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27. März 2024 – Ausgabe Nr. 14

Leserbriefe zum Titelthema „Kann der Mensch sich ändern?“ „Ich, nur besser“ von Autor Johanna Haberer und Sabine Rückert

In dem Leitartikel Ihrer aktuellen Ausgabe ist mir ein bestimmter Teil sehr sauer aufgestoßen. Die Autoren ziehen als ein Beispiel den Film „ziemlich beste Freunde“ heran. Sie schildern im Folgenden, dass ein eingeschränkter Milliardär von einem – und hier liegt mein Problem – Zitat: „schwarzen“ Mann aus ärmlichen Verhältnissen gepflegt wird. Die Hautfarbe des Milliardärs bleibt unerwähnt. Das ist meiner Meinung nach, nett gesagt, subtiler Rassismus. Warum muss die Hautfarbe in diesem Kontext überhaupt erwähnt werden? Was für eine Ironie, diesen Fauxpas unter so einem Titel zu begehen.
Maike-Mara Köster

Was hier als Frage formuliert ist, ist doch eine Selbstverständlichkeit: In uns Menschen wirkt ein teleologisches Momentum. Eine anthropologische Konstante: Jeder Mensch entwickelt sich auf einem sehr langen Wege von Individuation und Sozialisation zu einer eigenständigen Person. Und die Spannung zwischen Welt und Mensch bleibt ein Leben lang erhalten. In Abwandlung des Satzes „Man kann nicht nicht kommunizieren“ (Paul Watzlawick) gilt: Man kann sich nicht nicht ändern. Du musst dein Leben ändern, sagt Rilke. Das Werden übersteigt das Sein, immer wieder. Diktaturen haben auf Dauer keine Chance gegen diese menschliche Macht. Die Menschheitsgeschichte ist eine Geschichte von Veränderungen. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wir alle sind geburtlich. Auch das ist eine Idee der Auferstehung.
Reinhard Koine

Wunderbar, dass Sie sich solch einem vielschichtigen und bedeutenden Thema nähern. Insbesondere der erste Teil Ihres Artikels hat mir Freude beim Lesen gemacht. Natürlich – ich gehe davon aus, hierin stimmen Sie mir zu – ist er Ausdruck Ihrer Sichtweise, Person, Kultur, Stimmung, Informationslage … Gegebenheiten, die sich schwer ändern lassen! Somit sind es nicht in einem eigentlichen Sinn freie Gedanken – was auch immer frei an dieser Stelle oder grundsätzlich bedeuten mag -, die Sie äußern, sondern an Umstände und Sie selbst gebundene. Wir können von eigenen Gedanken sprechen! Ebenso erscheint es mir mit dem Willen. Der Mensch besitzt einen eigenen Willen. Diesen frei zu nennen, führt meist zu Widersprüchen und Missverständnissen. Denn was kann mit „frei“ gemeint sein, wenn das Wollen in seinem Ursprung dem Menschen meist wenig bewusst ist und es ihm an Erfahrungen, Wissen, Informationen – speziell bezüglich der Konsequenzen seines Wollens – fehlt. Blickt der Mensch zurück, dann war er nicht „frei“ in seiner Handlung. Darüber wusste die griechische Tragödie und sie bringt noch einen weiteren Aspekt ins Spiel, den der Mensch unserer heutigen Kultur vollkommen aus seinem Bewusstsein getilgt hat (ja abwehrt – wohl auch, da es seiner Vorstellung von Beherrschung der Welt entgegensteht), weil er derart ausschließlich mit der Ausbildung seiner Individualität beschäftigt ist. Neben dem eigenen existiert noch ein übergeordneter Wille der Schöpfung, des Weltgeistes, der Götter, des einen Gottes … sagt die Tragödie. Und aus dem Einfluss dieses Willens und der Bestimmung dadurch sucht sich der Mensch in hartem Kampf und voller Irrtümer „frei“ zu machen – erwirbt in diesem Sinne einen freien (also von dem Höheren getrennten) Willen. Das führt in das Zeitalter des Anthropozäns.
Diese Sichtweise der Abhängigkeit des Wollens und Handelns stößt gerne auf Widerstand, weil damit die Frage der Verantwortung so unlösbar erscheint. Wie heißt es im Alten Testament: „Gott verhärtete das Herz des Pharao“. Aber existiert solch ein Widerspruch tatsächlich? Der eigene Wille entspringt der Person. Dem, das dieser Mensch zurzeit seines Wollens (mit all den Einflüssen auf ihn) ist. Damit ist das eigene Wollen seine Verantwortung, denn er ist dieses Wesen, unabhängig davon, ob er es sein möchte. Wer wäre nicht gerne ein anderer? – das ist der Aufhänger Ihres Artikels! Doch wer, wenn der Mensch nicht selbst, trägt als Prämisse seines Lebensweges (der Menschheitsentwicklung) die Verantwortung für sich? Dies gilt auch bei gegebener Einbettung in die Bestimmung der Schöpfung. Der Mensch lernt darüber zu verstehen und entwickelt sein Bewusstsein. Das mag schwer zu akzeptieren sein und ist doch die Voraussetzung für ein individuelles Menschsein (nach dem Fall aus dem Paradies). Es bedeutet zugleich mit Verständnis und Nachsicht auf sich und die Menschen zu schauen – mit Liebe. So wäre es gut auszuhalten. Bewegung hin zum höheren Willen, auch das haben Sie thematisiert, hierin mag ein Schlüssel liegen, für einen Lebensweg voller Sinn (dein Wille geschehe). Aus der Individualisierung – diesem Menschheitsweg der Bewusstseinsentwicklung – zurück zur bewussten Annahme der Bestimmung durch die Schöpfung, den Weltgeist, Gott, die Götter … Dies als Mensch, der dadurch, dass er sich zunächst trennte (das Paradies verlassen hat oder weil die Welt sich Himmel und Erde voneinander absonderten) – nun seiner selbst und seines Willens bewusster – freier seinen Weg geht. Vielleicht durch seinen eigenen Willen, begründet aus der durch Erfahrungen geboren Einsicht (Bewusstsein), jetzt tatsächlich frei entscheidet, weil er mit dem Höheren verbunden ist.
Michael W. Geisler

Die psychologisch-philosophischen Spekulationen der beiden Pfarrerstöchter Haberer und Rückert erinnern an den Rationalismus des vorletzten Jahrhunderts. Bei ihren Überlegungen zum freien Willen blenden sie das große geistesgeschichtliche Ringen zwischen Erasmus und Luther über dieses Thema merkwürdigerweise völlig aus. Wer von „angeblicher Auferstehung“ und „sogenannten Gotteserlebnissen“ in der Bibel spricht und die Rede von Gott im Übrigen krampfhaft vermeidet, sollte erwägen, ob eine Bezugnahme auf die Bibel und den christlichen Glauben überhaupt noch nötig ist. Wer den Menschen letztlich nur auf sich selbst zurückverweist („So wie der Mensch sich selbst denkt, so kann er auch werden.“), darf sich nicht wundern, wenn die christlichen Kirchen angesichts solch eines – meines Erachtens wenig tröstlichen – säkularen Humanismus massenhaft Mitglieder verlieren.
Thomas Martin Schneider

Enttäuschend, dass in diesem Artikel an die „Kraft zur Umkehr“ nur spektakuläre Wandlungsgeschichten von Männern als Beispiele vorkamen! Religion, Literatur, Politik, Film, Kriminalistik – alles „umgekehrte Männer“! Außer im Märchen „Schneewittchen, Dornröschen (vom Prinzen wachgeküsst!?!) und Aschenputtel – keine Erwähnung einer weiblichen Geschichte. Eigentlich hätte das Titelthema heißen müssen: „Kann der Mann sich ändern?“
Maria Damm-Klein

Der Trugschluss dieser Überlegungen, den die Autoren mit vielen anderen teilen, findet sich in 5 beiläufigen Worten. „Dass der Mensch sich – UND DAMIT DIE GANZE WELT – […] ändern kann …“ Aus dem Potential des einzelnen, sich zum „Guten“ hin zu wandeln, wird die Fähigkeit der gesamten Menschheit, sich quasi en bloc zu bessern, sich im Ganzen auf ein neues, „menschlicheres“ Niveau zu erheben, wie selbstverständlich abgeleitet. Doch in dieser Hoffnung liegt zugleich eine unheilvolle Weigerung, „den Menschen“, den es im idealtypischen Sinne natürlich nicht wirklich gibt, der sich aber statistisch und historisch beschreiben lässt, so zu nehmen, wie er ist. Den Menschen so zu nehmen, wie er ist, ist keinesfalls zynisch, kalt oder hoffnungslos. Es ist vielmehr ein durchaus menschenfreundlicher Akt. Denn es erlaubt die Erstellung sinnvoller Regeln, die das Allgemein- und das Individualwohl verbessern. Die Durchsetzung dieser Regeln fördert Vertrauen und Koooeration. In der Erstellung dieser Regeln, und nicht etwa im grundsätzlichen Wandel des menschlichen Wesens, liegt der bisherige Fortschritt menschlicher Kulturen ganz wesentlich begründet. Wer in der Hoffnung auf den künftig noch besseren Menschen die Weiterentwicklung eines solchen Regelwerks vernachlässigt, dem droht am Ende eine große Enttäuschung. Ein paar große Feldexperimente sind in dieser Frage am Laufen – z.B. Klimawandel, Artensterben und Weltfrieden. Man darf gespannt sein, wer hier mehr erreicht: der bessere Mensch oder die bessere Regel?
Christian Voll

Menschen und natürlich auch Tiere überleben jedes Ungemach, Leid und Erniedrigung – es sei denn, sie verhungern, sterben an schweren körperlichen Verletzungen oder werden gar umgebracht. „Seelische Schäden“, dass große Hypethema, existieren nicht – es ist halt das Leben das eben so ist. Mal ganz schlimm, mal weniger und ganz selten, und wenn nur kurze Zeit, ohne Leid etc. – Und noch am Grabe baut der Mensch die Hoffnung auf. – Keine gute Werbung für die Seelenindustrie und ihre Protagonisten. Die mit zig x zig Milliarden von der Verdummung der einfältigen Masse der Menschen lebt. Medien gehören ebenfalls dazu.
Norbert Daiß

Seit Jahren schon nehmen sich die beiden Pfarrerstöchter Johanna Haberer und Sabine Rückert ohne Denkverbote und ohne Missionsabsicht biblische Themen vor. Ihr großangelegtes und blitzgescheites Projekt verdient Respekt. In ihrem Artikel zu Ostern aber haben sie leider das Thema verfehlt. Von der in ihren Augen „angeblichen“ Auferstehung Jesu bleibt nur noch die Idee der Umkehr und der Satz: „So wie der Mensch sich selbst denkt, so kann er auch werden. „Im Zeugnis der Bibel ist aber die Auferstehung – besser: Auferweckung – keine dem Menschen gegebene Möglichkeit, sondern Wirken Gottes, der „das nicht Seiende ruft, dass es sei.“ (Röm. 4,17) Dass Gott Leben schafft aus dem Tod, dass er den gekreuzigten Jesus von Nazareth auferweckt hat und dass wir Anteil haben dürfen an diesem neuen Leben – das bleibt letzte und tiefste Geheimnis des christlichen Glaubens. Ein Geheimnis, das wir entweder als Fundament unseres Glaubens anerkennen können oder aber als unmögliche Möglichkeit verwerfen und ablehnen. Beweise gibt es da nicht und erst recht keinen Zwang. Aber es gibt Spuren, Osterspuren. Und es gibt Osteraugen, die das Staunen nicht verlernt haben. An Wunder der Auferstehung aber hängt der christliche Glaube. An ihm hängt die Lebendigkeit und die Existenzberechtigung der Kirche. Entweder diese Wahrheit trägt uns in „allerneuernder Klarheit“ – oder die Kirche verkommt in besserwisserischer Moralpredigt oder in kunterbunten Belanglosigkeiten.
Ulrich Wildermuth

Ein grundsätzlich interessanter Text. Und doch fragt man sich, ob Sie selbst über das, was Sie schreiben, auch hinreichend nachdenken oder ob Sie es nur unreflektiert niederschreiben. Sie und ich sind westlich geprägt, das erklärt sicher unsere Sichtweise. Gegen Ende des Artikels führen Sie Amartya Sen ein, der der Auffassung ist, dass westliche Normen und Ideale anderen Kulturen nicht übergestülpt werden dürfen, denn die Definition von „gut“ könne eben, abhängig von Region und Kultur, unterschiedlich sein. Ich würde sogar soweit gehen, dass selbst innerhalb einer Kultur Differenzen in der klaren Definition bestehen. Nimmt man den Gedanken von Sen auf und führt ihn weiter, heißt das (und das wäre ja der Kern der Demokratie), dass wir stets aushandeln müssen, was wir wie genau definieren. Sie nehmen diesen Gedanken nicht ansatzweise auf. Denn gleich in Ihrem übernächsten Absatz definieren Sie wieder rein westlich, was gut ist: „junge Leute kämpfen weltweit für eine ökologische Umkehr“. Widerstände dagegen, die es ja gibt, werden damit per se als böse definiert. „Eine Pandemie wurde besiegt“ ist gut (sicher), aber unter welchen Bedingungen und Einschränkungen von Menschenrechten. Mitmachen ist gut, sich dagegen wehren und für seine Freiheit einstehen, ist schlecht. Sie erklären das im nächsten Satz zugleich als Fortschritt und definieren damit gleichzeitig das Gegenteil. Würden Sie Sen in seiner Aussage wenigstens ansatzweise folgen, wären Ihre Aussagen an dieser Stelle ein wenig differenzierter. Das würde man auch von gutem Journalismus erwarten.
O. Hauschke

„Charakter ist geformter Wille“ (Novalis) Und „Dein Charakter ist nicht angeboren, du hast ihn geformt“ (A.Fedrigotti) Nawalny hat bestimmt nicht seine Persönlichkeit verändert, sondern seine Meinung, seinen Standpunkt vielleicht. Diese Persönlichkeit hat einen starken Charakter gebildet was wiederum für Selbstbewusstsein Und Entschlossenheit steht. So ein starker Charakter nimmt eben auch das Risiko des Sterbens auf sich. Ansonsten können auch wir gewöhnlichen Menschen jederzeit und freien Willens unser Verhalten, bestimmte Ansichten und Ideologien ändern und dabei die Persönlichkeit bleiben, die wir sind. Und nicht zuletzt Aristoteles „Erkenne Dich selbst“ ist dafür ein erstrebenswertes, nicht zu hohes Ideal, um der Gesellschaft als auch höheren Zielen zu dienen.
Joanna Hegemann

Herzlichen Dank für ihre frohe Osterbotschaft im Dossier der Zeit!  Der Glaube kann Berge versetzen und so will ich auch glauben, dass im Menschen viel Gutes steckt und wir uns diesem Sinne entwickeln.
Stefanie Seum

(Zuvor ungefiltert in dieser notwendig enthemmt beschriebenen RvM-Besichtigung – eingeblendet dennoch dargeboten: Cum grano salis!). Aber so scheints mitunter irdisch sein zu können mit all den Zielen zu der Wunschliste auf der Bühne des Lebens der nahe 8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten – wenn zwei (religiöse) Schwestern redaktionellen Bericht zur beratenden Lebensbalance erstatten mögen: „Bin ich der, der ich sein sollte? Wohin soll mein Weg mich führen?“ Und wieso ist der Mensch eigentlich ein Ich ohne Dich und mich – im persönlichen Selbstzweifel vielleicht nur eine Illusion an Verwandlungscamouflagen und inneren sowie äußeren Kostümierungen. Was sind denn letztlich so genannte individuelle Persönlichkeiten – doch auch nur Manipulationen mit etwas mehr Antrieb aus der Masse der namenlosen Menschen heraus… Das Titelthema von DIE ZEIT Nr. 14: „Kann der Mensch sich ändern“ – und darin eingefügt die textlichen Einverfügungen: „Ich, nur besser“ und („Wie wandlungsfähig bin ich?“ – von Nadine Ahr) – scheint dem RvM-Leserbriefschreiber hierzu ein doch zu sehr dahinwogendes Potpourri, also eine kunterbunte Mischung an klischeehaften Seins-Versuchungen, Philosophie-Einsprengseln, Metaphysik-Pudding, Menschenkundebalsam, Religionserleuchtungszauber und zudem politische Verbiegungen darstellen zu wollen, und man nehme hierzu hineingetunkte Bekanntheiten: die vermeintlich sich erhaben empfinden: Beratungen und Anratungen (und Ver/Ratzuteilungen) den Sein-Suchenden mitzuteilen… Johanna Haberer und Sabine Rückert hierbei in schwesterlicher Eintracht hierzu als aufschreibende Moderatorinnen dies darzulegen und dann erleuchteter (?) öffentlich zu erkennen zu geben: „So wie der Mensch sich selbst denkt, so kann er auch werden. Was er für möglich hält, wird eintreten. Sein Wille ist frei, weil er ihn sich frei denkt. Auch das ist eine Vorstellung von Ostern, eine Idee der Auferstehung. Wir tun also gut daran, gut von uns selbst zu denken.“
Ich will aber weder an den Osterhasen noch an irgendeine Gott-Götter-menschverordnete Religion glauben müssen – das ist doch die Grundvoraussetzung der Freiheit des individuellen Menschen: sich von der jeweiligen (unglaubwürdigen) Religion zu distanzieren, im Sinne seines freien Geistes zur freiwilligen Erkennbarkeit dieser religiösen (Aber-)Glaubens-Phänomene – und dass über die nächste nahe oder fernere Grenze hinweg schon wieder ganz anders geglaubt wird in der dortigen Festlegung: dass dies der einzig wahre Glaube sei und zu sein habe… Da wollen wir doch ganz schnell weit zurückdenken, und uns im beglaubigten Köpfchen vor Augen halten: dass all die antiken Religionen und Mythologien (nehmen wir hierzu nur die europäische antike griechische und römische Götter-und-Göttinnen-Welt) mit all dem Marmor zu Bruch und Scherben in den Untergang vergangen sind – keiner der heutigen Menschen mehr an diese einstige „mythologische-religiöse Verdummung“ der Jahrtausende/Jahrhunderte (dieser damals dadurch verfangenen Lebenden) noch glauben kann… All dieser seinerzeitige religiöse Hokuspokus ist verschwunden – genauso wie den germanischen Völkern ihr Walhalla-Glauben ausgetrieben wurde, und die Bonifatius-Axt an der umgehauenen Wotan-Eiche (bei Gaesmere/Geismar?) mit ein Grund war: dass dieser germanische Humbug ebenfalls sich im unglaubhaften Mumpitz auflöste… (Das Bier/Met aber verbleibt auf ewig!). Sokrates selbst wurde wegen Asébeia/Gottlosigkeit bzw. Missachtung der Götter (und Verführung der Jugend im Jahre 399 v.u.Z.) angeklagt und zum Schierlingsgift-Tode verurteilt. Und er zu seiner Verteidigung („selbstmörderisch“) vor jenem Gericht der 501 Richter äußerte: „Solange ich atme und Kraft habe, werde ich nicht ablassen zu philosophieren und euch zu befeuern!“
Auch diese Sokrates-Vergiftung ein sinnloser Tod (da diese Götter ja gar nicht existierten) – wie in den folgenden und heutigen Gott-Götter-Religionen ebenfalls! Und all diese furchtbaren Tragiken der Kriege, Vertreibungen, Verfolgungen Folterungen, Tötungen, Massenermordungen: ohne diese geisteskranken Glaubenseinforderungen nicht geschehen wären… Somit ist auch dieser Jesus von Nazareth einem Gottwahn auferlegen: der Begründer dieses dann tragischen menschgemachten Wahnsinns – und dadurch zu Ostern zudem auch ein grauenvolles Abschlachten der Osterlämmer! Der Atheist und Vegetarier RvM fragt: Was können denn diese unschuldigen Lämmchen für dieses verrückte Ostern der Menschen – dass sie dafür abgeschlachtet werden. Diese sogenannten „christlichen“ Menschen sollten sich dafür schämen, jene Kinderchen von Mutterlämmern zu ermorden und aufzufressen… Und sollten dadurch in ihrer imaginären Hölle verbannt sein – und vielleicht wäre hierbei zu dem Titelthema in DIE ZEIT somit besonders die Titelschlagzeile angebracht: „Kann der Mensch sich ändern?“ In dem ausschweifenden Textkonvolut von Sabine Rückert ist von all dem Religionswahn der Menschen nichts zu lesen – zwar wird im Untertitel von „Ich, nur besser“ eher pauschalisierend angedeutet: „Von jeher versucht der Mensch, wenn er nicht weiterweiß, sein Leben in neue Bahnen zu lenken. Woher der Glaube an die Kraft zur Umkehr kommt – und warum es dabei um mehr geht als Selbstoptimierung…“ – wird mit den Gleichnissen vom Jakob und vom Saulus zum Paulus herausragend dargestellt mit der erweiterbaren Metapher: „Die Reise zum richtigen Ich, zur wahren Bestimmung des eigenen Lebens, zu der Person, die eigentlich gemeint ist – sie ist in unserer jüdisch-christlich geprägten Kultur das (heimliche) Thema eines jeden Menschen. Für manchen ist es eine metaphysische Reise…“ Kaum zu glauben, dass Sabine Rückert und Johanna Haberer uns solche „Reisen zum eigenen Ich“ vorgaukeln wollen, zudem dann noch der nächste Absatz aus den Märchenbildern herausgefischt wurde: „Der religiöse Glaube an die Verwandlung der Seele – er setzt sich fort in den weltlichen Märchen, wie wir sie alle kennen: Der Frosch wird zum Prinzen, das vergiftete Schneewittchen steht auf zu neuem Leben, Dornröschen wird wachgeküsst aus dem Fluch des ewigen Schlafs. Der Schweinehirt hat das Zeug zum König, und das arme Aschenputtel wird zur Prinzessin. Nichts bleibt, wie es ist – alles wird auf den Kopf gestellt. Oder sind es die Füße?“
„Kind Gottes in der Hutschachtel“ – was wird uns hier als mündiger Leser, mündige Leserin von DIE ZEIT kurz vor Ostern doch „besinnlich“ aufgetischt: zwar wird hier redlicher von der nur „angeblichen“ Auferstehung aufgeschrieben, andererseits aber umwimmelt es uns von religiösen Hoffnungsbildern und es heißt da ZEIT-gleich vermittelbar: „Die Geschichten des Alten und des Neuen Testaments wimmeln förmlich von Helden, die unvorhergesehene Kehrtwendungen vollziehen. Dahinter steckt letztlich ein optimistisches Menschenbild, denn Umkehr bedeutet: Jemand ist in der Lage, sein Leben als missraten zu erkennen und von Grund auf umzukrempeln. Anders als die berühmten Helden der antiken Mythologie, die sich in ihren Tragödien unrettbar im Kreise drehen, kann er neu anfangen, selbst wenn er alt und schwach ist oder ihn ein übermächtiger Gegner daran hindern will. Er kann – wenn auch nicht ohne Anstrengung und vielleicht nur mithilfe anderer – alte Gleise, auf denen er feststeckt, verlassen, eingefahrene Gewohnheiten ablegen. Er muss es nur wollen.“ Ach ja – was sind das für überschwängliche Binsenweisheiten im Meer von fast 8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten: und alle dürfen sie bitte sehr allesamt Individualisten sein, frei im Denken und noch freier im Handeln zur eigenen Person und „Persönlichkeit“ – und die Redakteurinnen Haberer und Rückert legen gleich noch eins drauf in der eigenen Hinterfragung: „Vielleicht sollten wir an dieser Stelle zwischen den Fragen „Kann der Mensch sich ändern?“ und„Kann er sein persönliches Leben erfreulicher gestalten“ differenzieren.“
Ach Du Freude schöner Götterfunken – das ist ja kaum mehr zum Aushalten an veränderbaren Vorbestellungen zum Glücklichsein, sicherlich ganz lieb-österlich (?) gemeint – und zudem im Kontrast untermalt vom renommierten Kriminalpsychiater Hans-Ludwig Kröber, der an der Berliner Charité über viele Jahre Schwerverbrecher begutachtet hat und mit den Thesen mehrerer determinierender Hirnforscher abrechnet – und ganz klar festzustellen vermeint: „Es gäbe keine Determination, sondern ausschließlich beruhen auch die verbrecherischen Handlungen– im Rahmen bestimmter Perspektiven – auf rationalen Erwägungen, also auf Entscheidungen. Die Kriminalistik und jeder Strafrichter wissen natürlich: Menschen, die aus prekären, frustrierenden und gewaltbereiten Milieus stammen, werden statistisch häufiger kriminell.“ Ja, ja – die Hirnforscher des Determinismus – denen der Kriminalpsychiater Kröber entgegenhält: „Wenn schon jeder Gedanke an individueller Freiheit eine Illusion ist, wie viel illusionärer muss der Wunsch nach sozialer und politischer Freiheit sein. Wenn also Menschen nicht einmal die eigenen Handlungen bestimmen können – brauchen sie dann überhaupt freie Gesellschaften? Wenn Mörder sowieso nicht aus ihrer Haut können und in einer bösen Handlungsschleife gefangen bleiben – warum dann nicht die Todesstrafe an ihnen vollziehen? Wären das nicht die logischen Folgerungen aus der Überzeugung, der Mensch sei nicht Herr im eigenen Haus und könne auf sich selbst letztlich keinen Einfluss nehmen?“
Nein, diesem Mann möchte ich als Straftäter nicht in die psychiatrischen Hände fallen – vom eigenen Kopf her so bedacht! Da wird doch auch wirklich alles durcheinandergemengt und vermischt und dann auch noch die Todesstrafe vollziehen… Was heißt eigentlich: „vollziehen“ – da gäbe es doch brutalere Wortefindungen für das staatliche Ermorden eines Menschen! Und plötzlich ist im durchdringlichen ZEIT-Text vom autoritären Denker Zhao Tingyang zu lesen: „Er wird zum Stichwortgeber sich ausbreitender diktatorischer Systeme, die persönliche Freiheit und allgemeine Menschenrechte als Ausgeburt eines schädlichen Individualismus abgeschafft haben.“ Kann der Mensch sich also bessern? „Ja, findet Zhao Tingyang. Aber nur, wenn er sich mit den Mitmenschen unter dem Zepter eines Kollektivs versammelt- Wenn er sich der neuen Weltordnung aus dem Geiste Chinas unterwirft.“ Da haben wir den geistigen Salat: Zurzeit leben 1,412 Milliarden Menschen in der Volksrepublik China – und alle miteinander wollen jeweils ganz persönliche Individualisten sein können, jeder nach seiner Fasson selig und glücklich werden können… Wie – bitteschön – geht das zusammen: wenn doch mindestens 300 Millionen Wanderarbeiter unterwegs sind, um sich irgendwie und irgendwo Arbeiten zu suchen: da geht es doch um das pure Überleben und von individueller Zukunft kann dabei kaum die Rede sein, um „sein persönliches Leben“ in neue Bahnen zu lenken…“ Wie global genau geographisch und systembezogen bedenken eigentlich die beiden Redakteurinnen dieses Textes ihre menschelnde Weltauffassung? –  jene Johanna Haberer und Sabine Rückert, die so Österlich-botschaftlich-freudig von den Umkehrungen und dem Neuanfangen in neue Bahnen lenken mögen lassen wollen… Und dann liest man desweiteren: „Im liberalen westlichen Denken, das immer beim Ich beginnt, obliegt die Option zwischen Gut und Schlecht dem Individuum und seinem Gewissen – nicht der Kohorte, nicht der Gesellschaft, nicht dem Staat.“
Tja, da kann man nur staunen, wie höflich-vehement lobpreisend diese ZEIT-Redakteurinnen dieses turbokapitalistische System beschönigen, geradezu jubilieren zum Ichverständnis des Egoismus – und vielleicht sollten die beiden schwesterlichen Kopfmenschen mal ganz nach Unten zu den malochenden Menschen herabsteigen von ihrem Elfenbeinturm und mal feststellen dürfen: wie knallhart und an die Kandare genommen: die Masse der „Sklaven der Moderne“ zu funktionieren haben, immer von Vorgesetzen entsprechend beaufsichtigt und kontrolliert. Der RvM-Leserbriefschreiber schreibt hier vom Leben in der Bundesrepublik Deutschland – das knappe Kalkulieren zu den Stundenlöhnen, dem Monatsgehalt: hierbei die hohen Mietkosten, die Raten, die anderen Zahlungsverpflichtungen, das Auto, das Essen, die Gesamtversorgung (der Familie)! Da bleibt nix mehr viel übrig für die Zukunftsplanung und das Sparen auf die hohe Kante – woher soll hierbei und hierzu noch der Glaube an die Kraft zur Umkehr kommen können, – „und warum es dabei um mehr geht als die Selbstoptimierung…“ So beschreiben es als Selbstoptimierung: Johanna Haberer und Sabine Rückert ins Volk hinein – hin zur ZEIT-Leserschaft: die Osterbotschaften so zu offenbaren! Und dem RvM scheint dies bei der besten Suche nach den wahren geistigen Ostereiern – alles nur ein doch leeres Nest an Weihrauchwolken und zusätzlichen verkünstelten Wortevernebelungen zu sein. Halt – jetzt hats der RvM endlich klarer begriffen: das sind ja beide (zutiefst gläubige) Schwestern: die Sabine und die Johanna, zudem letztere auch noch Professorin für Theologie und betreiben bei ZEIT ONLINE den Podcast „Unter Pfarrerstöchtern“. Darin erzählen sie die ganze Bibel. Zu Ostern geht es um die Auferstehung (nicht die etwa „angebliche“) – und erstmals mit eigens dafür komponierter Jazzmusik. Voila zu a– da hauts einen dann wohl um bei so viel moderner-historischer Untermalung im gleichen Kontext ll den mythologischen Erzählungen und Verklärungen nur mit anderen beglaubigten Weissagungen für das Volk zur Aufklärung des wahren Glaubens für Land und Leute. Hic Rhodos – hic salta. Oder habe ich als RvM einen Sprung in der Schüssel?
Und dann wird direkt darunter – nach den drögen Zeichnungen von Francesco Ciccolella wie aus den fünfziger Jahren, noch von Nadine Ahr zu lesen sein: „Wie wandlungsfähig bin ich?“ – „Was die Forschung über den Charakter und seine Formbarkeit herausgefunden hat.“ Und nun allemal ganz weit die Sinne aufgesperrt: „Im höheren Alter (somit auch noch nach dem 66. Lebensjahr) ist es also absolut möglich, auf der Fahrbahn des Lebens die Spur zu wechseln. Einige Studien deuten sogar darauf hin, dass die Persönlichkeit ab 60 ähnlich wandelbar sein könnte wie im jungen Erwachsenenalter.“ Und nun noch Cornelia Wzrus, Professorin für Psychologische Alternsforschung an der Universität Heidelberg, sie beschreibt das Verhältnis zwischen Charakter und unserer genetischen Ausstattung wie folgt: „Stellt man sich die Persönlichkeitsentwicklung wie eine Autobahn vor, dann sind die Gene die Leitplanken. Sie begrenzen uns. Wir können aber auf der linken oder der rechten Spur fahren, oder in der Mitte. Und: Je jünger ein Mensch ist, desto breiter ist die Fahrbahn. Ein Zweijähriger ist in seiner Persönlichkeit stärker vom Leben geprägt als ein Zwanzigjähriger. Im Guten wie im Schlechten.“ Danke Frau Professorin – das hätte ich zumal als beständiger aufgeklärterer ZEIT-Leser nicht gedenkt noch gedacht oder bedacht: mir vorstellen zu können, dass solch eine Persönlichkeits-Diskrepanz zwischen einem zweijährigen und einem zwanzigjährigen Menschen besteht – und dann kommt es nochmals ganz „professoralistisch“ rübergeflattert: „Doch auch als Erwachsener steht man der Frage, welche Erfahrungen man machen, welchen Einflüssen man sich aussetzen will, nicht machtlos gegenüber. Jemand, der sehr chaotisch und unstrukturiert ist, wird vielleicht kein Ordnungsfanatiker – was aber nicht heißt, dass er Aufgaben nicht sorgfältiger und gründlicher erledigen kann. Jemand, der sehr schüchtern ist, wird wohl niemals wie von selbst Gesprächsrunden dominieren oder auf Partys im Mittelpunkt stehen – was nicht heißt, dass er nicht lernen kann, auf seine Mitmenschen zuzugehen. Und jemand, der sich leicht ängstigen und stressen lässt, wird niemals ein Abenteurer werden – was nicht heißt, dass er nicht gelassener werden kann.“ Mit welchem Niveau werden wir hierzu konfrontiert, läuft keine einzige Synapse heiß, fallen diese ZEIT-Blätter entgeistert aus den Händen… Werte Frau Professorin: doch all das träfe nolens volens auch auf mich zu – bitte nehmen Sie mich noch in Ihre Studie auf, hinzu zu den 170 Probanden im schönen Heidelberg! Ich bin ein Mensch von 75 Jahren (mein Künstler-Atelier befindet sich in Eppelheim) – und ich möchte unbedingt kurz vor meiner Umwandlung zu Asche in einer Urne, wesentlich feststellen mögen: „Wie wandlungsfähig bin ich?“ Nur dürfen Sie mir keinerlei religiösen Glauben zu meiner Ungläubigkeit dabei eintrichtern wollen! Und Sie sagen ja sehr bedeutend: „Selbst im hohen Alter noch kann der Mensch also ein Stück weit ein anderer werden. Wenn er will.“ Jawoll – hierzu bin ich durchaus willig! Aber nicht nur „ein Stück weit“ zu diesen irdischen Verstückelungen und Zerstückelungen… Und last but not least eine Bitte an DIE ZEIT zum zukünftig nächsten Osterfest 2025 – möglichst: doch mehr irdischen ZEIT-Geist einzufügen! Ansonsten aber mag ich durch DIE ZEIT gerne Woche für Woche meinen Geist erfrischen bis hin zu manchen geistigen Orgasmen! DANK dafür!
Axel Manfred Rvmpf von Mansfeld

Vielen Dank für Ihren ermutigenden Artikel! Mir fiel dazu noch das Paulus-Wort ein: „Ändert euch durch die Erneuerung eures Sinnes“ (Brief an die Römer, Kap. 12 V. 2). ‚Innere Umkehr‘ – hier als Voraussetzung für die Erkenntnis des göttlichen Willens zur Veränderung zum „Guten, Wohlgefälligen und Vollkommenen“ (ebenda). Übrigens ist die Stimme, die Paulus (noch als Saulus) vor Damaskus hört, die des Auferstandenen – sein ganzes nachfolgendes Leben und Wirken zeigt, dass das keine Einbildung gewesen sein kann. Ihre diesbezüglichen Zweifel erinnerten mich an den jüdischen Religionsphilosophen Pinchas Lapide, der schreibt: „Der beste Beweis für den felsenfesten Glauben an die Auferstehung ist wohl die realistische Weise, in der die beiden ältesten Evangelien den qualvollen Tod und die Verzweiflungsschreie Jesu am Kreuz schildern … Denn so brutal-konkret kann nur ein geschworener Feind Jesu sein Lebensende beschreiben – oder aber Männer, die zutiefst überzeugt sind, dass dieses jämmerliche Verscheiden des Nazareners nicht das letzte Wort Gottes war, noch ist – dass sein Ausgang aus dieser Welt zum Eingang in die Seligkeit wurde.“ („Auferstehung – Ein jüdisches Glaubensbekenntnis“, Kösel, 5. Aufl.1986, S. 65 f.).  Ein starker Zeuge nach 2000 Jahren ist (neben unzähligen anderen) gerade jetzt zur Osterzeit Friedrich von Bodelschwingh, der zur NS-Zeit viele seiner Schützlinge in den Bethel-Heilstätten vor dem national-sozialistischen Euthanasieprogramm rettete. Er dichtete 1938 unter stärkster Bedrängnis das Auferstehungs-Lied „Nun gehören unsere Herzen“ (EKG für Bayern und Thüringen Nr. 93).
Hartmut Reibold

