.5% an der Krankheit sterben. Diese Letalitätsrate des Virus könnte bedeuten, wenn man davon ausgeht, dass sich längerfristig alle Bürger anstecken werden, dass 0.5% der Gesamtbevölkerung an Covid-19 sterben werden. Diese Daten sind auf Deutschland und andere EU-Länder wahrscheinlich recht gut übertragbar, da die Bedingungen (Demographie, Gesundheitswesen, usw.) ähnlich sind.

In Deutschland würde man dementsprechend für Mitte Mai 2020 ungefähr 4.2 Millionen Infizierte erwarten (5% der Gesamtbevölkerung von knapp 84 Millionen), und 21,000 Covid- 19 Todesfälle (die tatsächliche Zahl der Todesfälle wird Mitte Mai sicherlich niedriger liegen; dies liegt wahrscheinlich in erster Linie an z.T. zufälligen Anfangsbedingungen, wie z.B. die Altersstruktur der Anfangsfälle, in Deutschland, oft in mittleren Altersgruppen, bei denen die Mortalität deutlich niedriger ist als bei den Älteren). Diese werden sich mittelfristig mehr und mehr ausgleichen. Die Letalitätsrate des Virus mag mit der Zeit sinken, da Behandlungsmethoden besser werden und die Schutzlosesten tendenziell eher sterben; aber arbeiten wir zunächst mit dem, was einigermaßen gesichert erscheint, also 0.5%. Angenommen, die Infektionstätigkeit begann in Deutschland Mitte Februar, würden bis Mitte Mai im Durchschnitt ca. 47,000 Menschen pro Tag infiziert worden sein. Der Virus wird sich langfristig überall mehr oder weniger homogen ausdehnen. Europa wird in Bezug auf die Mortalität aber aufgrund der ungünstigeren Altersstruktur disproportional betroffen sein.

Im Rest der Welt sind die demographischen Strukturen im Durchschnitt weit günstiger, mit im Durchschnitt deutlich jüngeren Bevölkerungen und viel weniger Menschen in den höchsten Alterskohorten. Eine simple Rechnung, die die Demographie berücksichtigt (auf Basis öffentlicher Daten: Anteil der Menschen über 65, jeweils für die OSZE und die Welt insgesamt), aber andere Unterschiede außer Acht lässt (z.B. Qualität von Gesundheitssystemen und Prävalenz anderer Risikogruppen), deutet an, dass außerhalb der OSZE die Fatalitätsrate eher bei 0.2% liegen könnte; der nach Bevölkerung gewichtete Durchschnitt für die ganze Welt läge dann bei 0.3%. Diese Zahlen kann jeder leicht nachrechnen; sie sind grob, aber es mir geht hier bloß um die Größenordnung. Wenn man davon ausgeht, dass bei einer Durchseuchung der Weltbevölkerung von 67% die Pandemie ausläuft (es erkranken und sterben auch danach noch Menschen die noch keine Immunität haben, doch werden die Fälle seltener und „verschwinden“ in der „normalen“ Mortalität), muss man meiner Berechnung zufolge (auf Basis der franz. Daten) mit 15 Millionen Covid-19 Toten weltweit rechnen, und zwar über einen Zeitraum von knapp drei Jahren (unter der vereinfachenden Annahme, das die Propagation des Virus weltweit und auch in Zukunft der bisherigen in Frankreich entspricht). Zum Vergleich: z.Zt. sterben weltweit ca. 60 Millionen pro Jahr; wenn man vereinfachend annimmt, dass 2020, 2021 und 2022 je 5 Millionen Menschen weltweit an Covid-19 sterben werden, bedeutet dies eine um ca. 8%-Punkte höhere Mortalität pro Jahr im Vergleich zur „normalen“ Mortalität.

Ein durchaus nicht trivialer Mortalitätszuwachs, der im Prinzip aber unvermeidbar sein wird, es sei denn ein effektiver Impfstoff wird im Laufe der nächsten drei Jahre auf breiter Basis verfügbar. Das kann sein; man kann es aber nicht wissen, und daher nicht darauf bauen. Was tun? Man kann den Virus wohl nicht mehr stoppen; er wird endemisch werden, ähnlich z.B. der Influenza (nein, der Vergleich hinkt durchaus nicht, solange man dabei nicht an die jährliche saisonale Grippe denkt, gegen die die meisten von uns Immunität oder Teilimmunität haben und gegen die es Schutzimpfungen gibt, sondern die gelegentlich auftretenden Pandemien neuer Influenzaerregerstämme, die durchaus auch weltweit mehrere Millionen Menschen in einem Jahr töten können). Der neue Virus hat eine höhere Letalitätsrate, verbreitet sich aber auch langsamer (seine sog. „secondary attack rate“ ist niedriger als bei Influenzaviren). Aber längerfristig werden wir mit diesem Virus ähnlich koexistieren müssen—und können— wie wir es schon seit langer Zeit mit Influenzaviren tun. Zu Beginn hatte die Bundesregierung argumentiert, man müsse, erstens, vermeiden, dass das Gesundheitssystem überlastet wird, da dann mehr Menschen sterben würden als „notwendig“; zweitens, die Schutzlosesten besonders schützen, insbesondere die Älteren. Wie?

Grundregeln einhalten: 1.5m Abstand halten, Hände regelmäßig gründlich waschen, nicht sein Gegenüber anhusten oder mit feuchter Aussprache beglücken; zudem Menschen in Risikosituationen—Krankenhäuser, Altersheime, Pflegeheime—mit den entsprechenden Schutzausstattungen versehen und Kapazitäten in Krankenhäusern zur Verfügung stellen und weiter ausbauen. So weit, so nachvollziehbar. Dann liefen schreckliche Bilder aus Italien im Fernseher; Panik setzte ein, alle guten Vorsätze wurden über den Haufen geworfen, Grenzen geschlossen (innerhalb der EU!) Exportbeschränkungen verhängt (innerhalb der EU!); ein EU-Staat nach dem anderen ging in den nationalen „lock-down.“ „Bilder aus Italien“ zeigt aber schon, was falsch gelaufen ist: es ist eine fatale Simplifizierung von Bildern „aus Italien“ zu reden. Es waren Bilder aus einigen, spezifischen Gemeinden in Norditalien, in denen der Virus „außer Kontrolle“ lief.

Denn der Virus „agiert“ nicht national. Sondern, der Virus „agiert“ global und zugleich lokal. Er „agiert“ global, insofern er von uns Menschen dank unserer Globalisierung sehr schnell und effizient überall hin verschleppt wird. Er „agiert“ lokal, insofern er immer wieder unter für ihn günstigen lokalen Bedingungen ausbricht (Wochenmarkt in Wuhan, Kirchenmessen in Daegu, Ski-Bar in Ischgl, Karnevalsgesellschaft in Heinsberg, Freitagsgebet in Malaysia, Gastarbeiterbaracken in Singapur, usw.) und sich dann stetig und zunehmend gleichmäßig über die Gesamtbevölkerung ausdehnt, wobei es nicht nur in der Anfangsphase seiner Ausbreitung, sondern auch zukünftig immer wieder zu lokalen Ausbrüchen kommen kann, wenn die Bedingungen „günstig“ sind, bis allgemeine „Herdenimmunität“ erreicht ist. Bei solchen Ausbrüchen mag das Einhalten von Grundregeln (Abstand halten, usw.) wohl unzureichend erscheinen; ein temporäres, lokales „lock-down“ mag ggf. notwendig werden, dazu effektive lokale Maßnahmen im Gesundheitsbereich und Hilfe von anderen. Doch was hat der übereifrige europäische Nationalstaat gemacht, allen voran die Bundesregierung? Das einzige, das er „versteht,“ nämlich nationale Eingriffe gegen (multi-) lokale Probleme vorzunehmen: Dichtmachen nationaler Grenzen (völlig sinnlos wenn der Virus bereits auf beiden Seiten der Grenze unterwegs ist); nationales Horten und Exportverbot von Schutzausstattung und Medikamenten (geradezu verbrecherisch wenn nebenan in Norditalien gerade Menschen reihenweise sterben und genau diese Güter dringend benötigen); Aussetzen aller möglichen Grundrechte; nationaler „lock-down.“

In Deutschland wurden, lapidar gesagt, 84 Millionen Menschen ihrer Grundrechte beraubt, weil in ein paar Gemeinden in Norditalien Menschen starben und im Kreis Heinsberg eine Karnevalssitzung stattgefunden hatte. Nicht nur erscheint ein nationaler „lock-down“ hier unverhältnismäßig, sondern—schlimmer noch—ineffektiv und sogar kontraproduktiv. Denn was bedeutet ein nationaler „lock-down“? Ungefähr, „abwarten und Tee trinken.“ Nämlich: zuhause bleiben und bloß nicht anfangen zu lernen, im normalen täglichen Leben mit dem Virus umzugehen. Man stellt eine Ausnahmesituation her, in der der Virus sich schlechter ausbreiten kann, von der aber jeder weiß, dass sie aus sozialen, psychologischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen nicht lang aufrecht zu halten sein wird. „Die Kurve abflachen,“ hieß es von offizieller Seite; und: „die Kontrolle wiedergewinnen.“ Welche „Kurve“? Welche „Kontrolle“? Es gibt keine „nationale Kurve“ die eine Nationalregierung „kontrollieren“ könnte. Sie ist eine Illusion; man kämpft, wie Don Quijote, gegen Windmühlen.

Der Virus propagiert sich in multi-lokalen Oszillationen; wenn die Bevölkerung überall die Grundregeln (Abstand halten, usw.) recht gut einhielte—es muss übrigens nicht zu 100% sein, vielleicht tut es auch schon die Hälfte, das muss man im täglichen Umgang mit dem Virus ausprobieren und austarieren—, würden lokale Ausbrüche entsprechend seltener und Oszillationen moderater; die Gesundheitssysteme würden immer mal wieder hier und da lokal an Belastungsgrenzen kommen, und kurzfristig Entlastung benötigen (hier könnten Länder- und Bundesregierung tatsächlich einen Beitrag leisten), insgesamt gesehen würden sie aber zurechtkommen, jedenfalls in den EU-Staaten. Die nationalen „lock-downs“ sind kontraproduktiv und werden uns alle in Europa voraussichtlich sehr, sehr viel kosten. Denn so einfach es ist, sie einzurichten, so schwierig ist es, sie wieder zu lockern. Wenn man erst mal den „lock-down“ verhängt hat, hat man nicht nur seine gesamte Bevölkerung eingeschläfert, sondern auch sich selbst als Politiker und Entscheidungsträger in Geiselhaft genommen. Denn das Lockern eines „lock-downs“ unterliegt einem „Jo-Jo-Effekt,“ wie ihn diejenigen kennen, die sich mal einer Hungerkur unterzogen haben. Man hat die natürliche Ausbreitung und Oszillation des Virus künstlich zurückgehalten; sobald man lockert, schnellt sie wieder hoch, und zwar möglicherweise sogar über seine ursprüngliche Trajektorie hinaus; lockert man zu schnell, sieht man sich ggf. bald wieder gezwungen, erneut in „lock-down“ zu gehen. Dergestalt könnten wir, wenn wir jetzt keinen grundsätzlichen Richtungswechsel vornehmen, über Jahre hin- und her- schaukeln, ohne dass je eine gewisse Regelmäßigkeit und Planbarkeit erreicht würde. Das Kind ist in den Brunnen gefallen; holen wir es wieder heraus. Frau Merkel hat zwar recht, jetzt vor „Lockerungsorgien“ zu warnen; sie verschweigt aber, dass sie genau jene „lock-down Orgie“ mit zu verantworten hat, die die risikobehafteten Lockerungsbemühungen, auf die wir jetzt zusteuern, überhaupt erst notwendig gemacht hat. Ein erster wichtiger Schritt in Richtung nachhaltigem „leben mit dem Virus“ wäre es, anzuerkennen, dass man mit „lock-downs“ nicht weiterkommt. Der nationale „lock-down,“ mögen manche sagen, sei in der ersten „Welle“ nötig gewesen und habe Menschenleben gerettet.

