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Mehr Fairness für die Welt

 

Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wir uns an dieser Stelle mit einer Fairness-Formel für das Elfmeterschießen beschäftigt. Sie basierte auf einer seit knapp 100 Jahren bekannten mathematischen Zahlenreihe: der Thue-Morse-Folge. Heute zeige ich Ihnen eine andere Situation, in der sich einfaches Abwechseln als nicht optimal erweist. Um die Situation überschaubar zu halten, beschränken wir uns auf acht Objekte – bunte Bonbons verschiedener Geschmäcker –, die unter zwei Kindern aufgeteilt werden sollen, Anne und Bert.

Anne und Bert erstellen zunächst jeder für sich eine Rangliste der acht Bonbons, je nachdem, wie gern sie ein Bonbon hätten. Wir nummerieren die Bonbons in Annes Rangliste mit 12345678, wobei Bonbon 1 ihr das wichtigste ist und sie es unter allen am liebsten hätte. In dieser Belegung der Bonbons mit Zahlen sei Berts Rangliste 17263485. Annes und auch Berts Toppriorität ist also das Bonbon mit der Nummer 1.

Keiner kennt die Rangliste des anderen. Nur zur Vereinfachung unserer Darstellung haben wir die Bonbons entsprechend Annes Rangliste mit Zahlen benannt. Nehmen wir als Erstes an, Anne und Bert wechseln sich ab beim Wählen je eines Bonbons. Und ferner, dass Anne das Los gewonnen hat: Sie darf als erste ein Bonbon unter allen auswählen.

Keine Lieblingsbonbons für Bert

Da keiner die Rangliste des anderen kennt, gibt es keinen Ansatz für strategisches Auswählen und es ist für beide optimal, immer wenn sie am Zug sind, das auf ihrer Rangliste höchste noch verfügbare Objekt auszuwählen. Anne wählt also Bonbon 1. Bert wählt 7. Dann gibt es noch die Bonbons 2, 3, 4, 5, 6, 8 zu verteilen. Anne wählt 2, Bert wählt 6. Dann bleiben noch die Bonbons 3, 4, 5, 8. Anne nimmt 3, Bert nimmt 4. Es bleiben noch 5 und 8. Davon greift Anne bei 5 zu und Bert bei 8.

Anne hat also das 1., 2., 3. und 5. Bonbon auf ihrer Liste bekommen. Bert auf seiner Rangliste nur das 2., 4., 6. und 7. Bonbon. Im paarweisen Vergleich schneidet Bert also in allen Fällen schlechter ab. Ist das fair? Nein. Auch hier liegt der Grund wieder in der Reihenfolge nach der gewählt wird. Einfaches Abwechseln ist eine Form sich beständig verstärkender Benachteiligung des Zweiten gegenüber des zuerst Wählenden. Das wird ganz deutlich, wenn man zum Beispiel eine Anzahl beständig kleiner werdender Kuchenstücke betrachtet. In jeder Runde kann der, der zuerst wählt, ein größeres Stück einheimsen, als der andere. Und beim ständigen Abwechseln ist das unfairerweise immer ein und dieselbe Person. Aber das muss ja nicht sein.
Greifen wir wieder auf die Thue-Morse-Folge zurück: A, B, B, A, B, A, A, B.

Zuerst wählt Anne, wegen ihres Losglücks, dann wählt Bert zweimal, Anne einmal, Bert einmal, Anne zweimal und abschließend nimmt Bert das letzte Bonbon. Dann bekommt Anne das 1., 3., 4. und 5. Bonbon. Bert bekommt auf seiner Rangliste das 2., 3., 4. und 7. Bonbon. Das ist wesentlich fairer. Also: Es muss endlich Schluss sein mit schlichtem Hin und Her. Es lebe das ausgewogene Abwechseln nach Thue-Morse.