Mit Begeisterung habe ich den Beitrag den beiden Autorinnen über die Änderungsfähigkeit des Menschen gelesen. Für sie ist die Voraussetzung dafür, dass der Mensch einen freien Willen hat, den die Hirnforscher zwar bestreiten, aber dabei sich selbst widerlegen. Denn wenn der Mensch nicht frei denken und handeln kann, ist ihre Aussage der Unfreiheit selbst unfrei, also fremdgesteuert. Leider wirkt das Denken der Hirnforscher immer noch tief in die deutsche Rechtsprechung, in der der Täter häufig zum Opfer gemacht wird, das schuldlos handelte, denn fremde Mächte hätten ihn zur Tat getrieben. Dem Opfer wurde nicht nur geschadet, es wird auch noch verhöhnt. Jeder Mensch kann sich – wenn nicht geistig behindert – frei entscheiden, gut oder böse zu sein, der Gemeinschaft zu nützen oder ihr zu schaden.
Jürgen Tichy

„Die Worte hör‘ ich wohl. Allein, mir fehlt der Glaube“. Beim Säugling wird reaktives Verhalten spätestens bei der ersten Nahrungsaufnahme augenfällig und gewinnt an Bedeutung, je stärker das Umfeld aufmerkt. Hinfort nutzen wir geborenen Schauspieler unser Potenzial – oder lassen uns benutzen auf der Bühne des Lebens. Für uns Selbstdarsteller findet sich immer ein Publikum. „Siehe, ich mache alles neu!“ ist erdacht für Kanzelredner, damit sich Glaubensgelenkte in die Tasche lügen. Denn niemand von uns Allesfressern, einer des anderen Konkurrent, ist vor unangenehmen Überraschungen gefeit – es sei denn, wir sind über Sättigung zufriedengestellt. Selbst Agape schafft es nur gelegentlich zu selbstlos-reiner Liebe. Denn des Menschen Wille ist sein Himmelreich, das für den Adressaten zur Hölle werden kann. Lediglich die Unterbutterns-Wahrscheinlichkeit ist bei einer edel, hilfreich und gut-Grundausrichtung weniger groß. Auch Paulus als Galionsfigur eines Geläuterten taugt wenig. Blieb er doch zeitlebens Denunziant und herrischer Geselle, bei dem Unbotmäßige wenig zu lachen hatten. Ist jemand nicht von Geburt an ein friedlicher Kumpan, sind Wandlungen lediglich Schminke seiner schwarzen Seele. Risikoabwägend wechselt er die Seiten oder belässt sein Schwert in der Scheide, ohne seine Ambitionen aus dem Blick zu verlieren. Unser Mühen als Dornenkrone der Schöpfung, die mit vergnüglicher Schadenfreude Eigenschaften ausschöpft, die Leiden schaffen, umzukehren in „Lasset euer Licht leuchten“-Wohltätigkeit und entwaffnende Offenheit entwickelt, unter dem Deckel gehalten, nur eine Ahnung von Strahlkraft. In diesem Konglomerat zwischen Wohlanständigkeit und prolongierter Absolution ist die nächste Übergriffigkeit nur eine Frage der Gelegenheit. Ansonsten, liebe Hamburger, haben Sabine Rückert und Johanna Haberer vorzügliches geleistet. Chapeau!
Andreas Weng

„Kann der Mensch sich ändern?“ fragen Johanna Haberer und Sabine Rückert. Ja, er kann sich ändern, es gelingt ihm aber nur gemeinsam mit anderen Menschen, denn »Der Mensch ist des Menschen Arznei«, wie es im Senegal heißt. Solche Menschen findet man in Selbsthilfegruppen wie den Anonymen Alkoholikern. Dort vollziehen sich am laufenden Band die Wunder der Wandlung und der Umkehr. Beispielsweise im Jahr 1992, als ich in mein erstes Meeting schlich, als ich zum ersten Mal sagen konnte: »Ich heiße Kurt und bin Alkoholiker«. Seit diesem Tag hat sich in meinem Leben alles, aber auch alles geändert. »Expect miracles!« rät man daher in den USA dem neuen Freund. William James, der Nestor der amerikanischen Psychologie, hat in seinem Buch »The Variety of Religious Experience« über solche Wunder nachgedacht. Bill Wilson meinte daher, nicht er und sein Freund Dr. Robert Smith (»Dr. Bob«) seien die eigentlichen Gründer der Anonymen Alkoholiker, es sei vielmehr William James. Johanna Haberer und Sabine Rückert stellen eine lebenswichtige Frage, geben dann aber theologische, historische, »tote« Antworten, die kaum geeignet sind, das Leben des verzweifelnden Lesers oder des versoffenen Journalisten-Kollegen zu retten. Denen sei daher gesagt: „Es gibt eine Lösung!“
Kurt Guss

Ein überaus anregendes und aufschlussreiches Dossier, das das Thema von unterschiedlicher Seite beleuchtet und die vielfältigen Faktoren herausarbeitet, die zum Tipping-Point führen und maßgeblich beeinflussen, ob eine Änderung gelingt. Mittendrin, etwas verborgen im Dickicht, ist das Organ, über das Professor Kröber und Hirnforscher streiten: Das Gehirn. Alle Faktoren fließen in ein komplexes, dynamisches Geschehen in meinem Kopf zusammen. Dort kommunizieren die 86 Milliarden vernetzten Neuronen miteinander und es entstehen in unterschiedlich langen Prozessen emergente Phänomene, die ich als bewusste Entscheidungen wahrnehme. Ein Ich, das entscheidet, hat noch kein Neurologe im Dickicht entdeckt, so bleibt, bis neuere Erkenntnisse mich aufklären, als Fazit: Die Entscheidung mich ändern zu wollen, und die Fähigkeit, Änderung zu realisieren, ist jeweils emergentes Produkt von neuronalen Vorgängen, in die ich – trotz des aufschlussreichen Artikels – weiterhin keinen Einblick habe.
John Stevens

Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Auch ich habe die ausgezeichnete Dokumentation zu Nawalny im Fernsehen gesehen. Er wuchs unter strenger, christlicher Aufsicht vor allem im Einfluss seiner Großmutter auf. Frühzeitig sagte er diesen Satz: Jesus war der größte Politiker aller Zeiten! Nawalny wählte den narzisstischen Modus, um expansiv das Leben zu meistern, seine verborgenen Grundängste zu bewältigen. So kam er auch auf Abwege und bediente als Nationalist primitive rechte Strömungen in Russland, stellte sich dann aber durch seine durchgängige Identifikation mit Jesus der Korruption der Oberschicht in den Weg, ähnlich wie Jesus den Augiasstall im Tempel zu Jerusalem säuberte. Wie Jesus auf dem Esel nach Jerusalem einzog und sich damit dem Tode weihte, um als Märtyrer die Sünden der Juden und aller Menschen auf sich zu nehmen, flog auch Nawalny in der unbewussten Identifikation mit Jesus zurück nach Russland, hoffte unbewusst, dass mit seinem Tod er Russland vom Bösen erlösen würde. Es war also diese frühe Identifikation mit Jesus, die nach manchen Irrwegen ihn zu einem besseren, unglaublich mutigen Menschen machte, der im russischen Volk unvergessen sein wird. Auch ich bin ein Jahrzehnt in der linken Bewegung der Studentenzeit auf Abwege geraten, bis die Identifikation mit meinem Vater mir half ärztlicher Psychotherapeut zu werden, der seelisch kranken Menschen so viel besser helfen konnte als lauthals auf Demonstrationen Parolen zu schreien!  Ohne solche unbewussten, identifikatorischen Vorbilder wird wohl keiner zum besseren Menschen!
Michael Hopmann

Johanna Haberer und Sabine Rückert befassen sich mit einem wichtigen Potential der Menschheit. Dieses besteht darin, dass Menschen, die nicht mehr weiterwissen, ihr Leben in neue Bahnen lenken. In Bezug aufs Wohlergehen der Menschheit ist besonders die zweite der folgenden beiden Fragen interessant: «Woher der Glaube an die Kraft zur Umkehr kommt – und warum es dabei um mehr geht als Selbstoptimierung.» Ein Mensch, der nicht mehr weiterweiß, ist jemand, der ein Ziel verfolgt, das entweder für ihn unerreichbar ist oder das für ihn an Wert verloren hat. Ein Grund kann sein, dass er ein neues wichtiges Ziel gefunden hat und nun feststellt, dass er mit einem Zielkonflikt konfrontiert ist. In diesem Falle besteht die Lösung darin, dass er entweder eines seiner Ziele aufgibt oder den Zielkonflikt bereinigt, indem er sich auf ein höheres Ziel konzentriert. Im Artikel werden Menschen aus Religion (Jakob und Paulus) aus der Politik (Joschka Fischer) und Unterhaltung (Kerkeling) aufgeführt. Das höchste und aktuell notwendigste Ziel ist, Beitragen zum langen, guten Fortbestehen der Menschheit. Nachdem dieses Ziel heute so notwendig ist, ergibt sich eine entscheidende Frage: Warum reichte das am Anfang genannte Potential bisher nicht, um das aktuelle Schlamassel der Menschheit zu verhindern? Ein Grund ist wohl der, dass der Weg zu unklar ist, der beschritten werden muss, um das genannte Ziel zu erreichen. Auch sind die Zielkonflikte zu wenig beschrieben, die auf diesem Weg gelöst werden müssen.
Zudem hat sich die Bedeutung dieses Ziel erst vor relativ kurzer Zeit gezeigt, nachdem sich herausgestellt hat, dass die Ressourcen der Menschheit nicht ausreichen, um das exponentielle Wachstum von Kopfzahl und Konsum noch lange fortsetzten zu können. Ein anderer Grund fürs Schlamassel ist die Globalisierung, deren negativen Seiten weitgehend ignoriert werden. Zu groß sind die sichtbaren Vorteile. Die Menschheit konnte dank dem technologischen Fortschritt, lange Zeit ein exponentielles Wachsen von Kopfzahl und Konsum hinlegen. Doch ein solches wird irgendwann gestoppt, da die Ressourcen nicht unendlich sind. Ein Bild von der Plötzlichkeit der Entwicklung bietet die Story von den Seerosen, die sich auf einem See ausbreiten und dabei die genutzte Fläche jedes Jahr verdoppeln. Vor der letzten Verdoppelung ist noch der halbe See verfügbar, danach nichts mehr. Wenn man Schwierigkeiten hat, diese Story nachzuvollziehen, dann kann das mit der fehlenden Realitätsnähe zu tun haben. Das Verdoppeln der Seerosen kann nur dadurch geschehen, dass sich jede einzelne Pflanze verdoppelt. Das ist aber nur am Rand der Seerosen-Fläche möglich. Jede innere Pflanze muss das Verdoppeln irgendwann beenden oder am Wachstum ersticken. Eine ähnliche Schranke hat wohl auch bewirkt, dass es so lange dauerte, bis die Zahl der Menschen auf 2 Milliarden angewachsen ist. Inzwischen ist sie innerhalb einer Lebenszeit auf 8 Milliarden angewachsen. Die Globalisierung hat eine Schranke fürs Verdoppeln beseitigt, die der eben genannten Schranke für Seerosen entspricht. Die Globalisierung hat bewirkt, dass die Ressourcen sich weltweit erschöpfen und nicht nur lokale Ressourcen. Dies verhindert, dass die lokale Eigenverantwortung ausreichend aufgezeigt und aktiviert wird. Alarmsignale sind die Klimakrise und die rasant anwachsende Migration, aber auch der Krieg im Nahen Osten.
Zurück zur Frage, warum das anfangs genannte Potential nicht ausreichend genutzt werden konnte um das Schlamassel der Menschheit zu verhindern. Das Problem ist, dass die Verhaltensweisen, die zum exponentiellen Wachstum führen, breit akzeptier und als gut und nötig befunden werden. Viele Kinder zu haben gibt in vielen Kulturen Ansehen und Sicherheit. Andererseits, Beitragen zum Wachstum von Produktion und Konsum schafft Arbeitsplätze und verleiht ebenfalls Ansehen. Notwendig ist, dass Mittel gefunden werden, die nötige Eigenverantwortung passend zu definieren, zu fördern und zu fordern.
Gernot Gwehenberger

Wenn Sie schon relativ viele (kulturelle und eher fiktive) Beispiele für einen Läuterungsprozess und einen Gesinnungswandel zum Besseren aufzählen (bei Nawalny bin ich übrigens immer noch skeptisch) und Ihnen aus der Musik und der Popkultur eigentlich nur Bruce Springsteen einfällt, dann möchte ich unbedingt noch Camp Cope und The Alarm ergänzen. Letztere haben sogar ein Album namens „Change“ veröffentlicht. Im gleichnamigen Titelsong heißt es: „Change, change / I need a change / Oh, lord“. (Zu den 60 Prozent, die laut Frau Ahr ihr Leben ändern wollen, gehöre ich allerdings nicht. Ich bin mit meinem Leben, so wie es ist, ganz zufrieden. Das „Oh, lord“ ist auch nicht unbedingt wörtlich zu verstehen, als besonders religiös habe ich The Alarm nicht empfunden, auch wenn mir gerade „New Town Jericho“ einfällt, aber seit Dylan gehören religiöse Tropen nun mal zu vielen Folkrocksongs.) Und der Refrain von Camp Copes „Sing Your Heart Out“ lautet: „You can change / And so can I“. Ich rate allerdings von dem gerade veröffentlichten Abschiedskonzert der Band im Sydney Opera House ab, wenn Sie zu nah am Wasser gebaut sind. Das gilt auch für das „Sing Your Heart Out“-Video. Am Gründonnerstag lief Billy Braggs Reeperbahnfestival-Auftritt vom letzten Jahr erneut bei NDR Blue. Es gibt ja momentan viele Diskussionen, ob man klassische (Kinder-)Bücher umschreiben soll.
Das Hauptproblem ist, dass die meisten Autor*innen nicht mehr direkt befragt werden können. Billy lebt zum Glück noch und er hat seine Texte (z. B. „Sexuality“) nach dem Hinweis einer Konzertbesucherin ein wenig transfreundlicher gestaltet. Nicht, dass sie vorher in dieser Hinsicht unfreundlich gewesen wären, aber als die Songs geschrieben wurden, waren Transmenschen noch kein großes Thema. Billy ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich auch „alte, weiße Männer“ (in diese Richtung ging seine Eigenbeschreibung in den Ansagen, ich gehöre übrigens auch dazu: manchmal finde ich die mediale Beachtung, die diese Themen momentan erfahren, ein wenig übertrieben, aber andererseits bin ich auch Billys Meinung, dass diese Menschen unsere Solidarität verdient haben und dass uns Männern nichts „gestohlen“ wird, wenn wir den Kampf gemeinsam kämpfen) noch ändern können. Als Gegenbeispiele fallen mir gerade Markus Söder und Dieter Nuhr ein. Und von Putin und Kyrill will ich gar nicht erst reden. Denen sollten Sie mal Ihren Artikel zuschicken, auch wenn das Perlen vor die Säue bedeutete (während ich das schreibe, bin ich beim Artikel „Die Moral im Schweinestall“ angelangt, um den Kreml oder Russland geht es da aber nicht, kann ja auch gar nicht: der Kreml und Russland sind Schweineställe ohne Moral).
Thomas Manthey

Für den Artikel „Ich, nur besser“ in der Osterausgabe sind meine Frau und ich den beiden Autorinnen sehr dankbar, da an konkreten Beispielen (geistige) Möglichkeiten aufgezeigt werden, dass Menschen sich ändern können und damit auch – natürlich begrenzt – die Gesellschaft. Das ist jedenfalls tausendmal besser, als über die Schlechtigkeit der Welt zu jammern oder das allgegenwärtige „Entschuldigungskartell“ zu bemühen. Ein hilfreicher und ermutigender Artikel, der die Demokratie stärkt, die von Veränderungen (=Reformen) lebt. Ist es ein Zufall, dass AfD-Wähler so häufig einen unzufriedenen und starren Eindruck machen und gegen „alles“ sind, nur sich selbst keinen Millimeter zu ändern bereit sind?
Bruno Hessel

Vielen Dank für diesen Artikel zu den Möglichkeiten der Selbst- und Verhaltensänderung, in dem Sie etliche gute Aspekte und Differenzierungen verdienstvoll ansprechen. Die prinzipielle Möglichkeit von Verhaltens-, Denkens- und Gefühls-änderung bis hin zu (Teilen) der Persönlichkeit sind vielfach bewiesen und vielfach notwendig für das individuelle Wohl bis hin zum Überleben der Menschheit angesichts wohl kaum ausschließlich mit Technologie lösbaren Krisen, insbesondere der Klimakrise. Deshalb möchte ich nur einige Aspekte ergänzend oder etwas kritischer ansprechen: Bei dem oft geforderten Optimismus frage ich immer, welcher oder welche Art von Optimismus, denn es wird öfter übersehen,  dass man ganz verschiedene Ausprägungen des Optimismus meinen kann und/oder Optimismus zu verschiedenen Entscheidungsalternativen:  Beim Klimaschutz z.B. meinen viele mit Optimismus, dass es uns/der Menschheit gelingen wird  mit einem „Weiter-So“  oder etwas anders, aber ohne mehr Anstrengungen, Arbeit, Zahlungen,  „Belastungen“ oder „Verzichte“  ihn ausreichend hinzukriegen.   Man kann aber auch optimistisch sein, dass ein Leben mit all dem dennoch ähnliche oder gar bessere Lebensqualität, Zufriedenheit oder gar Glück bringen kann wie mit einem „Weiter-So“.  Bei realistischer Ausprägung und realistischen Zielen kann Optimismus im besten Fall auch selbsterfüllend sein, während  Pessimismus im schlechtesten Falle auch selbsterfüllend sein kann,  wenn er zu viele erfasst und an hilfreichen nötigen Taten und Änderungen und damit einem Vorbild für immer mehr andere hindert.
Auch bei dem „Nur Wollen“, insbesondere dem „NUR“ frage ich immer, was denn hier unter Wollen verstanden werden soll:  Nur ein „Muss unbedingt“  oder mitsamt der Bereitschaft  anderes dafür hintanzustellen, dafür viel mehr zu arbeiten, sich anzustrengen,  um Hilfe zu bitten und Anleitungen zu suchen etc.  Und schließlich mit Beschränkung auf realistische drat, die nicht naturgesetzlich oder mathematisch unmöglich sind wie die Quadratur der Kreise, das Perpetuum mobile oder die Unsterblichkeit noch in diesem Universum oder auch die perfekte Gerechtigkeit aus der Sicht jedes der beteiligten. Beim Beenden, was Unwohlsein verschafft, kommt dazu noch die Frage „wodurch ersetzen, wenn es beendet wird, und kann ich nach Kant wollen, dass andere ihre Beziehung zu mir aus den gleichen Motiven genauso beenden?“ Bei der Forderung recht vieler unsere Werte und Ideale anderen Völkern nicht überzustülpen, sondern diese selbst bestimmen lassen, stimme ich zu, allerdings sehe ich diese Forderung von vielen Machthabern als heuchlerisch, die ihre Völker gar nicht bestimmen lassen wollen und ihre eigene Ideologie, Religion oder Herrschaft den beherrschten längst übergestülpt oder aufgezwungen haben.    Und bei „gesprengten Ketten“ ist immer aufzupassen, dass man sich nicht von jemand oder durch etwas befreien lässt, der/das seinen „befreiten“ am Ende noch viel schlimmere Ketten und Peitschen  zumutet,  nur mit mehr oder weniger heuchlerischen oder verdrehenden Begründungen.  Selbst bei Friedenszielen und -versprechungen kann man schlimmstenfalls in einer Situation enden, wo man nicht mehr für sein eigenes Volk oder seine Freiheit kämpft, sondern als zwangsrekrutierter für den neuen Herrscher, wie verschiedenen Beispiele der Geschichte lehren.
Zu Egoismus und Altruismus:  Sehr wahr: Egoismus bestimmt seit jeher das Überleben der Kreaturen. Es gibt aber ganz unterschiedliche Ausprägungen: von einer Art „fairem Egoismus“ bis zum völlig rücksichtslos brutalen.  Und er gilt schon vor der menschlichen Spezies vor allem anderen Gruppen oder gar Arten, während sogar Ratten einen Artgenossen aus einem von außen zu öffnendem Käfig befreien, aber nur, wenn sie diesen kennen. Besonders Schimpansen tun viel für Gruppenangehörige, während solche anderer insbesondere um Nahrung oder Territorium konkurrierende eher geschädigt werden bis hin zur Auslöschung. Und die Geschichte vom barmherzigen Samariter lehrt bereits, dass „wir“ sehr unterschiedlich reagieren können:  Der eine geht einfach vorüber, noch andere haben den hilfsbedürftigen sogar geschlagen und ausgeraubt, während nur einer oder ein Teil der Menschen wirklich hilft, auch wenn es etwas Risiko, Zeit und/oder Geld kostet.  Es kommt also immer wieder darauf an, welche Art Egoismus wir meinen und wen wir mit „WIR “ meinen.  Ähnlich ist es beim Altruismus:  Ist der schon bei Freunden oder Gruppenmitgliedern erfüllt, von denen eine Gegenleistung erhofft werden kann oder nur, wenn der Altruist absolut keinen Gewinn erhoffen kann, vielleicht nicht einmal in einem Jenseits am jüngsten Tag?
Peter Selmke

Als Christ*in muss mensch natürlich der Überzeugung sein, dass es einen „freien Willen“ und damit „Sünde“ gibt – sonst machte das christliche Konzept von Sünde, Umkehr und Erlösung keinen Sinn. Und tatsächlich kann der Mensch sich erfahrungsgemäß für das Gute oder für das Böse entscheiden. Dass dabei unbewusste und nicht willentlich beeinflussbare Vorgänge im Gehirn ablaufen, ändert an der prinzipiellen Entscheidungsfreiheit meines Erachtens nichts. Allerdings fällt die Entscheidung, anderen Menschen nicht zu schaden oder ihnen sogar Gutes zu tun, offensichtlich umso schwerer, je schlechter es einem selbst geht und je weniger Glück mensch im Leben bisher hatte. Eine liebevolle Erziehung zu selbständigem Denken und zur Hilfsbereitschaft in einem nicht zu armen Elternhaus, in dem eben diese geistige Offenheit und eben diese Hilfsbereitschaft vorgelebt werden, sowie gute, hilfreiche Schulen und eine gute, hilfreiche Sozialpolitik für den Fall, dass die Eltern überfordert sind bzw. dass es Probleme gibt, die eine Kleinfamilie oder ein einzelner Mensch nicht allein lösen kann, beugen erwiesenermaßen am ehesten Straftaten – oder „Sünden“ – vor. Wem es – mental und materiell – gut geht, fällt es leichter, selbst hilfreich und gut zu sein.
Ulrich Willmes

Haberer und Rückert feiern zu Ostern den Glauben an des Menschen Kraft zur Besserung seines Lebens. Sie nennen diese Kraft „eine Idee der Auferstehung“ und wollen damit Hoffnung wecken in einer krisengeschüttelten Welt, die gerade Vielen die Hoffnung raubt. Doch wie soll sich Hoffnung auf Menschen gründen, deren Handeln eine nicht enden wollende Unheils- und Leidensgeschichte bewirkt hat, welche die Welt gegenwärtig nicht nur an den Abgrund eines Klimakollapses führt, sondern auch eines dritten Weltkriegs? Die Autorinnen setzen davon ungerührt auf den menschlichen Fortschritt. Damit wiederholen sie den Fortschrittsglauben des 19. Jahrhunderts, der wesentlich mit einer Absage an jede Metaphysik einherging und Religion nur noch als Anhängsel der europäischen Kultur verstehen konnte. Dieser Glaube zerbrach mit den Schrecken des ersten Weltkriegs und wurde mit Auschwitz und dem zweiten Weltkrieg vollends desavouiert. Dass er nun wieder ambivalenzfrei fröhliche Urständ feiert, ist kein Fort-, sondern ein Rückschritt zu längst überholten Denkmustern. Um den religiösen Bezug herzustellen, verweisen die Autorinnen auf die „biblischen Helden“ Jesus, Jakob und Paulus. Aber diese verstehen ihren Glauben gerade nicht als autonome „Selbstüberschreitung“. Es ist theologisch absurd, die paulinische Glaubensfreiheit als „Autonomie des Einzelnen“ zu deuten. Jesus und Paulus wussten, dass nur die Offenheit für das Wirken Gottes in ihnen sie zu besseren Menschen macht.
Im christlichen Glauben geht es primär nicht um menschliche Initiativen, sondern um das göttliche Wirken, das die ihm sich öffnenden Menschen in Bewegung setzt und so sich in ihnen durchsetzt. Das allerdings ist für den homo faber eine unerträgliche Kränkung. Denn sein narzisstischer Glaube kann sich nur auf sich selbst und den selbst hervorgebrachten Fortschritt stützen. Die Konzentration auf diesen Glauben verschafft ihm ein potentiell gutes Gewissen selbst in dramatischen Weltlagen. Und sie verhindert die Umkehr, indem sie suggeriert, mit ein bisschen Anstrengung werde die Rettung schon gelingen. Theologisch jedoch gründet alle Hoffnung im geschenkten Geist des Retters, dessen den Tod besiegende Lebenskraft zu Ostern gefeiert wird.
Klaus-Dieter Straßburg

Was, wenn es gar kein stabiles Ich gäbe, keine einige Seele? Sondern nur eine mühsam durch Daten aus Ausweisen, Zeugnissen und Grabsteinen zusammengeschusterte Identität? Wenn wir alle notorische Schauspieler wären, wie die Bonobos oder die Raben? Oder wenn multiple Persönlichkeiten gar nichts so Besonderes wären? Möglicherweise könnten wir viel öfter aus der Rolle fallen oder die Rollen tauschen, dürfen es aber nicht.
K. U. Voss

Ich nehme zurzeit an einem Laien-Seminar zum Brief des Paulus an die Römer mit dem Neutestamentler Prof. Dr. Klaus Wengst teil. Durch die Übersetzung von Luther wurde der Brief antijüdisch. Auch die Wandlung des Saulus zum Paulus ist ein antijüdischer Mythos – Saulus war der jüdische Name von Paulus und Paulus der römische.
Gudrun Hermann


Leserbriefe zu „Wir sind uns zu ähnlich“ von Stefan Brandenburg

Bravo, bravo, bravo Herr Brandenburg. Ich möchte nur hoffen, dass dieser Aufruf nicht nur in der ZEIT zu lesen ist, sondern auch in allen Chefetagen der anderen öffentlich-rechtlichen Medienhäuser. Die Spaltung der Gesellschaft ist u.a. just auf dieses Problem zurückzuführen. Die Phase der Corona-Pandemie war dafür ein unrühmliches Beispiel und der eigentliche Höhepunkt. Jede/r, die/der anders über die Maßnahmen dachte, wurde sofort in eine bestimmte Ecke gestellt. Ich kann nur hoffen, dass „die Medien“ bei Politik und RKI so lange insistieren, bis die geschwärzten Stellen im aktuellen Bericht offengelegt werden. Ansonsten wäre ehrliche Aufarbeitung eine Farce. Alle gesellschaftlichen und politischen Themen sind mittlerweile von beschriebener Diskussions-Unkultur infiziert, leider! Erkenntnis und Lösung von Problemen tun halt manchmal weh, müssen das aber auch.
Michael Hauck

„Es ging um etwas anderes: wie viel Lebenswirklichkeit noch ankommt in unseren Redaktionen“ Wo bleibt denn die Lebenswirklichkeit der Menschen im „Globalen Süden“, die heute bereits unter der Klimaveränderung leiden? Vielleicht gibt es unlösbare Probleme (s. den Beitrag S. 22, Die Zeit Nr. 14); zumindest dann, wenn man es allen Seiten „richtig“ machen will.
Ernst Kreuzfelder

Der Gastbeitrag von Herrn Brandenburg enthält viel Potential für eine Gesellschaftsanalyse eines „großen Wurfs“, setzt aber nicht konsequent an beim Medienempfänger, sondern bei einem Symptom, nämlich der AfD. Es gibt die AfD nicht aus sich heraus, die AfD gibt es, weil sie Neigungen verbalisiert, die einem tief empfundenen Gefühl entspringen, wie es bei einem großen Teil der Menschen vorherrscht. Darum sind Rechte und Rechtsextreme seit Jahren relativ erfolgreich. Es fehlte nur das passende raumgreifende Thema (Flucht, Asyl) und die folgende Verselbständigung, die in kriegerischer Offensivmanier immer mehr Themen besetzt. Islam, Klima, Diesel, Bürgergeld usw., so dass die etablierten Parteien gar nicht mehr wissen, wie sie Themen bespielen sollen, ohne damit den Rechtsauslegern Futter zu bieten. Unsere Gesellschaft ist seit jeher rechtsaffin. Und in Deutschland mag diese Aussage noch mehr Abwehrreaktion auslösen als anderswo. Was heißt das aber? Natürlich ist es für Medienschaffende ein Problem, ihre Produkte zu verkaufen und gleichzeitig die Abnehmer zu beschimpfen. Aber vielleicht geht es ja ohne „beschimpfen“. Was heißt also rechtsaffin? Rechtsaffin heißt, dass ich für die Aufnahme Geflüchteter bin, aber die sollen nicht in meiner Nachbarschaft wohnen. Rechtsaffin ist aber auch, generell die Aufnahme Geflüchteter abzulehnen. Das ist das „not-in-my-backyard“-Phänomen, das sich in den genannten Fällen lediglich in der Größe des „Backyards“ unterscheidet.
Wobei der „national-inklusive“ Vorteil hier bei den Extremen liegt, die können sich jetzt nämlich auf die Fahne schreiben, nicht nur an sich zu denken, sondern an alle (Deutschen). Rechtsaffin ist auch die Infragestellung der Zugehörigkeit des Islam zu Deutschland. Ebenso rechtsaffin ist dabei die oberflächliche Zustimmung wie auch die Ablehnung dieser These. Die oberflächliche Zustimmung zur These (Islam gehört nicht dazu), weil sie elementare Grundrechte (Religionsfreiheit) anzweifelt und die oberflächliche Ablehnung, weil sie nur dazu dienen kann, sich selbst gegenüber den anderen zu erhöhen und das Schwert der Deutungshoheit zu führen. Ganz egal, in welchem Leib es schließlich landet. Warum nicht einfach so: Der Islam gehört zu Deutschland und ist somit Teil der öffentlichen Debatte und muss es aushalten können, verbal attackiert zu werden. Das ist doch das, was unsere Gesellschaft ausmacht: Die pluralistische Debatte, der Meinungsstreit. Hört also zu, liebe Muslime, euer Glaube gehört dazu, aber die Kritik daran auch, sie erst macht den Islam zu uns zugehörig. Dann gehen einem so Dinge wie Silvester 2015 auch nicht mehr durch die Lappen. Sämtliche Repression, die sich gegen Offenheit und Meinungsvielfalt wendet, die ist damit abgedeckt. Auch die glaubensgeleitete Repression wird dann ständig durch das Brennglas beäugt und im gesamtgesellschaftlichen Sinne angegriffen. Das kann man den Herrschaften von Ditib auch gerne so mitgeben und ein Herr Mazyek muss das auch hinnehmen.
Und an der Stelle packt man auch gleich noch die deutsche Staatsräson mit ein, nach der das Existenzrecht Israels gegen alle Widerstände verteidigt wird. Das ist nämlich Teil unserer nicht verhandelbaren Identität. Merken Sie, wie viele Fliegen man mit dieser einen Klappe schlägt? Man muss nur die Bedingungen nennen, unter denen etwas zu uns gehört: Sei es der Islam oder der Glaube an auferstandene Geistheiler oder was auch immer. Rechtsaffinität gibt es aber auch im öffentlich-politischen Raum und ist damit natürlich auch ein Abbild der Rechtsaffinität unserer Gesellschaft. Vergleichen wir doch einfach mal die Darstellung von gülleschleudernden Treckerfahrern mit der von den so genannten „Klimaklebern“. Gibt es eigentlich mittlerweile in der Medienöffentlichkeit einen Bericht darüber, wie verhältnismäßig der Polizeieinsatz in Lützerath bei der Räumung war? Gibt es einen Bericht darüber, inwieweit da die Polizei für Konzerninteressen den Kopf hinhalten musste? Ist Existenzangst teilbar? Wenn ein Landwirt Mist auf öffentlichen Wegen ablädt, dann geschieht das, so die Erzählung, aus Existenzangst. Wenn ein Aktivist sich vor wütenden Autofahrern auf die Straße klebt, dann ist das Terrorismus. Wenn ein Bauernführer (Rukwied) Proteste ankündigt, die „das Land noch nie gesehen hat“, im Beisein von Minister Özdemir (der dabei ganz betroffen dreinblickt), dann ist das berechtigt, wenn aber Millionen von Menschen für Demokratie demonstrieren, dann ist das gelenkt. So gelenkt, dass einige CDU-Politiker aus erster und zweiter Reihe die Teilnahme via öffentlicher Erklärung ablehnen.
Es lässt sich überhaupt nicht verhindern, mit zweierlei Maß zu messen. In vielen Fällen ist das sogar ein politisches Werkzeug. Für die Wachsamen bedeutet das aber, ständig dahin zu zeigen, wo das eskaliert. Wo die Maßstäbe verrutschen und Gefahr laufen, dauerhaft in dieser Position zu verharren. Das ist Aufgabe der Medien. Und gerne im Dialog mit den Leuten in den Städten und in der Provinz. Abschließend noch zum aktuellen Fall „Antonio Rüdiger“ und seinem Zeigefinger: Natürlich hätte er sich die Geste schenken müssen, solange sie in der Öffentlichkeit platziert werden kann. Es ist ja jetzt so, dass nicht nur der Ober-Schmierfink von „Nius“ sich daran abarbeitet, das wird nun auch eifrig von Islamisten genutzt und Rüdiger wird als einer der ihren gefeiert. Das hätte er wissen müssen. Das Thema wird aber nur in den zweifelhaften Medien besprochen. Warum nehmen das seriöse Medien nicht auf, um das gerade zu rücken, ohne mit Kritik an Rüdiger zu sparen? Man nimmt das Thema dem Reichelt einfach weg. Denn oft ist es so, dass die Reichelts dieser Republik „etwas irgendwie“ sagen. Manchmal ist falsch, wie sie etwas sagen, aber nicht was sie sagen. Meistens ist es so, dass sie etwas Falsches falsch sagen. Letzteres vom Ersteren zu trennen könnte ein Ansatz sein, die Rechtsaffinität unserer Gesellschaft spürbar werden zu lassen. Die Reichelts dieser Republik erfahren mehr Zustimmung als Ihnen oder mir lieb sein kann. Und das liegt nicht an der AfD. Das liegt an der Ursuppe, in der diese Partei schwimmt.
Jürgen van den Heuvel

Vielen Dank für den Artikel, Herr Brandenburg! Tatsächlich bin ich auch der Meinung, dass Teile der Gesellschaft aus den genannten Gründen den seriösen Medien nicht mehr zuhören. Leider hören und lesen sie aber sehr wohl, nämlich das, was von AFD und social media Kanälen kommt.
Angelika Canders