Dies kann man aber nur behaupten, (a), indem man beweist, dass nur man nur mit dieser Maßnahme, sozusagen mit der Brechstange oder dem Vorschlaghammer, eine Überbelastung des Gesundheitssystems vermeiden konnte, mit einer freiwilligen Einhaltung der Grundregeln (Abstand halten, usw.) sowie entsprechenden fein ziselierten lokalen Unterstützungsmaßnahmen aber nicht; (b), wenn man wüsste, dass vor Ablauf der nächsten 2-3 Jahre ein Impfstoff kommt, mit dessen Greifen man tatsächlich dann die Gesamtzahl der Todesfälle reduziert, und nicht bloß zeitlich verschoben haben würde. Letzteres weiß man aber nicht; und für ersteres gibt es ein Kontrafaktum: Schweden.

Schweden ist z.Zt. die einzige funktionierende Demokratie der Welt. Man hat in Schweden nicht nur erkannt, wie der Virus funktioniert, sondern auch, wie eine Demokratie funktioniert. Und was am wichtigsten ist: man hat offensichtlich auch erkannt, dass eine funktionierende Demokratie von allen möglichen Staatsformen und Interventionsmechanismen die effektivste ist, mit diesem Virus umzugehen. Demokratie („Herrschaft des Volkes“) funktioniert so: der Einzelne übernimmt Verantwortung. Schweden, anstatt die Demokratie auszusetzen und das Volk einzusperren, hat voll auf die Vernunft des Volkssouveräns gesetzt. Man hat größere Veranstaltungen ausgesetzt, was vernünftig ist, da diese dem Virus als Inkubator und Akzelerator dienen, und Besuche in Pflegeheimen reguliert; ansonsten hat man auf die Selbstverantwortung des Einzelnen und der Unternehmen und lokalen Behörden gesetzt, die Grundregeln einzuüben und einzuhalten (Abstand einhalten, usw. Sie wissen’s jetzt schon—oder?) sowie tägliche Abläufe in den verschiedenen Institutionen und Situationen dergestalt feingliedrig und intelligent zu organisieren, dass die Grundregeln überall i.d.R. auch eingehalten werden können.

Schulen, Geschäfte, Restaurants, Betriebe, Behörden, Praxen, usw. liefen weiter und sind deshalb mittlerweile wahrscheinlich ziemlich „Corona-fit.“ Hat Schweden keine Fehler gemacht? Doch, sicher. Man hat z.B., wie in vielen europäischen Ländern, nicht genau und schnell genug auf Alten- und Pflegeheime geschaut. Es geht aber jetzt nicht darum, ob die eine oder andere Regierung den einen oder anderen Fehler gemacht hat. Natürlich hat sie das, es ist unvermeidbar. Es geht jetzt darum, nach vorne zu schauen, und zwar auf Basis des „richtigen“ Prinzips. Nämlich das Schwedens. Was hat Schweden erreicht? Erstens, man hat die „lock-down“-Falle vermieden, in die sich fast alle anderen EU- Regierungen hineinmanövriert haben. Zweitens, während in anderen Ländern die Bevölkerung für 6, 8, 10 Wochen sozusagen auf Eis gelegt wurde, hat man in Schweden fleißig eingeübt, wie man mit dem Virus im täglichen Leben umzugehen hat; man hat, sozusagen, einen gewissen „steady-state“ bereits erreicht—der auch trügerisch sein kann, keine Frage—wegen dessen man aber auf zukünftig immer wieder erneutes Aufflackern des Virus besser vorbereitet sein dürfte als jedes andere EU-Land. Da es in anderen Ländern noch viele Wochen dauern dürfte, die jeweiligen „lock-downs“ stufenweise und mit der nötigen Vorsicht zu lockern, wobei Rückschläge und Warten auf Feedbackdaten (die immer 2-3 Wochen Rücklaufzeit haben) einzukalkulieren sind, könnte Schweden im Endeffekt dem Rest der EU in Bezug auf das Ziel „mit dem Virus zu leben“ um mehrere Monate voraus sein, auch und gerade wenn gegen Jahresende 2020 eine Vielzahl von Ausbrüchen in vielen verschiedenen Lokalitäten stattfinden sollten, ggf. amplifiziert durch das saisonale Infektionsgeschehen der Influenza und Erkältungskrankheiten, womit zu rechnen ist.

„Schweden hat mehr Tote als andere skandinavische Länder,“ wird jemand sagen. Im Moment ja; was aber kein Wunder ist, denn die anderen skandinavischen Länder haben sehr rigorose „lock-downs“ verhängt, was natürlich kurzfristig effektiver ist, den Virus zu verlangsamen, als jede noch so gut eingeübte Freiwilligkeit, die nie lückenlos sein kann (was sie im Übrigen auch nicht zu sein braucht, denn es geht ja nur darum, den „steady-state“ zu bewahren). Mittelfristig könnte dies ggf. aber auch ganz anders aussehen: wenn sich alle anderen EU-Staaten in den nächsten Monaten mühsam durch Lockerungsübungen durchquälen und dabei ggf. immer wieder Rückschläge erleiden und u.U. periodisch in „lock- downs“ zurückfallen, könnte Schweden im Vergleich besser dastehen. Das Minimieren von Todesfällen kann sowieso nicht das einzige, wohl nicht einmal das höchste Ziel sein, sondern es kann nur um eine Güterabwägung gehen; das größte Risiko ist dabei nicht, dass Menschen sterben, so traurig es ist, sondern dass unsere Demokratie und freiheitliche Grundordnung, und unsere Wirtschaft dauerhaften Schaden nehmen. Schweden hat übrigens nicht mehr Tote pro Kopf als der EU Durchschnitt—ganz ohne „lock-down.“ Was Schweden zeigt ist dies: wir brauchen kein „neues Normal“; wir brauchen—und müssen es jetzt zurückgewinnen—unser bewährtes „Normal.“

Schweden wird wahrscheinlich als erstes EU-Land „Herdenimmunität“ erreichen und somit aus eigener Kraft die Pandemie überwunden haben, ohne sich dabei auf einen Impfstoff zu verlassen, der da kommen mag oder nicht. Zugleich werden die Gesamtkosten der Pandemiepolitik in Schweden geringer ausfallen als irgendwo sonst in der EU (vom Rest der Welt ganz zu schweigen, wo viele Regierungen den Virus zum Anlass nehmen, totalitäre Strukturen auszubauen und zu verfestigen; dieses weltweite Zurückdrängen von Bürgerrechten wird einer noch stärkeren „Hysterese“ unterliegen als das Zurückrollen der „lock-downs“ in den EU Staaten; „Hysterese“ bedeutet in diesem Zusammenhang: ein Schaden ist schnell angerichtet, braucht aber sehr lange um wieder behoben zu werden. Wir befinden uns im Krieg. Nein, nicht im Krieg mit dem Virus, sondern mit uns selbst. Unsere Regierungen haben den Ausnahmezustand über ihre Bürger verhängt; es ist buchstäblich ein Bürgerkrieg. Im Prinzip müssten in allen EU Ländern umgehend Neuwahlen stattfinden um Regierungen zu etablieren, die die Demokratie wiederzustellen.

Ich weiß schon: es wird nicht passieren. Niemand wird die Verantwortung für das Desaster übernehmen das gerade wie ein schlechter Film vor unseren Augen abläuft. In einer Krise die—wie alle Krisen—hausgemacht ist, werden Politiker immer sagen—und die Bevölkerung wird immer akzeptieren—, dass man „gerade jetzt zusammenstehen muss,“ usw. Genau mit solchen Schlagtotargumenten werden übrigens Weltkriege oder totalitäre Regime über Jahre am Laufen gehalten, egal welche Opfer sie fordern. Wir befinden uns in einer Krise. Nein, nicht in einer „Corona-Krise.“ Viren „machen“ keine Krisen. Viren „wollen“ sich bloß in Ruhe vermehren. Genau wie wir übrigens (wobei Viren, nebenbei bemerkt, viel geringere Schäden an ihrem Ökosystem anrichten—in diesem Fall, ihren menschlichen Wirten—als wir Menschen an unserem—dem Planeten Erde; SARS-CoV-2 ist, so gesehen, schon jetzt besser an sein Ökosystem angepasst als der Mensch an seins). Es ist eine Menschen-Krise. „Krisis“ bedeutet, z.B. bei Aristoteles, den Moment der „Entscheidung.“ In diesem Sinne befinden wir uns in einem „kritischen“ Moment. Denn wir müssen uns jetzt entscheiden: wollen wir in Deutschland und der EU insgesamt u.U. für Jahre auf totalitäre Maßnahmen „von Oben“ setzen und von einem „lock-down“ in den nächsten stolpern, oder wollen wir ein „schwedisches“ Modell verfolgen, indem wir im Wesentlichen auf Selbstverantwortung „von Unten“ setzen und unsere Demokratie und Bürgerrechte unverzüglich rehabilitieren? Der „Exit“ vom „lock-down“ muss jetzt sehr präzise und zügig vonstatten gehen, um den Schaden nicht noch größer werden zu lassen, als er schon ist. Die Grundsatzentscheidung ist hierbei, wo wir „landen“ wollen: bei Selbstverantwortung oder bei Staatsverantwortung?

Entscheiden wir uns für ersteres, muss der „Exit“ vom derzeitigen „lock-down“—und von „lock-downs“ als Instrument der Politik überhaupt—umgehend entsprechend ausgerichtet und ausgeführt werden. Und zwar innerhalb von Wochen, nicht Monaten. Wir erleben gerade, ich sagte es eingangs, das radikale Versagen des Nationalstaats. Coronavirus führt uns erneut vor Augen, dass der Nationalstaat ein Anachronismus ist; er vermag prinzipiell unsere Zukunftsprobleme nicht zu lösen (Klimawandel, globale Ungleichheit, damit verbundene Migrationsbewegungen, usw.; Coronavirus ist im Vergleich zu diesen Herausforderungen unkompliziert). Wir verfügen in Europa über das einzigartige Konstrukt der EU; aber anstatt es zu nutzen, treten wir es mit Füßen. Wie kommt das? Es kommt daher, dass unsere Politiker national gewählt sind und national Macht ausüben. Auch dann, wenn nationale Machtausübung wenig bringt. Sie können eben nicht anders.