Vielen dank fuer ihren kommentar, – nur ist er leider etwas wohlweil. natürlich ist es die aufgabe des ÖRR die breite meinungsvielfalt unserer gesellschaft abzubilden, gerne auch kritisch, aber bitte auch aktuell!! Wo war die darstellung der ‚anderen‘ meinung 2015 bei fr merkels solitärer flüchtlingsentscheidung? Wo war die krit. auseinandersetzung mit den in vielen teilen hanebüchenen coronaregeln? Wo das hinterfragen der ampel – enthusiasten bei der sog energiewende? – und nicht zu letzt wo bitte die suche nach einer evtl. auch anderen lösung des ukraine-konflikts? all dies immer nur – und wenn überhaupt- nachträglich & damit aus „ sicherer“!entfernung ( vielleicht) zu tun, reicht eben nicht & fuehrt zu der unglaubwürdigkeit in vielen teilen der bevölkerung, die sie jetzt beklagen! Mehr mut jetzt, bitte!
P. Roetzel

Mein herzlicher Dank an Herrn Brandenburger. Ich hoffe, dies ist ein Anfang. Ein früherer Bundespräsident forderte, dass ein Ruck durch Deutschland gehen müsse. Ich stimme Herrn Brandenburger in vielen Punkten zu, möchte jedoch das eine oder andere ergänzen. Im Artikel 20 Abs. 2 des Grundgesetzes steht, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgehen und was mit Volk gemeint ist. Dies berücksichtigen meiner Meinung nach weder Politik noch Medien. Sie halten es umgekehrt und lehren das Volk, was richtig ist. Wer würde sich heute noch als „(Erster) Diener des Staates“ sehen? Dem setzt der Sprecher der französischen Regierung mit der Bemerkung, dass die Regierung ein bestimmtes Frankreich wolle, die Krone auf. Vermutlich hat er zu viel Bertolt Brecht gelesen, der seinem Gedicht „Die Lösung“ vorschlägt, dass die Regierung sich ein neues Volk wählen möge. Doch zurück zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Zusammensetzung der Beschäftigten scheint alles andere als divers zu sein. Wie viele haben eine naturwissenschaftliche oder technische Ausbildung? Wie hoch ist der Anteil der Akademiker?
Wie wäre die Zusammensetzung des deutschen Bundestages, wenn nur Sie wählen dürften? Wie viele von Ihnen wählen CDU oder AfD. Der in den 1960er Jahren begonnene Marsch durch die Institutionen scheint erfolgreich gewesen zu sein. Doch es könnte ein Pyrrhussieg werden. Die Menschen, die ihre Meinung in kleinster Weise abgebildet sehen und sich von Ihnen abwenden, müssen trotzdem ihren monatlichen Rundfunkbeitrag entrichten, werden also regelmäßig dann erinnert (sofern sie ihre Kontoauszüge überprüfen). Viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen scheinen sich in der Rolle der Lehrmeister der Nation zu gefallen. Ich finde immer seltener eine neutrale Berichterstattung. Die meisten Texte sind wertend. Personen und Organisationen, die nicht ins eigene Weltbild passen, werden gern mit dem Wort „sogenannt“ tituliert. Ich empfinde das als abwertend. Menschen, die die Interessen der Industrie vertreten, sind Lobbyisten (böse), Mitglieder von Greenpeace Aktivisten (gut), obwohl sie doch das Gleiche tun, Interessen vertreten. Der ehemalige und vielleicht zukünftige Präsident der USA, Herr Trump, kommt nachweislich in der deutschen Presse besonders schlecht weg. Was soll das? Haben wir keine eigenen Probleme? Der Wandel der Berichterstattung zur Meinungsmache (ich bitte um Entschuldigung, mir fällt gerade kein anderes Wort ein) könnte letztendlich die Pressefreiheit gefährden, weil die Presse einseitig Interessen vertritt, was sie nicht tun soll, beziehungsweise nicht darf.
Medien und Politik verbindet das zwanghafte Bestreben, die AfD zu verhindern. Das führt zu Koalitionen, die nur dieses eine Ziel gemeinsam haben. Da darf man sich nicht über Stillstand wundern, der immer mehr Menschen in das Lager der Frustrierten treibt. Und noch einmal zur Erinnerung: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus! Dieser Absatz richtet sich zugegebenermaßen vor allem an die Politik, aber Rundfunk und Presse tragen ihren Teil dazu bei, indem sie diesen Trend sehr wohlwollend begleiten. Ich kann mir einen Kommentar zur unterschiedlichen Bezahlung der Geschlechter nicht verkneifen. Die Lücke liegt zurzeit bei 18%, von denen 12% durch die bei Frauen höhere Teilzeitquote begründet sind. Berücksichtigen wir dann noch, dass Frauen häufiger als Männer in den, verglichen mit Industrie und Handwerk, schlechter sozialen Berufen arbeiten, bleibt von der Lücke nicht mehr viel übrig. Zum Schluss noch eine Werbung in eigener Sache, wie sie in den Freitagstalkshows, zu denen ich nie eingeladen werde, üblich ist. Falls Sie Interesse an einer abweichenden Meinung haben, ich helfe gern.
Dirk Hoppe

Vielen Dank für Ihren Mut zu diesem selbstkritischen, offenen und klugen Artikel.
Thomas Schwerdtner

Die Existenzberechtigung der Öffentlich-Rechtlichen wäre, es „die Vielfalt der bestehenden Meinungen zum Ausdruck zu bringen“. Der Zwangsbeitrag ist jedenfalls nicht durch Krimis und alberne Spielshows zu rechtfertigen. Nach deren eigenen Untersuchungen sind die allermeisten Menschen in den Redaktionen von TV und Presse „links-grün“ sozialisiert. Was ja an sich nichts Schlechtes ist. Einen schlechten Job machen sie in meinen Augen schon, wenn andere Auffassungen als ihre eigenen unterdrückt und letztlich sogar diskreditiert werden, wenn z.B. Gegner von Coronamaßnamen als Coronaleugner und Warner vor unkontrollierter Zuwanderung als Aluhutträger oder Nazis bezeichnet werden. Stefan Brandenburger ermahnt seine Kollegen richtigerweise zu mehr Vielfalt in der Berichterstattung. Vor allem damit die AFD durch die Unterschlagung von Themen nicht profitiert. Dabei ist es eine Selbstverständlichkeit, vor einer Entscheidung/Beurteilung alle Seiten zu hören. Das war schon bei den alten Griechen Usus. Heute heißt es, die abweichende Meinung spalte Gesellschaft, Partei oder Nato… Was halten diejenigen davon, die sich von diesem Gesinnungsjournalismus ausgegrenzt und bevormundet fühlen? Ewa die Hälfte der Deutschen glaubt, öffentlich nicht alles sagen zu können (Brandenburger nennt 67%). Der Philosoph Precht und der Soziologe Walser haben dieses Phänomen benannt und bei Lanz diskutiert. Die anwesenden Journalisten taten dies naturgemäß als völlig gegenstandsloses Bauchgefühl ab. Tatsächlich wird ja hier niemand wegen einer abweichenden Meinung eingesperrt. Zuletzt hat sich Precht zu einem Beruf geäußert, der Christen (und Muslimen) im Mittelalter untersagt war. Anstatt zunächst den Inhalt des Gesagten zu widerlegen, wurde es als Antisemitismus ausgelegt. Da wurde auch nicht nachgefragt, wie es gemeint war. Das Urteil ist gefallen. Es wird in Zukunft nicht leicht für ihn werden, wenn er schon in der FAS vom24.3.24 S.28 als Pseudophilosoph bezeichnet wird. Die Meinungsvielfalt ist ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Wenn wir sie unterdrücken, sind wir es selbst, die die Demokratie schwächen.
Michael Bodesheimer

Wir alle kennen Diskussionen, in denen man durch Argumente plötzlich zum Täter wird und statt Gegenargumente nur zeitgeistige Ablehnung („das geht gar nicht“ etc.) erntet. Die ist ein Zurück in die selbstverschuldete Unmündigkeit und somit kulturhistorisch im eigentlichen Sinne reaktionär. Seriöse Medien werden nur überleben, wenn sie dem Social Media Empörungsgewitter mit argumentgetriebener und darin schrankenloser Vielfalt begegnen. Sonst enden wir in einer identitär-moralisch-ständischen Gedankenwelt: im Gestern.
Boris Bätge

Herr Brandenburger, einer der hinterfragenden Horizonterweiterer mit moralischem Kompass – contra Boulevard und Scheuklappendenke (Aufregerthemen-Animation, Aktionismus und impulsives Gebaren für große, spätpubertäre Kinder). Alle Achtung! Dass die Resultate nie umfassend befriedigend sind, Perfektion ewig Wunsch bleibt, liegt neben der Natur an sich auch an unserer Ich-Bezogenheit, die sich schwer tut mit Zulassen anderer Meinungen und Gepflogenheiten. Bei aller Weltläufigkeit schließen auch Journalisten zuerst von sich auf andere, wie auch mitunter Helfende in übereifriger Hingabe. Vor lauter Wirkungswillen verlieren wir allesamt die Ur-Sachen aus dem Blick – bis hin zu völkerverstörender, eurozentrischer Deutsch-Besserwisserei. Dieses Verschlimmbessern im „Machet euch die Erde untertan“-Dünkel mag gut gemeint sein…. So wackelt oft der Schwanz mit dem Hund (siehe unsere politischen Eliten). Auch das Pferd wiehert irritiert, zäumen wir es vom Schwanz her auf. Bleiben wir im Bildvergleich bei den Tieren, sollte uns die Kuh nebst dem Bauern und seinem Gesinde als eine der Grundlagen unserer Kreislaufwirtschaft heilig sein: Froh über das Angebot des Händlers, den Transport der Milchkannen zum Markt und den Verkauf delegiert zu haben, verzichtet er auf höheren Ertrag. Vom Meier angefangen reicht die endlose Kette der Absahner. Die Rest-Lorke wird zu Quarkprodukten oder landet beim Quacksalber. Auch der Strauchdieb hat Hunger, was wiederum die Anwesenheit des Gendarmen rechtfertigt.
So blühen Handel und Gewerbe, expandiert die Stadt, floriert das Leben – und nur wenige Nutznießer dieser wundersamen Produkt/Geldvermehrung sagen dem Ursprungs-Erzeuger Danke, der als Erster gegenüber den Letzten der Dumme ist. „…Am Golde hängt doch alles“, nutzen die Mundwerk-Karriere-Schlauen exzessiv – mit dem Resultat allgemeiner Verblödung über Glaubens-Wissen, als suchte das Gros von uns ihr Heil in mittelalterlicher Mündel-Abhängigkeit. Seuchenähnlich lassen wir uns infizieren vom Milieu der Wichtigtuer, nebst (politisch konnotiert), parteilicher Freund/Feind-Denke in einer Emotionalisierung wie am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Unser Frieden appellierender Nachbar (Der ist ja von Vorgestern!) wird zum altbösen Feind wie der Maskenverweigerer (seine Beweggründe sind per se verachtenswert) während der Epidemie, während die wenigen besonnenen Kanzelredner wie Kassandra froh sind, nur mundtot gemacht zu werden. Aber wir sind ja Gutmenschen: Öffnen scheinheilig unsere Geldbeutel für symbolisch-plakative Almosen, die Adressaten (Migranten) erniedrigend, und richtend zugleich, wie auch bei aktionistischen Protesten nicht der Elefant, sondern das Porzellan am falschen Ort ist. In diesem Klima der Rechtgläubigkeit sind Sie, Herr Brandenburg mit ihrem Metier-Anspruch (wie die meisten Regionalsender) wie ein ruhend-rührig-wägender Pol inmitten der Eiferer! Herzlichen Dank für diesen Einblick in ihr Alltagsgetriebe!
Andreas Weng

Sehr überzeugend, wie Stefan Brandenburg sein Votum für eine deutlich größere Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk herleitet. Die Erinnerung an den verfassungsrechtlich geschärften Auftrag ist hilfreich, wie auch das gute Beispiel, unter den Bedingungen wachsender Meinungskonvergenz tatsächlich die Vielfalt in den Medien nachhaltig zu fördern. Offenbar gibt es unter den Journalisten ein starkes Bedürfnis nach Anpassung, das zu dem beschriebenen Ähnlichwerden führt. In der großen Unübersichtlichkeit suchen wir Sicherheit in der Herde. So entsteht eine scholastische Welt mit anschlussfähigen Trends und Mustern, die eingeübt werden und durch wechselseitige Bestätigung die Illusion von Sicherheit und Souveränität erzeugen. Die Wirkmechanismen: Bedürfnis nach Anerkennung, Spiegelneuronen, Glückshormone, Karriere. Die Herde lebt vom Einschließen und Ausschließen zugleich. Kein Wunder, wenn diejenigen nicht erreicht werden, die ausgeschlossen sind, z.B. weil sie in einer Lebenswirklichkeit leben, die von den Eingeschlossenen ignoriert wird. Die Ausgeschlossenen sammeln sich daher in eigenen selbstreferenziellen Herden, um sich dort sicher und aufgehoben zu fühlen. Konträr zum Anerkennungsbedürfnis gibt es in jedem Menschen das Bedürfnis nach Autonomie, das gestärkt werden sollte. Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Mehr Autonomie führt zu mehr Subjektivität, die mehr Objektivität erlaubt. Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Reinhard Koine

Ähnlichkeit ist nicht das Problem, wenn man die Freiheit mehr liebt, als das Rechthaber! Es ist ein mühsamer Versuch von Stefan Brandenburg, seinem Handwerk etwas Beinfreiheit zu verschaffen. Das fängt da an, wo man das schönste Wort des Universums vermeidet und FREIHEIT durch „Perspektivenvielfalt“ ersetzt. Und Wissenschaft ist immer zugleich Antwort und Infragestellung dieser Antwort. Nichts ist „eindeutig“ auch im Klimawandel. Wo wären wir im letzten Winter mit unserer Klimapolitik gelandet, wenn es ein alter, harter, kalter Winter gewesen wäre. Heute funktioniert Vieles nur noch, weil es keine kalten, schneereichen Winter mehr gibt. Und alle wichtigen Themen werden zur Machtentfaltung ge-und missbraucht. Und hier ist sich alle Politik gleich. Gute und böse ist was für den Schulhof. Guter Journalismus ist davon denkbar weit entfernt. Um es kurz zu machen. Hans Joachim Friedrichs: „Ein Journalist macht sich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer guten.“  Dieser Satz wird heute bewusst als Beliebigkeit denunziert, weil die Freiheit allen Rechthabern die Tour vermasselt. Gut und Böse, Richtig und Falsch tauschen alle paar Jahre die Plätze und schlagen sich dabei den Bauch voll. Nur die Freiheit hält die Tür zur Gerechtigkeit offen. Nur die Freiheit wagt etwas und ist jedes Opfer wert. Was Friedrichs sagt, ist eine Liebeserklärung, die Opportunisten und Karrieristen (beiderlei Geschlechts) fürchten und hassen.
Fred Klemm

Ob KI oder Redaktionskonferenz, es gilt der Satz: Der Input bestimmt den Output. Stefan Brandenburg verortet das Problem mangelnder Diversität im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dort, wo faktisch die Lebenswege der Journalisten gleichgeschaltet worden sind. Ein übles Wort für eine noch weit üblere Sache. Aber bei uns im Norden gilt eine Erkenntnis: Der Fisch stinkt stets vom Kopfe her. Offenbar haben die Chefredakteure der Sendeanstalten über Jahrzehnte dafür gesorgt, daß sich die „Herkunft, Ausbildung, Wohnort und Lebensweise“ ihrer Mitarbeiter auf fatale Weise ähnelten, wie Brandenburg beklagt. Man muss befürchten, dass die gesellschaftliche Auseinandersetzung maximal im Rundfunkrat geführt wurde, dort, wo qua Gesetz eine Art Diversität vorgeschrieben ist. Hatte der RRat sich erstmal auf einen Chefredakteur geeinigt, war die Debatte wohl beendet. Dessen Führungsriege pflegte fortan bei ihrer Mitarbeiterauswahl die Harmonie, die angepasste Langeweile. Chapeau Stefan Brandenburg! Das wird Haue geben nach Ostern.
Lars Meinhardt

„Herr Brandenburg, in einem Wort: Bravo. Ihre Sichtweise auf Debattenkultur macht Mut und Lust auf öffentlich-rechtliche Berichterstattung.“
Martin Gimnich

Eine über- überfällige Selbstkritik! Auch DIE ZEIT sollte darauf achten, ein wirklich breites Meinungsspektrum abzubilden, denn eine Demokratie darf nicht zur ‚Diktatur der politischen Mitte‘ mutieren.
Thomas Cirsovius

Als ehemaliger Journalist und regelmäßiger Zuschauer der Öffentlich-Rechtlichen kann ich Herrn Brandenburg nur danken und zustimmen. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat einmal gesagt: „Wir müssen dahin, wo es anstrengend ist; weil nur da, wo es anstrengend ist, da ist das Leben.“ Das gilt erst recht für Journalistinnen und Journalisten, und in besonderer Weise für die Öffentlich-Rechtlichen, die auf öffentliche Legitimation angewiesen sind. Wer Lebensrealitäten abbilden will, muss Vielfalt, Widerspruch und Streit zulassen und aushalten – in der eigenen Redaktion und im eigenen Denken. Es darf nicht um Rechthaberei gehen, sondern darum, dazuzulernen und bereit zu sein, die Realität in ihren Grautönen abzubilden. Wer nur seine eigene Sicht auf die Welt vermitteln will, ist kein Journalist, sondern Aktivist. In einem möchte ich Herrn Brandenburg widersprechen. Er möchte nicht von „Verschweigen“ bestimmter Themen sprechen, sondern lieber von einem „Nicht-so-genau-Hinsehen“. Nennen wir das Kind doch beim Namen: Wer als Journalist „nicht so genau hinsieht“ (das ist ja etwas Absichtsvolles), der verschweigt. Das bestätigt der Autor ja indirekt selbst, wenn er von Redaktionsrunden schreibt, in denen diskutiert wird, ob über bestimmte Themen berichtet werden sollte, wenn sie denn möglicherweise der AfD in die Karten spielen. Mein Rat wäre: Journalisten sollten weniger über mögliche Folgen im politischen Raum diskutieren, sondern ihre Arbeit machen. Oder wie Herr Brandenburg ja richtigerweise selbst fordert: nüchtern auf das blicken, was schiefläuft. Da draußen ist eine mündige Gesellschaft, die sich selbst ein Bild machen kann. Menschen sind tatsächlich in der Lage, bestimmte Zustände zu kritisieren (eine steigende Zahl von Vergewaltigungen mit (überproportionaler) Beteiligung ausländischer Gruppen) – und gleichzeitig die Einwanderungsgesellschaft für richtig und die Positionen der AfD für falsch (schlecht/schlimm) zu halten. Und selbst wenn sich Zuschauer durch eine Berichterstattung in den Positionen der AfD bestätigt sähen: Bürger-Erziehung ist nicht Aufgabe von Journalisten.
Dennis Sohner

Es war einer der positiven Momente der Osterzeit, diesen Artikel zu lesen. Als Verfechter der Öffentlich-Rechtlichen und Fan eines guten Journalismus habe ich diesen Artikel als Zeichen der Selbstheilungskräfte unserer Medien gesehen. Es passt zu meinen Erfahrungen bei unserer lokalen Großdemonstration für die Demokratie. Da sind. Allzu viele unterwegs, für die die CDU schon nicht mehr zur politischen Mitte gehört. Ein wesentlicher Teil unseres demokratischen Spektrums wird ausgeblendet. Insofern: Nur Mut. Guter Journalismus und die Öffentlich-Rechtlichen sind wichtige Stützen unserer Demokratie.
Bernhard Busch

Der Artikel hebt sich wohltuend vom üblichen politischen „Schönschwätz“ ab: Wer meint, dank „guter Absichten“ mit teils undurchdachten Maßnahmen etwas Segensreiches zu tun, irrt sich und muss sich Kritik gefallen lassen – egal, in welcher Partei. Und das „moralisch überlegene Gehabe“ (von bspw. FFF oder LG) ohne jegliche Kenntnis der Problem-Komplexität und der Schwierigkeit der Aufgabe ist etwas „infantil“, was auch zu kritisieren wäre. Was sonst wäre denn Demokratie?
Wolfgang Ströbele

Mit seinem Beitrag setzt Herrn Brandenburgs Selbstkritik an der richtigen Stelle an. Nur sein Personal ist leider nicht divers, sondern meinungshomogen. Das Problem ist intern nicht dadurch zu lösen, dass einer verdonnert wird, den Part des Bösen zu übernehmen oder einen Bürgerrat als Feigenblatt zu installieren. Wenn Herr Brandenburg es wirklich ernst meint, sollte er einen Headhunter auf die Suche nach beispielsweise einem Kritiker der Identitätspolitik ansetzen. Ich hätte da schon einen Vorschlag: John McWhorther, der für das Zeit-Magazin (27.1.2022, „Mit dem, was ich sage, gelte ich als Verräter“) interviewt wurde. Er wäre in der Lage auf Augenhöhe in Redaktionskonferenzen mit den Kollegen zu diskutieren. Es würde nie mehr langweilig werden und Diversität würde beim ÖRR zu einer thematischen Dimension werden.
Hans-Günther Vieweg

Im politischen Bereich gebe ich Ihnen Recht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, die Vielfalt der bestehenden Meinungen in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit abzubilden. Über einzelne Beiträge lässt sich zwar trefflich streiten, aber dies gehört eben zu den politischen Themen.  Aber nun besteht der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur aus politischen Sendungen, sondern auch aus Unterhaltung, Informationssendungen, Sport, Filmen, Serien etc., und hier verletzt er vielfach den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Anspruch und nähert sich nicht nur den privaten Sendern an, sondern kopiert sie.  Ich habe den Eindruck, dass der Sport im Bereich der Unterhaltung alle anderen Formen dominiert, weniger was die Anzahl der Sportsendungen betrifft – obwohl es manchmal ziemlich nervt, wenn den ganzen Tag Sport gesendet wird -, sondern wenn eine aktuelle Sportsendung, die für wichtig erachtet wird, alle anderen Themen aus dem aktuellen Programm katapultiert. Ich verstehe dies noch in gewisser Weise, wenn ein Sender ein aktuelles Sportereignis ins Programm schiebt, aber kein Verständnis habe ich dafür, wenn auch aus diesem Grund – etwa bei einer Übertragung in der ARD – auch das ZDF sein Programm ändert. So geschehen bei der Handball-Europameisterschaft, als die ARD an zwei Abenden Spiele mit deutscher Beteiligung übertrug und das ZDF zwei Wiederholungen brachte. Von Kontrastprogramm, Meinungsvielfalt keine Rede. Die Quote, neuhochdeutsch Zuschauerverhalten dominiert, obwohl ja gerade der Rundfunkbeitrag gezahlt wird, damit sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht so etwa wie Quote orientieren muss.
Was ich aber noch als wesentlich schlimmer erachte ist das Verhalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Spielfilmen, Fernsehspielen, Serien, etc.: Es wird der Abspann einfach nicht gesendet – noch bilden hier ARTE und die Regionalprogramme wie Ihr Sender WDR eine Ausnahme. Das angebliche Kulturprogramm 3SAT ist inzwischen zu den Kulturbanausen übergeschwenkt und kürzt auch. Ich habe mich bei ARD, ZDF und 3SAT beschwert. Als Antwort erhielt ich – im Abstand von mehreren Jahren – folgende Antworten: Um zu gewährleisten, dass die Zuschauer weiterhin bei dem Sender bleiben, könne kein Abspann gesendet werden. Andere Antwort: Das Zuschauerverhalten lasse den Abspann nicht zu. Wo bleibt da die Kultur.  Nun gebe ich zu, dass vielleicht lediglich Filmfans an den Informationen interessiert sind, die im Abspann mitgeteilt werden, aber was ist etwa bei Fußballspielen, die in voller Länge übertragen werden. Viele Zuschauer interessieren sich nur für das eigentliche Spiel und schalten die anschließende Analyse von sogenannten Experten ab. Müsste dann der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auch diese Experten abschalten?  ARD und ZDF halten mir nicht nur Informationen vor, sondern sie zerstören auch Kultur: Für den Abspann wird vielfach neue Musik komponiert oder ältere Musiktitel in neuen Versionen gebracht. Dies entgeht mir ebenfalls. Zudem werden so auch die Filmschaffenden diskriminiert: Es gab einmal in Hollywood Streiks, damit alle am Film beteiligten Personen im Abspann aufgeführt werden. Diese Personen werden nun vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskriminiert. Wo ist da Ihre größtmögliche Breite und Vollständigkeit?
Bei Serien ist es heute üblich, dass manchmal mehrere Folgen hintereinander gesendet werden. Ohne den Abspann erfahre ich nicht, wer neben den Seriendarstellern und Seriendarstellerinnen überhaupt mitgewirkt hat. Manchmal endet eine Folge auch mit einem Cliffhanger. Dieser dramaturgische Effekt wird aber zerstört, wenn ohne Abspann die nächste Folge gesendet wird.  Es gab einmal eine Zeit, in der ARD und ZDF noch wussten, was Kultur war: Einige Spielfilme wurden im Original gesendet (meist bei den dritten Programmen) oder sogar restauriert, wenn sie in deutschen Kinos nur in gekürzter Form gezeigt wurden. Tempi passati.  Der öffentlich-rechtliche Rundfunk möchte mehr Geld haben: Aber er verschwendet Geld, wenn er den Abspann nicht sendet. Zumindest ein Teil der Erhöhungen wäre nicht notwendig, wenn der Abspann gesendet würde.  Wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur noch minimal von privaten Sendern unterscheidet, welche Daseinsberechtigung hat er dann noch. Gute Sendungen in der Politik reichen nicht aus, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in anderen Bereichen die vom Bundesverfassungsgericht geforderte größtmögliche Breite und Vollständigkeit jeden Tag ignoriert.
Franz-Josef Kos


Leserbriefe zu „Zu laut. Und zu leise“ von Jana Simon

Schon bei der Documenta in Kassel ein Totalversagen, sodann spendete sie erst einmal Applaus auf der Berlinale, bis ein Vertrauter ihr offenbar Orientierung verschaffte. Frau Roth ist bisher nicht durch wegweisende, kluge Äußerungen aufgefallen. Ihre Multikultipassion mündete einst im Vorwurf, Spracherwerb für Flüchtlinge sei diskriminierend. Mit so wenig Gespür auf sensiblem Terrain eine krasse Fehlbesetzung.
Christoph Schönberger

Die Autorin beschreibt das Dilemma, in dem sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth befindet in einer für mich beklemmenden Weise: Denn wie diese, werde ich – der ich zeitlebens die historische Schuld Deutschlands gegenüber den Juden anerkannt habe und für das Recht der Juden auf einen eigenen Staat eingetreten bin – in letzter Zeit öfter als „Antisemit“ bezeichnet. Und dies, weil ich nicht bereit bin, der Regierung Netanjahu einen Blankoscheck auszustellen hinsichtlich ihres Vorgehens gegenüber den Palästinensern in Gaza und im Westjordanland. Der ungeheuerliche – und von der israelischen Regierung fahrlässig zugelassene – Terrorakt der Hamas vom 7. Oktober kann und darf m. E. keine Rechtfertigung sein für die grausame Auslöschung bzw. Vertreibung zig-tausender unschuldiger Frauen, Kinder und alter Menschen! „Nie wieder“ bedeutet für mich nicht zuletzt auch die Verpflichtung, derartige staatlich angeordnete bzw. zugelassene Orgien von Hass und Gewalt an den Pranger zu stellen. Ohne als „Antisemit“ beschimpft zu werden, muss erlaubt sein, die Frage zu stellen, „Welches Israel wollen wir unterstützen?“ Das säkulare, liberal-demokratische Israel der Gründerjahre – oder den religiös-ethnischen Teil der jüdischen Bevölkerung Israels, der von Groß-Israel träumt und derzeit die Regierung stellt.
Wolfgang Fischer

Lässt sich die Problematik, die da bei Roth bzw. zwischen Roth und Biller besteht oder zu bestehen scheint, vielleicht durch die Anwendung des von dem Philosophen Ernst Tugendhat u. a. gemachten Unterscheidung zwischen partikularer und universeller Ethik bzw. Moral lösen? Kurz: Aus einer universellen Moral heraus ist es potentiell möglich, Ereignisse ohne Relativierung nebeneinander zu stellen und zu bewerten. Wie sind die Haltungen der beiden „Kontrahenten“ vor dem Hintergrund dieses Ansatzes zu beurteilen, wozu vielleicht eine „Kausalitätsbetrachtung“ hilfreich ist. Sehr vereinfacht würde dies bedeuten, dass der 7.10. der Ausgangspunkt ist (universalmoralisch sind die Vorkommnisse eindeutig zu verurteilen). Die Militäraktion wäre dann die Folge davon (universalmoralisch eindeutig gerechtfertigt). Aber wann überschreitet diese Aktion die Grenze des universalmoralisch Vertretbaren (ab da eindeutig abzulehnen)? Biller verlangt Eineindeutigkeit, kein Einerseits-andererseits, wobei ich davon ausgehe, dass dieses Verhalten Roths nicht dazu dient, sich bedeckt zu halten, was ziemlich nerven kann, sondern dass sie wirklich versucht zu differenzieren, was aber, wie aufgezeigt, gar nicht nötig ist. Daraus ergeben sich drei Möglichkeiten: 1. Roth hält sich bedeckt (abzulehnen, weil das schlicht nicht angezeigt ist. Die Situation erfordert eine eindeutige Positionierung), 2. Roth macht ihren universalmoralischen Standpunkt nicht hinreichend deutlich (was zu ändern wäre) und 3. Biller hat den universalmoralischen Standpunkt nicht oder nicht mehr und ist damit partikularmoralisch. Dann wäre es sein zu lösendes Problem!
Gerd-Rüdiger Erdmann

Ich glaube Peter Gauweiler aufs Wort, dass Claudia Roth sich mit jeder Faser ihres Herzens für die öffentliche Sache nützlich machen will. Genauso stimmt, dass sie eine Reizfigur ist, mir geht es da nicht anders, mal finde ich sie gut, mal nicht. Sie ist keine Antisemitin, und dass Antisemitismus in diesem Land unmissverständlich benannt und bekämpft werden muss, dürfte auch ihr klar sein. Nur wollen ihr (bisher) die ganz klaren Worte hierzu nicht über die Lippen kommen. Ein großer Fehler!  Da muss sie sich nicht wundern, wenn sie von jungen Juden ausgebuht wird, weil es ihr nicht gelingt, sich zu positionieren, und (zugegebenermaßen unhöflich) auf der Leipziger Buchmesse mehr oder weniger links liegen gelassen wird. Für mich ist es vollkommen unverständlich, wenn Claudia Roth in den Ardeatinischen Höhlen zum immer ehrenwerten Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Muslimfeindlichkeit aufruft, wo es doch in diesem Moment ganz allein um das Gedenken der von den Nazis ermordeten Menschen gehen muss. Die Begriffe Antisemitismus, Rassismus und Muslimfeindlichkeit werden dann zu Floskeln und bieten den trauernden Menschen ohnehin keinen Trost. Sich gegen Antisemitismus auszusprechen, schließt nicht aus, sich genauso gegen Muslimfeindlichkeit zu wenden. Und auch bei dem Versuch, es allen recht zu machen, muss Gerechtigkeit die Hauptrolle spielen. Claudia Roth muss beide Seiten sehen und als Kulturministerin sollte sie genug Standing haben, das Richtige zu tun und die richtigen Worte zu finden, wenn es nötig ist. Ganz abgesehen davon, wem dieses passt oder auch nicht, genug Herz hat sie dazu!
Regina Stock

Die Überschrift bringt eine gewisse Tragikomik auf den Punkt. Die innere Begeisterung der Frau Roth, die oft genug auf ihre Zuhörerschaft herabprasselte, aber bisweilen einem schmerzhaft unvollständigen Bild entsprang, steht in scharfem Kontrast zum jetzigen hilflos imponierenden Bemühen, mit bedachten, ausgewogenen Worten allen gerecht zu werden. Das „einerseits andererseits“ wird in diesen Zeiten wohl immer verpönter. Doch jeder, der eine klare Einteilung in Gut und Böse fordert, sollte sich über die Konsequenzen im Klaren sein, die eine zunehmende Polarisierung mit sich bringen kann.
Christian Voll

Nein, die von mir eigentlich sehr geschätzte Claudia Roth ist nach meiner festen Überzeugung in der Tat nicht antisemitisch. Dennoch ist mancherlei Tun oder Unterlassen dazu geeignet, Zweifel daran aufkommen zu lassen, ob sie wirklich mit Herzblut gegen den israelbezogenen Antisemitismus, der hierzulande nach dem 7. Oktober leider in vielen Bereichen, insbesondere in der Kulturszne, fröhliche Urständ‘ feiert, vorgegangen ist. In der Reportage von Jana Simon ist ja beschrieben, wie Claudia Roth insbesondere in den Ardeatinischen Höhlen regelrecht gelitten hat, wenn es um die richtige Darstellung und die richtigen Worte gegangen ist. Claudia Roth war wohl ratlos, wie sie all jenen gerecht werden konnte, die bis heute körperlich und seelisch unter den Naziverbrechen gelitten haben und heute noch leiden. Es liegt mir fern, Claudia Roth Ratschläge zu erteilen, aber, um es mit Kanzler Olaf Scholz zu sagen, nach dem Katastrophe vom 7. Oktober des letzten Jahres kann es für deutsche Demokraten nur einen Platz geben, nämlich den an der Seite Israels. Was die Hamas betrifft, so zeigt diese insbesondere im Umgang mit den Menschen im Gazastreifen, wie rücksichtslos, skrupellos und religiös verbohrt diese Terrororganisation ist. Es ist unendlich schwer, die richtigen Worte zu finden. Aber trotz aller Kritik an der israelischen Siedlungspolitik und Benjamin Netanjahu, die natürlich ihre Berechtigung hat, sollte die Staatsräson der Bundesrepublik, wie es jüngst der Bundesjustizminister Marco Buschmann gefordert hat, auf die Verpflichtung ausgeweitet werden, auch aktiv für das Existenzrecht Israels einzutreten. Es stimmt, dass Claudia Roth kein Risiko eingehen will, denn sie will alles richtig machen, was leider derzeit nicht möglich ist. Doch das Bekenntnis der Solidarität mit Israel und dessen Existenzrecht sollte die Kulturstaatsministerin öfter artikulieren als bisher geschehen.
Manfred Kirsch