Der auch schon vor Coronavirus wiedererstarkende Nationalstaat könnte uns im Extremfall sogar in die Nähe eines dritten Weltkriegs rücken, wenn nämlich zwischen den USA und China in der Frage der Virusherkunft und eines etwaigen Verschuldens das Fass überliefe. Was können wir für uns lernen, die wir Europäer Großmachtspiele längst aufgeben, und uns stattdessen vertrauensvoll in die guten Hände eines Herrn Trump und eines Herrn Xi übergeben haben? Dass Demokratie nicht nur ein hohes Gut ist, welches es immer wieder zu verteidigen gilt, nicht zuletzt gegenüber unseren eigenen, gelegentlich übereifrigen Politikern, sondern dass eine funktionierende Demokratie, eine die nicht ausgehebelt und unterminiert, sondern gelebt wird, in jedem Fall das effektivste Lösungsformat für komplexe Probleme ist. Vertrauen wir also auf die Demokratie. Und rufen wir den Schweden anerkennend zu: „Skol!“ – Dr. Matthias Goertz

 

Tina Hildebrandt möge mir bitte die Ausgabe, den Herausgeber und das Erscheinungsdatum jener „bunten Kinderbibel” nennen, welche „die Apokalypse an einem Tag mit einem großen Knall” passieren lässt. Wenn man die Bibel nicht kennt, sollte man dazu besser schweigen. Ich habe „Spiegel und Licht” von Hilary Mantel nicht gelesen, daher werde ich darüber auch keine herablassende Aussage treffen. – Siegfried Molnár

 


 

 

Leserbriefe zu „Schieß drauf!“ von Nina Pauer

 

Pippi für Greta? Schieß drauf? Lach drüber!Anarchisch. Radikal. Frei. Drei starke Worte, damit hat die brave Journalistin die unvergleichliche Pippi Langstrumpf ganz gut getroffen. Was aber hat die fröhliche Anarchistin in der „Phalanx der großen feministischen Figuren“ verloren? Pippi würde nur drüber lachen, wenn nicht gleich drauf schießen! Pippi ist nicht feministisch, was immer mit dem Klischee noch gemeint sein soll. Nie würde sich Pippi mit einer Ideologie gemein machen, mit Inbrunst würde sie ihre bösen Worte wiederholen, Neger-Häuptlinge beschwören, nicht Häuptling Seattle. Pippi ein Vorbild? Bloß nicht. Eher schon ein Girlie, eine femme fatale, wenn auch minderjährig. Dann der befremdliche Vergleich mit Prinzessin Elsa, für den sie immerhin eine originelle Pointe findet. Dann aber wird es hanebüchen: Greta Thunberg als „geheime Erbin“ von Pippi Langstrumpf! Die würde sich in Rumpelstilzchen verwandeln, wenn sie dies hören müsste! Pippis Superkraft findet Nina Pauer in Gretas Autismus!? Verquer von vorne bis hinten. Pippi ist fröhlich, nicht depressiv, sie ist dünn und stark, nicht magersüchtig, sie isst mit Lust, sie ist ständig in Bewegung, am liebsten würde sie fliegen, nicht langweilig segeln. Und vor allem: Niemals nie würde sie sich stundenlang auf den Boden hocken und ein Schild hochhalten. Wäre zu spannend, wenn Pippi die sitzende Heldin treffen sollte, da würden feministische Fetzen fliegen. Schieß drauf! – Dr. Rudi Holzberger

 

Ein Mädchen wie Pippi Langstrumpf KONNTE keine Ikone des Feminismus werden. Alle großen Bewegungen beruhen auf einem „Gleichschritt“ bis hinein in die Wortwahl, anderenfalls würden sie an Durchschlagskraft verlieren. Ein Wesen wie Pippi Langstrumpf ist aber unangepasst, voller Eigenenergie, Eigenkraft und Souveränität. Was „richtig / falsch“ ist würde sie sich nicht vorschreiben lassen können. Ich schätze diese literarische Figur aber gerade wegen dieser selbstbewusst gelebten Freiheit, die sich jeder Vereinnahmung entzieht. – Klaus Landahl

 

Pippi gehört allen! Pippi ist eine der schillernsten Figuren der Weltliteratur. Dass die ZEIT Ihrem 75. Geburtstag auf die Titelseite hebt, hat mich sehr gefreut. Dass das stärkste Kind der Welt dann in nur einem – wenn auch sehr guten – Artikel auf seinen feministischen Mehrwert reduziert wird, hat mich allerdings ernüchtert. Auch für Männer war Pippi eine prägende Figur. Ich hätte mir eine vielschichtigere Betrachtung erhofft. Was ist mit Pippi und der political correctness (#Südseekönig – #bildetbanden)? Wie ist Pippis Bedeutung für Kinder heute? Worin besteht der Reiz von Anti-Pippis (als die ich Elsa definitiv bezeichnen würde)? Und was haben wir alle von Pippi gelernt? – Über eine Betrachtung solcher Fragen hätte ich mich gefreut. Denn Pippi gehört definitv nicht nur der weiblichen Hälfte ihrer Fangemeinde! – Michael Bergner

 

In Zeiten von Corona und hinsichtlich der Zeit danach, in der die ohnedies immer noch prekäre Situation der Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur vermehrt gefährdet ist, das Leitthema Pippi Langstrumpf „Keine Angst vor niemand!“ zu widmen – „anarchisch.radikal.frei“ [Seite 51], ist überraschend und schlichtweg genial. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich zu dieser Entscheidung! – Dr. Wilhelm Achleitner

 


 

 

Leserbriefe zu „Die wollen nicht nur spielen“. Gespräch mit C. Katharina Spieß geführt von Jeannette Otto

 

Den Aussagen von Frau Spieß, Bildungsökonomin, in diesem Interview ist aus frühpädagogischer Sicht in vieler Hinsicht zuzustimmen. Sie betont die Bedeutung von Kindertagesstätten mit guter pädagogischer Qualität für die spätere Bildungsentwicklung von Kindern nach dem Eintritt in die Schule. Der Schwerpunkt dieser Aussagen bedarf aber einer Ergänzung: Die Teilhabe am Alltag in Kindertagesstätten bietet nicht nur Bildungsangebote, sondern ist von elementarer Bedeutung für das psychische Wohlbefinden von Kindern in dieser Altersgruppe. Kinder – mit und ohne Behinderungen – brauchen den regelmäßigen sozialen Kontakt zu vertrauten Gleichaltrigen für ihre sozial-emotionale Stabilität. Und – nicht zu unterschätzen – eine Verlängerung der Schließung der Kitas bedeutet ein hohes Risiko, dass es in hoch belasteten Familien zu Kindeswohlgefährdung kommt.

Und hoch belastet sind derzeit alle Familien, die Kinder vollständig allein zu Hause betreuen sollen; ganz besonders aber Familien, in denen bereits unabhängig von Corona hohe soziale Belastungen herrschen – durch Arbeitslosigkeit, Enge des Wohnraums, Armut, psychische Erkrankung eines Elternteils o.ä. Die Betreuung in Kitas bedeutet Entlastung, gibt den dortigen Fachkräften aber auch die Möglichkeit, Zeichen für Kindeswohlgefährdung zu erkennen und Hilfen einzuleiten. All dies gerät derzeit völlig aus dem Blick. Konkrete Konzepte zur Wiederöffnung von Kitas über Notbetreuungsregeln hinaus haben höchste Priorität. Betreuung in Teilzeit, wechselnde „Schichten“ von Fachkräften, Betreuung außerhalb der gewohnten Räume der Einrichtung, auch unter Einschluss von derzeit nicht genutzten Räumen im sozialen Umfeld – kreative Lösungen müssen gefunden werden. Familien haben Anspruch darauf, dass Kultus- und Sozialministerien in den Bundesländern endlich solche konkreten Konzepte vorlegen. – Prof. Dr. Klaus Sarimski

 

Manchmal kann ich es nicht verstehen, warum man sich darüber aufgeregt, dass den Kühen die Kälber nach der Geburt weggenommen werden. Denn die Kühe gehören doch wohl zu den am meisten emanzipierten Wesen unserer Zeit. Während das Kalb von professionellen Händen betreut wird, macht die Kuh im Melkstand Karriere. Ist das denn nicht auch der Grund, warum Eltern so bald wie möglich ihren Nachwuchs in professionelle Hände abgeben sollen- damit sie sich auf ihre Karriere konzentrieren können? Bei der Bildunterschrift „Kinder ohne Gleichaltrige und ohne Erzieher? Das kann kein Elternhaus kompensieren“ hat sich in mir starker Widerstand geregt. Als ob alle Kinder ohne Geschwister aufwachsen und obendrauf gleich noch bei inkompetenten Eltern. Ich danke auf jeden Fall meinen Eltern, dass ich in den ersten 3 Jahren nicht in „professionelle Hände“ gegeben wurde. Denn meine Eltern konnten mir das geben, was keine Kita oder irgendein Erzieher je hätten kompensieren können: Liebe und Geborgenheit! – Salome Weiberle

 

Mir steckt in den Aussagen Frau Spieß’ zu viel Wunschdenken. Was Frau Spieß anspricht sind m.E. Pseudo-Probleme eine Wohlstandsgesellschaft. Es wird suggeriert, 2 oder 3 Monate ohne Kita führen zwangsläufig zu lebenslangen Nachteilen. Und weiter, wer in den 70er Jahren keine Kita besucht hat, ist nachweislich weniger erfolgreich und weniger gebildet. Ebenfalls nachgewiesen, Mütter, die Ihre Kinder in eine „gute“ Kitas schicken, verdienen mehr. Was ist eine gute und was eine schlechte Kita? Sind die guten teuer? Dann ist die Ausgangsthese trivial. Können sich nur Familien leisten, die viel verdienen. Wenn ich diesen Artikel lese, frage ich mich, wie ich es zum Ingenieur geschafft habe, mit nur 6 Monaten Kindergarten. Und wie aus der Generation meiner Eltern, Kindheit im 2. Weltkrieg, von denen in der Tat viele über Jahre ihr Potential nicht ausschöpfen konnten und nicht gefördert wurden, überhaupt etwas werden konnte, grenzt demnach an ein Wunder. Wir sollten unsere „Probleme“ und „Missstände“ richtig einordnen und nicht künstlich überhöhen. Etwas mehr Demut stünde uns gut. Wir, die nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland geborenen Generationen, sind doch Glückspilze. 75 Jahre Frieden und Demokratie, sowie eine wirtschaftliche Entwicklung die ihresgleichen sucht. – Dietmar Baier

 

Zitat C. Katherina Spieß, Bildungsökonominim Deutschen Institut für WirtschaftsforschungDIW: „Mütter arbeiten produktiver, wenn sie wissen, ihr Kind wird gut betreut und gefördert. Und sie verdienen sogar nachweislich mehr, wenn das Kind eine gute Kita besucht.“ Erklärt diese Behauptung die Narrative über die Professionalisierung der frühkindlichen Entwicklung? Zur Erinnerung, Wikipedia: “Als Narrativ wird seit den 1990er Jahren eine sinnstiftende Erzählung bezeichnet, die Einfluss hat auf die Art, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Es transportiert Werte und Emotionen, ist in der Regel auf ….ein bestimmtes Kulturareal bezogen und unterliegt dem zeitlichen Wandel.“ Schau‘n wir mal, wie sich die Narrative in 30 Jahren anhören. – Peter Vollmer

 


 

 

Leserbriefe zu „Schwarzes Meer“ von Michael Thumann

 

Mein Name ist Ruben Bartke, begeisterter Zeit-Leser und nach langer Zeit des Kiosk-Kaufs nun auch Abonnent Ihrer Zeitung. Allerdings bin ich in Ihrer letzten Ausgabe vom 29. April auf Seite 8 auf den Artikel „Schwarzes Meer“ gestoßen und über eine Formulierung gestolpert, die meiner Meinung nach nicht ganz korrekt ist. Dort wird unter anderem von Nigeria und seinem Erdölvorkommen gesprochen und den Folgen, die die aktuelle Corona-Krise auf das Land und die Welt haben könnte bzw. höchstwahrscheinlich haben wird. Allerdings wird in diesem Zusammenhang auch vom „größten afrikanischen Land“ gesprochen, welches Nigeria aber, trotz höchster Bevölkerungsanzahl und Erdölförderung, bei Weitem nicht ist. Die Formulierung „größtes Land“ finde ich deshalb sehr irreführend, worauf ich Sie gern aufmerksam machen wollte. – Ruben Bartke

 

Möchte Ihren Bericht, nur für Sie, wie folgt kommentieren: 1. USA Da wird die USA endlich über die ökologische Schiene auf ihre Respektlosigkeit gegenüber der Natur, bestraft. Wie schön, das der Produzent für Schieferöl (Fracking) aufgeben musste. Diese Art des Raubbaus hätte über kurz oder lang erhebliche Schäden verursacht. So kommen sie hoffentlich zur Vernunft. 2. Saudi Arabien ist dank seiner Abhängigkeit von den USA ein unmögliches politisches Gebilde mit menschenverachtenden Einstellungen. Hier wird es hoffentlich bald gewaltige Umstrukturierungen geben. Was ist mit den eingesperrten Frauen und Journalisten? Die USA, dein Freund und Helfer! 3.IRAK hier könnten die USA ihr Unrecht mit Millionen Dollar zum Wiederaufbau beitragen. Die zerstörten menschlichen Wracks werden sie nicht wieder zum Schwenken der Flagge auffordern können. 4.Russland Russland geht das Geld nicht aus. Sie haben unschätzbare Goldwerte in ihren Depots und werden zur Not so die Reißleine ziehen. Das schwarze Gold- Öl – Das Öl wird auch in Zukunft gebraucht. Es sind viel zu viele Produkte und ölabhängige Automobile unterwegs. Die Herkules Tanker werden schon noch ihre Routen fahren und sei es nach Deutschland oder China. Bis denne, wie der Westfale im Rheinland sagt. – Gerd Hummert

 

Jedesmal ist die Lesendenschaft überrascht, mit welcher Kreativität die Redaktionen der ZEIT die vielen Seiten der größten deutschen Wochenzeitung bei gleichzeitig höchster journalistischer Qualität zu füllen vermögen. Natürlich trifft dies auch auf den jüngsten Beitrag „Schwarzes Meer“ von Autor M. Thumann zu. Er liefert Einblicke in das bisherige Wirken der Erdölwirtschaft, welches einem bisher so wohl kaum erkennbar und bewußt war. Die nun schon fast 50 Jahre alten Prognosen des „Club of Rome“ über die „Grenzen des Wachstums“ werden also zumindest in puncto Erdöl zu Makulatur. Und dieses zum Teil verursacht durch ein unsichtbares, lebloses, etwa kugelförmigesPartikelchen, genannt Coronavirus, der allerdings größten Herausforderung der Menschheit seit dem 2. Weltkrieg. Die ZEIT-Lesenden sind gespannt, wie die zuständige Redaktion und AutorInnen den Aspekt Petrowirtschaft weiterhin im Blick haben und kommunizieren wird. – Hans Anhoeck

 

Bis auf den letzten Absatz gelingt dem Autor ein exzellentes Bild zur aktuellen Ölsituation. Eingedenk, dass eine Neuorientierung der saudi-arabischen Ölpolitik ab Januar 1986 genügte, die „große“ Sowjetunion in „die Pleite“ zu bringen, muss man heute fragen: Was machen Ölländer wie USA oder Russland mit jeweils hohen Förder- und Aufbereitungskosten, wenn Saudi-Arabien für einige Jahre den Ölpreis „verdirbt“? Vor 43 Jahren hatte die UdSSR den weisen Gorbatschow, der das Elend seiner Wirtschaft verstand und kooperative Lösungen bevorzugte. Was hat heute die Welt von Trump und Putin zu erwarten, die ja beide nicht gerade von selbstkritischer Erkenntnis geprägt sind? – Prof. Emeritus Dr. Wolfgang Ströbele

 


 

 

Leserbriefe zu „Woran arbeiten Sie gerade?“ von Sibylle Berg et al.

 

Als ich beim Durchblättern der Neuen ZEIT am vergangenen langen Wochenende im FEUILLETON und auf der Seite 42 angekommen war, – da hielt ich inne.. In Grün und Grau und Schwarz und Weiß, gebrochenem Weiß das Foto unter der Überschrift. Ein Mann im Wald. Alleine. Nur Er zwischen Bäumen, nicht einsam, nicht verlassen wirkend, aufgehoben in der Natur, mit ihr verwachsen. Er sitzt am Fuße eines krummen Baumes, auf einer seiner mit Flechten und Moos bewachsenen Wurzeln, die der Baum den Waldboden entlang streckt. Schwarz die Hose, schwarz die Jacke, elegant und schlicht. Die Arme angewinkelt auf den Knien. Die Hände beieinander ruhend. Der Kopf, das Gesicht, das dem Betrachter neugierig entgegensieht zwischen weißem Hemd und beiger Kappe, – scheint alterslos. Weiß durchwachsen der graue Bart, ja. Grau die Haarbüschel, die sich unter der Kappe hervor und Über die Ohren hinaus schwingen, ja.

Ach.. Aber di e s e s Gesicht! Dieses freundliche, willkommen heißende Gesicht. Die offenen Augen. Der wache Blick. „Arbeiten mit der Ruhe der Meister im Mittelalter“ ARVO PÄRT, KOMPONIST Steht unter dem Foto. Auf Seite 43 sagt Arvo Pärt mit wenigen Worten, wie genau er das meint. „Schönheit muß auch dort geschaffen werden, wo man sie nicht sieht.“ Arvo Pärt, 84, ist Komponist Steht über und unter den wenigen erklärenden Worten auf Seite 43. Als ich das F o t o betrachtete, lange, lange, – kehrte für Momente eine Ahnung des Urlaubs zurück In Studententagen im norwegischen und finnischen Wald, die Ruhe, das Leben in und mit der Natur, das Tun und die Bewegung in vertrauensvoller Gewißheit des unerschöpflichen Reichtums der Natur.

Des Respekts auch vor ihr und des sorgsamen Umgangs mit ihr. Als ich Arvo Pärts Z e i l e n las, – dachte ich an das Malen in der Stille, verborgen vor der Welt, in späteren Jahren. Nur der Schönheit hingegeben (begleitet von Musik) , bis das Werk vollendet war und… und Verschenkt wurde. Vor 3 Tagen wurde das Europakonzert aus Berlin mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Kirill Petrenko mit den „Fratres“ von Arvo Pärt eröffnet. Ich l i e b e Arvo Pärt. Für mich ist er ein K o m p o n i s t des F r i e d e n s. Danke für dieses schöne Bild und danke für die guten Worte. – Beate Schwärzler

 

Wirklich bemerkenswert sind, finde ich, nur die Beiträge von Ulrich Tukur und Helène Grimaud: Sie ragen aus den bedeutungsschweren Befindlichkeitsberichten wohltuend heraus: Tukur beschreibt und buchstabiert es für sich individuell aus, was Grimaud bündig und allgemeingültig zusammenfasst – eine für alle erstrebenswerte Haltung! Und als krönender(!) Abschluss dann Elfriede Jelineks erfrischende Offenheit: Sie arbeite an überhaupt nichts. Gut so! – Karl Ulrich Würz

 

Hintergründig, ernsthaft, amüsant, manchmal banal – die Gedanken, denen die prominenten Künstler nachhängen, die Projekte, denen sie nachgehen in dieser Zeit räumlicher Beschränkung. Die Spannweite ihrer Werkstattberichte reicht von: „Ich träume wild und intensiv“ über „Ich bezahle Rechnungen“ bis zu „Ich arbeite an überhaupt nichts“! Geht von solchen Prominenten-Kurzgeschichten auch eine therapeutisch-kathartische Wirkung auf die Leser aus? Wie wäre es dagegen, wenn DIE ZEIT einmal weniger bedeutenden Menschen, etwa durchschnittlichen DIE ZEIT-Lesern, einen ebenso großen Raum gäbe, um über ihren Alltag unter dem Coronadiktat zu berichten – ähnlich der Leserbriefseite oder der „Was mein Leben reicher macht“-Spalte, ihre Texte allerdings weniger amputiert an Haupt und Gliedern?

Über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in häuslicher Enge, Belastendes, Bereicherndes, Deprimierendes, ihre Sorgen und Zukunftsängste wie über ihre täglichen kleinen Freuden und Lichtblicke und besonders den Galgenhumor, mit dem sie den Freiheitseinschränkungen trotzen! Hier würden sich die Leser mit ihren Autoren in den gleichen engen vier Wänden begegnen! Das hätte etwas Erleichterndes, Befreiendes; ein kurzer Osterspaziergang für alle (un)freiwilligen Stubenhocker! Darüber hinaus: Freud und Leid – zigtausendmal geteilt! – Dr. med. Ulrich Pietsch

 

Die (Geister)Fußballspiele der Zukunft stelle ich mir doch ziemlich lustig vor, wenn das Fußballspiel nach jedem Körperkontakt von Spieler angehalten wird, (ähnlich wie beim Eishockey), damit sich die Kontrahenten sofort desinfizieren können. Ich bin schon jetzt wie eine Flitzebogen gespannt, wieviele Stunden so ein Spiel dann „laufen“ dürfte. Vielleicht werde ich doch noch eine Fußballfanin? – Riggi Schwarz

 


 

 

Leserbriefe zu „»Wir haben nichts dagegen, wenn weniger gekauft wird«“. Gespräch mit Alexander Birken geführt von Simon Kerbusk

 

Konsumverzicht zur Klimarettung? In seligen Vor-Corona-Zeiten war Konsumverzicht durchaus eine Option zur Rettung des Klimas. Jetzt müssen wir sehen, dass unser gesamtes System fast kollabiert, wenn wir dies nur für sechs Wochen – etwa einen Jahresurlaub lang – ernsthaft praktizieren. Mit der einzigen Konsequenz, dass wir alles daran setzen, dieses System so schnell wie möglich wieder hochzufahren. – Christian Schneider

 