Wenn Frau Roth verbittert, dann zu Recht. Wenn der jüdische Autor Maxim Biller über Sie urteilt, dass er (wohl stellvertretend für die deutschen Juden) nicht das Gefühl habe, er liege Frau Roth nicht am Herzen, dann tendiert er genauso wie der Deutsche ZdJ mit einer abwegigen Forderung, dass Alles, was deutsche Juden von den restlichen Deutschen fordern, hier Gesetz werden müsse.   Liest man dann den Bericht über die Befindlichkeiten vieler jüdischen Israelis über die Palästinenser im Westjordanland und Gaza (offensichtlich sind alle jene potenzielle Judenmörder), dann muss man sich fragen, was wohl die israelischen Militärs und rechtsradikalen Siedler für die muslimischen Bewohner der dortigen Enklaven täglich sind.   Es ist von den Medien (auch ZEIT) und Politik, wirklich feige und dumm, dieses jahrzehntelang hochgekochte deutsche Antisemitismusthema nicht beim wirklichen Namen zu nennen. Es geht, was AfD und einige Linke und Ewiggestrige, natürlich auch ein Teil der Muslime denken, tatsächlich um eine Ablehnung der Menschen jüdischen Glaubens. Diese Leute sind wirkliche Antisemiten. Worum es dem gar nicht so großen Anteil der in Deutschland politisch agierenden Juden jedoch geht, jeden aber auch jeden, der die Politik Israels gegenüber einer Nicht-Lösung mit den Palästinensern zu kritisieren wagt, als Antisemit abzustempeln, ist eine absolut inakzeptable Unzumutbarkeit.
Tatsächlich verlangen schließen die Forderungen dieser extremen, jüdischen Mitbürger nicht nur (verständlicherweise) ein gutes Auskommen ALLER Bewohner Deutschlands untereinander, sondern sie nehmen sich unverzeihlich die Freiheit heraus, den sich in Israel wieder ausbreitenden Zionismus (im Klartext: Alle Nichtjuden haben Israel zu verlassen), sobald dieser hier auch nur indirekt angesprochen wird, ebenso als Antisemitismus zu brandmarken.   Es ist unglaublich, wie sich die öffentlichen Meinungsmacher bei diesem Affront nicht nur wegducken, sondern auch in das gleiche Horn stoßen. Eigentlich würde ich es WENIGSTENS von einem unabhängigen Journalisten erwarten, hier der Objektivität das Wort zu reden. Aber wenn sogar ein Chefredakteur wie Herr di Lorenzo es vorzieht, hiervor die Augen zuzumachen, und uns alle damit in eine Sackgasse hineinzuloten, dann armes Deutschland und Türauf allen Antidemokraten.
Albrecht Seidel

Vielen Dank für den Artikel „Zu laut. Und zu leise.“ Ich war nach der Lektüre schockiert. Jana Simon kritisiert Claudia Roth nur aufgrund der Tatsache, dass Claudia Roth ihr Mitgefühl für beide Seiten im aktuellen Gaza-Krieg zum Ausdruck gebracht hatte. Der Artikel versucht meiner Meinung nach, mich (und andere) unter Druck zu setzen, in einer schwarz-weiß polarisierten Weise Partei zu ergreifen. Hier gab es keine ausgewogene Darstellung, nur den unausgesprochenen Subtext: „Wenn du nicht für uns bist, dann bist du gegen uns.” Aber das stimmt nicht. Warum darf man nicht gleichzeitig „Empathie für die jüdischen Opfer” … und „Empathie für die Zivilbevölkerung von Gaza“ empfinden?  Gerade die Weigerung, Partei zu ergreifen, und so beide Standpunkte für gültig zu halten, wäre eine kraftvolle mentale Übung, die uns einen Raum „dazwischen” öffnet – einen Raum, in dem neue Möglichkeiten entstehen können. Die bleiben uns verschlossen, solange wir in einem polarisierten Denkmodus feststecken. Da sowohl Juden als auch Palästinenser ein Recht auf ihr eigenes Heimatland haben, müssen wir uns für kreative Lösungen öffnen, bei denen das eine das andere nicht ausschließt.
Alex Maunder

Nach dem SPIEGEL gibt nun also auch noch die ZEIT Frau Roth ausführliche Gelegenheit sich zu rehabilitieren. Es scheint aber noch keinem aufgefallen zu sein, dass auch dieser Versuch am Thema vorbeigeht und daher scheitern muss. Es ist nämlich völlig unerheblich, ob Frau Roth persönlich Antisemitin ist oder nicht (wenngleich es für ihre Judenfeindlichkeit deutliche Hinweise gibt). Das Amt des Kulturstaatsministers ist per definitionem nationalistisch, militaristisch und selbstverständlich auch rassistisch angelegt. Genau aus diesem Grund haben die Alliierten nach der Erfahrung mit Frau Roths Amtsvorgänger Joseph Goebbels auch sehr genau darauf geachtet, dass eine solche Funktion in der alten Westrepublik nicht vorkommen darf. Die Kultushoheit lag nur bei den Ländern, wo sie auch heute immer noch ausschließlich hingehört. Das ist hoffentlich nicht erst seit Documenta und Berlinale jedem klar geworden. Helmut Kohl hat das übrigens alles noch gewusst und auf ein solches Amt wohlweislich verzichtet, auch wenn es ihm nicht immer leicht gefallen sein mag. Sein Nachfolger Gerhard Schröder nahm es mit solchen Dingen hingegen nicht mehr so genau, wie man vermeintlich erst heute weiß, aber auch schon damals genau beobachten konnte. Das Amt muss weg, bevor es von einer AfD-geführten Regierung womöglich mit einem Herrn Höcke besetzt wird.
Fabian Hüther

Fragt sich die Staatsministerin Claudia Roth wirklich ernsthaft, wie sie sich auf antiisraelische Reden bzw. auf antisemitisches Verhalten hätte verhalten sollen? Wenn schon der Bundeskanzler sie nicht entlassen hat, wäre ein Rücktritt das Mindeste gewesen. Frau Roth, die gerne Zivilcourage von anderen verlangt, ist ein schlechtes demokratisches Vorbild.
Rolf Schikorr

Wenn sich Claudia Roth zu einer Reaktion gegenüber rassistischen und antisemitischen Vorfällen entschließt, tut sie dies in beeindruckend starken Worten, denen man nur zustimmen kann. Aber wenn es um die Konsequenzen daraus geht, so bleibt die zur Schau gestellte Empörung folgenlos. Ja, wir haben ein Antisemitismusproblem in unserer Gesellschaft, nicht nur in der Kunstwelt und bei der Berlinale, sondern ganz alltäglich auch in Schulen mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund, denn dort wird deutlich, dass kulturelle Vorurteile und Einstellungen aus Fluchtländern weiterhin ausgelebt werden. Vergeblich wartet man auf Initiativen und Reaktionen der Kultur- und Bildungspolitik, um diesem Phänomen entsprechend zu begegnen und deutlich aufzuzeigen, dass Rassismus und Antisemitismus in Deutschland keinen Platz haben. Man vernachlässigt dieses Problem, das sich ohne Gegenwehr potenzieren wird. Es wäre an der Zeit, dass Frau Roth schnell initiativ wird. Bei der katastrophalen Schließung von Goethe-Instituten, wichtigen kulturellen deutschen Institutionen in Partnerländern wie USA und Frankreich, hat sie zusammen mit Frau Baerbock gezeigt, wie spontan sie reagieren kann.
Rainer E. Wicke

Es wäre sicher besser gewesen, Claudia Roth hätte schon frühzeitig den selbsternannten „Freunden Israels“ öffentlich die Stirn geboten und ihnen klar gemacht, dass es nicht „antisemitisch“ ist, wenn jüdische und/oder israelische Künstler z.B. bei der Berlinale-Abschlussgala Israels völkerrechtswidrige Politik kritisieren, angesichts Zehntausender getöteter Palästinenser ein Waffenstillstand gefordert wird oder sie im Bundestag eine Resolution nicht unterstützt, die – so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages – eindeutig verfassungswidrig ist, weil sie den Boykott eines Landes, der permanent gegen UN-Resolutionen verstößt, Land raubt und zumindest im Westjordanland ein Apartheidsregime betreibt, als „antisemitisch“ zu diskreditieren versucht. Damals war Claudia Roth eine der wenigen Parlamentarier, die politisches Rückgrat bewies! Das muss man ihr hoch anrechnen! Claudia Roth Antisemitismus vorwerfen können nur jene, für die Israel sakrosankt ist und die den Antisemitismusvorwurf bewusst als politische Waffe einsetzen. Diesen Leuten muss man offensiv entgegentreten und sie kritisieren.
Björn Luley

Dass sich der „post“- bzw. „neo“faschistische italienische Kulturminister sich nicht entblödet und an einer Gedenkveranstaltung zu Ehren faschistischer Massakeropfer teilnimmt, halte ich für mindestens erstaunlich, wenn nicht gar skandalös. Aber was tun diese Politkriminellen nicht alles für ihre Karriere …
Thomas Manthey

Als Kulturstaatsministerin der deutschen Regierung hat es Claudia Roth vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte des 20.Jahrhundert nicht leicht, zum Thema Antisemitismus immer zu 100% den richtigen Ton zu treffen. Was die Sache so verkompliziert -speziell für die Deutschen, ist die pausenlose Vermischung oder gar absichtliche Gleichsetzung von Antisemitismus mit der Kritik an Israels Politik. Das sind aber doch 2 sehr verschiedene Paar Schuhe! Als Nachfahren der Deutschen, die unter der Diktatur Hitlers mit dem Makel der Judenvernichtung belastet wurden, gelingt es uns nicht, das Spannungsverhältnis zu den Juden aufzulösen. Aller Wahrscheinlichkeit werden die Juden nie ein normales Verhältnis zu den Deutschen finden und umgekehrt, wir auch nicht zu den Juden. Das ist und bleibt sehr traurig. Nach dem Überfall der palästinensischen Hamas am 7.Oktober letztes Jahr und dem schrecklichen Massaker an 1200 Israelis und 240 nach Gaza entführten Geiseln, griff Israel unter Ministerpräsident Netanjahu die Bewohner des Gaza-Streifen militärisch an, um die Terroristen der Hamas zu vernichten. Das führte inzwischen zu über 20000 Toten der palästinensischen Zivilbevölkerung, ohne dass es Netanjahu gelang, sein propagiertes Ziel, die Vernichtung der Hamas, zu erreichen. Die Zielsetzung Netanjahus war ohnehin absurd und hat wegen der flächendeckenden Vernichtung von Wohngebieten weltweit Proteste ausgelöst. Da liegt der Kern des Problems, auch für Claudia Roth. In dem Artikel der Zeit wird ihr von Maxim Biller vorgeworfen, Eindeutigkeit nicht zu beherrschen. Doch soll hier Eindeutigkeit heißen nur die Leiden Israels zu beklagen und nicht die in Folge des Konflikts entstandenen Leiden der Palästinenser? Die Deutschen haben leider immer noch Angst vor diesem emotionalen Spagat, der für andere Nationen selbstverständlich ist.
Klaus Reisdorf

Die Äußerungen von Frau Roth im Allgemeinen und auch in diesem Artikel halte ich zwar nicht für falsch, aber sie kommen für mein Verständnis ein bisschen zu oft in der Verpackung von Binsenweisheiten daher. Zwei Punkte aus dem Artikel möchte ich erwähnen. 1. Da heißt es: „…es braucht Empathie mit der Zivilbevölkerung in Gaza, die massiv leidet unter der humanitären Katastrophe dort.“ Mein Kommentar: Die erwähnten Zustände sind schon sehr lange als humanitäre Katastrophe zu bezeichnen. Und nicht nur dort, sondern überall, wo mit falschen, weil reduzierten und exklusiv selbstbezüglichen Identitäten versucht wird, globale Politik zu machen. 2. Fast alles, was aktuell zum Thema Judentum gesagt und geschrieben wird, geht an den eigentlichen Herausforderungen vorbei. Kurz gesagt: Dezidiert religiöse und nationalistische Juden berufen sich auf historische Ereignisse ihrer Gründungszeit, die, so wie in der Thora beschrieben und bis heute rituell fortgeführt werden, erstens nicht stattgefunden haben und zweitens deren Protagonisten in ihrer selbstgewählten Blase gefangen halten. Oder anders gesagt: Diese Art traditionsverpflichteter Juden haben von einer offen über sie selbst hinausweisenden Bedeutung des Judentums keine Ahnung. Da sollte erstmal was geklärt werden, dann kann man weiterreden.
Christoph Müller-Luckwald

Danke für den Einblick in die aktuelle Problematik um Frau Roth. Es ist aus meiner Sicht schon ein starkes Stück Frau Roth antisemitische Tendenzen vorzuwerfen. Ich denke, es ist ihr eher hoch anzurechnen, dass sie sich nicht verbiegen lässt. Gerade was die Politik Israels betrifft, gibt es weder schwarz noch weiß. Vielmehr sind es die vielen Grautöne, die jeder aufrichtig denkende Politiker wahrnehmen wird. „Uneingeschränkte Eindeutigkeit fordert der Zentralrat der Juden von ihr“, wie Sie schreiben. Vielleicht sollte man vom Zentralrat der Juden umgekehrt eine uneingeschränkt eindeutige Aussage zu den folgenden Themen erwarten: Rolle des Mossad (neben der CIA und Deutschlands) bei den Massenmorden in Indonesien 1965 unter Diktator Suharto oder aktuell der Siedlungspolitik Israels in den besetzten Gebieten und der völkerrechtswidrigen Annexion auf jordanischem Staatsgebiet! Der Zentralrat der Juden sollte sich vor allem auf die wichtigste Aufgabe der Völkerverständigung besinnen und sich nicht selbst auf eine Art „Gedankenpolizei“ wie in Orwells 1984 reduzieren!
Martin Krivacek

Hört „die Zeit“ eigentlich nie damit auf Kritik an Israel als Antisemitismus zu verunglimpfen? Man hat doch jetzt eine Expertin für das Thema in der Redaktion. Claudia Roth hat im Gegensatz zur „Zeit“ die richtige Einstellung gegenüber Israel.
Frank Zehnle


Leserbriefe zu „Nicht totzukriegen“ von Max Hägler

DIE ZEIT hat vor Jahren schon einmal einen Verbrennungsmotor abgebildet, dazu die lapidare Überschrift: „Tschüss“. Heute schreiben Sie zum gleichen Foto „Nicht totzukriegen“ und man könnten meinen, Sie waren damals zu voreilig mit Ihrem Abgesang auf Kolben, Kurbelwellen und Ventile. Dabei ist die ganze Diskussion rund um das Verbrennerverbot in der EU nur der Ungeduld geschuldet. Der Verbrenner hatte über einhundert Jahre Zeit, sich zu einem robusten und leistungsfähigen Dauerläufer zu entwickeln. Beim E-Auto erwarten wir schon nach zwei Jahrzehnten, dass alles so zu laufen habe, wie mit dem geliebten Benziner oder Diesel. Wie soll das gehen? Bis 2035 sind noch gut zehn Jahre. Und auch danach wird die Entwicklung weitergehen. Batterie- und Antriebstechnik werden sich stetig verbessern, das Laden wird schneller und einfacher funktionieren. Letztendlich geht es um den technischen Fortschritt und den Glauben daran. Der scheint uns leider verloren gegangen zu sein. Ausgerechnet uns Deutschen! Die wir immer so stolz auf unsere Erfinder und Ingenieure waren. Also, auf geht’s! Nach vorne denken ist gefragt. Unser Innovationspotenzial ist nicht totzukriegen – im Gegensatz zum Verbrenner. Danke für Ihren guten Artikel, der am Ende glücklicherweise auch die positiven Perspektiven der E-Auto Entwicklung aufzeigt.
Thomas Meichle

Die aktuelle Entwicklung führt zu der Frage, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Weltweit führend im Fahrzeugbau wurde diese Position ohne Not auf dem Altar grüner Verheißungen geopfert. Ein urdeutscher Sonderweg, nicht frei von masochistischer Attitüde. Mit dem Schwenk zur E-Mobilität heißt es für alle zurück auf Start, vorneweg die Chinesen. Eine Luftnummer schon deshalb, weil die Ressourcenfrage ungeklärt ist. Auf dem Wunschzettel der Regierung stehen 15 Mio. Stromer bis 2030. Für die Energiezufuhr wären lt. Agora 6 moderne Kohlekraftwerke erforderlich. Auch die Industrie soll aber grün werden zzgl. Mio. Wärmepumpen. Und 1,8 Mrd. Verbrenner weltweit werden noch lange auf diese Technologie setzen. Das Aus in Europa ein Konzept aus dem Elfenbeinturm. Der Realitätscheck kommt zur rechten Zeit.
Christoph Schönberger

Ausstiegsdatum für den Verbrenner NICHT antasten! Durchschnittlich besitzt heute jeder dritte Mensch weltweit einen Mittelklasse-PKW mit Verbrennungsmotor. Das sind etwa 2,7 Milliarden Autos. Ein durchschnittlicher Otto- oder Dieselmotor stößt pro Jahr ca. 1,4 Tonnen CO2 aus. Das sind pro Jahr etwa 4 Milliarden Tonnen CO2 weltweit.  Am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung haben sich Physiker wie Anders Levermann („Die Faltung der Welt“) damit beschäftigt, womit zu rechnen ist, wenn unsere Weltgemeinschaft mit dem Verbrennen von Kohle, Gas und Erdöl ungebremst weitermacht wie bisher. Demnach nähert sich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre mit großer Geschwindigkeit einem sogenannten Kipppunkt, ab dem ein komplettes Abschmelzen der Westantarktis und des Grönlandeises nicht mehr zu stoppen ist, sich die Atmosphäre um mehr als 4 Grad erhöht und der Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigt. Wir wären gut beraten, das von der EU vorgegebene klare Ausstiegsdatum 1. Januar 2035 nicht mehr anzutasten. Nur wenn diese harte unumstößliche Grenze absolut Bestand hat und auch nicht von Herrn Weber und anderen CSU-Wortgewaltigen in Abrede gestellt wird, haben wir eine winzige Chance diese Katastrophe den folgenden Generationen zu ersparen. CO2 einzusammeln und in Erdspeicher zu pressen ist zwar möglich und sehr wahrscheinlich teuer und aufwendig, und das müsste dann wieder in die weitere Verbrennernutzung eingepreist werden, was Herr Weber vergisst zu erwähnen. Wir sollten erstens auf die Innovationsfreudigkeit unserer Ingenieure und der Unternehmer vertrauen. Und zweitens mit den erforderlichen Ressourcen für den Bau von Batterien und Elektromotoren sorgfältig, und nachhaltig umgehen. Das wird sicherlich nicht billig, aber unsere Gesellschaft ist deshalb nicht von Armut bedroht und die nächsten Generationen werden es uns danken.
Matthias Hoerburger

Die E-Mobilitätspolitik ist in meinen Augen so verlogen! Wir reichen Europäer lagern unsere Probleme in die Länder aus, in denen die Rohstoffe für unsere E-Mobilität gefördert werden. Dabei nehmen wir die massivsten Umweltzerstörungen in Kauf. In den ökologischen Fußabdruck der E-Mobilität werden diese Zerstörungen und die dabei ausgestoßenen CO2 Massen nicht eingerechnet. Nach meinen Berechnungen kann ich meinen Diesel noch mindesten 12 Jahre fahren und habe immer noch nicht denselben Ausstoß an Umweltgiften erreicht wie die Herstellung eines E-Autos bei Berechnung aller Umweltlasten, die dabei auftreten!
Rolf Geyer

Der Artikel hat mich sehr geärgert: Der Autor gibt die Klagen der deutschen Autoindustrie wieder, der zufolge Absatz und Marge nicht stimmen. Natürlich klagen sie, weil sie hier und weltweit berühmt sind für ihre 2-Tonnen-schweren SUVs und die Boliden für die Auto-Poser. Die bringen ihnen das Geld und so soll es bleiben. Das Vernunft-Auto für die Fahrt von A nach B war zu Benziner-Zeiten nicht ihr Ding und ist es auch in E-Zeiten nicht, obwohl durchaus eine Nachfrage nach preiswerten Elektroautos besteht. In einer ADAC-Liste der 10 preiswertesten E-Autos taucht Deutschland gerade einmal mit dem Cupra = Seat = VW auf. Und zwar auf Platz 10. Japan ist ein Land, in dem „von 0 auf 100 in 8 Sekunden“ kein Kriterium ist. Toyota und andere haben immer schon preiswerte und verlässliche Autos gebaut, später dann als E-Autos. Die Koreaner kamen hinzu und die Chinesen jetzt auch.  Leider verliert der Autor kein Wort darüber, dass die Autoindustrie hierzulande einfach nur stur die Autofetischisten bedienen will, weil das am profitabelsten ist.
Stefan Schuster

Die Tatsache, dass die Geschichte von der Wiedergeburt des Verbrenner immer und immer wieder erzählt wird, ist ein beunruhigendes Zeichen für eine kollektive Verdrängung. Wer die Daten der sich beschleunigenden Klimakrise kennt und versteht und weiß, dass der Verkehr in Deutschland einen Anteil von 19,8% der gesamten Treibhausgasemissionen hat, (Quelle UBA) kauft auch schon heute keinen Verbrenner mehr. Für alle anderen ist das Ausstiegsdatum beschlossen, was aber aus wissenschaftlicher Perspektive schon zu spät ist. Der Verweis auf die sogenannten E-Fuels ist irreführend. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen den sog. E-Fuels und konventionellen Kraftstoffen. Letztere enthalten die Sonnenenergie, die vor Jahrmillionen in der Erdkruste gespeichert wurde, während E-Fuels unter hohem Energieaufwand hergestellt werden müssen. Dazu benötigt man u.a. Wasserstoff. Damit E-Fuels überhaupt in Bezug auf das Klima besser sind, als die konventionellen fossilen Treibstoffe braucht man zur Herstellung Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Beim Einsatz von E-Fuels im Pkw kommen aber nur rund 10% der ursprünglich im Strom vorhandenen Energie im Antrieb an. Das bedeutet man kann mit der gleichen Energie, die für ein E-Fuel Fahrzeug gebraucht wird, 6-10 Elektrofahrzeuge betreiben. Dazu kommt, dass Wasserstoff in Zukunft für die Herstellung fast aller täglichen Bedarfsgegenstände wie für Stahl, für Shampoos, Medikamente, Farben, Kunststoffe usw. gebraucht wird. D.h. Wasserstoff wird ein knappes und sehr teures Gut sein und daher werden E-Fuels um mehrere Größenordnungen teurer sein als der jetzige fossile Kraftstoff. Um den aktuellen Kraftstoff—Verbrauch über E-Fuels zu decken, müsste man die ganze Republik mit Windkraftanlagen und Solarpaneelen zupflastern. Es geht bei der Diskussion um die Rolle rückwärts im Bereich der individuellen Mobilität offensichtlich darum eine überholte Technik aus dem letzten Jahrhundert mit allen Mitteln und gegen jede Vernunft am Leben zu halten. Auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung hat 2023 bereits klargestellt, dass „E-Fuels für einen großflächigen Einsatz bei Pkw und Lkw nicht sinnvoll sind“.
Roger Dietrich

Wenn die Chinesen sich entschließen, die Verbrennungsmotoren, betrieben mit E-Fuels, länger laufen zu lassen, und dabei noch von Klimaschutzmaßnahmen reden, kommt es zu einer unheilvollen Allianz mit Leuten aus der Ampelregierung und den deutschen Autoherstellern. Wenn es 2035 keine neuen Autos mehr geben soll, die CO2 emittieren, Fahrzeuge, die mit E-Fuels betrieben werden, aber ausgenommen werden sollen, so kommt das Herrn Weber, Vorsitzender der EVP im Europaparlament, Herrn Lindner und dem Porsche-Chef entgegen. Man nennt es „Technologieoffenheit“. Man müsste eher von“ Technologieunwissenheit“ sprechen. Es scheint mir, dass man die ungeheuren Transformationsverluste durch die zweimalige Umwandlung der Energieform vom grünen Strom in Gas und später wieder zurück in Strom nicht angemessen berücksichtigt hat! Als ehemaligem Ingenieur ist es mir unverständlich, wie verschwenderisch man mit dem kostbaren grünen Strom umgeht! Grüner Strom aus Windkraft- bzw. Solaranlagen wird uns in naher Zukunft nur im begrenzten Umfang zur Verfügung stehen; es gilt also, sparsam damit umzugehen. Es ist davon auszugehen, dass grüner Wasserstoff (über Elektrolyse) nicht für die reine Stromversorgung genutzt werden wird. Wasserstoff wird in der Industrie gebraucht werden, z.B. in der Stahl- und Kupferherstellung, dem Schwertransport, dem Schiffsverkehr; in Feuerwehrfahrzeugen und im Schienenverkehr bei Strecken, die nicht zu elektrifizieren sind. Auch im Chemie-Bereich wird Wasserstoff eingesetzt werden müssen.
Es ist nicht effizient, erst einmal Strom zu erzeugen, um a) damit Wasserstoff zu erzeugen, diesen zu komprimieren, zu transportieren, in einer Brennstoffzelle wieder zu Strom zu machen – oder b) um E-Fuels  zu  gewinnen, mit erheblichem Stromaufwand der Luft Kohlendioxid zu entziehen, Wasserstoff hinzuzufügen, um damit zu künstlichem Benzin zu gelangen. Um, wie es Herr Weber sagt: “dass wir Benzin und Diesel länger einsetzen“ können! Tatsache ist, dass Wasserstoff eine sehr schlechte Energiebilanz hat: um einen Kubikmeter Wasserstoff herzustellen, in dem eine Energie von 3 kWh steckt, müssen bei der Elektrolyse ca. 4,5 kWh aufgewendet werden. Und bei der Umwandlung des Wasserstoffs in einer Brennstoffzelle gehen nochmals ca. 6o % der ursprünglich aufgewendeten Energie verloren. Am Ende bleiben in einem Auto für den Antrieb nur noch ca. 1/3 der Anfangsenergie übrig. Es stellt sich schon die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Technik (sh. ADAC Motorwelt, Heft 4/2017) Bei der Herstellung von E-Fuels ergibt sich ein ähnlich schlechter Wirkungsgrad: Vom grün hergestellten Strom, z.B. vom Windrad, bleibt wegen der o.a. Verluste durch die Umwandlungen Kompressionsverluste, Transport und letztendlich durch den schlechten Wirkungsgrad des Verbrenners, der am Ende der Kette seht, nur ein Gesamtwirkungsgrad von ca. 12 % übrig! Man kann also sagen, dass die Verwendung von Wasserstoff (dem „Champagner“ unter den Energieträgern) in Autos die pure Verschwendung von Ressourcen darstellt. Mit gleicher Menge Strom vom Windrad fahren E-Autos ca. sechsmal so weit. Allenfalls ließe sich die Beimischung für Fahrzeuge im Bestand verantworten, um deren CO2-Bilanz zu verbessern bzw. deren Verschrottung vor Ablauf der üblichen Lebensdauer zu verhindern; das wäre nachhaltig. Die FDP sagt, der Markt würde es schon richten: gemeint ist wohl eher, dass damit der Verkauf neuer Verbrenner über die Zeit des geplanten Verbots hinaus ermöglicht werden soll. Wer so handelt, handelt inkonsistent in dem Sinne, dass es sich um Besitzstandswahrung handelt und nicht mit den Klimazielen zu vereinbaren ist
Gerhard Pape

Ihre Verknüpfung von E-Fuels, CO2-Ausstoß aus Verbrennungsmotoren und CO2-Abscheidung aus der Luft mit anschließender unterirdischer CO2-Einlagerung bedarf jedoch einer Klarstellung: E-Fuels sind kohlenstoffbasierte Kraftstoffe, die mittels regenerativer Energie – v. a. Sonnenenergie, wie Windkraft oder Sonnenlicht – aus einer Kohlenstoffquelle und Wasser synthetisiert werden. Wenn als Kohlenstoffquelle aus der Luft abgeschiedenes CO2 verwendet wird, dann entsteht bei der Verbrennung genauso viel CO2, wie vorher der Luft entzogen wurde. Es handelt sich also um einen geschlossenen CO2-Kreislauf. Die CO2-Bilanz der Atmosphäre wird nicht belastet. E-Fuels sind somit ein technisches Analogon zur Photosynthese, bei der mittels Sonnenlicht Kohlenstoff aus CO2 aus der Luft in Form von Biomasse gespeichert wird, z.B. in Form von Holz. Bei der Verbrennung dieser Biomasse entweicht genau dieser gespeicherte Kohlenstoff wieder als CO2 in die Atmosphäre. Die Einlagerung von aus der Luft abgeschiedenem CO2 in unterirdischen Lagerstätten hat mit alledem nichts zu tun. Sie könnte jedoch einen eigenständigen Beitrag zur Reduktion des CO2-Gehalts in der Atmosphäre leisten. Übrigens: Im Vergleich zu Biomasse und daraus hergestellten Kraftstoffen benötigen E-Fuels bei ihrer Produktion wesentlich weniger Wasser und Agrarfläche. Ob die Abgase von Verbrennungsmotoren die CO2-Bilanz der Atmosphäre belasten oder nicht, hängt einzig und allein von der Art der Kohlenstoffquelle des eingesetzten Kraftstoffs ab: fossil = ja, nicht-fossil = nein. Die Infrastruktur zur Verteilung von E-Fuels ist flächendeckend vorhanden: Tankstellen. Langfristig dürfte Wasserstoff sowohl E-Fuels als auch Elektrobatterien als Energieträger ablösen. Bei letzteren dürften nicht zuletzt die Umwelt- und Menschenrechtsprobleme bei der Gewinnung der dafür erforderlichen Rohstoffe eine nachteilige Rolle spielen. Sonnenenergie ist im Überfluss verfügbar: Die kontinuierlich auf die Erde eingestrahlte Sonnenenergie übersteigt den aktuellen Weltenergiebedarf grob geschätzt um mehr als das 5000-fache.
Ulrich Häusler

Unglaublich, wie die Hoffnung auf die „Wunderwaffe“ E-Fuels weiterhin den Glauben an ein „Weiter so“ aufrechterhält. Das Thema wäre schon längst vom Tisch, wenn auch die Kosten an der Tankstelle für 1 Liter des synthetischen Kraftstoffs veröffentlicht würden. Muss dann wohl vom Steuerzahler subventioniert werden, so wie bald auch die Abwrackprämie für E-Autos, da diese als Gebrauchtwagen kaum zu verkaufen sind. Warum als Brückentechnologie für PKW und LKW nicht Erdgas (CNG), dessen Umweltbilanz mindestens so gut ist wie die von E-Autos? Und mittlerweile meist zu 100 % mit Biomethan betankt werden.
Oliver Krefer

Fußgänger, Radfahrer, Pferde, Zugvögel, letztlich kein Lebewesen unterscheidet sich in der Form der Energiegewinnung chemisch wesentlich von einem Verbrennungsmotor: Kohlenwasserstoffe werden verbrannt und es entstehen Wasser und Kohlenstoffdioxid. Dieser von der Sonne angetriebene Kohlenstoffkreislauf besteht seit über 3 Milliarden Jahren. Man könnte also den Verbrennungsmotor als den „natürlichsten“ der gegenwärtigen Antriebe bezeichnen. Was also ist verkehrt am Verbrennungsmotor? Es sind die Treibstoffe, die aus fossilen Brennstoffen (Benzin, Diesel, d.h. Erdöl) bestehen, die seit Jahrzehnten als kostengünstige und leicht verfügbare Energieträger zur Verfügung stehen. Ein Verbot des Verbrennungsmotors ist ein symbolischer Akt und von der Hoffnung getragen, somit indirekt die fossilen Energieträger zu verbieten, ohne das konkret auszusprechen. Das Opfern eines symbolisch die Aufmerksamkeit erregenden Stellvertreters ist mittelalterlich und es hat für Europa und insbesondere Deutschland dramatische Folgen. Ohne Verbrennungsmotoren ist sämtliche Forschung in Richtung von Ersatzstoffen für fossile Brennstoffe obsolet. Diese als E-Fuels zu bezeichnen hat unterstellenden Charakter und stellt ihre Gewinnung als ineffektiven Stromverbrauch dar, Strom, der den elektrisch angetriebenen Fahrzeugen nicht mehr zur Verfügung steht. Die im Artikel genannten Schwierigkeiten der Elektromobilität im hochindustrialisierten und reichen Europa sind – global betrachtet – in den meisten Ländern unüberwindbar. Sollte eine Umstellung in Europa gelingen, ist das für die übrige Welt mehr oder weniger unbedeutend. (Herbert Dies, Weltwirtschaftsgipfel Davos 2018: „Elektromobilität wird sich nicht jeder leisten können.“)
Über die Erzeugung von Kohlenwasserstoffen aus CO2 liest man auch in seriösen Medien erschreckend wenig und Hinweise auf die „künstliche Fotosynthese“ (siehe Stellungnahme Leopoldina Mai 2018 „Künstliche Fotosynthese – Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Perspektiven“) sind noch seltener. Doch genau hier liegen die Kernkompetenzen von europäischen Ländern und insbesondere Deutschland. Mit der Entwicklung von Katalysatoren, die unmöglich erachtete und uneffektive Prozesse möglich und wirtschaftlich machten, wurde weit über Europas Grenzen hinaus die Welt verändert. Erinnert sei hier z.B. an das Haber-Bosch-Verfahren, ohne das es keine Kunst-Dünger gäbe, die ein Bevölkerungswachstum über die 4-Milliarden-Grenze überhaupt erst möglich gemacht haben. Die direkte Nutzung der Energie der Sonnen zur Erzeugung von Brenn- und Rohstoffen kann die ganze Welt verändern. Das Verbot des Verbrennungsmotors in der EU wird gravierende Folgen haben. Die fossilen Brennstoffe werden ohne europäische Konkurrenz weltweit leichter verfügbar und treiben das Wirtschaftswachstum in Ländern an, die in der Liste der CO2-Emittenden deutlich vor Europa und Deutschland stehen. Elektrisch angetriebene (Klein-)Fahrzeuge werden weltweit für die meisten Menschen unerschwinglich bleiben. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren gewinnen an Wert, werden deshalb deutlich länger leben als im Artikel prognostiziert und durch ihre Existenz einen Bedarf an (derzeit fossilen) Treibstoffen aufrechterhalten. Das europäische Knowhow von energieeffizienten Hochtechnologie-Motoren wird zur Ramschware degradiert und außerhalb der EU kopiert. Ohne Verbrennungsmotoren innerhalb der EU wird der politische Wille zur weiteren Forschung in Richtung „Solar-Fuels“ behindert oder unterbunden. Damit wird auch die Forschung an Alternativen zum Erdöl als Rohstoff für die Synthese von Kunststoffen und Medikamenten verhindert. Ein dogmatisches Festhalten an der E-Mobilität als einzigem Lösungsweg innerhalb der EU wird mit wirtschaftlichem Niedergang, sinkendem Einfluss in Fragen des Ersatzes fossiler Rohstoffe und zunehmender Abhängigkeit von Ländern, die über seltene Rohstoffe verfügen, einhergehen.
Thomas Wartusch

Als „alter weißer Mann“ (Gottseidank mit gehöriger jahrelanger Erfahrung zu Energie und speziell Elektrizität) biete ich Ihnen folgende Prognose an, die ich evtl. kaum mehr erleben werde: Sollten wir ab 2035 rund 15 Millionen E-Autos und 12 Millionen Wärmepumpen im Betrieb haben, dann wird (evtl. schon einige Jahre vorher) auch bei sehr hohen PV- und Windkapazitäten (3 – 3,5-mal soviel wie heute) eine „blöde Wetterlage“ im Winter eintreten, wo weder Netze noch verfügbare Kapazitäten von PV und WIND samt „Sicherheitssystemen“ ausreichen werden, den Strombedarf auch inkl. Lastabwurf und ähnlichen Maßnahmen über 2 – 3 Tage zu einigermaßen Zufriedenheit der Bürger zu managen – es sei denn, wir lassen bis dahin (dank CCS-Techniken) noch alle konventionellen Kapazitäten ab 2025 am Netz. Es kommt nicht nur auf „grüne“ Stromverbraucher an, sondern auch auf dazu passende Netze, Infrastruktur und vor allem verfügbare Kapazitäten in jeder der 1440 Minuten eines Tages oder mit „Glück“ nur 288 Intervalle à 5 Minuten.
Wolfgang Ströbele