Danke für das Gespräch mit Alexander Birken. Es gibt ein neues Ziel der Wirtschaft ! Eilmeldung für das Lösen vieler Probleme ! Zielinformation für vor dem 8. Mai, 75 Jahre Frieden. Diese Gedanken können den Frieden unterstützen. Die Krise mit Corona ist kein Krieg, aber der Geld- ,Werte- und Arbeitskreislauf ist gestört. Wir können fast alles produzieren, außer Menschlichkeit ! Es gibt einen Mittelweg der in der Datei: Akzeptanz erklärt wird. These: Paradies heißt: Was mein ist, ist auch unser. Antithese: Kommunismus ist: Was Dein ist, ist auch mein. Sinnthese: Frieden ist ein optimiertes Zusammenleben. Alle Religionen sind auf Frieden ausgerichtet. Wir können kein Paradies erreichen, aber unseren Frieden von Deutschland und Europa weitertragen. Das ist eine Menschheitsaufgabe, die mit einem Friedensfest in Deutschland angestoßen wird !! mit friedlicher Akzeptanz – Josef Francken

 

Wenn der (deutsche) Mensch etwas tut, dann tut er es sehr gründlich! Wir sammeln unsere Hinterlassenschaften in der blauen, der gelben, der grünen, der schwarzen, der braunen und sogar in der roten Tonne, denn wir sind zwar keine Müllvermeider, wir sind leidenschaftliche Müllsammler. Jetzt in diesen Zeiten des Coronavirus, da hinterlassen wir noch mehr Müll als sonst, mit all diesen (Einweg)Masken und Einweghandschuhen, mit der Schutzbekleidung und dem sonstigen „Hygiene-Schrott“, der so anfällt. Wir Deutsche sind die größten Müllsammler auf dem Globus, und wir ergänzen gerade unsere Müllsammelleidenschaft um ein Vielfaches. Wir feiern trotz dieser widrigen Umständ, eben gerne sehr fröhliche Urständ! – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbriefe zu „Schon wieder weg“ von Ann-Kathrin Nezik

 

Wie heißt es so schön: „Eher wird eine Frau Papst in Rom als Vorstandsvorsitzende in einem DAX- Konzern.“ Übrigens : im Mittelalter soll es einmal eine Päpstin gegeben haben. – Dr. Peter Dodel

 

Ich finde es richtig, über das Ausscheiden von Frau Morgan zu berichten und die Hintergründe darauf zu prüfen, ob ihr Geschlecht eine Rolle spielte. Falsch ist jedoch die Aussage im Untertitel, dass Frau Morgan ausgewechselt wurde. Sie ging, Christian Klein blieb allein, kein Tausch also. Dem Artikel entnehme ich dann, dass es andere Gründe für die Entlassung gab als Frau Morgans Frausein. Anstatt als klares Fazit nun die Frage im Untertitel „Weil sie eine Frau ist?“ zu beantworten, beendet die Autorin den Artikel stattdessen mit der für die Fragestellung völlig irrelevanten Information, dass Herr Klein Vater einer Tochter wurde. Was soll das? – Dr. Peter Scheibl

 

Doppelspitzen werden in Unternehmen immer wieder versucht, funktionieren aber ganz selten. Das gilt nicht nur für den Top Job, sondern auch auf den Ebenen darunter. Insofern war schon bei der Bestellung klar, das ist nur eine Übergangslösung für einen sehr überschaubaren Zeitraum. Die Entscheidung für Klein im Wesentlichen auf die Faktoren Mann und deutsche Seilschaften zu reduzieren, scheint mir eine zu verengte, zu einseitige und zu einfache Sichtweise. Natürlich spielen Netzwerke eine Rolle. Das war schon immer so. Jennifer Morgan dürfte im Aufsichtsrat ebenfalls ihre Fürsprecher gehabt haben, sonst hätte sie den Job vor einem halben Jahr nicht erhalten. In zwei kleinen Absätzen wird der wahrscheinlichste Grund für die Entscheidung für Klein angesprochen. Er möchte die Problem an der Kundenfront angehen, während Morgan sich Fragen der Kür widmen wollte. Meine Einschätzung für die Gründe: Eine Frau     – 0 % Netzwerke – 30% Strategie – 70% – Dietmar Baier

 


 

 

Leserbriefe zu „Das politische Objekt: Der 150-Euro-Computer“ von Anna Mayr

 

Was Sie als Recherche auf Ebay bezeichnen, ist gelinde gesagt ein Witz. Auf Ebay bekommen Sie für 150Eu durchaus ein ordentliches Notebook. Für ein paar Euro mehr (ab ca. 250Eu) lässt sich ein solches Gerät incl. einjähriger Garantie sogar von einem der vielen (teils gemeinnützigen) Wiederverwertern beziehen, die in vielen Städten sogar Ladengeschäfte unterhalten. Vergleiche etwa: https://www.afb-group.de/shop/shops/afb-shop-koeln https://www.itsco.de/ Ein ladenneues Tablett etwa von Samsung o.ä. bekommen Sie in jedem Elektronikgroßmarkt für um die 200Eu. 150Eu sind also durchaus eine adäquate Förderung. – Ch.Reder

 

Da ich beruflich mit „armen Kindern“ zu tun habe, kann ich versichern, dass es in Deutschland kaum Kinder gibt, „die kein Gerät besitzen, mit dem man vernünftig Texte lesen oder Videoanrufe machen kann“. Dass gerade die junge Generation sich stark auf das Smartphone konzentriert und über weniger Kompetenzen bei stationären Computern verfügt, ist ein allgemeines Phänomen. Es ist auch nicht immer eine Frage der Finanzmittel, sondern oft eine Frage der individuellen Schwerpunktsetzung innerhalb einer Familie. Dort wo vielleicht ein Tablet, ein Laptop oder ein PC mit dazugehörigem Drucker fehlen mag, leistet man sich lieber ein repräsentatives Smartphone und einen großdimensionierten Fernseher.

Der Staat versteht den 150-Euro-Zuschuss wohl als Anreiz, ein „bildungsaffines“ digitales Endgerät anzuschaffen. Das ist keine Ablenkung von den „Umständen“ der Kinder und auch kein Eingeständnis, dass die armen Kinder digital auf dem Trockenen wären, sondern eben der Versuch, den Schwerpunkt des familiären digitalen Settings zu verschieben. Es ist zu einfach, immer wieder zu beklagen, dass der Staat Lebensumstände nicht ändert, zumal wenn er Geld verschenkt. Welche europäischen Staaten sind dazu willens oder gar in der Lage? Zu den Umständen, in denen Kinder leben, gehören nicht nur sozialpolitische Strukturen, sondern Werte und Einstellungen innerhalb der Familien. Wenn sich der Fernunterricht bei bestimmten Schülern schwierig gestaltet, liegt es selten an den technischen Mitteln. – Uwe Lehmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Angriff auf die WHO“ von Christiane Grefe und Kerstin Kohlenberg

 

Mit diesem Beitrag vom 29.4.zeichnen Sie ein Zerrbild zum Entstehen der aus Wuhan resultierenden Pandemie und vermitteln gleichzeitig den falschen Eindruck, die WHO habe sich nach Erhalt der Pflichtmeldung aus Peking am 31.12.2019 korrekt verhalten.Sie hat es m.E.die jedoch versäumt, die Mitgliedstaaten ohne Verzug über diese bedrohliche Feststellung zu informieren.Das hat sie wochenlang nicht getan und so dazu beigetragen, die Verbreitung rund um den Globus zu ermöglichen.In Deutschland ist man erst durch den Webasto-Fall alarmiert worden und war bis dahin arglos!Bedauerlicherweise auch zu lange hilflos! Inzwischen wurde bekannt, dass bereits gegen Ende 2019 Infektionen dieser Art in China aufgetreten waren, wie man auch die Warnungen eines chinesischen Virologen unterdrückt hat, der später am Virus verstarb. All das kann dem ,seiner Vita nach China zugeneigten WHO Präsidenten nicht unbekannt gewesen sein, und man fragt sich, warum nach Sars-2003 nicht sofort alarmiert wurde.Stattdessen flog er nach Planspielen im Keller der WHO Wochen später nach China, um sich öffentlich beim Präsidenten Xi-Jinping für die transparente Handhabung des Problems zu bedanken.

Das erscheint dem aufgeklärten Leser als reine PR-Veranstaltung. Wie man liest, leistet China zum WHO-Budget einen Beitrag von 0,21% und geniesst offenbar Stimmrechte wie ein Mehrheitsaktionär einer AG.Da kann man die Fähigkeiten Chinesischer Politik nur mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen! Wenn die USA die WHO nun mit dem bisherigen Budget-Beitrag von 14,67% konfrontativ angegangen und weitere Zahlungen sistiert hat,erscheint das angemessen, vor allem bei der weit verbreiteten stillen Bewunderung für den Aufstieg Chinas.Dass ganz nebenbei zum 100.Jahrestag der KPC die Championship der Welt erklärtermaßen anstrebt,ist ein anderes Thema. Bei dem vorherrschenden Zeitgeist, wäre es den Autoren auch nicht verziehen worden, am Ende einen Seitenhieb auf den US-Präsidenten auszuteilen, wohl wissend, dass die USA nicht nur unser verlässlichster Partner, sondern auch eine Demokratie sind! – Heinz-W.Raderschatt

 

Im genannten Artikel fiel mir die Interpretation der verschiedenen Zahlen schwer, hier bitte ich nochmals um Erläuterung bzw. Klarstellung: Laut dem Erklärungstext der Abbildung betrug das WHO Gesamtbudget 2018/2019 5,1 Mrd. Euro, wovon auf die USA 14,67% (= 734 Mio) und China 0,21% (= 11 Mio) entfielen. Nach der Trump-Ankündigung reduzieren die USA um 400 Mio und China erhöht um 30 Mio (Text des Artikels). Demnach zahlen die USA noch 334 und China 41 Mio. Damit wäre aber für China noch nicht mal der in der Abbildung als Kreis dargestellte Pflichtbetrag von 53 Mio erreicht. Wie erklärt sich die Differenz? Die unterschiedliche Darstellung von Pflicht- und Gesamtbetrag (Diagramm vs. Text) sowie die Verwendung unterschiedlicher zeitlicher Bezüge (2018/19 vs. 2020) haben für mich das Verständnis ausßerdem erschwert. – Christoph Schürmann

 


 

 

Leserbriefe zu „Aus die Maus“ von Ingo Malcher

 

Den Weckruf von Johanna Schoener (ZEIT Nr. 18 vom 23.4.) „Im Lockdown ist eine Gruppe in Vergessenheit geraten: Die Kinder“ scheint nicht jeder verstanden zu haben. Wie ist es sonst zu erklären, dass der Westdeutsche Rundfunk die tägliche Ausstrahlung der Sendung mit der Maus wieder aus dem Programm nimmt? Dass in einigen Bundesländern die Schule wieder losgeht, kann schon deshalb nicht als Begründung herhalten, da die Kindertagesstätten alle noch geschlossen sind. Da sollte Intendant Tom Buhrow noch mal drüber nachdenken anstatt zunehmend Sendungen im RTL-Jargon zu präsentieren wie „Doc Esser“, „Der Vorkoster“ oder „Feuer & Flamme“. – Ulrich Niepenberg

 

Zu Recht wird die „Sendung mit der Maus“ gepriesen und am Ende das Ensemble des kleinen Welterklärtheaters zum Applaus vor den Vorhang geholt. Einer wurde dabei leider vergessen: Seit den Gründertagen 1971 das Gesicht des Ganzen, Armin Maiwald. Ihm einen besonderen Applaus! – Franz Ulrich Häusler

 


 

 

Leserbriefe zu „HAUSBESUCH bei Luisa Neubauer“ von Alard von Kittlitz

 

Mein Rat an Sie, bitte unbedingt auch an Greta Thunberg weitergeben: Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit Bäumepflanzen? In Auroville, Südindien, hat man eine Million Bäume auf einer staubigen brachen Fläche gepflanzt und damit das umgebende Klima um 10 Grad gesenkt. Ach ja, es gibt ja kaum noch Brachen in Mitteleuropa. Wie wäre es denn – bis es so weit ist – zum Auftakt mit Straßenrändern, europaweit. – Annemarie Siefert

 

Meiner Meinung nach hat Frau Neubauer mit ihrer Einschätzung der Gründe für den Misserfolg von Fridays for Future Unrecht. Die Parallelen zwischen der Klimakrise und der Coronakrise sind groß und dadurch erkennt man, was in der Diskussion zur Klimakrise bisher fehlt: es ist nicht der emotionale Faktor, wie Frau Neubauer meint, sondern die Bereitschaft, unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Bei Corona muss jemand aussprechen, dass die Rettung jedes Lebens eine Überforderung der Gemeinschaft sein könnte (und es geschieht bereits). So wie wir durch Corona erkennen (sollten), dass wir sterblich sind, müssen wir in viel größerem Maße Menschen in der Klimakrise sagen, dass ihr Lebensentwurf keine Zukunft hat. Es geht nicht, dass alle Kohlearbeiter*innen, Automechaniker*innen und Flugbegleiter*innen immer weiter Geld bekommen für die Zerstörung unserer Welt. Bei der Klimakatastrophe muss jemand aussprechen, dass nicht jede/r überall alles tun darf, was er/sie will.

Der Ansatz von Fridays for Future ist humanistisch, denn wir könnten auch einfach in die Klimakrise hineinrasen, ohne Rücksicht auf die Schwächeren, die auf Meeresniveau leben oder von Dürre bedroht sind. Der Humanismus darf aber nicht dazu führen, dass notwendige Maßnahmen nicht gefordert werden, die für einige zum Verlust von Arbeitsplätzen oder Wohnraum führen. Um zu überleben, müssen wir unseren Wohlstand, unseren Konsum, unseren Tourismus, unseren Flächenverbrauch, erheblich und dauerhaft einschränken. Wir können nicht mehr überall siedeln, alles konsumieren. Das ist die Wahrheit, die ausgesprochen gehört. Das kann dazu führen, dass Läden schließen müssen und Menschen ihren Job verlieren, und auch, dass Häuser oder landwirtschaftliche Betriebe in bestimmten Gebieten aufgegeben werden müssen. Es muss auch dazu führen, dass wir mit anderen Gegenden der Welt nicht mehr bedenkenlos handeln dürfen. Wir werden nicht mehr so viel Gewinn, Steuereinnahmen, Exportchancen und Wohlstand haben. (Aber wir können überleben.)

Das Konsumfasten durch Corona erzeugt nur eine romantische Illusion, aber sie kann uns zeigen, wie positiv Veränderung sein kann. Der Himmel ist schöner ohne Kondensstreifen und die Sicht klarer ohne Autostaub. Die Nähe ist genauso schön wie die Ferne. Ich bewundere in der jetzigen Krise diejenigen, die etwas Neues beginnen, kurzfristig oder auf Dauer, wer weiß? Die Wiederherstellung des Status quo ante ist ein verständlicher reflexhafter Wunsch, aber es ist erfolgversprechender, nach vorne zu schauen und Neues auszuprobieren. Ich hoffe, dass alle Menschen in der jetzigen und der viel größeren Klimakrise überleben. Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Natur, statt gegen sie zu arbeiten. Jetzt ist die Chance. Das ist die positive Seite der Veränderung unseres Lebens durch die Klimakatastrophe und wir sollten sie wahrnehmen. Es wird und darf nicht alles bleiben, wie es ist. Das fehlt den Protagonist*innen der Fridays for Future, dass sie aussprechen, was schlimm wird. Sie könnten doch, sie müssen nicht um eine Wiederwahl bangen. Mit Freundlichkeit haben sie jedenfalls nichts erreicht. Die Diskussion über die schwierigen Verluste ist überfällig! – Ilona Mennerich

 


 

 

Leserbriefe zu „Überall Viren?“ von Katharina Menne et al.

 

In dem og. Artikel wird auf eine Publikation von Arthur Simonnet und Kollegen im Fachmagazin „Obesity“ verwiesen. Demzufolge litten von 124 intensivpflichtigen Patienten knapp 50% an Adipositas (BMI größer 30) und weitererund 30% sogar an schwerer Adipositas (BMI über 35). Letzteres ist falsch, weil schwere Adipositas natürlich ein Spezialfall von Adipositas ist, und die 30% schweren Fälle also bei den 50% Adipositas Fällen mitgezählt wurden. Es handelt sich also nicht um weitere30% sondern um einen Teil der insgesamt 50%. Das ist völlig logisch, und bei etwas sorgfältigerer Lektüre des (frei zugänglichen) Artikels wird das natürlich bestätigt. – Dr. Werner Wierich

 

Viren, nichts als Viren, wir sind umzingelt von Viren! Na und, Viren gehören einfach zum Leben dazu! Da krieg´ ich dnn einfach nur die Krise, wenn ich sehe, was ein paar Menschen aus einem relativ kleinem Virus gemacht haben. Erst wurde es riesengroß aufgeblaßen, um dann festzustellen, dass dieses hausgemachte „Monster“ gänzlich über sämtliche Köpfe wächst; und ganz plötzlich wurden wir alle Opfer einer hysterischen Corona-Kampagne. Auch uns Künstler, hat es besonders hart getroffen, und bei vielen geht es jetzt einfach nur noch um die Existenz, ums nackte Überleben. Das heißt dann im Endeffekt: „Keine Ausstellung, keine Auftritt = kein Einkommen“! „Jeder Mensch ist ein Künstler“, tönte da einst Joseph Beuys, der Allrounder der Kunst, aber in diesen Corona-Zeiten, da sind wir Künstler wieder einfach nur zu „armen Schweinen“ verkommen, die nun auf Gedeih und Verderb, auf die Gunst dieser „Krisenverursacher“ angewiesen sind. Diese machen jetzt das Staatssteuersäckel auf, ganz aus Gnade vor Recht, um ein paar „Kröten locker zu machen“, sonst würde das totale künstlerische Absauf-Chaos drohen! „Wer hat uns nur diese „brotlose (Corona)Kunst(Suppe)“ eingebrockt?“ – Klaus P. Jaworek

 


 

 

Leserbriefe zur Infografik „Mehr als Obst“ von Anne Gerdes

 

Die Infografiken sind immer sehr nett und eine Art Sendung mit der Maus für Zeitleser. Mit der krummen Banane hat es sich Frau Gerdes allerdings zu einfach gemacht, weil die Frucht der Sonne entgegen wächst ist sie nämlich nicht krumm. Ja sicher die Staude wächst der Sonne entgegen aber die Frucht ist krumm weil die für das Zellstreckungswachstum zuständige Pflanzenhormone der Schwerkraft folgend nach unten transportiert werden und dadurch die Zellen an der Unterseite der Banane stärker zum Wachstum angeregt werden. So hab ich das vor mehr als 40 Jahren von Professor Franke im Grundstudium Agrarwissenschaften an der Uni Bonn gelernt. – Dr. agr. Friedrich Kerz-Möhlendick

 

Vielen Dank für jahrzehntelang klasse Arbeit, fühle mich oft zuhause, angeregt und gesättigt. Immer gerne gelesen die infografik. Bei der Banane hätte mich interessiert, wie der Vergleich bzgl. Öko und Nachhaltigkeit aussieht mit z.B. Äpfeln aus der Region / DE usw. – Johannes Linne

 


 

 

Leserbrief zu „Torten der Wahrheit“ von Katja Berlin

 

Großer Dank an die Autoren! Ich liebe diese Rubrik! Sie ist ein – wenn auch verzerrend zuspitzender – aber grad deswegen überaus wertvoller Spiegel unserer Gesellschaft! So auch diese Woche – immer ein guter Anlass, mit Fröhlichkeit ernsthaft nachzudenken! Ich wünsche sie mir als Sammlung in ein kleines booklet. Ps: „Spiegel“ – das Wort wollte ich eigentlich vermeiden in einer Zuschrift an die Zeit :-) – Udo Dietrich

 


 

 

Leserbrief zu „60 ZEILEN … LIEBE“ von Peter Dausend

 

jede Woche lese ich als allererstes die Kolumne von Peter Dausend, zur Zeit heisst sie „60 Zeilen…. Liebe“. Das Lesen verschafft mir fast jedes Mal einen lang anhaltenden Lachanfall und ich bin so begeistert, gerade in diesen so vielfach unangenehmen Zeiten, etwas so humorvoll, treffend und sprachlich so anspruchsvoll Formuliertes zu lesen. Vielen Dank und hoffentlich noch ganz lange so weiter! – Hildegard von Walther

 


 

 

Leserbrief zu „Bis hinter den Horizont“ von Urs Willmann

 

Frau Aston war nicht die erste Frau am Südpol, aber die erste die Antarktika durchquerte. Die erste Frau am Südpol war eine Norwegerin, schon in Dezember 1994, Liv Arnesen. – Einar Smedal

 


 

 

Leserbrief zu „Frieden für die Seele“ von Anna-Theresa Bachmann

 

Warum haben Sie bei dem Bericht über die Trauma-Therapie im Nordirak nicht die Kontonummer der Jiyan-Foundation angegeben, damit man deren Hilfe für die Überlebenden von Folter und Gewalt durch eine Spende unterstützen kann, oder wenigstens eine Web-Adresse, damit man erkennt, dass diese Stiftung auch eine Website auf Deutsch betreibt, und mit ihr Kontakt aufnehmen kann? Mir müssen Sie die Kontonummer nicht schicken: Seit ich vor 15 Jahren das Mahnmal für die Giftgasopfer in Halabdscha besuchte, spende ich das Geld, das ich als Freidenker bei der Kirchensteuer spare oder bei Familienfeiern bei meinen Gästen einsammle, für Folteropfer sowie die vom IS geschändeten jesidischen Frauen und Mädchen. Bitte holen Sie das Versäumnis nach und drucken in der nächsten ZEIT die Kontaktdaten ab. – Michael Rux

 


 

 

Leserbrief zu „»Nächstenliebe können wir uns immer leisten«“. Gespräch mit Michael Kaib geführt von Evelyn Finger

 

Ich habe sehr gelacht: Ein Massenmörder setzt auf soziale Verantwortung. – Iman Schwäbe

 


 

 

Leserbrief zu „Celan verstehen“ von Maxim Biller

 

Maxim Biller setzt für die Motive verschiedener Menschen jüdischer Abstammung zu ihrem jeweiligen Suizid ein und dieselbe Ursache voraus. Müsste aber nicht jedes einzelne erlittene Schicksal gerade wegen seiner evidenten Bezogenheit auf das grauenerregende NS-Terrorregime als ein individuelles, sehr persönliches gewürdigt werden? Wäre es Joseph Wulf, Philipp Auerbach, Peter Szondi, Fritz Bauer wirklich recht, in einem Atemzug genannt, aufgelistet zu werden? Gegen eine solche Anmaßung wage ich Zweifel anzumelden. Doch nicht genug mit dieser m. E. extrem kühlen Aufzählung – auch den Nachfahren der Täter spricht Biller, ebenso unterschwellig wie prinzipiell, erkennbare subjektive Unterscheidungsmerkmale im Verhältnis zu den Opfern / den Nachfahren der Opfer ab.