Folgendes sagte der letzte deutsche Kaiser und König von Preußen Wilhelm II. (1859-1941): „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd.“ Irgendwie muss ich dabei an die Elektroautos denken, mit denen wir nach Meinung der Ampel-Regierung demnächst alle herumkurven sollen!
Klaus P. Jaworek

In Ihrem Artikel beleuchten Sie das Kaufverhalten der Deutschen bei den PKWs. Vorab: wir fahren in der Familie einen E-Stadtwagen und einen Benzin getriebenen Reisewagen. Sie zitieren die Automobil-Manager, dass die E-Modelle sich nur schleppend verkaufen. Aus meiner Sicht stellt der Bonus (der über Nacht gestrichen wurde) nur einen Aspekt dar. Der Betrieb eines E-PKWs zeigt aktuell so seine Tücken. In meinem Umkreis sind beispielsweise öffentliche Ladesäulen, an den ich mit ec- oder Kreditkarte, ohne weiter App etc, bezahlen kann nicht vorhanden. Das schränkt den Einsatz dieses Fahrzeugs erheblich ein. Und ich bin auf meine private Wallbox angewiesen. Wenn Sie sich vor Augen führen, dass die bestehende Verkehrsinfrastruktur über etwa 100 Jahre gewachsen ist, wird deutlich, was der Betrieb eines PKWs für Anforderungen an die Umwelt stellt (Straßen, Tankstellen, Werkstätten etc.). Es ist daher unmöglich, die von der Politik veranschlagten Zeiträume zur kompletten Umstellung des PKW-Verkehrs auf Elektrobetrieb durchzuführen. Schauen Sie sich mal die Entwicklung bei der Eisenbahn an: von Dampf- auf Diesel- und Elektrobetrieb. Mittlerweile werden immer noch Dieselloks in erheblichem Umfang eingesetzt. Eine konsequente Handhabung der Umweltzonen in den Innenstädten wäre der Ausschluss sämtlicher Verbrenner aus diesen Bereichen. Ich bin gespannt, wann die erste Metropole sich dazu durchringt. Die Automobilindustrie liefert das, was die Kunden kaufen. Die Kunden kaufen das, was sie gebrauchen können – und die Politik setzt die Randbedingungen. Danke für den sehr interessanten Artikel.
T. Gruber

Ich habe das Gefühl, die Diskussion über das Verbrenner- Aus wird auf dem Niveau geführt, ob in Zukunft mehr Pullover oder Fleece-Jacken in Mode sind. Dabei geht es einzig darum, die CO2-Emissionen massiv und schnell zu senken, was alternativlos ist, egal, ob es die Menschen wollen oder nicht. Andere Maßnahmen zur CO2-Reduktion sind mindestens genauso unbeliebt, so dass sich die Menschen, wenn sie denn eine Zukunft haben wollen, entscheiden müssen, in welchen „sauren Apfel“ sie beißen wollen.
E. Würth

Wo bleibt der zukunftsträchtige Volt-Wagen? Totgesagte leben länger. Vielleicht. Als Brückentechnologie ist ein guter Diesel für Familienautos durchaus passabel. Wenn man richtig baut und keine defeat devices verbaut, dann ist der sogar sauber und hat eine für Verbrennermotoren immerhin ansehnliche Kraftausbeute. Man kann ja ehrlich über Brückentechnologien diskutieren, ohne hinter vorgehaltener Hand die Kunden und den Planeten zu beschummeln, und dabei die zahlungskräftige Klientel zu bedienen auf Kosten echter Volt-Wagen-Kunden. In der Zukunft kann mit einem undifferenzierten Verbrenner-Revival nicht ankommen. Deshalb sollte man sich besser auf den Weg machen als bislang. Ein preiswerter guter Volt-Wagen wäre ein attraktiver Start. Mit dem e up ab 21.000 € hat VW vor 10 Jahren sogar gut angefangen. Der wird jetzt nicht mehr gebaut. Er war beliebt, da viele begriffen hatten, dass mann oder frau eh meist alleine unterwegs waren. Aber immerhin gab es 4 Sitzplätze. Kids hatten auch noch Platz. Und er ist, bzw war wirklich quadratisch, praktisch, gut. Sicherheitstechnisch sei er nicht mehr up to date? Aha! Kein know how bei VW für ein proaktives upgrade? Wie ist das mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland? Bei VW liegt mittlerweile die Latte für einen Volt- Einstieg mit 40.000 € bis 57.000 € für einen ID 3 ziemlich hoch. Für einen ID 4 muss man zwischen 57.000 € und 72.000 € aufbringen – möglicherwiese auf 68.000 € rabattierbar. Natürlich alles Verhandlungssache. Trotzdem ist das für ein durchschnittliches Budget nicht einladend. Also nix mit Volt-Wagen. Aber vielleicht sind die kommenden kleinen chinesischen E-Autos ja nur getarnte VW Erl-Könige? Wer weiß?
Helmut Schwehm

Die Lobbyisten des Verbrenners sind tatsächlich nicht totzukriegen. Dabei ist es physikalisch so einfach. Der Wirkungsgrad eines E-Auto liegt bei 73%, der eines Verbrenners bei 30% (Benziner) bzw. 40% (Diesel) und der von E-Fuels bei mageren 13%. Wenn der Lobbyistenlohn Vorrang vor der Wissenschaft hat, nennt man das dann technologieoffen.
Frank Zehnle

Auf der Online-Seite gab es reichlich Kritik – aber der Artikel war aus meiner Sicht gut zusammengestellt. Es ist halt recht trübe, denn wir haben eine gefährliche Mixtur: Wenig attraktive E Autos aus Deutschland (und Europa) am Markt. Noch immer ein echtes Strom Problem: Wo kann ich das Auto wie laden? Und zu welchem Preis? Und last but not least: das links grün versiffte urbane Milieu, es hat keine Ahnung über die trostlose Mobilitätssituation im ländlichen Raum. Ich gehöre zu den der letzten Gruppe in Frankfurt Main – meine Frau und ich – wir können unsere Arbeitgeber gut per E Bike erreichen und nutzen das auch regelmäßig – unser Toyota Auris steht häufig – gerade diese Tage wird stark bewegt. Wir sind auf dem Lande in Niedersachsen in Urlaub– und ich muss gestehen: ich bin recht froh, dass wir die gute Reichweite von 650 km haben und so spontan fahren können. Ein E Auto würde für uns eine erhebliche Investition bedeuten – verbunden mit Einschränkungen bei der Nutzung des Autos – der Auris ist mit einem Alter von 6 Jahren und mit knapp 75000 km noch weitab vom Ende seiner Nutzungszeit. Ein E Fiat 500 für knapp €35000 ist für unsere Familie einfach zu klein. Ein ehemaliger Kollege von mir erhält in diesen Tagen einen neuen E Mercedes für knapp €100.000 – was sind das für Irrsinnspreise? Vor 20 Jahren sind wir beide für ca. €35000 unterwegs gewesen. OK, Mercedes war damals schon zu teuer – aber ich glaube, dass die deutsche Autoindustrie sich einfach zu sehr auf die Firmenwagen ausgerichtet hat und den normalen Autokäufer vergessen hat. Dazu noch eine Reihe von politischen Fehlern (Ladestationen, Förderung), hohen Strompreisen und mutiger Konkurrenz – die Misere ist da. Und vergessen dürfen wir auch nicht, dass die Niedrigzinspolitik in den vergangenen 10 Jahren sehr günstige Leasingoptionen zugelassen hat – das läuft nicht mehr – bei 3,5- 4% Zinsen als Basisrate. Bleiben Sie bei dem Thema dran – es ist wichtig für uns alle.
Stephan Siegel


Leserbriefe zu „Tempo und Ambitionen“. Gespräch mit Christian Lindner geführt von Tina Hildebrandt und Mark Schieritz

Was für eine gute Frage: „Wer soll jetzt arbeiten, der jetzt nicht arbeitet? An welche Gruppen denken sie?“ Leider fragen sie nicht nach, wie es mit dem Ehepartner aussieht. Das Splitting kostet über 10 Mio. € pro Jahr und macht für manche das Arbeiten unattraktiv. Ein Liberaler, der keine Subventionen kürzen will! Schade, dass sie ihm so einfach davonkommen lassen!
Götz Dyckerhoff

Herr Lindner sagt, das Steuersystem sei international nicht mehr wettbewerbsfähig. Soweit ich das verstanden habe, sitzt er seit zwei Jahren dem Ministerium vor, welches das Steuersystem entsprechend gestalten könnte. Etwaige Vorschläge oder gar Maßnahmen waren bisher nicht zu erkennen. Beispiel Lokführer: dort haben sie nach dem neuen Tarifvertrag – ganz im Sinne der FDP – die Möglichkeit in Eigenverantwortung und Selbstinitiative bei der 40-Std.-Woche zu bleiben und 2,7% mehr zu verdienen. Frisst die kalte Progression diesen Vorteil wieder auf oder hat der Herr Finanzminister das dt. Steuersystem hier schon international wettbewerbsfähig gemacht?
W. Michel

Ja, Tempo und Ambitionen brauchen wir, insbesondere beim Klimaschutz (und auch beim Aufbau unserer geschrumpften Verteidigungsfähigkeit). Warum sieht Christian Lindner es als Erfolg, das immerhin moderat ambitionierte Klimaschutzgesetz zu „überwinden“? Das Klimaschutzgesetz ist ganz im Sinne der FDP technologieoffen und zielgenau. Es liefert kennzahlengestützte Steuerungshinweise für die einzelnen Sektoren und für die Politik (sehr unternehmerisch). Daher wissen wir, dass vor allem im Verkehrssektor noch kaum etwas in Richtung Nachhaltigkeit passiert ist. Das Klimaschutzgesetz bietet einen klaren Orientierungsrahmen für die Eigenverantwortung der einzelnen Ressorts und die Wirtschaft. Die Tore für eine unbürokratische Selbststeuerung und für Leistungsbereitschaft auf dem Weg zum Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft sind weit geöffnet. Warum fördert Christian Lindner das Planwitschaftsnarrativ? Plumpe Ideologisierung hilft nicht, wenn es um unser Land geht. So nährt Christian Lindner mal wieder den Eindruck, dass es ihm mit seinem Blockieren und Verhindern doch nur um die eigene Machtperspektive geht. Er kann immer weniger Menschen mit seinem Kurs erreichen. Zeit für eine Wende!
Reinhard Koine

Lindner, umzingelt von zwei linken Partnern, beklagt den Ansehensverlust seiner Partei . Doch bei aller Larmoyanz darf nicht übersehen werden, es war seine freie Entscheidung, sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Offenbar wollte er nach 2017 nicht erneut als Spielverderber dastehen. Fast alles, was durchaus kritikwürdig ist wie Heizungsgesetz, Atomausstieg oder Bürgergeld stand bereits schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag. Dieses taktische Manko ist seine bleibende Erblast
Christoph Schönberger

Mit Herrn Lindner und seiner FDP ist leider „kein Staat zu machen!“ Auch dieses Interview beinhaltet typisch freidemokratisches inkonsequentes, selbstgerechtes Luftgepumpe. Ist die FDP Teil der Regierung oder Oppositionspartei? Ist Herr Lindner Finanzminister oder Kassenwart der Sylter Julis? Kleiner Tipp: Macht hat man auch um zu machen, Herr Lindner.
Arno Schembs

Cristian Lindners Selbstgewissheit mag den nüchternen Betrachter erst einmal überraschen, auch und gerade angesichts der schlechten Umfrageergebnisse für die FDP und für die Ampel insgesamt. Keine der Regierungsparteien ist an vorzeitigen Wahlen interessiert. Darin sieht er seine Chance. Seine Zuversicht, radikale Umschichtungen im kommenden Bundeshaushalt durchsetzen und eine marktliberale Wende in der Wirtschafts- und Sozialpolitik noch in dieser Legislatur zumindest in Ansätzen herbeiführen zu können, ergibt sich aus der machtpolitischen Asymmetrie innerhalb der Regierung: Als Finanzminister sitzt er am längeren Hebel und kann seinen Ministerkollegen schmerzhafte Zugeständnisse abtrotzen.  Damit untergräbt er deren Standfestigkeit und beschädigt deren Glaubwürdigkeit – und ermuntert jene FDP-Wähler von 2021, bei den nächsten Bundestagswahlen den Liberalen die Treue zu halten. Hält der gegenwärtige Höhenflug der Union weiter an – und davon ist auszugehen –, rückt seine schwarz-gelbe Wunschkoalition in greifbare Nähe.
Rüdiger Paul

Bei diesem Interview bin ich immer wieder hin- und hergerissen zwischen Zustimmung, Applaus besonders zur Analyse einerseits und Ablehnung besonders der Art einiger der angeblichen Problemlösungen. Für letzteres ist besonders typisch die sogenannte „Überwindung“ des Klimaschutzgesetzes der letzten Koalition, dessen Sektorziele angeblich planwirtschaftlich sein sollen, und das angeblich durch mehr Wettbewerbsbetonung ersetzt werden soll, wobei Herr L. wohlweislich verschwiegen hat, ob dieser Wettbewerb auch nur im Gesamtergebnis gleichwertig sein wird.  Wenn er sagt unser Land solle freier werden, dann frage ich mich was denn freier werden soll, denn für allzu viele ist das eine „Freiheit“ anderen noch mehr zu schaden als es ohnehin schon geschieht, z.B. durch mehr Freiheit bei Emissionen, bei Drogen, bei Steuervermeidungen, bei wirtschaftlichen Schneeballsystemen, bei Impfpflichten, bei medialen Desinformationen vor allem im Netz oder Freiheit vor zu viel Polizeiverfolgung und Polizeibefugnissen bei Straftaten etc. etc..  Hier wäre eine Frage gut gewesen, wo denn für ihn und die FDP die Grenzen der Freiheit sind zugunsten von mehr Rücksichtnahme und Verantwortung auch für andere und auch für die fernere Zukunft.
Umgekehrt würde ich mir einige Prinzipien, die Herr Lindner anführt und fordert mehr bei den Grünen und der SPD wünschen: Die Pflicht zur Selbstverantwortung, nicht statt, sondern neben der Staatsverantwortung,  die Nachhaltigkeit auch im Finanziellen, die Leistungsbereitschaft (allerdings nicht nur zum eigenen, sondern auch zum Gemeinwohl), die auch nötige Begrenzung der Erwartungen an Staat und Gesellschaft, zu denen ja auch alle erwartenden und fordernden gehören,  und die zu erfüllen immer auch Pflichten oder Belastungen für alle anderen in der Gesellschaft sind und womöglich auf Kosten anderer noch mehr bedürftiger gehen, nicht zuletzt der im künftigen Klima lebenden,  und schließlich der Abbau von Bürokratie und Subventionen. Bei beiden letzteren liegt allerdings wieder der Teufel im Detail, denn bei fast jeder entfallenden Vorschrift oder Subvention schreit irgendeine Minderheit oder gar Mehrheit wegen dann auch „abgebauter“   Gerechtigkeit oder Sicherheit oder Berücksichtigung von irgendwem oder irgendwas. Letztlich heißt weniger Bürokratie auch weniger Rücksichtnahme auf alles und jeden, auf Perfektionsanspruch von Sicherheit und Gerechtigkeit.  Auch die vom Minister geforderte bessere und schneller Digitalisierung ist als Bedarf ja fast selbstredend, nur kostet sie eben auch viel Arbeit, viel Neulernen auch bei den Nutzern, und vielleicht auch mehr Vereinheitlichung, so dass nicht für jede Firma, jedes Amt, jede schule und jede Kommune ein eigenes neues System eingerichtet werden muss, was zu den fast irrsinnigen Kosten,  Dauern und Verwirrungen bei allen beteiligten sicher beiträgt.  Auch da aber würde geschrien über Beraubung an Individualität, an Entscheidungsfreiheit, an Kompetenzen, an demokratischer Vielfalt etc. etc.
Besonders komplex und heikel ist die Frage der Ursache und Faktorenbedeutung der wirtschaftlichen und steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.  Wenn hier tatsächlich die Steueroasen oder Niedrigststeuerländer zum Maßstab gemacht werden sollten, dann geht die Möglichkeit der Staaten verloren durch eigene Investitionen und Ausgaben für mehr Solidarität, Zukunftssicherung, Gegenwarts-Sicherheit und Humanität zu sorgen. Für einen nicht global schädlichen Wettbewerb kommt es nicht nur auf Mithalten bei der Jagd nach immer niedrigeren Steuern an, sondern vor allem den Kampf um mehr Steuergerechtigkeit zwischen den Staaten, die sich nicht von den Steuervermeidern gegeneinander ausspielen lassen dürfen.  Und parasitäre Steueroasen gehören viel mehr als global gemeinschädliche Egoisten geächtet als bisher. Ähnliches gilt für internationales „Parasitentum“ hinsichtlich des Klimas und des Klimaschutzes und der Menschenrechte.   Umgekehrt ist für die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des Staates aber nicht nur die Besteuerung verantwortlich, sondern auch jeder Tarifabschluss hinsichtlich Arbeitsmengen und -kosten, sowie die Qualität von Lern-, Bildungs- und Ausbildungs-leistungen, alles auch nicht nur vom Staat abhängig, sondern genauso von der Eigenverantwortung und der Gemeinsinnsolidarität der arbeitenden, der lernenden und der lehrenden. Was ich mir und der Gesellschaft wünschen würde wäre eine Partei oder besser gesellschaftlicher Konsens mit der Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft und teils Realismus und der finanziellen Seriosität wie bei der FDP, aber auch der Solidarität, Gerechtigkeitssinn und der Klima- und Zukunftsverantwortung wie bei den Grünen.  Das würde allerdings sowohl den besserbestellten in der Gesellschaft wie auch den vermeintlich oder wirklich benachteiligten und vernachlässigten mehr abverlangen als bisher, und das hat es damit auf beiden Seiten der politischen Gräben schwer.
Peter Selmke

Herr Lindner steht für eine FDP, die sich schon lange von der Politik einer Größe wie Genscher, Baum oder Gerhardt verabschiedet hat. Abgesehen von der AfD kenne ich keine Partei im Deutschen Bundestag, die der Entsolidarisierung der Gesellschaft in einem so bedenklichen Ausmaß Vorschub leistet. Ich rede nicht von einer bewussten Spaltung, aber der jetzige Kurs dieser Partei nimmt dies offensichtlich in Kauf. Der Missbrauch von Sozialleistungen wird zum Elefanten aufgebläht. Die Schlupflöcher im Fiskalsystem, die Milliarden Euro entgangener Einnahmen für Kommunen, Ländern und Bund bedeuten, lässt man offen. Einzig mit der Feststellung der ineffizienten Ausgabenpolitik der Öffentlichen Hand teile ich die Auffassung Lindners. Man kann sich gegen eine Erhöhung von Steuern und Abgaben für Unternehmen aussprechen, um Konjunktur und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, aber die sollten nicht mit denen auf private Vermögen verstrickt werden. Das Geld wird gebraucht für die dringende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, damit unsere Volkswirtschaft weiterhin in der „ersten Liga“ spielt.
Oliver Roßmüller

Herr Lindner hat sicherlich in wichtigen Punkten Recht, z. B. hinsichtlich der überbordenden Bürokratie und Regelungssucht sowie der Subventionenmitnahmementalität etlicher Unternehmer*innen und Manager*innen, aber manche Behauptungen, etwa jene einer Umverteilung „in großer Dimension“ – bezogen offenbar nicht auf die Einnahmen von Unternehmer*innen und Manager*innen, sondern auf Menschen, die Sozialleistungen beziehen – oder jene, die FDP – also die Lobbypartei der Reichen, nicht zuletzt auch der reichen Erb*innen, oder zumindest der überdurchschnittlich Verdienenden und Vermögenden – werbe für eine Politik, die Deutschland „fairer“ mache, kann ich nun wirklich nicht nachvollziehen. Herr Lindner sollte meines Erachtens das Interview mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Prof. Angus Deaton – nicht gerade ein „Linker“ – lesen, um die – auch und gerade politischen – Folgen einer hemmungslos „marktwirtschaftlichen“ Politik zu erkennen. Die Menschen in Deutschland erwarten, dass die gewählten Volksvertreter*innen und die Regierungen sich um sichere, gute und gut bezahlte Arbeitsplätze kümmern und diese Aufgabe nicht zur Gänze den Unternehmen übertragen. Der deutsche Staat hat sich um gute und gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland zu sorgen, und zwar nicht vorrangig mittels Sozialleistungen, sondern mittels zukunftssicherer Arbeitsplätze – die keineswegs automatisch „im freien Wettbewerb“ entstehen, wie die Entwicklung in Ostdeutschland in den letzten 34 Jahren deutlich gezeigt hat. Bezüglich Zuwanderung stimme ich mit Prof. Deaton übrigens nicht ganz überein, aber die Verhältnisse in den USA sind gewiss auch andere als in Deutschland: Die Bevölkerung Deutschlands schrumpft, und deshalb braucht Deutschland wohl eine geregelte und bedarfsorientierte Zuwanderung. Dabei sollte man freilich darauf achten, dass Menschen kommen, die nicht nur beruflich qualifiziert sind, sondern auch die Demokratie und die Menschenrechte einschließlich von Minderheitenrechten bejahen. Außerdem hat Deutschland gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerber*innen ethische Verpflichtungen.
Ulrich Willmes

Hier kommt ein Zitat von Christian Lindner (*1979), vermutlich aus Jahren vor dieser Ampel: „Wir brauchen auch in der Zukunft eine gesteuerte Zuwanderung, aber eben in unsere Wirtschaft, in produktive Jobs und nicht in unser Sozialsystem.“ Vielleicht hat auch irgendwann einmal ein ganz anderer Christian Lindner, dieses vom Stapel gelassen, wer weiß das schon so genau; vielleicht kann er sich nur nicht mehr an diese Aussage erinnern! Mit dieser, seiner jetzigen, mit verschuldeten Ampel-Politik, da dürfte der FDP-Chef und Finanzminister Lindner, ziemlich bald seine FDP auf Nimmerwiedersehen in den Abgrund stürzen. Gerade jetzt wäre der Zeitpunkt äußerst richtig und günstig, um umgehend aus der Ampel auszusteigen!
Klaus P. Jaworek

Die von Herrn Lindner propagierte „Wirtschaftswende“ ist nichts anderes als eine Rückkehr in längst vergangen geglaubte Zeiten: Gerade bei den Bedürftigsten will er massiv kürzen; er macht bei Bürgergeldempfängern keinen Unterschied, ob sie arbeiten können oder nicht und will potenziell alle durch massiven Druck in den Arbeitsmarkt pressen, gerade so wie man früher „Arbeitsscheue“ staatlich verfolgt hat. Als überzeugter Marktwirtschaftler, den er in der Klimapolitik ja so eloquent zu geben weiß (er feiert die Aufhebung „planwirtschaftlicher“ Sektorvorgaben) müsste ihm eigentlich auffallen, dass er sich beim Sozialstaat komischerweise nicht auf den Markt verlässt, sondern auf staatlichen Druck setzt: Kürzungen im Sozialbereich sollen die „Anreize“ zur Arbeitsaufnahme erhöhen. Dabei wäre dies Aufgabe der Wirtschaft, welche durch Investitionen, attraktive Löhne und Arbeitsbedingungen diese Anreize bieten muss. Der Sozialstaat ist – anders als Herr Lindner das sieht – kein Instrument zur Durchsetzung einer bestimmten Wirtschaftspolitik, sondern dient dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Menschenwürde. Diese ist nicht an die ökonomische Nützlichkeit gebunden. Herrn Lindner gebührt aber auf alle Fälle Dank, weil er durch seine klaren Ansagen deutlich macht, worum es in den Wahlen dieses Jahres geht: Es geht (auch) um den Sozialstaat, so wie unsere Verfassung ihn definiert.
Dirk Kerber

Ich mag solche Gefälligkeitsinterviews in meiner Lieblingszeitung nicht. Warum fällt den Journalisten nicht ein, Lindner mit Positionen von Wirtschaftswissenschaftlern zu konfrontieren, die sein albernes Festhalten an der Schuldenbremse als pure Ideologie und brandgefährlich für Wirtschaft und Gesellschaft entlarven? Warum fragen sie nicht nach dem Stopfen von Steuerschlupflöchern, gezieltem Kampf gegen Steuerhinterziehung und einer längst überfälligen Reform der Erbschaftssteuer? Schieritz und Hildebrandt sind in diesem Interview einfach zu brav. Warum eigentlich?
Helmut Schmitz

Linders vermeintliche Strategie stellt eine beachtliche Polarisierung von Phänomenbeschreibungen und Deutungsprogrammen mit einer geradezu pathologischen Suche nach einem semantischen Fundament dar. Er trägt damit wesentlich dazu bei, dass die politischen, juristischen und soziologischen Vorstellungen von der Macht in der Ampel einander unversöhnlich gegenüberstehen.  Dadurch ist ein, in der Öffentlichkeit längst verachteter Widerspruch von Macht und Autorität in der Ampel zum politischen Multiversum geworden.
Jürgen Dressler

Die Fixierung der Groß-Finanzexperten Lindner, Merz & Co., denen bei den Themen „Reform des Sozialstaats“ und „Arbeitskräfte-Mangel“ zuallererst die Bürgergeld-Bezieher (= „Totalverweigerer“) und sonst wenig einfallen, lässt sich, wenn nicht mit einer bewussten, nur mit einer manischen Wirklichkeitsverweigerung erklären. Ja, auch ich kenne Menschen, die mehr arbeiten könnten; viele, wenn sie nur einen passenden Kita-Platz für ihren Nachwuchs fänden, andere, weil sie um ihre (seelische) Gesundheit in einem tendenziell überfordernden beruflichen Umfeld fürchten (z.B. Lehrer). Transferleistungen des Staates spielen da überhaupt keine Rolle, wohl aber staatliches Versagen in anderen Punkten. Überhaupt klingen manche Antworten Lindners verdächtig nach einer K.I., die einseitig mit den Vorlesungen bestimmter Wirtschaftsprofessoren gefüttert wurde. „Es spricht politökonomisch viel für die Selbstbindung an Fiskalregeln.“ „Die stark steigenden Sozialausgaben, die … in großer Dimension umverteilen…“ – Die Ergebnisse lassen sich im Zustand der Infrastruktur hierzulande beobachten und in jedem Armutsbericht nachlesen. Pardon, Herr Minister, aber das eine gute K.I. besser.
Josef Pütz

Leider musste ich in der Vergangenheit schon mehrfach feststellen, dass Interviews mit hochrangigen Politikern für mich und wahrscheinlich auch für viele andere Leser völlig ohne neuen Erkenntnisgewinn waren. So auch passiert in dem jüngst geführten Interview mit Christian Lindner. Fragen, die ich so oder so ähnlich bereits zigfach in Talkshows oder anderen Interviews gehört habe, ebenso wie die darauf folgenden Antworten der Politiker. Zu vielen Fragen hätte ich Ihnen die Antworten von Herrn Lindner ebenfalls bereits im Vorfeld geben können. Ich habe daher oft den Eindruck, dass Politiker wie rohe Eier behandelt werden. Kritisches Nachhaken sehe ich immer weniger. Mir ist leider immer noch schleierhaft, wo nach Lindners Vorstellung das Geld für die anstehenden Aufgaben, und wir reden hier nicht von ein paar Millionen hier und ein Paar Millionen da, sondern es geht um riesige Milliardenbeträge, wie z.B. für den Wohnungsbau, Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung, Klimaschutz usw… kommen soll. Durch Allgemeinplätze wie Abbau von Bürokratisierung (hier hat die Bundesregierung bereits das Bürokratieentlastungsgesetz IV auf den Weg gebracht. Was ist mit den drei Vorgängervisionen? Diese haben wohl offensichtlich nicht den gewünschten Investitionsschub in der Wirtschaft ausgelöst.) oder Disziplin im Staatshaushalt und effizienteres Ausgabeverhalten, sehe ich persönlich nicht, woher da die benötigten Milliardenbeträge kommen sollen.  Stattdessen wiegelt Lindner ab, dass es aktuell noch nicht Zeit ist über Zahlen zu sprechen. Als Wähler und Bürger dieses Landes will ich aber konkret wissen, woher zukünftig das Geld kommen soll, welches wir für die Transformation benötigen und nicht mit dem fabulieren über zwei unterschiedliche Denkschulen abgespeist werden. Man kann z.B. auch das eine tun ohne das andere zu lassen. Hier würde ich mir zukünftig ein kritischeres Nachhaken von Ihrer Seite wünschen: Sollte dies ggf. nicht vom Befragten gewünscht sein, würde ich mir vielleicht für die Zukunft überlegen auf solche belanglosen Interviews zu verzichten und die Zeit besser für andere Recherchen zu nutzen.
Arndt Kievelitz


Leserbriefe zu „Trost und Trotz“ von Evelyn Finger

Was für eine schöne Statistik auf der Titelseite der aktuellen Zeit! Ein Drittel der 18–34-Jährigen gehen an Ostern in die Kirche! Hat sich wirklich niemand darüber gewundert oder war gar in den letzten Jahren an Ostern in der Kirche und hat gemerkt, dass da quasi nur Menschen über 34 hingehen? Wenn ich das richtig recherchiert habe, ist die Umfrage von YouGov, und damit NICHT repräsentativ. Letztes Jahr gaben bei der gleichen Umfrage nur 22% der Menschen zwischen 18 und 34 an, an Ostern in die Kirche zu gehen. Hat sich da so schnell was geändert oder ist die Statistik verfälscht in dem Sinn, dass sie nicht den Schnitt der Gesellschaft abbildet, sondern vielleicht nur diejenigen, die gerne Umfragen über Kirchenbesuche an Ostern ausfüllen? Auch wenn man sich den Anteil der Menschen, die mindestens „mehrmals im Jahr“ in die Kirche gehen anschaut, kommt man auf einen deutlich geringeren Wert, mit meiner schnellen Recherche so um die 25%. Es kann natürlich sein, dass die Kirche immer jünger wird, was zwar ihre Statistik impliziert, aber so gar nicht von der Erfahrung der Kirchen gedeckt wird. Ich bitte Sie also, denken Sie mal drüber nach, ob eine Zahl so stimmen könnte, bevor Sie diese abdrucken. Danke.
Helena Sievers

Drei kleine Anmerkungen.
1. Karfreitag gilt für evangelische Christen als höchster Feiertag.
2. Das Christentum besteht nicht nur aus Katholiken und dem Papst.
3. Als Evangele kommt einem DIE ZEIT, dank Evelyn Finger, doch sehr katholisch vor.
Karl Giebeler

Danke für den sehr passenden Artikel zur Osterzeit. Unsere Welt scheint gerade aus den Fugen zu geraten mit all der Gewalt und Hass. Da kommt OSTERN gerade recht, und es ist tröstlich für uns alle, da wir die Auferstehung Christi feiern dürfen. Ostern ist DIE Hoffnung. Hoffnung auf ein besseres und liebevolleres Miteinander. Ich gebe die Hoffnung nicht auf.
Ute Koch

Den Artikel finde ich so wischiwaschi, wie wahrscheinlich die „Frömmigkeit“ derer ist, die nur zu Ostern – und vielleicht noch zu Weihnachten – einen Gottesdienst besuchen. Offenbar musste einfach irgendetwas zu Ostern auf die Titelseite. An Ostern geht es um die Hoffnung auf ein „ewiges Leben“ nach dem Tod und um – nach christlichem Glauben – die Vorbedingung dafür, nämlich das „Sühneopfer“ des „Gottesohnes“. Diese drei Glaubensinhalte bilden meines Wissens im Wesentlichen die „frohe Botschaft“ des Christentums – und sie in einem Artikel über Ostern nicht konkret zu erwähnen, aus welchen Gründen auch immer, empfinde ich als seltsam. Dass diese Glaubensinhalte den meisten Menschen in Deutschland bekannt sind, darf wohl nicht (mehr) vorausgesetzt werden. Ferner: Wenn in einem Artikel auf ein Gemälde so ausführlich hingewiesen wird, sollte es vielleicht auch abgebildet werden. Dass es allen oder zumindest den meisten Leser*innen bekannt ist, wird frau*man ebenfalls nicht voraussetzen dürfen.
Ulrich Willmes

Ostern das christliche Fest des Lebens und der Hoffnung und des Aufbruchs. Der Sieg des Lebens über den Tod. Das gipfelt im Motto: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ (1. Korinther 13). Was aber macht die „Amtskirche“ katholisch und/oder evangelisch damit? Sie verzetteln sich in einer „klerikalen Nabelschau“. Ohne einen Blick in die Bibel, also ohne Sinn und Verstand. Eine Einbeziehung der Gläubigen findet natürlich nicht statt. Die nunmehr schon seit längerer Zeit bekannten „Verfehlungen“ der beiden Kirchen, vor allem im sexualisierten Bereich, wurden Jahrzehnte vertuscht, verleugnet und ignoriert.  Das war und ist weder christlich noch Bibeltreu. Selbst der ehemalige Heilsbringer und Erneuerer der verkrusteten Strukturen im Vatikan, Papst Franziskus, ist mittlerweile nur noch ein alter weißer Mann den der Vatikan eingeholt und negativ vereinnahmt hat. Das „Imperium Vatikanstaat“ hat wieder einmal zugeschlagen also „Gesiegt“ und die christlichen Gemeinden zum Narren gehalten. Die neueste österliche Botschaft der Kurie: Wir die Kardinäle im Vatikanischen Dienst denken und praktizieren: Uns ist es egal wer unter uns Papst ist! Beredtes Beispiel war, dass das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Palmsonntagmesse 2024 keine Predigt gehalten hat = „Mundtot“? Wenn die Chefetage zerstritten und uneins ist, das gilt leider auch für die deutschen Bischöfe, wie sollen dann die Gläubigen, die Arbeiterinnen und Arbeiter im Weinberg des Herrn fröhlich, offen und österlicher Stimmung sein? In einem Weinberg kommt es zur Lese nur zu einem guten Ergebnis, wenn alle zusammenarbeiten. Das Bild des Osterfestes ist das gemeinsame Mahl am Gründonnerstag mit der Kommunion, dem Tod am Karfreitag und der Erlösung am Ostersonntag mit der Auferstehung Jesu und dem Bekenntnis zum Leben. Vermittelt durch seine Apostel. Ist das so schwer zu begreifen und zu vermitteln? Uns bleibt die Hoffnung den Wandel, im Vatikan und überall, auch in Deutschland, vom Saulus zum Paulus, doch noch zu erleben. Trost kann man trotzdem in Texten der barocken Lieder und Kirchenliedern von beispielsweise: Angelus Silesius, Paul Fleming, Andreas Gryphius, Manfred Opitz, Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Friedrich von Logau, Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen und nicht zuletzt von Paul Gerhardt finden. Die österliche Botschaft darf nicht dem Klerus überlassen werden, denn die Gläubigen sind die Kirche!
Felix Bicker

Ostern ist das wichtigste christliche Fest, aber sollte man dann auch in die Kirche gehen und das feiern, wenn man sonst nie in die Kirche zum Gottesdienst feiern geht? Am Ostersonntag soll Jesus den Tod überwunden haben! Woher das Wort Ostern stammt, das ist bis heute nicht vollständig geklärt, vielleicht bedeutet es übersetzt so viel wie „Morgenröte“, vielleicht aber auch nicht! Der Glauben ist eben eine echte Glaubenssache! Redensart: „Wenn Ostern und Pfingsten auf einen Tag zusammenfallen“, ja was ist dann wohl geboten?
Klaus P. Jaworek