Das Herkommen also, ich mag es kaum denken, entscheidet in der bitteren Konsequenz über die Position des einzelnen in der Gesellschaft – und das im Leben wie im Tod. Für mich ist das eine Vorstellung des Horrors, bei allem Respekt: es ist in meinen Augen ungeschminkter Rassismus. Wenn das menschliche Leben, wenn seine Schuld, Tragik, ‚Hingeborenheit‘ dermaßen einfach und in Schubladen einzuordnen sind, könnte Biller – es hört sich polemisch an, ist aber überhaupt nicht polemisch gemeint – getrost seine Grübelei „Über den Linden“ beenden – er weiß ja, während er vorgibt, Celan nicht zu verstehen, offenbar sehr genau Bescheid über Schicksale, Abgründe, über das Wesen der Pathologie, gewiss dann auch über den großen Lyriker. – Dr. Andreas Schäfer

 


 

 

Leserbriefe zu „Es ist erlaubt, das Leben zu genießen“ von Christoph Amend im ZEIT Magazin

 

Vielen Dank für diese wunderschöne Reportage. Bitte, leiten Sie doch unbedingt das Folgende an Paul McCartney weiter: Texte, wie z.B. der von Eleanor Rigby kamen eindeutig und nur von Maharishi. Glauben Sie es mir ruhig. Ich habe elf Jahre lang in einem indischen Ashram gelebt (nicht bei Maharishi). Ich WEISS DAS! – Annemarie Siefert

 

Ich schrieb heute schon einmal, möchte aber nach Rückenstärkung von gesellschaftlich meinesgleichen, einmal mehr Unverständnis über ein ZEIT-MAGAZIN , diesmal Nr.19 vom 29.4.2020 ausdrücken. Ich denke bei Ihren Bewunderern immer wieder an „Des Kaisers neue Kleider“ . Diesmal verstehe ich (!) das Bild (*) auf der Umschlagseite nicht, erzeugt nicht nur bei mir Ekel u. Würgereiz. Ebenso das auf Seite 23, an eklige, blutige Masse erinnernde auf dem Löffel vor der eingequetschten verängstigten Maus. Das (*) soll wohl Paul McCartney sein, wie er sich die Zähne putzt und so etwas wie intime Nähe zum Künstler ausdrücken. Ich brauche das nicht und finde es total abwegig – und ein bisschen Corona-dumm. Das MAGAZIN ist trotz des/der (?) Preises, den/die Sie früher mal dafür bekamen m.E. (!) , seltsam und mit Gewalt auf „modern“ gemacht, einschließlich „Martenstein“ sowie „Fast überhöht“ auf Seite 2 von Nadine Redlich mir (!) schwer bis gar nicht zugänglich. Wir raten gerne, oft erfolgreich recherchierend „Die Lebensgeschichte“ und amüsieren uns über die Banalitäten eines Herrn Schmidbauer. „Der Rest ist Schweigen“ und Papierkorb. – Claus Richter-Haffelder

 

Der Artikel ist erfrischend und liest sich – toll illustriert von den privaten Fotos – sehr gut. An einer Stelle scheint der Autor sich jedoch zu irren, wenn er schreibt: „Die ‚anderen beiden‘ [1960 in Hamburg] – das sind natürlich John Lennon und Ringo Starr.“ Waren sie es wirklich? Sind nicht 1960 John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Stuart Sutcliffe und Pete Best nach Hamburg gegangen? Spätestens ab Anfang 1961 waren sie dann nur noch zu viert: John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Pete Best. Es gab Ede 1960 zwar eine gemeinsame Aufnahme mit der Band Rory Storm & the Hurricanes, zu der der Schlagzeuger Ringo Starr gehörte, lezterer gehörte aber 1960 und 1961 definitiv noch nicht zu den Beatles, sondern ersetzte erst Mitte 1962 Pete Best als Schlagzeuger der Gruppe. Er kann nur bei den letzten beiden Gastspielen im Starclub dabei gewesen sein, also erst im November und Dezember 1962. 1960 kann er also nicht mit „den anderen beiden“ gemeint sein. Da 1960 Sutcliffe und Best mit nach Hamburg kamen, hätte es wohl hießen müssen: „Die anderen drei.“… – Dr. Georg Biegholdt

 

ich habe mir wegen des Interviews mit Paul McCartney die Zeit gekauft. Das Gespräch war vor über 6 Wochen… Geschenkt! Aber wenn ich lesen muss, dass Paul McCartney und George Harrison den anderen beiden in Hamburg 1960 beim Verständigen helfen mussten, und die anderen beiden NATÜRLICH John Lennon und Ringo Starr waren, kann ich echt nur den Kopf schütteln. Liebes Zeit-Magazin! Wenn Sie irgendwann nochmal jemandem mit der Ehre betrauen, einen Beatle zu interviewen, darf das bitte bitte ich sein? Ich bin zwar nur eine 47jährige Lehrerin vom Land (Fach nicht Musik), bin nur hobbyhalber an Musik interessiert, aber da es zum Standardwissen gehört, dass die Beatles damals in Hamburg noch einen anderen Drummer hatten, und ich spielend über dieses Wissen verfüge, bin ich kompetent genug… Ich brauche auch keinen Übersetzer… ;-) – Alexandra Lang

 

Keine Frage, ich beneide Sie um den Interviewtermin bei und mit Paul McCartney. Umso weniger kann ich Ihnen den bösen Schnitzer verzeihen, den Sie am Ende des 3. Kapitels eingebaut haben, indem Sie Paul MC’s Satz vervollständigen wollen: „Die ‚anderen beiden‘ – das sind natürlich John Lennon und Ringo Starr.“ Ringo Starr war damals noch nicht dabei. Der kam erst 1962 dazu. Dann aber traten die Beatles nicht mehr im „Indra“ auf St. Paulis Großer Freiheit auf. John Lennon, Paul McCartney, George Harrison treten am 17. August 1960 im Nachtclub „Indra“ (Große Freiheit, St. Pauli, Hamburg) erstmalig als Beatles auf. Sie stehen damals zu fünft auf der Bühne: Stuart Sutcliffe mit E-Bass und Schlagzeuger Pete Best spielten mit John, Paul und George am 3. Oktober 1960 zum letzten Mal im „Indra“.

1962 formierten sich die Beatles mit Ringo Starr zu den Fab Four. Yaeh, yeah, yeah. Warum spricht Paul McCartney von den „anderen beiden“, wenn sie doch zu fünft waren? Weil Sutcliffe zum festen Ensemble der Silver Beetles (kurzzeitig auch Silver Beatles) gehörte, die mit verschiedenen Schlagzeugern auftraten. Paul McCartney hat also offenbar die „Kerngruppe“ im Blick, als er seinen Satz wie zitiert formulierte. Mit dem 1. Auftritt Hamburg gab es den neuen Bandnamen und Best als 5. Beatle kam dazu. Pete Best hatte übrigens im Juni 1961 noch einen weiteren Hamburg-Auftritt mit den Beatles – in der Friedrich-Ebert-Halle. – Inis Schönfelder

 


 

 

Leserbriefe zu „Über unterirdische Reptilienwesen und andere Verschwörungstheorien“ von Harald Martenstein im ZEIT Magazin

 

„Alter“ Nörgler und Sarkast; Ihr Artikel über „… unterirdische Reptilienwesen …“ war wieder einmal Spitzensarkasmus. Aber David Icke hat recht. Der Beweis findet sich im ZEITMAGAZIN Nr. 19, Seite 19! – Edwin F. Schreyer

 

Harald Martenstein schrieb in seinem Artikel über eine NDR Sendung des Historikers Heiner Weber zu Molotow und seiner Frau Polina. Das fand ich interessant! Stammen die beiden letzten Sätze auch von Heiner Weber oder vom Redakteur des Tagesspiegels? „Heute ist es fast ein Tabubruch, linksradikal und rechtsradikal gleichzusetzen,“ steht da als vorletzter Satz. Das ist nach meiner Auffassung auch nicht gleichzusetzen, fast schon verharmlosend angesichts der sogar zunehmenden rechtsradikal motivierten Verbrechen. Die historisch belegten Tatsachen der faschistischen und kommunistischen Verbrechen lassen eine simple Übertragung in ein Szenario der Bedrohung von „rechts wie links“ in das Hier und Jetzt nicht zu. Es sind derzeit Menschen in rechtsradikalen Netzwerken die Morde und andere Kapitalverbrechen begehen. Nicht die Linksradikalen rotten sich zusammen und ziehen mordend und prügelnd durch das Land. Übrigens fahren, leben, radeln und gehen viele Menschen auch über den Hindenburgdamm in Berlin, was vielleicht auch entspannend wirken kann, wenn Bars sich geschichtsvergessen den Namen „Molotow“ verleihen. – Michael Thoma

 


 

 

Leserbriefe zu „UM DIE ECKE GEDACHT NR. 2535“ von Eckstein im ZEIT Magazin

 

Die Kreuzworträtsel der ZEIT sind schon immer eine spezielle Herausforderung. Meine Frau und ich haben es diesmal wieder gewagt und uns an die Lösung gemacht. Und stellen Sie sich vor, wir haben tatsächlich alle Begriffe gefunden, sozusagen durchgängig erfolgreich um die Ecke gedacht. Der Anfang war ja noch ganz gut machbar, etwa das schwarze Gold der Süßwarenhändler, „das Ferngespräch ohne Draht, ganz nach oben“, oder auch „je mehr Gott, je mehr …“ . Auch „das, was mit dem Druck einhergehen mag, der beim Erfolg Zwang heißt“, haben wir recht schnell begrifflich erfasst. Schwieriger war da schon „der stärkere Leitfaden für Kreislaufübungen“. Wir haben das ZEITMAGAZIN immer wieder mal weggelegt und wieder neu aufgenommen, um weiter scharf um die Ecke zu denken. Der entscheidende Durchbruch gelang uns dann mit der „Grundlage für reifliche Überlegungen“. Wie gesagt, wir haben jetzt alle Begriffe gefunden und müssen uns schon allein deshalb die nächste ZEIT kaufen, um in der Bestätigung unseres Erfolges die Bescheinigung unserer Fähigkeit zu erhalten, um die Ecke zu denken. Vielen Dank für diese anregende und intelligente Unterhaltung. – Anna und Matthias Erich

 