Ich glaube das einzige tröstliche an Ostern ist die tatsächliche Auferstehung Jesus von den Toten. Ich halte es da mit der rationalen Einstellung Paulus der in 1.Kor 15,19 feststellt, dass wir die elendesten unter allen Menschen sind, wenn wir allein in diesem Leben auf Christus hoffen. Ohne die Auferstehung ist der christliche Glaube eine unbegründete Hoffnung. Aber viele wagen den Gedanken nicht zu Ende zu denken oder die Fakten zu prüfen, denn dann könnte man nicht weitermachen wie bisher. Dann wäre der Anspruch Jesus wahr und wir täten gut daran ihm in allem zu folgen. Damit auch wir auferstehen.
Markus Kantz

Wer sich nach dem Oster-Leitartikel von Evelyn Finger das beschriebene Gemälde „Tabula Smaragdina“ von Michael Triegel anschaut, könnte auf die Idee kommen, dass das Bild auch ganz anders zu interpretieren ist: Es offenbart, um was für eine blutrünstige und absurde Erzählung es sich bei der Passionsgeschichte handelt. Das blutverschmierte Messer in der Hand eines Engels verrät den Verursacher des Massakers. Gott selbst hat seinen Sohn geopfert. Was er im Fall von Abraham, dem er den Befehl gegeben hatte, seinen Sohn Isaak zu schlachten, im letzten Moment stoppte, das lässt er am eigenen Sohn brutal ausführen. Wozu der Auftragsmord? Um die Menschen von ihren Sünden zu erlösen, erzählt uns die Geschichte. Geht es noch absurder? Da liebt einer die Menschen so sehr, dass er seinen eigenen Sohn den Foltertod sterben lässt und den Sündern Vergebung verspricht – vorausgesetzt, sie glauben an die Wahrheit dieser monströsen Erzählung. Es fällt einem vernünftigen Menschen schwer, auf dieser „Botschaft“ die Hoffnung auf eine bessere Welt zu gründen.
Gerold Hofmann

Keine andere Erzählung als die Ostergeschichte vermag so deutlich den illusionären Charakter des Christentums zu verdeutlichen: Das auserwählte Volk Gottes wird durch römische Fremdherrschaft geknechtet. Das ist nur als Strafe für den Ungehorsam gegenüber Jahwe erklärbar, der sich deswegen von seinem Volk abgewendet hat. Um ihn wieder gnädig zu stimmen, muss man spirituell umkehren, sich symbolisch reinwaschen und nach alter Sitte ein Sündopfer darbieten. Dann hat man Hoffnung, dass ein Nachfahre des König Davids, der Messias, das alte Reich wieder aufrichtet. Jesus von Nazareth wurde offenbar für diesen Messias gehalten, ja sogar für einen Sohn Jahwes, die Römer sahen in diesem „König der Juden“ verständlicherweise einen Aufrührer und richteten ihn einfach hin. Seine Anhänger wollten seinen Tod nicht wahrhaben und phantasierten zunächst sein Weiterleben auf Erden, später seine Entrückung in den Himmel, von wo er bald wiederkommen würde, um seine messianische Aufgabe zu vollenden. Da er trotz aller Hoffnung nicht wiederkam, wurde er nun als König eines überirdischen Himmelreiches, ja als Teil der Dreieinigkeit Gottes selbst gesehen. Seine Hinrichtung musste das großartige Sündopfer sein, und da Gott nun wieder versöhnt war, waren auch die Sünden der Menschen vergeben – welche Erlösung. Das alles war aber nur der Fall, wenn man zu den Auserwählten gehörte, die die Geschichte mit diesem Jesus glaubten. Alle anderen wurden selbstverständlich nicht von der Schuld befreit, die sie sich durch ihren Ungehorsam gegenüber Gott zugezogen hatten. Welche Art von Trost kann dieses Hirngespinst geben?
Holger Holland-Moritz


Leserbriefe zu „Über Schlümpfe und den Kampf gegen rechts“ von Harald Martenstein im ZEITMagazin

Das Harald Martenstein Kolumne schon lange nicht mehr auf dem Niveau einstiger Tage ist, mag subjektiv sein. Dass er jetzt die Propaganda der „Neuen Freiheit“ und des rechtpopulistischen Magazins „Nius“ wiedergibt, enttäuscht mich in der „Zeit“ zu lesen. Es ging nach Informationen der Faz und des Fokus bei der Thematik der Schülerin um den Verdacht auf rechtspopulistische, extremistische Inhalte, die über Soziale Medien kommuniziert wurden. Das Bild des unschuldigen jungen Mädchens, das ein Schlümpfe-Bild mit einem „heimatfreundlichen Satz“ gepostet hat und anschließend abgeführt wurde, wird von der rechten Propaganda befeuert, ist aber unvollständig. Der Artikel von Susanne Gaschke beschäftigt sich mit diesen Hintergrundinformationen nicht.  Generell ist bei sozialen Medien wohl eher die Thematik, dass sie einen Nährboden für Hetze und Falschinformationen liefern und im Zweifelsfall eher wenig gefiltert wird. Wenn in einem Einzelfall mal zu viel gefiltert sein sollte (bei Harald Martensteins Frau, die gerade süße Schlumpfvideos posten wollte), enspricht das nicht der Regel. Ich denke von dem von Harald Martenstein beschriebenen totalitärem Staat, in dem man nichts sagen darf, sind wir weit entfernt. Durchaus aber ein Bild welches von der AfD gerne so dargestellt wird.  Die „Zeit“ sollte darauf achten, dass unter dem Deckmantel der Kolumne nicht ungefilterte rechtspopulistische Propaganda publiziert wird.
Jana Horn

Ist es verboten, als Staatsbürger (auch „rechte“) Meinungen zu haben und zu äußern? Darf man als Schulleiter die Polizei einschalten, weil eine Schülerin deswegen anonym denunziert wurde? Darf die Polizei diesem Ersuchen Folge leisten, wenn keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine konkretisierte Straftat absehbar ist? Ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt, wenn eine Gefährder-ansprache in einer öffentlichen Schule, ohne Hinzuziehung der Erziehungsberechtigten, erfolgt? Nein, nein und wieder nein! Bei dem Vorfall an der Schule in Ribnitz-Damgarten wurden in einem bestimmten politisch-gesellschaftlichen Klima geradezu exemplarisch verfassungsmäßige, rechtliche, pädagogische und moralische Grundsätze mit Füßen getreten.  Wie kann eine solche Fehlentwicklung von maßgeblichen Teilen der Gesellschaft, von staatlichen Institutionen, von Politik und Medien übersehen, verharmlost oder sogar ausdrücklich rechtfertigt werden – Schutz der demokratischen Ordnung?  Im Gegenteil, die Demokratie schützt allein die Rückbesinnung auf ihre Grundprinzipien: Den Souverän in der subjektiven – möglicherweise irrigen – Wahrnehmung seiner Situation ernst zu nehmen und ihm die Möglichkeiten geben, sich zu artikulieren und in der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden politisch Einfluss zu nehmen. So werden demokratische Grundfertigkeiten vermittelt, nicht mit staatlicher Bevormundung durch selbsternannte Demokratieschützer.   Mehr Gelassenheit wagen…!
Michael Robie

Leider lassen Sie uns nicht-facebook-affine DIE ZEIT-Leser im Unklaren, wer oder was mit den Schlümpfen gemeint ist! Mein Krankengymnast nennt Olaf Scholz „Der Schlumpf“. Sein Gesicht hat tatsächlich neben etwas Buddhaartigem auch etwas Schlumpfiges! Solche Kennzeichnungen dürften von der freien Meinungsäußerung gedeckt sein! Wie für die 16-jährige „Jungkriminelle“ ist auch für mich inzwischen berenteten 78-jährigen Deutschland Heimat: seine Kultur, das Läuten der Kirchenglocken haben mich geprägt, in mehreren seiner Bundesländer habe ich gewohnt, studiert und gearbeitet, habe die unterschiedlichsten, vom Aussterben bedrohten Dialekte gehört, teilweise selbst gesprochen; über seine bornierte Bürokratie, seine wirklichkeitsblinden Gesetze und Verordnungen geflucht! Was von alledem meine Enkel noch als Heimat empfinden werden, kann ich nur erahnen.  Die Sozen, die Ihrer Frau die SPD-Ehrennadel verliehen haben, sollten diese jetzt noch mit einem Brillanten aufwerten! Sollten sie ihr jedoch diese Auszeichnung aberkennen wollen, wird das Grollen aus den Gräbern von Willy Brandt und Helmut Schmidt den verbliebenen SPD-Torso so heftig erschüttern, dass er vollends in sich zusammenstürzt!
Ulrich Pietsch

„Harald Martensteins Sketch „Über Schlümpfe und den Kampf gegen rechts“ im ZEIT-Magazin vom 27. 3. 2024 Nr. 14 kann nicht unbeantwortet bleiben. Martenstein macht darin die Äußerung der ehemaligen SPD-Oberbürgermeisterin von Kiel Susanne Ganzer zum Thema, „in Deutschland habe der Kampf gegen rechts inzwischen jedes Maß verloren, er sei außer Kontrolle“. Ist von solch einem Fall, also Überzogenheit, tatsächlich auszugehen, wenn Polizeibeamte auf Anzeige hin ein 16jähriges Mädchen in seiner Schule aufsuchen, nachdem dieses auffällig geworden war, indem es einen mit Schlümpfen ausgestatteten Werbefilm für die AfD gepostet und Äußerungen in der Richtung getan hatte, „Deutschland sei für sie Heimat und nicht bloß ein Ort auf der Landkarte“? Es gibt hierauf doch kaum eine deutlichere Antwort als die derzeitigen Demonstrationen der vielen Menschen in Deutschland, die nach den Verlautbarungen von Potsdam Sorge, ja gerade Angst umtreibt, die Zeiten von den Jahren 1933 folgende könnten sich wiederholen. Es ist richtig, Kindern, als unserer Nachfolgegeneration, von der Geschichte ungeprägt und noch gutgläubig wie viele Leute damals, von ihnen verfasster Werbung für das Gedankengut der AfD mit dessen Verniedlichung entschieden – auch mit Öffentlichkeitswirkung – entgegenzutreten, bevor – vor allem in der Jugend – mit dem Tenor, was da von der AfD gesagt werde, sei ja weiter nicht schlimm – eine weitere Verfestigung erfolgt. Kinder, die in der Schule mit derartigen Handlungsweisen auffallen, agieren nicht nur privat.“
Gisela Wohlgemuth

Ich schreibe Ihnen nicht wegen der seltsamen Gemeinschaftsstandards bei Facebook. Die sind schwer zu durchschauen und ich wurde schon oft damit abgespeist, dass gemeldete Inhalte vermeintlich in Ordnung waren, obwohl ich vermutet hätte, dass sie wegen hasserfüllter Inhalte durchaus entfernungswürdig gewesen wären. Selbstverständlich wäre es aus meiner Sicht auch nicht in Ordnung, eine Schülerin wegen fragwürdigen Teilens von AfD Inhalten mit einer Gefährderansprache zu konfrontieren. Jedoch stellt sich das ganze etwas anders dar. Und da kommt mein Kritikpunkt. Ich vermute, Sie und Frau Gaschke sind selbst einer Erzählung der AfD und Konsorten auf den Leim gegangen. Hätten Sie nicht als verantwortungsbewusster Autor auch die Seite des Schulrektors recherchieren müssen? Vielleicht ist er übers Zuel hinausgeschossen, das kann ich nicht beurteilen. Und gleichzeitig ist er jetzt anscheinend Ziel einer rechtsextremen Hasskampagne. Ich erlaube mir, einen Artikel zu verlinken, in dem entsprechende Quellen zitiert werden.
https://eur06.safelinks.protection.outlook.com/?url=https%3A%2F%2Fwww.volksverpetzer.de%2Fanalyse%2Fwas-aus-dem-rechten-maerchen-vom-schlumpf-skandal-zu-lernen-ist%2F%3Futm_source%3Dapp_share&data=05%7C02%7Cleserbriefe%40zeit.de%7C99affb24bc304514af3608dc5260eeba%7Cf6fef55b9aba48ae9c6d7ee8872bd9ed%7C0%7C0%7C638475823487588852%7CUnknown%7CTWFpbGZsb3d8eyJWIjoiMC4wLjAwMDAiLCJQIjoiV2luMzIiLCJBTiI6Ik1haWwiLCJXVCI6Mn0%3D%7C0%7C%7C%7C&sdata=oDALae4j4R39VRV%2B1Ct2UjWSctSxEWytDpE%2BhsMefec%3D&reserved=0
Silke Schmidt

Ich lese gerne die Zeit und finde es eine der ausgeglichensten Angebote in der heutigen Medienwelt. Mich hat der Artikel von Harald Martenstein im Zeit Magazin doch sehr geärgert. Wenn eine 16-Jährige eine Ansprache von der Polizei bekommt, weil sie rechte Codes auf TikTok teilt und die Rechten das instrumentalisieren und hochbauschen wegen eines ‚Schlumpfvideos‘ dann geht die Zeit hier auch auf den Leim. Bitte recherchieren sie besser, ich hoffe doch, dass es nur daran liegt.
Wolfgang Henk

Diese gnadenlose Übergriffigkeit seitens einiger staatlichen Organe, die sich gerade in Deutschland so richtig breit zu machen droht, die gibt mir sehr zu denken! Welcher „Virus“ breitet sich gerade hier im Lande aus? Lässt sich das Leben wirklich nur noch einigermaßen m Cannabis-Delirium ertragen? Menschen gehen bei uns auf die Straße, um hier im Rechtsstaat Deutschland für die „rechte“ Demokratie zu demonstrieren. Derweil tut die Ampel alles, um unsere Demokratie mit ihrem Demokratieförderungsgesetz möglichst klein und in Schach halten zu wollen! Irgendwie ist mein Vertrauen in diese Ampel-Regierung nicht nur auf dem Nullpunkt angekommen, sie ist bereits weit unter dem Wert Null! Haben unsere Volksvertreter, speziell, die Vertretung, die sich auf den Regierungsbänken festgeklebt haben, jetzt vollständig ihren Verstand verloren?
Riggi Schwarz

Seit sehr langer Zeit bin ich Abonnentin der Printausgaben des Tagesspiegels und der Zeit. Ich war froh, als die Kolumne von Harald Martenstein im Tagesspiegel eingestellt wurde, da mich das Problematisieren falscher und/oder aus dem Kontext gerissener Aussagen zunehmend abgestoßen hat. Die Kolumnen im ZEITmagazin haben sich davon, mindestens beim Aussparen politischer Wertungen, positiv abgehoben. Das gilt leider nicht für die vom 27.3., in der die polizeiliche Ansprache einer Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern wegen vermeintlicher Schlumpfvideos im Zusammenhang mit der AFD skandalisiert wird. Herr Martenstein bezieht seine Darstellung ausschließlich auf die Öffentlichkeitsarbeit der Mutter des Mädchens, die den Vorgang zuerst verbreitet hat. Es war das Innenministerium, das im Rahmen eines Faktenchecks klarstellte, dass sie nicht wegen eines Videos mit Schlümpfen aktiv wurden.  Vielmehr hatte die Schülerin mehrfach Aussagen und Symbole veröffentlicht, die dem Rechtsextremismus zugeschrieben werden. Auch habe die Polizei das Mädchen nicht aus dem Unterricht geholt, sondern vor der Schule gewartet. Da die Richtigstellung bereits am 19.3. erfolgte und Herr Martenstein in der Kolumne erwähnt, das bei Redaktionsschluss „unterschiedliche Aussagen vorliegen“, war ihm die veränderte Faktenlage bekannt oder er hätte Anlass gehabt, sie zu recherchieren. Angesichts des sich verfestigenden Rechtsextremismus finde ich ein präventives Vorgehen der Polizei gut. Es ist jedem und jeder Kolumnistin unbenommen, eine andere Position zu vertreten und diese zu veröffentlichen. Einen vermeintlichen Skandal trotz besseren Wissens mit falschen Aussagen zu begründen ist journalistisch, in einer Zeit mit zunehmenden Fake News, hochgradig unseriös und einer Zeitschrift wie „Die Zeit“ unwürdig. Ich möchte so etwas nicht mehr lesen müssen.
Martina Schmiedhofer

Die o.g. Kolumne, des von mir ansonsten sehr geschätzten Herrn Martenstein, hat bei mir doch einige Fragen aufgeworfen:  Hat Herr Martenstein vielleicht schlecht geschlafen, als er diese Kolumne verfasste, oder wusste er kurz vor Abgabetermin nicht, worüber er schreiben sollte? Man mag ja über den Gesamtvorfall, über den er berichtet durchaus unterschiedlicher Meinung sein, insbesondere ob es tatsächlich einer polizeilichen Gefährderansprache bedurft hätte oder auch zunächst ein schulinternes Gespräch mit der Schülerin und den Eltern gereicht hätte. Bevor der geneigte Leser aber durch Herrn Martenstein in eine rechtsstaatliche Untergangsstimmung geführt wird, hätte ich mir gewünscht, dass auch journalistisch einwandfrei alle Fakten auch in der Kolumne genannt werden.  Hierzu reicht es m.E. nicht aus, einfach nebulös zu erklären, dass „darüber, wer wem wann genau was geschickt hat, mit oder ohne Schlumpf, liegen bei Redaktionsschluss unterschiedliche Aussagen vorliegen“. Tatsache ist, dass bei Redaktionsschluss bereits die Erkenntnis vorlag, dass das Verbreiten eines Schlumpf Videos auf tiktok nicht der Grund für das polizeiliche Einschreiten war, sondern bereits andere rechtsnahe und ausländerfeindliche Posts der jungen Dame. Auch wenn sich die Verbreitung im Nachhinein als straffrei herausgestellt hat, heißt dies nicht im Umkehrschluss, dass die polizeiliche Aktion illegal gewesen wäre. Auch die Tatsache, dass sich die Eltern im Anschluss dieses Vorfalls direkt an eine rechtsnahe Zeitung für ein Interview gewandt haben, gehört dazu, um sich als Leser ein ganzheitliches Bild machen zu können.
All dies fehlte aber aus meiner Sicht bewusst, um den Leser in eine klare Richtung zu ziehen. Denn im Anschluss folgten durch Herrn Martenstein rein populistische Äußerungen wie „inzwischen scheint außerdem wegen dieser Polizeiaktion in Ostdeutschland die Luft zu brennen“, „Kein Demokrat kann sowas wollen, oder? oder „Mit der Devise „Legal, illegal, scheißegal“ schafft man ja nicht die politische Richtung „rechts“ ab, nur den Rechtsstaat.“  Wow harter Tobak! Ich denke, da ist Herr Martenstein selber gehörig auf die rechtspopulistische Taktik hereingefallen: einfaches kleines Mädchen, aus gutbürgerlichen Verhältnissen mit einem Hang zu süßen Schlumpf Videos wird von unserem immer schlimmer werden Rechtsstaat in die Mangel genommen. Da hätte ich mir wirklich mehr professionellen Journalismus gewünscht. Vielleicht ging es Herrn Martenstein aber letztlich auch nur darum mit Facebook abzurechnen, die es sich doch tatsächlich erlaubt haben einen Post über den o.g. Vorfall seiner mit einer Ehrennadel der SPD hochdekorierten Ehefrau im Feed herabzustufen. Hier hätte es aber vielleicht auch gereicht einen bösen Brief an Facebook zu schreiben, anstatt so einen Sturm im Wasserglas zu entfachen. Ich hoffe nur, die kommende Kolumne wird wieder seriöser.
Arndt Kievelitz


Leserbriefe zu „Soll man Zoos verbieten?“ Streit von Laura Zodrow und Jörg Junghold, geführt vorn Merlind Theile und Stefan Schirmer

Für mich ist der Mensch wahrhaftig nicht die Krone der Schöpfung, aber viele Menschen führen sich so auf, als hätten sie diese Krone bereits auf ihrem Haupt! Wie komme ich nur gerade jetzt daran? Am Beispiel des Tiergarten Nürnberg, da gibt es nun einmal viel zu viele Affen, daher soll es nun den Pavianen an den Kragen gehen. Diese Tiere haben sicherlich vor lauter Langeweile vermutlich nichts Besseres zu tun, als sich zu ständig zu paaren. Jetzt hat der Tiergarten den Salat! Und es ist wie immer, wenn dem Menschen eine hausgemachte Sache über den Kopf, zu wachsen droht, dann weiß er sich oft nicht mehr anders zu helfen, als gnadenlos dazwischen zu funken. Im Grunde meines Herzens bin ich gegen strikte Verbote, denn diese Ampelmännchen aus Berlin überziehen uns schon zu Genüge damit!
Klaus P. Jaworek

Ich gehe gerne in Zoos und schaue mir auch gerne Tierfilme im TV an. Ich kann mich noch gut an die Zoohaltung in meiner Jugend erinnern, wo Tiere in verdreckten Käfigen gehalten wurden, sichtbar Verhaltensstörungen zeigten, und die Wärter – es gab damals noch keine Tierpfleger -höchst brutal mit den Tieren umgingen. Damals taten mir die Tiere sehr leid. Heute hat sich viel geändert: die Zoos sind größer und heller geworden mit schöner Bepflanzung und dazwischen Tiergehege, je nach Tierart im Freien oder in großen Innenanlagen. Gepflegt werden sie von ausgebildeten Tierpflegern, die ein gutes Wissen über die Tiere haben und auch versuchen, den Tieren Abwechslung in ihren Tagesablauf zu bringen. Da sind sie recht einfallsreich. Und die meisten Tiere mögen ihre Pfleger und suchen Kontakt zu ihnen, ja sie schmusen auch gerne. Ich habe ein Nashorn gesehen, das sich genüsslich von seiner Pflegerin kraulen ließ. Was den Bewegungsdrang der Tiere angeht, so dient dieser meist der Futtersuche. Eine Zebraherde in Freiheit rennt nicht durch die Gegend, um einen Ausflug zu machen, sie suchen Futter und Wasserstellen, und die liegen oft weit auseinander. Oft laufen sie auch vor Raubtieren davon. Ich habe einmal im TV gesehen, wie ein Löwenrudel einem Gnu bei lebendigem Leib den Bauch und die Gedärme rausriss, den Blick dieses Gnus werde ich nie vergessen.
Ich glaube, es hätte glücklicher im Zoo gelebt.  Nun sagen viele, das ist Natur, aber Natur ist oft grausam. Die meisten Tiere bewegen sich, um sich Nahrung zu beschaffen, sind sie satt schlafen oder dösen sie. Ein Löwe ist übrigens äußerst bewegungsfaul, und es ist ihm egal, ob er in der Savanne oder im Zoo lebt, Hauptsache, er ist satt.  Natürlich gibt es in Afrika viele Reservate, in denen die Tiere unter natürlichen Lebensbedingungen leben. Aber diese Reservate sind eigentlich auch Zoos, denn die meisten Tiere sind Aufzuchten, die ausgewildert werden, und es gibt etliche Tiere, die immer wieder zur Aufzuchtstation zurückkehren. Und auch die anderen Tiere behalten den Kontakt zum Menschen bei, und laufen, sobald ein bekannter Jeep kommt, dahin, um ihre Menschen zu begrüßen. Ich glaube, die meisten Tiere mögen den Kontakt zu Menschen, wenn sie diese kennen gelernt haben. Sonst wäre es auch nicht möglich gewesen, Tiere zu domestizieren.  Viele bedrohte Zierarten haben im Zoo die Möglichkeit, sich im Zoo zu vermehren und so erhalten zu bleiben. Und die Menschen in den Städten haben die Möglichkeit, unbekannte Tiere kennen zu lernen. Insofern erfüllen die Zoos eine wichtige Aufgabe und müssen erhalten bleiben,
Ingrid Grenzmann

Frau Zodrow hat mit jedem Wort Recht. Herr Junhold mag Tiermedizin studiert haben, Wesentliches hat er offenbar nicht verstanden. Unser Umgang mit Tieren ist längst nicht mehr zeitgemäß – wir essen sie und wir benutzen sie u.a. zu unserem Vergnügen. Was berechtigt uns dazu? Neben dem erwähnten Buch von Laura Zodrow und Colin Goldner, empfehle ich auch „Tiergefängnis Zoo, Ein Schwarzbuch“ von Colin Goldner, sowie das neueste Buch von Silke Ruthenberg „Am Anfang war das Wort, Über die Unterjochung der Tiere und die Ethik ihrer Befreiung.“ Vielleicht hilfts….
Eva Gruber

Ein behauptungs-, jedoch wenig faktenreicher Aktivismus ist lediglich Attentismus. Diese Form des meistens zudem staatlich alimentierten Berufsbürgertums trägt wesentlich zur Diskreditierung von Wissenschaft bei.
Jürgen Dressler

„Grasbüschel“ ist ein Neutrum. Ich frage mich, ob Sie da Frau Zodrow verschlimmbessert haben oder ob sie das falsche Genus selbst benutzt hat. Von Herrn de Maizières maskulinem „Wirrwarr“ auf Seite 36 war ich auch verwirrt, aber offenbar ist das eines der wenigen Wörter, wo alle drei Genera möglich sind. Mein Sprachgefühl plädiert am Ehesten für das Neutrum.
Thomas Manthey

Meine Frau und ich wohnen etwa 400 km von Leipzig entfernt und besitzen trotzdem schon seit langem eine Zoojahreskarte! 2–3-mal im Jahr ein Kurzbesuch in Leipzig sind daher Pflicht! Dazwischen informieren wir uns über alle Neuerungen bei „Elefant, Tiger und Co.“, freitags im MDR.  Für mich ist der Leipziger Zoo der schönste, abwechslungsreichste, bestgeführte Zoo, den ich kenne! Alle Tiere wirken zufrieden und entspannt, zeigen keine Stereotypien – abgesehen von den Amurleoparden, denen ich ein größeres Gehege wünschte. Dass die Schimpansen immer wieder Zoff haben und schreiend herumtoben, gehört zu ihrer DNA! Wie sollen junge Menschen, die eine ständige Verkleinerung des Naturraums erleben, die aus Kostengründen oder wegen des großen CO2-Fußabdrucks, den sie dabei hinterlassen, nicht in die Wüsten, Steppen und Urwälder aller Kontinente fliegen, um die dort heimischen Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten, sich sonst einen Eindruck vom Reichtum der weltweiten Fauna machen; die sie doch mitschützen und -bewahren sollen? Die Tiere im Leipziger Zoo werden von fachlich kompetenten Tierpflegern (m, w, d) und Kuratoren betreut, deren höchster Anspruch das Tierwohl ist! Schmerzlich vermisse ich Jörg Gräser, der unserer Familie bei einer privaten Führung vor Jahren „seine“ Hyänen zeigte. Darüber hinaus betreute er die Löwen und Erdmännchen, die er immer wieder mit fantasievollen, selbstgebastelten Kunstwerken aus Obst und Gemüse mit Nischen für Fleischstücke beschäftigte und bespaßte! Nicht nur Frau Zodrow, sondern jeder Besucher des Leipziger Zoos sollte dem Vorschlag von Direktor Junhold folgen: einmal mit dem Boot durch „Gondwanaland“ fahren und dort die üppige Urwaldflora und -fauna erleben! Diese kleine Reise durch die Tropen weckt bei jedem den Wunsch, ein solches Paradies auch in Zukunft zu erhalten!
Ulrich Pietsch


Leserbriefe zu „Können wir den Krieg“ von Peter Dausend

Reichlich martialisch der Titel. Doch Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif, eine Binse. Ohne Sicherheit ist Freiheit ein leeres Versprechen. Wehrhaftigkeit ist deshalb Existenzgrundlage der Gesellschaft. Das ist nach 1989 in Vergessenheit geraten, als der Westen sich als einzig verbliebene Führungsmacht sah. Solange heute aber Friedensapostel wie Mützenich in Berlin den Ton angeben und der Ukraine verklausuliert eine Art Kapitulation nahelegen, ist das unverantwortliches, populistisches Irrlichtern. Manche haben offenbar nichts dazugelernt.
Christoph Schönberger

Mit großem Interesse habe ich den Artikel über die Bundeswehr gelesen, in dem General Carsten Breuer unter anderem auch über Mentalitätswechsel in Deutschland spricht. Da fällt mir ein, was ich über Mentalität der USA Bürger neulich gelesen habe: Wenn jemand einer Militärpersonal begegnet, ist es üblich, dieser zu danken für ihren Dienst. Können Sie sich so etwas bei uns vorstellen? Ich nicht.
Katharina Göggel

Unglaublich, wie weit die Militarisierung in der ZEIT inzwischen geht. Wird in Redaktionssitzungen bereits Flecktarn getragen? KÖNNEN WIR DIPLOMATIE – diese Frage stellt sich wohl nicht mehr bei zunehmender Panzerdiesel-Konzentration im Redakteursblut. Also lasst uns weiter am Abgrund wandeln. Hauptsache, die Aktien von Rheinmetall & Co. Steigen weiter.
Joachim Frensel

Diese Frage dürfte Generalinspekteur Breuer vermutlich nicht nur rhetorisch gestellt haben. Aber wie es bei der Verwendung von Begriffen nun mal so ist, sie erzeugen Bilder, Vorstellungen und zeugen oft auch von Einstellungen. So auch bei dem von Breuer verwendeten und viel diskutiertem Begriff „Kriegstüchtigkeit.“ Dem wurde in den letzten Wochen gerne der Begriff „Verteidigungsfähigkeit“ gegenübergestellt. Letzterer beinhaltet auch die Fähigkeit einen Krieg zu führen, weist aber über diesen Aspekt hinaus und legt den Fokus auf den defensiven Charakter einer Politik und eines Landes, was eben verteidigungsfähig auf das Schlimmste vorbereitet ist, ohne dieses zu begünstigen. „Verteidigungsfähigkeit“ bedeutet auch, die Möglichkeiten zur Deeskalation im Blick zu behalten und zur Landes- und Bündnisverteidigung nicht nur militärische, sondern auch diplomatische Wege zu sehen und zu gehen. Darum drängt sich die Frage auf: „Wer sollte das stärkste Militärbündnis in der Geschichte der Menschheit, die NATO, selbstmörderisch angreifen wollen und wenn, warum?“ Diese Frage ist nicht rhetorisch gemeint, genauso wie abschließende: „Können wir auch Frieden?“
Reiner Gorning

Nein!! Europa hatte zweimal Krieg, der dritte wird der letzte sein (Hans Sanders)
Johanna Grieger


Leserbriefe zu „Dieser Mann ist nicht bankrott“ von Heike Buchter

Der Fall Signa/Benko zeigt doc, dass Immobiliengeschäfte ihre eigene Dynamik haben. Davon finde ich in Ihrer Analyse leider nichts – im Gegensatz zu vielen Berichten zur Finanzlage von Herrn Trump. Die „nahezu unbekannte“ Onlinebank Axos ist Teil der börsennotierten Axos Financial. Mit nur ein bisschen Recherche müsste da meiner Erfahrung über die SEC und diverse Dienstleister weit mehr zu den Hintergründen der Unterstützung von Trump erfahrbar sein. Auch die wohl spannende Frage warum Axos und offensichtlich niemand weiteres ? Oder lesen Sie nicht z.B. die Washington Post? (https://www.washingtonpost.com/politics/2023/07/27/trump-loans-axos-bank-gregory-garrabrants/) Rollingstone (vom 13.03.22 – https://www.rollingstone.com/politics/politics-news/axos-bank-trump-tower-donald-trump-1320670/) als Hinweis auf eine bereits zwei Jahre alte Verbindung muss es ja nicht unbedingt sein. Ebenso sind aus meiner Sicht Immobilienumschuldungen einerseits und die Vorfinanzierung von Kautionen doch zwei sehr unterschiedliche Geschäftsfelder. Ich bin mir aktuell nicht sicher, ob da nicht doch der Teufel im Detail sitzen kann. Aber das wird sich ja innert 10 Tagen wohl klären. Frage bleibt auch, wieweit bei 20 Mrd. USD Bilanzsumme letztlich eine finanzielle Unterstützung von Trump möglich ist, ohne ggf. selbst etwas ins Schlingern zu kommen. P.S.: Wäre Trump wirklich so liquide, warum dann das Gejammere seiner Anwälte um die Ausgangskaution. Oder spielt da (der zweite Axos-Deal war vor acht Monaten?) ganz einfach die Zeit gegen ihn (auch wenn ihn die Zeit-Wirtschaftsredaktion etwas „hätschelt“) ?
Martin Homme

„Es gibt viele Möglichkeiten, Karriere zu machen, aber die sicherste ist noch immer, in der richtigen Familie geboren zu sein.“ (Zitat von Donald Trump, *1946, US-amerikanischer Unternehmer und der 45. Präsident der Vereinigten Staaten) Der republikanische Realist Donald Trump bekommt seine zweite Chance und diese dürfte er vermutlich eiskalt für sich nützen. Unter Donald Trump ging es auf dem Erdenball etwas friedlicher und friedvoller zu, trotz seiner oft sehr arg aggressiven Wortschwalle und Wortschöpfungen. „Ich finde, Computer haben das Leben enorm erschwert. Das Zeitalter der Computer hat dazu geführt, dass niemand mehr genau weiß, was eigentlich passiert.“ (Donald Trump) Donald Trump ist weder bankrott noch dumm und schon gar nicht verrückt; er redet mit allen und jeden und das vor seinem Dickschädel fast immer ziemlich balkenfrei. Brandmauern hin oder her, weg damit!
Klaus P. Jaworek

Dass die Gerichte Trumps Wiederwahl verhindern könnten, wird immer unwahrscheinlicher. Wie aber kann der Mann gestoppt werden? Dass Trump psychopathische Züge an sich hat, kann auch ein kritischer Laie erkennen. Sollte die Justiz versagen, muss der Öffentlichkeit über alle Medien klargemacht werden, mit was für einem für die USA und für die demokratische Welt gefährlichen Menschen wir es zu tun haben. Kein einziger Mitarbeiter Trumps hat sich kritisch über Trump geäußert. Aus Opportunismus oder aus Feigheit? Einzig John Bolton hat Klartext geredet. Trump muss ärztlich auf seinen körperlichen Gesundheitszustand und auf seine geistige Verfassung untersucht werden. Putin aufzufordern, sich an Europa nach Belieben zu bedienen, ist kriminell. Mit seiner Prahlerei, es würde ihm juristisch nichts passieren und seine Wählergemeinde würden ihn trotzdem wählen, wenn er auf der 5th Avenue in New York jemanden erschießen würde, beleidigt er nicht nur die amerikanische Justiz, sondern auch seine Wähler, weil er ihnen zutraut, sie würden auch einen Mörder wählen. Vielleicht hat er sogar recht, wenn er die amerikanische Justiz als so unbedeutend einschätzt.  Bolton hat recht: Trump ist amtsunwürdig und darf keinesfalls zur Wiederwahl antreten. Mal sehen, wie sich dieser makabre Zirkus weiterdreht.
Jochen Wagner

Ich muss Ihnen Mal gratulieren. Ein so objektiver und ehrlicher Artikel über Donald Trump! Das hätte ich besonders in Ihrem Blatt ehrlich gesagt nicht erwartet! Chapeau! Die Tatsache, dass Truth Social ein so großer finanzieller Erfolg ist, hatte ich kurz zuvor bereits woanders gelesen, aber diese Tatsache wird von Medien aus der anderen Richtung ansonsten diskret verschwiegen. Ansonsten zeigt die Hexenjagd auf Trump worauf man sich gefasst machen kann, wenn man in die Politik geht. Wen wundert, dass dies immer weniger Menschen wollen, vor allem solche, die Alternativen haben. Jedenfalls weiß ich Mal wieder warum ich Geld für die Zeit ausgebe und nicht nur Facebook lese.
Torsten Schlabach