Ich google oftmals die Zitate, um schnell ohne Hirnanstrengung ein paar sichere Buchstaben im Rätsel zu haben; heute, in Nr. 3535 gab ich für 8 s ein: „chesterfield verficht eine … nie mit Hitze und Lärm …“ und erhielt keinen Treffer; nun finde ich das „verficht“ unangenehm und gab „verfechte“ ein und schwupps, bewarf mich Google mit vielen Treffern! Meine profigermanistische Schwester klärte mich auf, schlug noch mal im jüngsten Duden (auch im Web-Duden) für mich nach und ich beglückwünschen Sie, liebe/r Eckstein zum Sieg über die doofe Google-Suche; ich aber muss mich dran gewöhnen, dass mich ein seltenes Mal mein Gefühl so trog …:'( – Gudrun von Felde

 


 

 

Leserbriefe zu „Prüfers Töchter“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

 

Mit größtem Vergnügen lesen wir jede Woche die Rubrik: „Prüfers Töchter“. Wir fühlen uns dabei sehr erinnert an unsere eigenen Töchter. Gibt es irgendwann die Möglichkeit, die gesammelten Töchtergeschichten von Herrn Prüfer in einem Band gedruckt zu erwerben? Mit Sicherheit gäbe es viele Interessenten dafür. – Gertrud und Herbert Reber

 

jede Woche amüsieren wir uns köstlich über Ihre Kolumne. Vor einigen Wochen schilderten Sie die Abneigung Ihrer jüngsten Tochter gegenüber der experimentierfreudigen Küche Ottolenghis und den Wunsch nach Pommes. Aus eigener Erfahrung (3 Kinder) können wir dies bestätigen. Nun ein Lichtblick für Ihre Jüngste: Im Focus vom 2. Mai gibt es Pommes mit Mayo à la Yotam Ottolenghi (Pommes normal, Mayo wieder „irgendwie merkwürdig“) – Johanna Rupp

 


 

 

Leserbriefzum Wochenmarkt „FRÜHLING IM TOPF“ von Elisabeth Raether im ZEIT Magazin

 

Beim durchblättern des ZEIT-Magazins stieß ich auf Ihr Kochrezept „Spargelrisotto“. Eigentlich mag ich überhaupt keinen Spargel, weil er mir zu bitter und zu faserig ist, ständig muß man zwischen den Zähnen pulen. Dazu kam, daß ich als Kind bei meinen Eltern immer Spargel essen mußte, was ihn mir vergällte. Das bleibt ein Leben lang. (ähnlich wie bei Spinat und Lauch) Aber beim anlesen Ihres Rezepts sah ich sofort, daß es ja mit Grünem Spargel gemacht wird, und der hat ja ganz andere Eigenschaften, vor allem muß er nicht geschält werden. Trotzdem lang her, daß ich ihn mal versucht hab. Entscheidung: das probier ich sofort aus! Hab mir also gleich am nächsten Tag eine Portion geholt (nicht gerade billig: 8 € für 500 Gramm). Bei Ihrem Rezept bin ich aber über einige Details gestolpert, zB. die Verwendung von Safran.

Hab ich nicht im Kräuterregal, schwer aufzutreiben und teuer, kenne ich nicht. Und warum wird die Zwiebel nicht gehackt, sondern nur in 2 Hälften zerteilt? Für mich ganz ungewohnt. Ich habe deshalb ein wenig in meinen Kochbüchern geblättert und bin sofort auf ein sehr ähnliches Rezept gestoßen, ein Spargelrisotto auch mit grünem Spargel. (Übrigens aus einem vegetarischen Kochbuch vom „Tierschutzverlag“, Titel „Genießen mit reinem Gewissen“. Das nur nebenbei.) Sehr ähnlich dem ihren Rezept, aber eben ohne Safran, dafür mit Zwiebel-Feinhack und Muskat. Und der Spargel wird in längere Abschnitte zerteilt, 3 cm. Ich war hin- und hergerissen bei der Wahl zwischen den beiden Rezepten und hab dann eine Münze geworfen, die hat für das Raether-Rezept entschieden. Im Laufe der Zubereitung gab es dann doch eine Vermischung, die Zwiebel wurde gehackt, und statt Safran kam eine Prise Kurkuma hinein. Alles in allem sehr lecker ! Und danke für den Abdruck im Magazin ! – Wolfgang Knauer

 


 

 

Leserbrief zu „Ich habe einen Traum“ mit Mirai Mens im ZEIT Magazin

 

Wie schön und wunderbar ist es zu lesen, dass eine junge Teenagerin es vormacht: Wie sie für jeden so oder so oder so eintritt und dies an der richtigen Stelle bei einer Buchhandelskette. Das macht für die Zukunft ein wenig Hoffnung jenseits von Facebook, Instagram und Twitter. Lesen ist meines Erachtens die ultimative und alternativlose Art zur Erweiterung des eigenen Horizontes. Wer den kleinen Traumartikel von Mirai Mens nicht gelesen hat, der hat sehr viel verpasst. Chapeau für die junge Leserin! Es gibt unendlich viele Zitate zum Thema lesen. Hier mein Favorit: „Woher nehm ich nur all die Zeit, so viele Bücher nicht zu lesen?“ Karl Kraus. – Felix Bicker

 


 

 

Leserbriefe zu „»Die Revolution haben alle gemacht«“ Gespräch mit Klaus Wolfram von Jana Hensel in der Regionalausgabe ZEIT IM OSTEN

 

Die Revolution 1989 in der DDR hat nach meiner Meinung nicht das Neue Forum „gemacht“. Vielmehr haben die Funktionäre der Partei und des Ministeriums für Staatssicherheit in den Leitungsstrukturen der Wirtschaft mitbekommen, wie es um die Wirtschaft bestellt war. Diese Herrschaften wussten , welche Schwierigkeiten der Mangel an Material und Zulieferungen bereiteten. Deshalb verweigerte der Stab der Marine in Rostock die Bereitschaft zum Einsatz in Berlin mit dem Kommentar: Es ist nicht Aufgabe der Volksmarine einzuschreiten, wenn das Volk Schwierigkeiten mit der Partei hat. Deshalb wurde bei den Demonstrationen nicht geschossen. Deshalb hatten z. B. bereits am 26.01.1990 alle zuständigen Stellen des Machtapparates der DDR unterschreiben, dass der Technik-Komplex einer neu errichteten MfS-Kaserne ausgegliedert und privatisiert wird und ein General des MFS als Geschäftsführer eingesetzt wird. Deshalb hatte sich Schalk-Golodkowski mit seinem Vermögen nach Bayern, an den Tegernsee abgesetzt. Dem Neuen Forum und den Bürgerrechtlern elang es nicht, die Mehrheit der Bevölkerung von einem eigenständigen Weg zu überzeugen. Die Gefahr der Rettung der bisherigen Machtverhältnisse erschien der Mehrheit der Bürger zu groß. Angesichts der totalen Überwachung der Gesellschaft war das nicht anders zu erwarten. Die Menschen wollten keine Experimente, keine Versprechungen, sondern Tatsachen. Viele hatten alles zurück gelassen, um dieser Misere zu entfliehen. – Renaux

 

Wenn eine Kommunistin einen Kommunisten interviewt, kann ein Artikel wie in der ZEIT vom 29. April 2020 unter dem Titel „Die Revolution haben alle gemacht“ entstehen. Klaus Wolfram vertritt im Gespräch mit Jana Hensel die Meinung, dass die friedliche Revolution in der DDR 1989 „von allen“, also auch von SED-Mitgliedern getragen wurde. Das ist in seinem Sinne als ehemaliges SED-Mitglied durchaus konsequent, hatte er doch nie den Führungsanspruch der ostdeutschen Kommunisten bestritten. Dass die SED in ihrer vierzigjährigen Geschichte nur ein einziges Mal, nämlich 1946 in halbwegs freien Wahlen in Regierungsverantwortung gelangte, scheint bei Klaus Wolfram und Jana Hensel keine Rolle zu spielen. Das Interview blendet die Tatsache aus, dass die SED 40 lange Jahre unlegitimiert die Regierung der DDR stellte. Wahrscheinlich hätten die Gesprächspartner es lieber gesehen, wenn nach einer Art Palastrevolution ein SED-Gorbatschow die Führung an sich gerissen und eine reformierte SED weiterhin ohne Wahlen die DDR regiert hätte.

Dazu passt, dass Wolfram prominente Bürgerrechtler (u. a. Gauck, Poppe, Schulz) als „Moralisten und Karrieristen“ abqualifiziert. Deswegen will er auch nicht Bürgerrechtler genannt werden und ich frage mich jetzt, ob er mich, einen der 30 Gründungsmitglieder des Neuen Forum, der ich mich zur Zeit als Kommunalpolitiker in Zwickau mit PEGIDA und AfD herumschlage, auch als Karrieristen bezeichnen würde. – Dr. Martin Böttger

 


 

 

Leserbrief zu „Der Sklavenhalter im Paradiese“ von Thomas Melzer in der Regionalausgabe ZEIT IM OSTEN

 

Wirkt das Verbrechen des „Sklavenhalters im Paradiese“ nicht vor allem deswegen so drastisch, weil das Opfer ein Mann war? Ich wage zu behaupten, wäre das Opfer eine Frau und der Täter ihr Ehemann gewesen, würden wir von einem simplen Fall von „häuslicher Gewalt“ sprechen. Ob das dann auch für einen Artikel in der ZEIT gereicht hätte? – Prof. Dr. Claudia Reuter

 


 

 

Leserbriefe zu „Was ist das Hamburger Abi wert?“ von Oskar Piegsa in der Regionalausgabe ZEIT Hamburg

 

Sie betonen in Ihrem Artikel die „Unvergleichbarkeit“ früherer Reifeprüfungen mit dem heutigen Abitur, weil heutige Themen („Globalisierung (Fach Politik) und „Flugbahn einer Drohne“ (Fach Mathematik)) von früheren Abiturienten nicht zu bewältigen seien. Sorry, aber das ist doch trivial. Demgegenüber sagte mir eine befreundete, frisch pensionierte Gymnasial-Mathe-Lehrerin, dass die Mathe-Aufgaben von vor 15-20 Jahren von den aktuellen Schülerjahrgängen nicht mehr bewältigt werden könnten, was nicht an der Verständlichkeit der Aufgabenstellung läge. Im Jahr meines Schulabschlusses 1973 haben 15% aller Schüler das Abi gemacht, der bundesweite Schnitt lag bei 2,9. Heute melden sich über 50% eines Jahrgangs zum Abitur, über 95% bestehen es, der Schnitt liegt zwischen 2,2 und 2,6. Sind die Schüler heute schlauer und fleißiger geworden? Es bleibt der Verdacht: Wenn soviel mehr Schüler als vor 47 Jahren das Abi bestehen können, dann muss der Schnitt zwangsläufig nach oben gehen, ohne etwas über einen Anstieg der intellektuellen Leistungsfähigkeit auszusagen. – Thomas Rutt

 

Ein spannender Artikel der den Fokus auf die Wichtigkeit der Schule lenkt . Meine Idee eine Summer School für Schüler die nicht die Möglichkeit im homeoffice zu arbeiten. Warum nicht die Lücken schließen in 6 Wochen. Natürlich kann man nicht Alles nachholen. Aber es wäre ein Ansatz. Kleine Teams mit Schülern die einander helfen , Lehrer … vielleicht auch einfach Erwachsene oder ältere Schüler die sich engagieren möchten. – Dagmar Gumpert