Donald Trump mag pekuniär gesehen vielleicht (noch) nicht ganz bankrott sein, moralisch ist er es längst. Was das Finanzielle angeht, habe ich die Hoffnung, dass Melania, die sich ja schon ziemlich angewidert von ihrem Mann gezeigt hat, sich scheiden lässt und das ihm das dann den Rest gibt. „The Art of the Deal“ ist ein „Standard“werk? Wessen „Standards“ sind das? Wissenschaftliche wohl eher nicht. Vielleicht ein Standardwerk für Betrüger. Neuerdings wohl auch Kryptobetrüger. Von Trumps „Trumpf“ Truth Social habe ich bisher nur gehört, dass es ihm Millionenverluste eingebrockt hat.
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Abgestreift“ von Albert Ostermaier

Es ist schon spannend, wie sehr nun selbst im Feuilleton mit Unverständnis auf den DFB gezeigt wird. Statt auf den heimischen Fußball-Weltmarktführer Adidas. Da hat es – Chapeau dafür – Adidas tatsächlich geschafft, dass die Loyalität gegenüber dem profitorientierten Konzern der Loyalität gegenüber dem heimischen Fußballverband mindestens ebenbürtig ist. Dabei gehört zur Wahrheit eben auch: Adidas hat zum zweiten Mal in Folge weniger als die Hälfte dessen geboten, was Nike bereit war zu bieten. Beim ersten Mal ist Adidas dank Handschlagvereinbarung und Nachbesserung (die immer noch unter der Hälfte des Nike-Angebots blieb) damit durchgekommen. Dieses Mal hat man es wieder versucht. Der Heimatmarkt, die heimische Nationalmannschafft, ist Adidas wohl nicht wirklich so wichtig, wie viele noch glauben möchten. Dabei sprechen die Indizien für sich. In der ersten Bundesliga ist Adidas noch Ausrüster von zwei Vereinen. Gleichauf mit den viel kleineren Konkurrenten JAKO, hummel und Mizuno. Den Bundesliga-Spielball liefert Adidas schon seit 2018 nicht mehr, sondern ein viel kleinerer Konkurrent. Dafür investiert Adidas andernorts. Man liefert zum Beispiel den Spielball für die saudi-arabische Liga. Man hat sogar Nike im deren Heimatmarkt ausgestochen und einen Vertrag mit der US-amerikanischen Fußballliga abgeschlossen. Kolportiertes Volumen: 780 Millionen Euro über 7 Jahre.
André Fromme

Auf dem grünen Rasen seiner Erinnerung streift Albert Ostermaier vor allem eines ab: Faktenwissen. Stattdessen lässt er in seiner schwarz-weißen Traumwelt damals wie heute beliebte antiamerikanische Vorurteile aufleben: Der Konkurrent Nike erscheint als das Dunkle im strahlend hellen Adidas-Universum: Nicht nur verkörpert dieser den Kapitalismus, seine Werbung soll sogar die Ästhetik nationalsozialistischer Propaganda widerspiegeln. Wenn er einräumt, „die Nazis trugen wahrscheinlich Adidas“, klingt das verharmlosend und blendet aus, dass die damalige „Dassler Schuhfabrik“ ganz sicher mit Zwangsarbeit Waffen gegen die amerikanischen Befreier Europas produzierten. Offenbar beruhen Ostermaiers absurde Unterstellungen wie auch seine sportlichen Erinnerungen auf falschen Annahmen, wie zahlreiche Fehler im Artikel zeigen: Weder liefen die deutschen Nationalmannschaften seiner Kindheit mit drei Streifen auf, vielmehr stammten die Trikots bis zum EM-Finale 1980 von Erima, noch prangten auf den Trikotrücken anderer Nationen vermeintliche Hieroglyphen anstelle von Spielernamen, waren diese doch erst bei der EM 1992 eingeführt worden. Sicher lässt sich die nicht geleistete Recherche als bedeutungslos abtun, da es mit Fußball nur um eine nebensächliche Scheinwelt geht. Doch steht hier aus meiner Sicht auch eine Qualitätszeitung mit hohem Anspruch in der Verantwortung und sollte den Wahrheitsgehalt derartiger Behauptungen vor dem Abdruck prüfen.
Stefan Peters

Der Autor dieses Artikels fragt sich: „Muss ich jetzt meine Erinnerungen übermalen?“ Es scheint, als wären diese Erinnerungen schon längst übermalt worden.  Als dieses Kind noch Kind war, gab es auf den Trikots noch gar keine Schriftzüge der Namen der Spieler. Erst 1992 gab es zum ersten Mal eine Europameisterschaft, bei der das der Fall war. Außerdem klingt der Satz: „Als das Kind noch Kind war“, nur gut, wenn man ihn von Bruno Ganz aus dem OFF hört. Das Gehirn kann einem ja schon mal einen Streich spielen und die Sache mit dem Gedächtnis, den Erinnerungen und den falschen Erinnerungen ist sowieso ein Kapitel für sich. Dass Gerd Müller Deutschland zum zweiten Mal zum Weltmeister schoss, kann man überall nachlesen, aber er hat den zweiten Stern für Deutschland niemals stolz auf der Brust getragen. Das mit den Sternen auf den Trikots gab es damals, 1974, noch gar nicht und außerdem war das Weltmeisterschaftsendspiel gegen die Niederlande das letzte Länderspiel seiner ruhmreichen Karriere. Dass es Adidas Sportschuhe mit dem Namen „Gazelle“ gab, als der Autor noch ein Kind war, glaube ich auch nicht so recht. Kopf hoch!
Joachim Sedlak

Zutiefst berührt hat mich der Feuilleton Artikel vom 27.03.2024. Auch meine Jugend hat Heimweh nach der Zukunft, vor allem beim Anblick meines ersten Fußballschuhs. Die gab es natürlich auch mit Schraubstollen. Für meine Generation war dies die perfekte und schönste Ausrüstung zum Sport unseres Lebens und einer immer fortwährenden Liebe zum Fußball. Nie verraten und immer treu. Die Entscheidung des DFB ist wohl durchaus kafkaesk. Treffender hätte Albert Ostermaier das nicht formulieren können oder wie Kafka selbst zu sagen pflegte, „alles Reden ist sinnlos, wenn das Vertrauen fehlt“ oder mit Otto Rehhagel, „mal verliert man, mal gewinnen die anderen.“
Richard Karl

Selbst das hässlichste Adidas-Outfit (wobei: so hässlich finde ich das neue Auswärtstrikot gar nicht, Erfolg macht sexy) wird immer noch besser aussehen als das stylischste von Nike. Und das sage ich, obwohl ich weiß, dass Adidas den internationalen Sport spätestens seit den 70ern geschmiert hat. In meiner Kindheit gab es noch kein Nike, da gab es Hummel für die Coolen, Puma für die Cooleren und die Allercoolsten trugen Adidas. Und für die Uncoolen, wie mich, gab es Fußballschuhe von einer Marke die, glaube ich, mit „D“ anfing (den vollen Namen habe ich verdrängt) und die an allen Ecken und Enden drückten. Ich glaube Schuhe von Hummel hatte ich auch mal, aber auch die waren äußerst unbequem und mein Spiel haben sie auch nicht wesentlich verbessert. Weder die Sportbild noch RTL mit seinem NFL-Dauerklimbim haben es je geschafft bzw. werden es jemals schaffen, dass ich mich für diesen öden, durchkommerzialisierten US-„Sport“ interessieren werde. Und erst recht nicht, dass ich mich für US-Sportmarken begeistern werde. Das Problem, das Sie mit der Aussprache von „Nike“ hatten, hatte ich auch. Wie kann man eine solche Marke überhaupt ernst nehmen? Dasselbe gilt auch für „Rehbock“.
Adidas ist auch meine Kindheit, aber der Fußball meiner Kindheit ist schon Mitte der 1990er-Jahre gestorben. Aber was nützt das Wehklagen? Hongkong verliert auch gerade seine Neon-Identität (siehe Seite 60). Dagegen hilft nur noch die Regression in die frühesten Kindheitserinnerungen (S. 32, bei mir Olympiaflamme ’72 und Übertragungen von einer der letzten Mondmissionen) oder man reaktiviert diese einmal im Monat bei einem Klassentreffen (S. 58). Das kann uns niemand mehr nehmen (erst recht kein US-Konzern), auch nicht die Erinnerungen an die schöneren Zeiten des Fußballs, When We Were Kings und Helden des Bolzplatzes, auf denen wir all unsere Schlachten schlugen. Witzig: Passend zu den Feiertagen gleich zwei Osterma/eiers in der aktuellen Ausgabe, quasi direkt hintereinander. „Ostermeier inszeniert Ostermaier“ wäre doch mal eine nette Schlagzeile.
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Das Ei unter Druck“ von Elisabeth Raether

Die Gerechtigkeitsfrage wird gar nicht so richtig diskutiert, obwohl sie auf der Titelseite angekündigt wird und eigentlich recht spannend wäre. Wenn sich die Produktion von höchstens 8 Milliarden Eiern pro Woche und Planet ökologisch vertreten lässt, dann bekommt jeder ein Ei pro Woche? Aber spätestens, wenn die Bevölkerung dann auf ca. 11 Milliarden Menschen angestiegen ist, muss die Ration gekürzt werden. Das werden vor allem die Kinderlosen ungerecht finden… Und Helena war zwar sehr schön, aber Aphrodite wird ihr kaum ihren Titel überlassen haben.
Christian Voll

und schon wieder ein neues Wohlstandsproblem, ein Problem des Überflusses. In Abwandlung eines Spruches: Erst wenn das letzte Rind geschlachtet ist wird man merken, es gibt auch keinen Käse mehr und unsere ach so geliebte Kulturlandschaft in den Mittelgebirgen und Alpen wird es nicht mehr geben und erst wenn die letzte Sau zum Schlachter durchs Dorf ist, das letzte Huhn entfleucht, sie werden wieder fliegen lernen, erst dann wird der Mensch merken, so er noch in der Lage ist, dass das, was uns zu dem gemacht hat was wir sind, eben tierisches Eiweiß, nicht ganz so verdammungswürdig gewesen sein muss, wie aller Orten behauptet. Danke für Ihr Interesse.
Stefan Müller

wieder mal ein Leckerbissen, die grafische Gestaltung des Artikels über das Ei! Bitte geben Sie das an Ihre Kollegen weiter, Lob statt Kritik darf auch mal sein
Emanuel Zifreund

Glückwunsch, Elisabeth Raether, zu Ihrem Ei-Artikel! Er ist sehr informativ und lehrreich, trotzdem unterhaltsam und mit trockenem Humor gewürzt! Über den letzten Satz habe ich laut gelacht!
Klaus Schürger


Leserbriefe zu „Sieg der Gewalt“ von Jörg Lau

Dass Putin erst einmal die Ukraine für den Anschlag auf die Crocus-Halle verantwortlich machen würde, war doch so sicher wie das Amen in der Kirche! Das ist schlimm genug, er nutzt jede Gelegenheit, die Ukraine (und den Westen) vor der eigenen Bevölkerung zu diffamieren und zu kriminalisieren. „Besser“ lässt sich seine Aggression gegen die Ukraine kaum begründen. Genauso schwer wiegt aber, dass er die öffentlichen Warnungen vor islamistischen Terroranschlägen in den Wind geschlagen hat. Ob sich seine eigenen Sicherheitskräfte tatsächlich überrumpeln haben lassen, kann ich nicht beurteilen, genauso gut kann ich mir vorstellen, dass sie zum Wegsehen verdonnert worden sind. Putin geht über Leichen und er ist jederzeit bereit, seine eigene Bevölkerung für seine Ziele zu belügen, einzusperren und zu opfern. Alles altbekannte Instrumente von Diktatoren zur Sicherung der Macht im eigenen Land und in der Kriegsführung ohnehin. Man kann nur hoffen, dass die Menschen in Russland das erkennen und sich Putins irgendwann entledigen können. Ich gebe Jörg Lau völlig recht, eine Weltordnung kann sich ändern und dies muss nicht immer schlecht sein. Wenn aber in Zeiten des Umbruchs selbst von Staatschefs jeglicher Pakt von Solidarität und Menschlichkeit aufgekündigt wird, der ein Mindestmaß an zivilisiertem und würdigem Zusammenleben garantiert, schlägt die Stunde der Radikalen. Ich frage mich immer wieder, wie ruchlos ein Mensch sein muss, wenn ihm das alles egal ist. Ganz besonders, wenn er die Verantwortung für ein ganzes Volk zu tragen hat.
Regina Stock

Burn Russian concert hall / warehouse, burn! Jetzt ist der Terror (ich würde fast sagen: endlich!) dahin zurückgekehrt, wo er herkommt, nach Moskau, nach Russland. Und Putins Verschwörungslügen nützen ihm nichts mehr! Der Terroranschlag kam ja wie gerufen, man könnte fast meinen, die Kremlmafia stecke selber dahinter, wie kurz nach Putins erstem Amtsantritt, als „rein zufällig“ ein Wohnblock in die Luft flog. Irgendeinen Anlass für eine Mobilmachung kann man immer gut gebrauchen. Der Reichstagsbrand kam den Nazis ja auch sehr gelegen. Putin ist (noch) kein zweiter Hitler, aber er hat bei ihm gut gelernt, vor allem, was die Lügen vor den Angriffsüberfällen auf die Nachbarländer Tschechoslowakei, Polen und Ukraine angeht. Ich hoffe, dass die Ukraine demnächst tatsächlich auch auf russischem Territorium zurückschlägt (dafür braucht es nicht unbedingt Taurus-Marschflugkörper) und vielleicht setzen sich die LGBTQ-„Terrorist*innen“ auch etwas offensiver gegen die homophobe und rassistisch-verkommene russische Gesellschaft, die orthodoxe Kirche und die „Justiz“ (siehe S. 6, wie kann man eigentlich so blöde sein, in diesen Mafiaerpresser- und Killerstaat zurückzukehren?) mit gezielten Aktionen zur Wehr. Meine Solidarität hätten sie jedenfalls.  Die Band Piknik, die in der Halle gespielt hat, soll ja recht regimefreundlich sein, vermutlich war das Publikum ähnlich eingestellt, das ist auch der Unterschied zu Bataclan und dem Supernova-Festival.
Thomas Manthey

Bei der trefflichen Suade gegen Putins Russland und Russlands Putin fehlt m.E. noch ein winziges Detail: Dass der Westen etwa i.J. 1979 den Russen tatsächlich Tod und Teufel auf den Leib gehetzt hat. Zumindest hat sich Carters Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski noch im Januar 1998 gegenüber dem Pariser Nouvel Observateur höchst befriedigt darüber geäußert, die Russen in die afghanische Bärenfalle gelockt zu haben. Als der Interviewer entgeistert nachhörte, ob er damit nicht den islamistischen Terror genährt habe, retournierte Brzezinski mit dem Brustton der Überzeugung: „Qu’est-ce qui est le plus important au regard de l’histoire du monde? Les talibans ou la chute de l’empire soviétique? Quelques excités islamistes ou la libération de l’Europe centrale et la fin de la guerre froide?“ Warum sollten die Russen annehmen, die Amerikaner würden für ein vermeintlich lohnendes Ziel hier und heute weniger über die Bande spielen?
K. U. Voss


Leserbriefe zu „Was geschah mit Maria?“ von Volker Weidermann

Ein toller Text – Chapeau! Ich verneige mich und habe bereits den neu aufgelegten Roman bestellt. Eine Frage jedoch bleibt offen: Was habe ich mir denn, bitte, unter einem „bayerisch-kommunistische[n] Volksschriftsteller“ vorzustellen? Sind Sie sicher, dass diese Kategorisierung auf OMG zutrifft???
Burkhart Lauterbach

Einmal mehr ruft uns Weidermann mit der Suche nach den Spuren Maria Leitners das Schicksal der ins Exil vertriebenen Literaten ins Gedächtnis. Seine Recherche provoziert Fragen nach dem Warum. Warum war Leitner bereits von ihren Exilgenossen vergessen, warum dieses lange Schattendasein in der Forschung? Erstaunlich, wenn man den Mut bedenkt, der sie in ihrem Hunger nach Gefahr und Gerechtigkeit immer wieder ins Hitlerreich zurückkehren ließ, um mit ihren Sozialreportagen Partei zu ergreifen mit den Hoffnungslosen „ganz unten“, bevor sie selbst, einst voller Hoffnung auf die Weltrevolution, alle Hoffnungen auf das rettende Amerika aufgeben musste, um im wahrsten Sinne des Wortes selbst zu verhungern und zu entschwinden – „ganz unten“ und angeblich im Verfolgungswahn in einer Welt, von der Weidermann so zutreffend schreibt, sie sei selbst vom Wahn befallen gewesen. Ja – warum dieses Schattendasein der Maria Leitner? Vielleicht war sie, die ein Visum ins Überleben erflehen musste, doch zu bescheiden…Auf jeden Fall ist man gespannt auf die Wiederauflage ihres Romans über das Aufbegehren derer, die sich nicht mehr bescheiden wollten!
Ingeborg Lukas

Wenige haben sich erinnert oder werden sich erinnern und doch hat Maria Leitner sich widersetzt, hat gekämpft und hat beschrieben, was ist. Was für ein Schicksal, was für ein Leben, und die „Zeit“ hat Maria Leitner nicht vergessen.
Hans Joachim Schwenk


Leserbriefe zu „Dein Nachbar, dein Feind“ von Jan Ross

Wenn man liest, was Jan Ross bei Gesprächen mit Israelis in Be’er Sheba erzählt bekam, kann es einen nur Gruseln! Wenn die Quintessenz ist, dass die Palästinenser sich gedemütigt fühlen durch die Arroganz und Rücksichtslosigkeit ihrer Beherrscher und deren übertriebenem Einsatz von Macht und Stärke und andererseits die Israelis sich schon fürchten, wenn sie jemanden Arabisch sprechen hören, dann muss man sich fragen, ob es eine gute Idee war, Hundertausende jüdische Menschen vor allem aus Osteuropa nach Palästina zu holen bzw. dorthin gehen zu lassen und dort auf dem Boden eines bereits besiedelten arabischen Landes einen Staat aufzubauen, der auf die Vertreibung und Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung angewiesen war. Staaten kommen und gehen im Laufe der Geschichte. Sie haben dann eine Existenzberechtigung, wenn sie auch von ihren Nachbarn geschätzt und akzeptiert werden. Ist das nicht der Fall – und bei Israel ist das definitiv so – muss man die Frage nach der Existenzberechtigung stellen dürfen. Die Antwort gibt Israel gerade selbst mit seinem Vorgehen im Gazastreifen.
Björn Luley

Jan Ross untersucht die Frage: «Wie blicken jüdische Israelis mitten im Krieg gegen die Hamas auf die Palästinenser?» Typisch für die Antworten der befragten Israelis ist die Aussage: «Sie haben kein Interesse am Frieden». «Die ganze Erziehung sei darauf ausgerichtet; schon kleine Kinder lernten, die Waffen auf Israelis zu richten.» Ein Gesprächspartner von Ross bringt den Konflikt auf die Formel: „Die Palästinenser fühlen sich gedemütigt, und die Juden fühlen sich bedroht.“ Die beiden genannten Gefühle bewirken ein Wettrüsten. Demütigung erzeugt Hass, der ein Ventil sucht. Furcht erzeugt den Wunsch nach Mauern und Waffen. Typisch ist der Wahlspruch des römischen Imperators Caligola: „Oderint dum metuant“, also: Ein Gegner, der mich hasst, muss durch Aufrüsten in Schranken gehalten werden. Was zum Wettrüsten führt. Das Aufrüsten auf Seiten der Palästinenser bezieht die Demographie ein. Hohe Geburtenraten bringen militärische Vorteile. Aber sie verringern die Aussicht auf eine gute Zukunft. Demütigung und Bedrohung müssen beseitigt werden durch Gespräche auf Augenhöhe. Ein Weg zur Konfliktlösung wird bereits in der Bibel empfohlen. Leider ist dieser Weg hier nicht direkt, sondern nur indirekt anwendbar. In der Bibel gibt es folgende Geschichte. Zwei Hirten treffen sich mit ihren Herden und es bahnt sich ein Streit ums Weideland an. Da macht der eine den Vorschlag: Willst du nach rechts ziehen, gehe ich nach links. Oder willst du lieber nach links gehen, dann ziehe ich nach rechts. So wird ein Konflikt vermieden. Das ging damals aber nur, weil genug Platz war. Heute ist der Platz weltweit vielerorts knapp geworden wegen exponentiellem Wachstum der Bevölkerung. Die Folgen werden zum Beispiel im Nahen Osten sichtbar, aber auch im Sudan (Dafur), aber auch in Pakistan (Ausweisung von 1.5 Millionen Menschen nach Afghanistan). Das Grundproblem ist Platzmangel, ist das Fehlen der Möglichkeit einander auszuweichen. Ein weiteres Problem ist, dass dieses Problem von der UNRWA ignoriert wird. Es wird so getan, als könnte die UNRWA die Versorgung auch bei einer Geburtenrate von 3.5 beliebig lange fortsetzen. Das geht langfristig nicht.
Im Interesse aller wäre es, eine äquivalente Lösung für die in der Bibel genannte „Rechts oder Links Lösung“ zu realisieren. Dies, indem man jeder Partei, die demographische Eigenverantwortung in ihrem Landesteil überträgt. Die Partei auf der linken Seite muss dafür sorgen, dass die dortigen Ressourcen erhalten bleiben und ausreichen, die Bevölkerung zu ernähren und die auf der rechten Seite ebenso. Grundlage für die Größe der Landesteile könnten die Zahlen sein aus den Vertreibungen, bzw. mehr oder weniger freiwillige Abwanderung der jüdischen Bevölkerung aus arabischen Gebieten und umgekehrt aus Vertreibung bzw. Abwanderung der arabischen Bevölkerung. Eine Voraussetzung dafür wäre auch, dass anerkannt würde, dass das Schlamassel der Menschheit (Klima, Konflikte, Kriege) zu einem guten Teil auf die demographische Entwicklung zurückzuführen ist. Und dass daher ein wesentlicher Teil der Lösung im Einfordern der demographischen Eigenverantwortung besteht. Wenn keine Lösung gefunden werden kann, ist absehbar, dass z.B. im Gazastreifen die Ressourcen für die Hilfe von außen ab einem bestimmten Punkt nicht mehr ausreichen. Der Gazastreifen hat eine Geburtenrate von 3.5 und hat 2 Millionen Einwohner. Beim Fortsetzen der Entwicklung hätte der Gazastreifen nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 3.5, 6.1, 10.7 bzw. 18.8 Millionen. Zum Beispiel Italien hat 59 Millionen Einwohner und eine Geburtenrate von 1.25. Das ergäbe bei Fortsetzung der Entwicklung nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 36.9, 23.0, 14.4 bzw. 9.0. Also gäb’s in Italien (als Beispiel für ein Land des globalen Westens) dann nur noch halb so viele Einwohner wie im Gazastreifen.
Gernot Gwehenberger

Jan Ross scheint bei seiner Darstellung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern von der Ansicht geleitet zu sein, dass es sich hier um einen Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Interessengruppen handle: die einen haben die Gefühle, und die andern jene.  Dass es sich hier aber um einen ganz und gar asymmetrischen Konflikt handelt, bei dem die eine Seite der anderen in fast jeder Hinsicht (militärisch, wirtschaftlich, politisch) überlegen ist und diese das täglich spüren lässt (Landraub, Kontrollen im Westjordanland etc.), bleibt bei ihm außen vor. Es geht aber nicht nur um „Stimmungen“!  Ist es denn so abwegig, einen Zusammenhang zu sehen zwischen dem Verhalten der Israelis gegenüber den Palästinensern („Arroganz und Rücksichtslosigkeit“, „Macht und Stärke“, und einem „manchmal geradezu verächtlichen Hinabblicken“) und der Tatsache, dass diese jene dafür hassen? Die Palästinenser, die im Gazakrieg große Teile ihrer Familien verloren haben, werden die Israelis generationenlang dafür haftbar machen. Jan Ross aber kann solche Zusammenhänge offenbar nicht erkennen. Fast spürt man sein Schulterzucken in den letzten Sätzen seines Beitrags.
Wilhelm Otto Deutsch


Leserbriefe zu „Als dann das Urteil gesprochen wurde“ von Maria Mitrov

Die absurde Verurteilung des jungen Kevin Lick zu vier Jahren Gefängnis durch ein russisches Gericht erinnert mich auf erschreckende Weise an das Schicksal einer Gruppe Jugendlicher der jungen evangelischen Gemeinde im Berliner Stadtteil Schmöckwitz. Am 18. Juni 1961, fünf Tage nach dem Mauerbau, brach die Gruppe zu einer Schiffsfahrt um die Insel Rügen auf. Aufgrund schlechten Wetters beschloss der Kapitän der „Seebad Binz“, die Rundfahrt vorzeitig abzubrechen. Damit waren die Jugendlichen nicht einverstanden und ließen dem Kapitän eine in schmerzhaftem Ton verfasste Notiz zukommen: „Seiner Majestät, dem Herrn Admiral auf SMS „Seebad Binz“ untertänigst übermittelt. In Anbetracht der guten Stimmung auf dem Oberdeck bitten 10 Berliner stellvertretend für die meisten Passagiere um Fortsetzung der Fahrt in Richtung Bornholm.“ Der Kapitän witterte einen Republikfluchtversuch und informierte den Hafen. Von dort aus wurde das Ministerium für Staatssicherheit in Kenntnis gesetzt, welchselbiges die Jugendlichen festnehmen ließ. Im anschließenden Schauprozess wurden teils mehrjährige Haftstrafen verhängt.
Eine nahe der Alt-Schmöckwitzer Kirche angebrachte Gedenktafel informiert, dass zwei Personen, Jürgen Wiechert (18) und Dietrich Gerloff (25), gar zu jeweils achtjährigen Zuchthausstrafen verurteilt und als erste politische Gefangene der DDR 1963 von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft wurden. Rücksichtsloser Rechtsmissbrauch gehört in Diktaturen zum Standardrepertoire des Machterhalts. Die Methode bleibt, die abstoßenden Gesichter wechseln. Was auch bleibt, sind Richter, die den Rechtsmissbrauch ausführen. Ich hoffe, dass auch Kevin und Viktoria Lick die Bundesrepublik Deutschland als eine verlässliche Anwältin erfahren dürfen. Quellen: Artikel auf der Website des Landes Berlin https://www.berlin.de/museum-treptow-koepenick/gedenkorte/artikel.1167694.php sowie die genannte Gedenktafel vor der evangelischen Kirche in Alt-Schmöckwitz.
Norbert Steinkamp

3 Jahre nach Putins Überfall und Annexion der Krim zieht eine Mutter mit ihrem Sohn nach Russland und beantragt auch für ihn die russische Staatsbürgerschaft. Jetzt werden von ihr ohne sichtbare Zeichen der Selbstkritik Forderungen an den deutschen Staat gestellt mit der „Begründung“ der Sohn sei “ Deutscher, von den Haarwurzeln zu den Zehenspitzen“.. und Sie berichten seitenlang darüber?  Geben Sie lieber der Mutter die Ruhe und Zeit, in sich zu gehen. Der Einberufungsbescheid ist ja auch nicht mehr weit. Berichten Sie doch lieber von all den Putinfreunden und Kriegsunterstützern, die es sich hier bei uns gut gehen lassen.
M. Bieberbach

Bei allem Verständnis und Mitleid für Kevin Lick kann man sich doch des Eindrucks nicht erwehren, dass die Mutter (die nicht weiß, was sie will) einen großen Anteil an Mitschuld trägt. Warum ist sie nach Russland zurückgegangen? Ihr Sohn war im Grunde Deutscher, sprach kein Wort russisch, wurde in der Schule dort gemoppt…Hat sich die Mutter nur einen Augenblick mal gefragt, was sie ihrem Sohn mit der Rückkehr nach Russland antut?
Ute Krumpipe-Crönlein


Leserbriefe zu „Jung, schön, hungrig“ von Claire Beermann (Fotos OK McCausland) im ZEIT Magazin

In letzter Zeit bemerke ich öfter Artikel, eher im ZEITmagazin, bei denen ich mich frage, welchen Wert sie eigentlich haben und ob sie angesichts der weltpolitischen und innenpolitischen Lage überhaupt von Bedeutung sind. Dazu gehört u.a. die o.g. Reportage, die kein Mensch braucht und die in meinen Augen sehr fragwürdig ist.  Wahrscheinlich essen die beiden „Damen“ zwei Löffelchen davon und der Rest wird weggeworfen. In die Tonne. Oder? Toll. Und das steht dann im ZEITmagazin und belegt mehrere Seiten, die Beiden voraussichtlich noch mehr sog. „Follower“ bringen. Haben wir nicht andere Probleme? Es wird übrigens immer seltener Rücksicht auf Leserinnen und Leser genommen, die eben nicht in all diesen sozialen Medien unterwegs sind. Ganz ehrlich, wenn es meinen – natürlich mit Axel Hacke gemeinsamen – Lieblings- Kolumnisten Martenstein nicht gäbe, würde ich gerne öfter auf das ZEIT MAGAZIN verzichten.
Gudrun Meiers

Das Osterwochenende verbrachte ich bei meiner Familie auf dem Dorf. Am Montag waren wir bei Verwandten eingeladen und es wurde mal wieder politisch. „Kein Wunder, dass es keine Handwerker mehr gibt, wenn man mit Bürgergeld mehr verdient!“ „Die Tochter eines Bekannten musste ihrem Chef vorrechnen, wie hoch ihre Gehaltserhöhung sein muss, damit sich die Arbeit noch für sie lohnt!“ Ich habe mich zurückgehalten, ich war noch nicht ganz nüchtern vom Vortag. Aber ich erinnerte mich an die beiden TikTok-Stars, die ihren Reichtum kurzen Handyaufnahmen von sich beim Essen zu verdanken hatten. Vielleicht hat sich ja nicht die Arbeitsmoral der Gen Z verändert, sondern die Möglichkeiten, Karriere zu machen. Man geht doch immer den leichtesten Weg – früher, indem man keine Gedanken an die Berufswahl verschwendete und den des Vaters übernahm. Heute, indem man die Chancen ergreift, die sich nun eben anbieten. Wieso sich die Hände schmutzig machen, wenn man sie auch genüsslich abschlecken kann? Fast wäre mir ein „Geht heulen!“ rausgerutscht.
Lena Franz


Leserbriefe zu „Wer wann was entschieden hat“ von Ulrich Bahnsen et al.

Es stimmt, die Corona-Pandemie hat bis heute viele Fragen und viele Spuren in allen Lebensbereichen der Menschen hinterlassen. Deshalb ist eine transparente Aufklärung, selbstverständlich unter der Berücksichtigung des jeweiligen Wissenstandes, gesellschaftspolitisch unerlässlich. Eine Krise birgt nur dann die Möglichkeit zu einer (perspektivischen) Verbesserung der Gegebenheiten, wenn das, was sie begründet hat, umfassend aufgearbeitet und somit erfolgreich beendet werden kann. Das (weitere) Anheizen von Narrativen und Verschwörungen ist dabei ebenso ein Spiel mit dem Feuer wie der Versuch, rückwirkend durch unsachliche Analysen und Winkelzüge ein „Demokratiewaschen“ zu betreiben. Und somit den Wert und die Wehrhaftigkeit der besten aller Staatsformen nachhaltig zu schmälern. Denn nur mittels steten gemeinsamen (mehrheitlichen) Willen zur Aufklärung lassen sich Rechtstaatlichkeit und Demokratie manifestieren.
Matthias Bartsch

Sie hätten ruhig etwas ausführlicher erklären können, was für ein Onlinemagazin „Multipolar“ ist, das mal wieder ein paar Verschwörungsmythen in Umlauf bringen möchte.
Thomas Manthey

Vielleicht kann das Strategiepapier des Bundesinnenministeriums „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ bei der Beantwortung der Frage nach dem Einfluss der Politik auf das Management während der Coronazeit Hilfestellung geben? Es sollte eigentlich aus gutem Grund geheim bleiben. Wer es liest, wird zu der Überzeugung gelangen, dass die Politik am längsten Hebel saß!  Die Politik ist für die nicht hinnehmbaren Grundrechtsverletzungen verantwortlich! Als da wären: Recht auf körperliche Unversehrtheit (Impfzwang im Gesundheitswesen mit Androhung des Arbeitsplatzverlustes und damit der Lebensgrundlage!), Recht auf freie Berufsausübung, Recht auf Bildung, Recht der Versammlungsfreiheit, Recht auf freie Meinungsäußerung (öffentliche Diffamierungen kritisch Denkender), usw. Nachdem die Gewaltenteilung zwischen Judikative, Exekutive und Legislative faktisch aufgehoben war, das Parlament sich für lange Zeit selbst die Macht entzog, sitzen fast alle im selben Boot, und somit kann von einer sog. Aufarbeitung nicht viel erwartet werden. Das Coronavirus wurde entgegen jeglichem Verstand zum „Killervirus“ erklärt, und wer gegen das „gesunde Volksempfinden“ verstieß, der wurde wie ein Aussätziger behandelt und konnte auch juristisch belangt werden. Meiner durchaus spitzen Formulierung können Sie mein Entsetzen über diese schlimme Phase der deutschen, aber auch überregionalen Politik dieser Zeit entnehmen. Ich schreibe das als Anästhesist und Intensivmediziner, der sehr viele schwer kranke Coronapatienten behandelt hat und stehe daher sicherlich nicht im Verdacht die pathogenen Varianten des Coronavirus der Jahre 2020 bis 2022 zu verharmlosen. Ich bin jedoch entsetzt, wie schnell durch das Heraufbeschwören einer existenziellen Notlage und das Schüren von Ängsten unser liberaler Rechtsstaat ausgehebelt werden kann.
Martin Krivacek


Leserbriefe zu „Da war schon immer Heuchelei im Spiel“. Gespräch mit Theo Zwanziger geführt von Oliver Fritsch

Der in der Multimilliarden-Unterhaltungsbranche namens Profisport agierende DFB wechselt von einem in Südostasien produzierenden Ausrüster zu einem anderen ebenfalls in Südostasien produzierenden Ausrüster, der das Doppelte zahlt, folgt damit den Gesetzen eines globalen Marktes und beugt sich den Folgen seiner Misswirtschaft in den vergangenen Jahren. Ist die Toyota-Fahrerin, die IKEA-Verkäuferin, der Samsung-Händler, der Tennisprofi mit der HEAD-Ausstattung und der den FC Liverpool trainierende, auf der von Nike gestellten Kluft für AXA werbende deutsche Trainer nun auch „unpatriotisch“? Werden es die Fans sein, die den Händlern garantiert zu Zigtausenden die ersten mit „Nike“ beflockten DFB-Leibchen zu Mondpreisen aus den Händen reißen werden?
W.-R. Heilmann

Was den Kommerz im Fußball betrifft, braucht man sich überhaupt keine Gedanken mehr zu machen, das ist eh‘ „alles zu spät“. Das aber ausgerechnet der unselige Wirtschaftsminister Habeck sich mehr Standortpatriotismus gewünscht hätte sagt mal wieder alles über diese Person aus. Hat er doch selbst einstmals Vaterlandsliebe zum Kotzen empfunden.
Walter Hoh

Bisher fand ich in den meisten Berichten über Sportbekleidung die Begriffe fair und nachhaltig. In diesem Artikel geht es aber vordergründig nur um 100 Millionen Euro, die Nike an den DFB zahlt. Hat man sich denn von dieser Firma wenigstens bestätigen lassen, dass man ab 2027 ökofreundliche Sportshirts geliefert bekommen wird? Als ich noch beruflich in dieser Brance aktiv war, hatten adidas, Puma, Nike und die übrigen Anbieter von dieser Art Sportbekleidung gemeinsam eine verpflichtende Erklärung unterschrieben, dass sie bestimmte, chemisch unsaubere Textilien nicht einsetzen wollen. Von meinem damaligen Kunden adidas erhielt ich später die Information, dass der Anbieter Nike diese Vereinbarung aber nicht einhalten würde. Geht es dem DFB nur ums Geld oder auch um saubere Qualität?
Klaus-Rüdiger Conrad


Leserbriefe zu „Wir alle suchen einen Weg nach vorn“ von Anna-Lena Scholz

Trotzdem wiederhole ich meinen Hinweis: auch der jüngeren Generation (mit ihrer Kriegsuntüchtigkeit) stände es gut an, sorgfältiger mit den Bezeichnungen von (so gruseligen Gegenständen wie) Waffen umzugehen.  Sie verwechseln doch wahrscheinlich auch nicht Pkws mit Lkws, oder Forellen mit Lachsen. Wieso kommt es so oft zur Verwechslung von – relativ handlichen – Maschinenpistolen mit den – viel größeren, unhandlichen – Maschinengewehren? Der Unterschied ist ganz ähnlich wie bei den Stammwörtern… Die Verwechslung fühlt sich an, als wäre einem Verfasser vor lauter Abneigung gegenüber dem Thema egal, sprichwörtlich „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen „. Etwas mehr Sorgfalt an dieser Stelle, bitte!
Joerg L Neumann

Nicht nur, aber gerade im Bildungsbereich zeigt sich der Unterschied zwischen dem demokratischen Israel, das 5 Prozent des BIP in die Forschung investiert und den faschistischen Gebilden Gaza und Westjordanland, dass dafür vermutlich nicht einmal 0,5 Prozent ausgibt und diese Gelder werden dann auch noch in antisemitische Schulbücher gesteckt (damit kann sich dann unsere Schulbuchforschung beschäftigen, S. 37). In den anderen korrupten arabischen Nachbarländern Israels wird das auch nicht wesentlich besser aussehen. Die Palästinenser reiben sich doch jetzt schon die Hände und könnten sich bei Israel eigentlich bedanken, von der Leyens EU hat ja schon Wiederaufbauhilfen in Milliardenhöhe zugesichert. Wie blöde muss diese EU eigentlich sein? Dass diese Gelder wieder versickern werden, ist so sicher wie das Amen in der Kirche oder das Allahu akhbar in der Moschee. Statt sich an der Luftbrücke zu beteiligen und dabei Abschüsse durch die Hamas und die Hisbollah zu riskieren, sollten wir lieber Israel im Kampf gegen die Terroristen unterstützen. Immerhin haben ein paar der Pakete schon einige der Faschisten erschlagen. Eine Freundschaft zwischen Israel und den Palästinensern wie die zwischen Frankreich und Deutschland halte ich auf längere Zeit nicht für möglich. Es fehlen auf beiden Seiten die Gandhis und die de Klerks und Mandelas. Nicht mal ein de Gaulle oder ein Adenauer ist in Sicht, stattdessen nur korrupte und verbohrte Anführer auf beiden Seiten. Und erst wenn die ungebildeten Wut- und Mobweiber, die das eigentliche Sagen unter den Palästinensern haben, verschwunden sind, kann sich überhaupt etwas ändern. Abgesehen davon müssen zuerst auch die Terrorregime im Iran und in Saudi-Arabien beseitigt werden!
Thomas Manthey


Leserbriefe zu „Die Moral im Schweinestall“ von Ruth Fend

In Ihrem interessanten Beitrag zur Schweinehaltung schreiben Sie, dass nach der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung „jedes Schwein mindestens 1,05 qm Platz haben muss, beim vorgestellten Landwirt seien es sogar 1,3 qm, etwa doppelt so viel wie im Gesetz steht“. Irgend etwas stimmt da nicht. Auf der Homepage des Landwirtschaftsministeriums heißt es: Als Frischluftställe (also Stufe 3) gelten auch überwiegend geschlossene Warmställe mit Auslauf, sofern die Gesamtfläche im Stall und im Auslauf mindestens folgende Größen hat: Schweine mit 30-50 kg haben pro Tier 0,7 m² Fläche im Stall, mit 50-110 kg sind es 1,1 m², mit 110-120 kg sind es 1,1 m², mit über 120 kg sind es 1,4 m². Schweine wiegen zu Beginn der Mast – auch Vormast genannt – etwa 40 -50 kg. Mastschweine sind schlachtreif, wenn sie ein Gewicht von 110 bis 120 Kilogramm erreicht haben. Also muss der Bauer eine Fläche pro Schwein von 1,4 qm vorhalten. Die Fläche pro Schwein bei ihm ist aber 1,3 qm, also weniger als 1,4 und keinesfalls doppelt so groß wie im Gesetz steht.
Stefan Kaisers

Alle Achtung vor Frau und Herrn Sandering, die es im Rahmen ihrer Möglichkeiten unternehmen, das ethisch Richtige zu tun! An inkonsequenten Verbraucher*innen und an der Übermacht der großen Lebensmittelkonzerne können sie allein freilich nichts ändern. Aber der Gesetzgeber könnte helfen, indem er nicht artgerechte, tierquälerische Tierhaltung, z. B. die Schweinehaltung der Stufen 1 und 2, mittelfristig schlicht verbietet – und auch die Einfuhr entsprechender Produkte aus dem Ausland. Und die anderen Landwirt*innen könnten dem Ehepaar Sandering und sich selbst helfen, indem sie sich zusammenschließen und den großen, teils sogar marktbeherrschenden Unternehmen, die die Ware abnehmen (sollen), nicht mehr als Einzelne und damit machtlos gegenüberstehen.
Ulrich Willmes


Leserbriefe zu „Aus der Luft gegriffen“ von Christiane Grefe

Mit Interesse habe ich Ihren o.g. Artikel gelesen, kann aber einige Sachverhalte darin nicht nachvollziehen. Das beginnt damit, dass die sehr publikumswirksame Bildgrafik zu Beginn des Artikels nicht näher erläutert, woher die Daten links und rechts des Bildes stammen und wie sie sich zusammensetzen. Im weiteren Verlauf wird eine Untersuchung des Thünen-Instituts angeführt, in der Äcker 1.188 Mio. Tonnen Kohlenstoff speichern; in der zuvor erwähnten Bildgrafik werden dann daraus auf wundersame Weise 2,55 Mrd. Tonnen in der Landwirtschaft (wobei die Überschrift immer noch von „Acker“ spricht). Das ist insofern irreführend, da die Autorin unter dem Begriff Landwirtschaft auch Moore und Sonderkulturen subsumiert, die eben KEINE Landwirtschaft sind. Aus dieser, wenig wissenschaftlichen, Betrachtung dann die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Äcker (und um die geht es bei der Untersuchung des Thünen-Instituts!) ähnlich viel Kohlenstoff speichern wie Wälder, grenzt schon an fake-news. Hier werden viele Sachverhalte in unzulässiger Weise miteinander vermischt, um daraus ein Bild einer scheinbaren Gleichwertigkeit von Acker resp. Landwirtschaft und Wald zu erzeugen. Gerade in der Rubrik „Wissen“, erwarte ich von einer renommierten Zeitung wie der ZEIT, die auch eine entsprechende Breitenwirkung entfaltet, einen deutlich besser abgesicherten und recherchierten Inhalt.
Tim von Campenhausen

Den o.g. Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen – aber leider wird dort nicht die ebenfalls abgedruckte Grafik angesprochen, auf der die Kohlenstoffmenge in unterschiedlich genutzten Böden dargestellt ist. Ich war sehr erstaunt, dass Moorböden weniger Kohlenstoff enthalten als Acker- und Grünlandfläche. Wenn das so ist, verstehe ich nicht, warum es Aktionen zur Wiedervernässung von ehemaligen Mooren gibt, die jetzt landwirtschaftlich genutzt werden. Wie lässt sich das erklären?
Cordula Hubert


Leserbriefe zu „Wie wandlungsfähig bin ich?“ von Nadine Ahr

heißt es nicht, „niemand kann zweimal in denselben Fluss steigen, denn alles fließt und nichts bleibt“? Also haben die alten Griechen schon vor über 2000 Jahren das Wesentliche erkannt. Ich hatte erst überlegt, zu jedem einzelnen der genannten fünf Faktoren Stellung zu nehmen, aber das würde den Umfang eines Leserbriefes bei weitem sprengen. Also möge das Zitat als Kritik an den Aussagen der Psychologie reichen.
Gerd-Rüdiger Erdmann

Die 5 Punkte zur Bestimmung der individuellen Persönlichkeit eines Menschen sind aus psychologischer Sicht wahrscheinlich ausschlaggebend für eine gewisse Grundhaltung. Was man sich aber stetig vor Augen halten sollte, ist, sich selber einmal im stillen Kämmerlein an die eigene Nase zu fassen und folgende „Selbstprävention“ vornehmen: Wie stets eigentlich mit: 1. Meiner eigenen Erwartungshaltung, 2. Meiner eigenen Beurteilungsfähigkeit, 3. Meiner eigenen Kommunikationsfähigkeit, 4. Meinen eigenen Wertvorstellungen und 5. Mit meiner Zufriedenheit mit mir selbst. Diese persönlichen Eigenschaften und das gleichzeitige Verständnis für die Gegenseite sind m. E. die Einflussfaktoren, die die gesellschaftliche Streitkultur wesentlich beeinflussen können. Zu diesem Konzept habe ich selber einen Vortrag entwickelt, den ich meinen Kolleginnen und Kollegen als Streitschlichter in Fortbildungsseminaren zu nachbarschaftlichen Streitfällen vorstelle.
Jürgen Fallasch


Leserbriefe zu „Wie viele sind wir eigentlich noch?“ von Anna-Elisa Jakob

Mit großem Interesse und Freude habe ich den langen Artikel über die monatlichen Klassentreffen des Einschulungsjahrgangs 1961 der Grundschule Barmbek gelesen. Auch ich wurde 1961 eingeschult – allerdings in Stelle im Landkreis Harburg und treffe seitdem meine Grundschul-Klassenkameraden von 1961 jedes Jahr wieder. Wir waren ursprünglich zwei 1. Klassen, die sich einen Klassenraum (mit Bullerofen) teilen mussten. Also wurden wir in Schichten von den beiden Junglehrern Helga Ohl und Hans Müller unterrichtet. Auf dem sandigen Schulhof gab es in der Ecke Plumpsklos für uns! Es war echt primitiv! Alle, die auf der Volksschule blieben, wurden bis zum Ende der 9. Klasse von Helga Ohl als erster und einziger Klassenlehrerin unterrichtet. Dadurch entstand ein sehr enges und familiäres Vertrauensverhältnis. Nach Ende der Schulzeit trafen sich die ehemaligen Neuntklässler zunächst nur alle paar Jahre, später wurden alle, die jemals in dem 1961er Jahrgang waren, eingeladen – also die Realschüler, Gymnasiasten und die ehemaligen Sonderschüler sowie diejenigen, die durch Umzug oder Sitzenbleiben dazu kamen. Oft fanden diese Treffen bei der liebenswerten Helga Ohl statt. Aber auch Hans Müller hielt den Kontakt zu uns. Und was bedeuten mir diese Klassentreffen? Es ist die emotionale Nähe, die Vertrautheit und die Tatsache, dass der Charakter sich eigentlich nicht ändert. Es geht nicht um „Mein Haus, mein Auto, meine Yacht“, sondern um gegenseitiges Zuhören, Lachen, Kuchen essen, klönen. Und auch mit meinem Abi-Jahrgang von 1973 (Gymnasium Winsen/Luhe) treffe ich mich jedes Jahr am 27.12. – und auch das seit jetzt 50 Jahren. Und wer hält weiterhin den Kontakt zu uns? Unser Klassenlehrer Peter Hetebrügge, der neulich sein 65. Abi feiern konnte. Wir sind alt geworden und er sieht aus wie immer!
Gisela Plaschka

Sicher werden Sie nach Ihrer berührenden Reportage über die „Veteranen“ der 9B sehr viele Zuschriften erhalten von Menschen wie mir, die ebenso erfreut wie vielleicht überrascht feststellen: „Ach, da gibt es ja auch noch so welche wie uns.“ Auch unsere alte Schulklasse – wir sind etwa derselbe Jahrgang wie Willi, Törtchen und Co. – trifft sich noch regelmäßig. Wenn auch, da wir alle sehr verstreut leben, nur einmal im Jahr. Die weiteste Anreise hat ein Teilnehmer aus Südafrika. Tatsächlich ist bei den meisten von uns die Verbindung seit der Schulzeit nie ganz abgerissen, so dass sie erst hätte wiederbelebt werden müssen. Ganz wenige sind uns „abhandengekommen“, das allerdings schon recht bald. Ja, was gibt uns diese Gemeinschaft, was Familie und/oder auch Freunde uns nicht geben können? Es ist in der Tat nicht nur das gemeinsame Schwelgen in Erinnerungen, auch nicht nur die Neugier, was aus den anderen so geworden ist nach all den Jahren bzw. Jahrzehnten, wie das eher bei Treffen der Fall ist, die nach langer Zeit ohne Kontakt dann einmalig stattfinden. Wir sind durchaus im Hier und Jetzt, nehmen Anteil an dem, was die anderen aktuell gerade machen. Aber die langjährige gemeinsame Geschichte gibt dem gegenseitigen Interesse am anderen eine Basis, die von familiären oder freundschaftlichen Beziehungen zeitlich eben gar nicht erreicht werden kann (es sei denn, man ist wie ich mit der Schulfreundin aus der alten Klasse verheiratet). Was uns damals zusammengeschweißt hat: das Bewusstsein, das wir die letzte „normale“ Schulklasse waren vor der Einführung des Kurssystems. Und heute ist es tatsächlich das Bewusstsein, dass wir alle „noch da“ sind, noch leben, was ja keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb kommen auch jetzt immer noch über die Hälfte von uns regelmäßig jedes Jahr, die restlichen sind unregelmäßig, aber auch immer wieder mal, dabei. Wir hoffen, dass das noch lange so bleibt.
Heinz Wohner


Leserbrief zu „Torten der Wahrheit: Deutschlands Probleme“ von Katja Berlin

Der ersten Grafik hätten die noch eine dritte, gleich hohe Säule hinzufügen können: „wie groß Deutschlands Probleme waren, bevor jemand meinte, sich um eine geschlechtergerechte Sprache bemühen zu müssen“. Mittlerweile scheint sich der Streit darum zu drehen, wer eigentlich angefangen hat… Das zweite Diagramm kann man getrost als männerfeindlich bezeichnen. Es ist dazu geeignet, Hass zu schüren. Ich meine das ernst und würde Sie bitten, die Inhalte ihrer Zeitung vorab auf Vorurteile und Hetze hin zu überprüfen. Frau Berlin hat sich schwer verstiegen. Auch Männer dürfen nicht in dieser Weise pauschal angegangen werden, das ist skandalös und verletzend, auch wenn die Autorin das Gespür dafür verloren zu haben scheint.
Christian Voll


Leserbrief zu „Aus“ von Yves Bellinghausen

Bellinghausen sei gedankt, wenn er den Niedergang der Neonkultur Hong Hongkongs thematisiert. Viele Hongkonger werden mit ihm übereinstimmen und machen einen überbordenden Bürokratismus und Ämtereinmischung dafür verantwortlich. Gerade in Zeiten der Wechselhaftigkeit, in denen sich Hong Kong momentan befindet, in denen sich der Wirtschaftseinbruch der Covid-Zeit und der Student:innenproteste mit neuer, rigoroserer Gesetzgebung mischt, trauern viele den „goldenen Jahren“ Hongkongs hinterher. Einer Zeit, in der der Hongkonger Film weltweit geehrt wurde und ein Lebensgefühl der Exzesse gerade auch auf Zelluloid ausgelebt wurde. Wie passend also, dass es ein Film ist, der die Nostalgie nach dieser Zeit anhand der verschwindenden Neonlichter Hongkongs zelebriert: Anastasia Tsangs A Light Never Goes Out (2023). Er erzählt die Geschichte einer Witwe, verkörpert von einer der besten Schauspieler:innen des golden Hongkonger Films, der großartigen Sylvia Chang, die versucht, das Andenken ihres verstorbenen Mannes, einem der letzten Hongkonger Neonreklamekünstler zu bewahren, indem sie noch ein letztes Mal mit der Hilfe ihrer Familie eine große Neonreklame erschafft, die einem an Alzheimer erkrankten Freund der Familie helfen soll, sich zu erinnern. Ein Kassenschlager im letzten Jahr in Hong Kong, wurde er aber nicht zur diesjährigen Oskar-Verleihung eingereicht. Mehr Symbolik geht nicht. Allen, die es nicht schaffen, sich die aussterbenden Neonreklamen Hongkongs noch persönlich anzusehen, sei er aufs Wärmste ans Herz gelegt.
Holger Briel


Leserbrief zu „Die Slums von. morgen“ von Jochen Bittner

Jochen Bittner fragt in seiner Reportage aus dem Londoner East End: ‚Wie viel Immigration kann ein Land verkraften?‘ Viele Bewohner des East End fragen wohl eher: ‚Wie viel Neoliberalismus verträgt ein Land? Über die Wohnungspolitik in Großbritannien zu schreiben, ohne das Erbe von Thatcher zu erwähnen, lässt vieles aus. Das „Right to Buy“ hat erst viele der besten Wohnungen billig an die Mieter*innen verkauft … jetzt nach 30 Jahren sind diese Wohnungen die gleichen, die neue Besitzer*innen viel Geld für wenig Wohnraum verlangen. Über die Probleme der Kommunen zu schreiben ohne den Kontext der Austeritätspolitik der letzten 14 Jahre macht auch wenig Sinn. Noch besser: „Migration Watch“ als Stimme in der Migrationsdebatte zu zitieren. … wenn ich rechte Stimmen lesen will, kann ich einfach die Daily Mail online lesen! Natürlich läuft wohnungspolitisch wenig gut in Großbritannien – aber die Communities im Londoner East End haben nicht nur bezahlbaren Wohnraum für alle, sondern auch eine genauere Analyse verdient.
Nick Strauss


Leserbrief zu „Von unterwegs gesendet: Im Schnee von morgen“ von Christine Lemke-Matwey

Nachdem ich wieder eine Ihrer köstlichen Kolumnen in der Zeit gelesen habe, drängt es mich, keine eifrige Leserbriefschreiberin, Ihnen meine Begeisterung spontan mitzuteilen. Wie oft schon habe ich mich amüsiert über Frau Holz und Fräulein Schlüter! Wer seine zwei Seelen in der eigenen Brust so galant vorführen kann, sollte sich überlegen, ob man mit den gesammelten Holz /Schlüter Kolumnen nicht ein kleines Büchlein herausgeben könnte. Nur zu, Frau Lemke-Matwey, ich würde es allen lieben FreundInnen schenken!
Margret Klöppel


Leserbrief zu „Der Wepper-Fritz“ von Stephan Lebert

Mit Fritz Wepper ist erneut ein sehr bekannter Schauspieler gestorben. Von 1974 bis 1998 lief im ZDF meine Lieblings-Krimiserie „Derrick“ mit Horst Tappert (1923-2008) und eben mit Fritz Wepper (1941-2024). Stephan Derrick (Horst Tappert) und Harry Klein (Fritz Wepper) lösten trotzdem die meisten ihrer Fälle ohne Handy und doppelten Boden. Fritz Wepper war ein sehr beliebter Fernsehstar vieler TV-Serien, das war sein Metier und dieses Genre, das verkörperte er geradezu perfekt! Fritz Wepper wird mir sehr fehlen und gerade deshalb werde ich mir demnächst den Spielfilm „Cabaret“ (USA 1972) mit Liza Minnelli und ihm, wieder einmal zu Gemüte führen!
Klaus P. Jaworek


Leserbrief zu „David Hugendick entdeckt: Stinkwanzen“

Eine Wanze gehört in die Insektenordnung Schnabelkerfe und nicht in die Ordnung Käfer.
Christian Fahn


Leserbrief zu „Stimmt’s? Die Erinnerung setzt erst mit dem dritten Lebensjahr ein“ von Christoph Drösser

Ich bin Ende 1970 geboren und meine frühesten Erinnerungen, die ich ungefähr datieren kann, sind von 1972: Das Olympische Feuer, vor dem ich immer Angst hatte und weswegen ich heulen musste (und das war definitiv 1972 und keine spätere Aufzeichnung) und (mindestens) zwei Nächte, in denen ich mit meiner Mutter eine Mondlandung bzw. -mission verfolgt habe, wodurch mein Wunschberuf als Kind immer Astronaut war. Die Mondlandung könnte theoretisch sogar noch früher gewesen sein, aber 1971 halte ich für äußerst unwahrscheinlich.
Thomas Manthey


Leserbrief zu „Liebe Leute: Über Routinen“ von Claire Beermann

Sie sind ja noch sehr jung. Zu jung, um zu verstehen, wie es ist alt, älter zu werden. Ganz unerwartet wird es aber auch an ihre Tür klopfen. Erst langsam und leise, dann mit mehr Nachdruck. Meine Morgenroutine oder Routine überhaupt ist mein Lifesaver. Ich werde bald 55 Jahre. Seit fast 10 Jahren beginne ich den Tag mit einem Yoga-Workout und einem Lauf. Ist man erst einmal im Flow, kommt unweigerlich immer mehr dazu. Intervallfasten, Krafttraining und ja auch grüne Smoothies. Es brennt sich tief ein, fast so, als ob es meine Gene verändert hätte. Die Routine ist immer bei mir, mit mir, überall und es geht nicht mehr ohne sie. Es kann gar nicht genug hervorgehoben werden, welchen Einfluss diese tägliche Routine auf mein Leben, mein Wohlbefinden hat. Körper, Geist, Seele, Gesundheit, Haut, Haare, Nägel, Haltung, Selbstbewusstsein. Ich bin in Top-Form. Wie man ohne diese Routine im Alter und nicht nur im Alter dasteht, kann man überall beobachten. Sie schlurfen x – beinig, jammernd, mit hängenden Schultern durch die Gegend. Sie kommen nicht mehr runter, nicht mehr hoch. Ich möchte es am liebsten in die Welt herausschreien. Macht euch eine tägliche Sport- und Well-being-Routine zu eigen. Das ist eine Aktie fürs Leben, garantiert mit 1000 % Gewinn.
Anne Sophie Hollenwäger


Leserbrief zu „Das sind doch 475 Hertz!“ von Christoph Drösser

Vielen Dank immer wieder für Ihre spannenden und informativen Recherchen, die ich gern verfolge. In Bezug auf das „absolute Gehör“ scheint da aber etwas durcheinandergeraten zu sein. Wer ein absolutes Gehör hat, kann die Tonhöhe eines Tones ohne irgendeinen weiteren Bezugston bestimmen. In meinem Musikleistungskurs saß Christian Tetzlaff, ein weltweit erfolgreicher Violinist, der ein Türquietschen sofort als „viergestrichenes Es“ einordnen konnte. Diese Eigenschaft ist z. B. in Frankreich recht verbreitet, da die Kinder dort in „Solfège“ unterrichtet werden. Dabei singen sie von Klein auf an die Töne auf Notennamen („Dor re mi…“), dabei prägt sich auf die Dauer die absolute Höhe eines „Do“ (= unser C) ein. In der Tat handelt es sich um ein Ton-Gedächtnis, das auch entstehen kann, wenn man als Sänger ein Stück oft gesungen hat und den Anfangston ohne vorherige Tonangabe richtig trifft. Das lässt sich dann aber nicht unbedingt auf andere Stücke oder auch auf das Hören von Instrumenten oder Geräuschen übertragen. Was Sie beschreiben, ist ein „relatives Gehör“, das in der Tat viele Musiker entwickeln (sollten), wenn z. B. Sänger vom Blatt singen lernen – das Ableiten eines Tones aus einem vorher erklungenen. Ein gut ausgebildetes relatives Gehör hat Vorteile gegenüber einem absoluten Gehör z.B. in der „Alten Musik“, wenn der Kammerton a‘‘ statt auf 440 Hz auf 415 Hz gestimmt wird, da leiden die Absolut-Hörer sehr!
Julia Barthe


Leserbrief zu „Ein geniales Wochenende mit …“ „Dresden: Christian Thielemanns Abschied…“ von Alexander Cammann

Ein Dank an die Redaktion, dass sie diesen schmerzlichen Abschied Christian Thielemanns aus Dresden mit diesem Beitrag aus dem Schatten der Wahrnehmung angesichts der vielen Krisen in der Welt, welche die Schlagzeilen beherrschen, herausholt. Wenn man mit der CDU-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft 1988 nach Abschluss der Städtepartnerschaft Hamburgs mit Dresden die Partnerstadt erstmals besucht und den Hauch der deutschen Kulturstadt in der Semperoper erlebt, sowie nach der Wende die Stadt beraten hat, war allein die Nachricht am 10.Mai 2021, als die Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch entschied, dass der Vertrag mit Christian Thielemann als Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle zum Ende der Spielzeit 2023/24 ausläuft und nicht verlängert wird, nicht nur ein unwürdiger Umgang mit diesem Künstler, sondern ein Schlag in die Magengrube.  Eine solche Unkenntnis bzw. Missachtung der Leistung Christian Thielemanns, der Unstimmigkeiten seines Vorgängers beseitigte und das Orchester wieder in den Weltrang führte, ist schwer zu begreifen. Es hieß, dass die Ministerin in Zukunft eher eine Frau bzw. eine jüngere Person an die Spitze des Klangkörpers wünsche. Offenbar befiel ein Zeitgeistvirus diese Politikerin, die als ehemalige Ministerin für Soziales und Verbraucherschutz offenbar keinen Zugang zu kulturellen Qualitätsstufen hat.
Was zudem die Ablehnung von Altersdiskriminierung betrifft, hilft ein Blick auf München, das mit offenen Armen den ehemaligen Chef der Berliner Philharmoniker Sir Simon Rattle nach seinem Zwischenaufenthalt in London an die Spitze des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks setzte. Die Thielemann-Ära begann schon im Jahr 2009 mit einer phänomenalen Darbietung der 8. Bruckner-Sinfonie wie dem ZEIT- Artikel zu entnehmen ist. Dieser Beitrag ist im Gegensatz zu der Ministerin ohnehin ein würdiger Abschied eines Mannes, der u.a. den Adventskonzerten in der Frauenkirche und den Silvesterkonzerten mit der Staatskapelle in der Semperoper einen Platz zur besten Sendezeit im öffentlichen Fernsehen verschafft hat. Zu erinnern noch der Protest der Berliner Philharmoniker gegen den neuen Konkurrenten aus Dresden, als Thielemann damit die jahrelange Monopolstellung des Hauptstadt-Orchesters im Fernsehen angegriffen hat. „Abschiedsseufzer in Dresden, Vorfreude in Berlin“- diesen letzten Satz der Konzertkritik kann man nur beipflichten. Hatte nicht Dresden in der DDR-Zeit nicht jahrzehntelang im Schatten der Hauptstadt Ost-Berlin gestanden? Und nun dieses Eigentor dank dieser sächsischen Ministerin.
Peter D. Schmidt


Leserbrief zu „Sie schlagen zu, wo sie können“. Gespräch mit Guido Steinberg geführt von Yassin Musharbash

Die Unberechenbarkeit der Terrororganisation hat noch eine spezifisch deutsche Note. Der leidige Datenschutz. Speicherung oder Telefonüberwachung hierzulande, kompliziert bis unmöglich, tragen Züge von Täterschutz. Ohne ausländische Dienste wären Verdachtsfälle oder Anschlagsversuche weitgehend unentdeckt geblieben. Ein Armutszeugnis, das beim Großteil der Bevölkerung Kopfschütteln hervorruft, aber offenbar die Rückendeckung des BVerfG hat, das die Zügel kurzhält.
Christoph Schönberger


Leserbrief zu „Skrupellose Menschen haben mich verleumdet und …“. Gespräch mit Kardinal Giovanni Angelo Becciu geführt von Marco Ansaldo und Evelyn Finger

Statt eines salbungsvollen Interviews über 2 kostbare Zeit-Seiten hätte ich mich über eine gute Recherche zum Thema Rechtsprechung im Vatikan, Amtsmissbrauch im Vatikan, und /oder weltliche Rechtsprechung für Priester gefreut. Die am Interview beteiligten Journalisten haben sicherlich das für solche Recherchen nötige Niveau.  Schade.
Barbara Legermann


Leserbrief zu „Leben und Tod sind wichtiger als Geld“. Gespräch mit Angus Deaton geführt von Mark Schieritz

Wirtschafts-Nobelpreisträger Angus Deaton beschreibt im Buch «Tod durch Verzweiflung» die wirtschaftlichen Probleme der amerikanischen Arbeiterklasse. Diese ähneln den wirtschaftlichen Problemen in vielen anderen Ländern, etwa in der Türkei (Inflationsrate über 50%), China (Jugendarbeitslosigkeit 20%) aber auch in der Levante (Tunesien, Algerien, Marokko). Die Ursachen sind vor allem fehlende Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt. «Wir reden hier von ganzen Städten und Gemeinden, die durch Billigimporte und den technologischen Wandel zerstört werden.» Es ist nicht nur die Wirtschaft von Städten sondern von ganzen Ländern, die betroffen sind. Eine tiefere Ursache ist, dass der technologische Fortschritt eine Entwicklung fördert, die durch das Prinzip «The Winner takes it All» gefördert wird. Das Problem wäre gelöst, wenn es ungefähr gleich viele Nischen für Gewinner gäbe, wie es Beteiligte an den Wettkämpfen gäbe. Durch Abschottung könnte man mehr solche Nischen schaffen. Das wäre zwar ungefähr so, wie wenn man beim Tennis nur Turniere mit Beteiligten hätte, die im Gastgeberland wohnen. Allerdings, es gäbe zwar immer noch massive Einkommens-Unterschiede, aber doch mehr gute Arbeitsplätze. Es würde bedeuten, dass die Schwächeren im internationalen Wirtschafts-Wettkampf sich weitgehend auf das Nutzen der nationalen Wirtschaft beschränkten. Nur wäre man dann weitgehend vom Nutzen des technologischen Fortschritts ausgeschlossen. Eine weitere Lösung wären ausreichende Transferleistungen. Auch gerechtfertigt durch das Argument, dass die Gewinner nicht nur von eigener Leitung profitieren, sondern auch vom genannten Prinzip. Doch da gibt es noch einen anderen wichtigen Aspekt. Ein krasses Beispiel: hohe Arbeitslosigkeit ist ein Mittel gegen den Klimawandel, weil der Konsum sinkt. Angenommen, die Gewinne würden gleichmäßiger verteilt, könnte das bewirken, dass der Konsum massiv steigt und damit der Klimawandel befördert wird.
Es gibt da noch ein anderes Problem. Transferleistungen sind geeignet die demographische Eigenverantwortung zu reduzieren. Dies führt zu hoher Jugendarbeitslosigkeit und damit zum Mangel an normalen Perspektiven. Dieser Mangel wird dann unter Umständen ausgeglichen durch Nutzen von Perspektiven, die zu hohen Geburtenraten und zu politischen Krisen führen. Beispiele sind die Entwicklungen in Palästina, Syrien, in Teilen Südamerikas und Afrikas. Damit entstehen demographische und ökonomische Gräben, die man an folgendem Vergleich zwischen Italien und dem Gazastreifen illustrieren kann. Der Gazastreifen hat eine Geburtenrate von 3.5 und hat 2 Millionen Einwohner. Beim Fortsetzen der Entwicklung hätte der Gazastreifen nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 3.5, 6.1, 10.7 bzw. 18.8 Millionen. Zum Beispiel Italien hat 59 Millionen Einwohner und eine Geburtenrate von 1.25. Das ergäbe bei Fortsetzung der Entwicklung nach einer, zwei, drei bzw. vier Generationen Einwohnerzahlen von 36.9, 23.0, 14.4 bzw. 9.0. Also gäb’s in Italien (als Beispiel für ein Land des globalen Westens) dann nur noch halb so viele Einwohner wie im Gazastreifen. Eine Lösung der Problematik bestünde darin, dass man Transferleistungen mit der Forderung nach demographischer Eigenverantwortung verbindet. Das könnte auch die Notwendigkeit von weltweitem Wirtschaftswachstum reduzieren, was im Interesse der Bekämpfung des Klimawandels ist. Vgl. auch mein Buch «Die Technik reicht nicht» BoD 2016.
Gernot Gwehenberger


Leserbriefe zu „PROMINENT IGNORIERT. Gäste im Blick“ von Ulrich Stock

Was Sie geschrieben haben, ist nicht lustig. Ganz einfach: Nein! Was Ihre Worte vielleicht erreichen, das ist, die gesellschaftliche Spaltung weiter zu befördern.  Ich wünsche mir von Ihnen, dass Sie in die Reflektion gehen, möglichst mit einem geschulten Coach, um zu ergründen, was Sie zu solchem Schreiben bewegt hat.  Empörung zu schüren ist etwas, was unser Land nicht benötigt. Als stolzer Bahn-Mitarbeiter gilt mein Mitgefühl den vielen Kolleg:innen im Fahrbetrieb, die alljährlich einer zunehmenden Zahl an Gewalttaten ausgesetzt sind. Mit Ihren Worten trampeln Sie auf deren Gefühlen herum. Weiter ist jegliche Andeutung, ein Vorstand könne sich an irgendwelchen Aufnahmen amüsieren, vollkommen unfundiert. Allein der Datenschutz würde dies verhindern, um die Persönlichkeitsrechte unserer Fahrgäste zu schützen. Eine Bitte um Entschuldigung wäre angemessen. An die Redaktion gerichtet: Hier hat Ihr Qualitätssicherungsprozess versagt. Ein derart unprofessioneller Beitrag gehört nicht in ein Blatt Ihrer üblichen Qualität.
Christoph Edel


Leserbrief zu „STIL. Tasche Kalimero Città: Grüne Hoffnung“ von Tillmann Prüfer im ZEIT Magazin

Herr Prüfer, wie kann man sich so gewaltig vertun? Zum einen handelt es sich bei der abgebildeten Tasche mitnichten um die Farbe MINT, zum anderen ist die vorgestellte Farbe nicht erst seit Beginn dieses Jahres en vogue, und zum dritten gibt es für Pastellfarben gewaltig viele wunderbare Kombinationsmöglichkeiten jenseits von Weiß mit anderen (dunklen) Farben. Ich würde vorschlagen: Erst sich informieren, dann schreiben (hier vielleicht auch besser nicht, denn das wäre trotzdem nur ein weiteres Beispiel für öde ZEIT-Magazinartikel – noch schlimmer übrigens: der Titel-Artikel „Schamlos schmackhaft“).
Brigitte Kasten-Ganser


Leserbrief zu „Was ich gern früher gewusst hätte“ von Josef Hader im ZEIT Magazin

Den österreichischen Kabarettisten, Schauspieler, Autor und Regisseur Josef Hader muss man einfach live und direkt auf der Bühne erlebt haben, nur dann kann man den Josef Hader einigermaßen verstehen. Alles andere wirkt dagegen nur, wie ein ganz müder Abklatsch, aber nur dann, wenn man ihn, wie vorher beschrieben, live und direkt auf der Bühne erlebt hat. Am Donnerstag den 7. März 2024 haben wir Josef Hader live und direkt in der Stadthalle Fürth (Mittelfranken (Bayern) erlebt; und das was wir dort erlebt haben, das bleibt, das kann uns keiner mehr nehmen!
Klaus P. Jaworek