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Katzenbergers Geheimnis

 

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Wir haben Maultaschen gemacht. Die Füllung mache ich immer selbst, nicht weil meine Mitarbeiter das nicht auch könnten, aber mir sind die Dinger eine Herzensangelegenheit, weil sie in heutiger Zeit als Stanzprodukte immer weiter ins Surrogat abrutschen. Unten habe ich ein Rezept angegeben, aber das sollte man nur als Grundanleitung beherzigen.

Sicher habe ich schon hunderte Male Maultaschen fabriziert. Ich bin aber ein Improvisiertyp und jedesmal mache ich sie anders. Diesmal trug sich Folgendes zu:
Wir hatten reines Kalbfleisch, mir dünkte das zu mager und ich fürchtete, dass das Ergebnis etwas trocken geraten könnte. Also schickte ich eine Köchin zum Metzger, sie solle Rückenspeck kaufen. Der Metzger hatte keinen Krümel Fett in seinem verdammten Laden. Per Handy sagte ich der Köchin, sie solle nach gerauchtem Rückenspeck fragen. Das hatte er, und so schmeckten die Maultaschen etwas rauchlastig, aber wirklich gut. Ich nehme nie Rauchspeck ins Brät, diesmal schon, und ich muss sagen: Verdammt gut. Anstatt Rauchspeck wird auch oft gerauchte Schinkenwurst verwendet.

Es gibt unzählige Varianten. Als ich mich noch als Lehrbub durch den Tag schusselte, war Patron Katzenberger im Badischen Rastatt einer meiner Lehrmeister. Er sah aus wie ein Staatsmann der Jahrhundertwende und wirkte, sicher zwei Meter groß, mit seinem silbernen Schnauzbart wie eine Mischung aus Nitzsche und Clemanceau. Der Mann war damals in Süddeutschland eine Institution, verfügte über ein fabelhaftes Ego und hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn man ihn mit Majestät angesprochen hätte.
Andererseits war er kameradschaftlich, offen und brachte mir viel bei. Einige Betriebsgeheimnisse waren top secret. Das Maultaschenbrät wurde immer in einem abgeschlossenen Kämmerlein zusammengedoktert. Betriebsgeheimnis! Eines Tages erfuhren wir, warum.

Totales “Grounding”. Der Alte, in Panik, riss die Türe auf, das Schloss flog weg, denn er hatte vergessen aufzuschließen. Er knallte an den Türsturz. Die Türzargen waren niedrig, das Haus etliche hundert Jahre alt. Rudl, wie ihn seine Freunde nannten, ging nicht zu Boden, denn alle Türdurchgänge waren von irgendeinem caritativen Bastler mit Schaumgummi abgepolstert worden. Was war geschehen?

Aus dem Elektromotor des Fleischwolfs schlugen Flammen. Der Motor war durchgeschmort und völlig hinüber. Wir warfen eine nasses Küchenhandtuch darüber, es qualmte, aber es kehrte auch schnell wieder Ruhe ein. Die Türe stand auf, der Rauch zog ab, die Büchse der Pandora war geöffnet, das Betriebsgeheimnis gelüftet. Patron Rudolf Katzbenberger hatte einen alten Zwetschgenkuchen recycelt und durch den Wolf georgelt. Wahrscheinlich waren die Zwetschgen vom elenden Jungkoch Vincent nicht korrekt entsteint worden. Na ja, eigentlich kein großes Problem – für den Fleischwolf aber schon.

Was will ich mit der Geschichte sagen? Maultaschen ersetzen oft die Biotonne. Sie sind oft Metzgerbrät-Gummi-Klopse, oder der Teig ist dick wie Pappdeckel. Wirklich gute Maultaschen können nur mit besten Grundzutaten hergestellt werden. Wir machen den Teig auch so dünn wie möglich. Er muss sich beim Kochen am Brät ansaugen und sollte auch etwas durchscheinend sein.
Das macht den Reiz der Maultasche aus, sie hat etwas zu verbergen und doch sollte man ahnen, dass Gutes unter dem Teig beheimatet ist.

Nudelteig
250g Hartweizendunst ( grobes Hartweizenmehl, Semola)
3 Eier (oder 1 Eier und 3 Eigelb)
1/2 EL kaltgepresstes Olivenöl
Prise Salz

Mehl auf ein Nudelbrett häufen und in der Mitte ein Loch freischieben. Die Eier einschlagen, das Olivenöl dazugeben und alles zu einem glatten Teig kneten.
Der Teig sollte fest sein und darf ruhig an weiche Knetmasse erinnern. So ist es von Vorteil, zuerst etwas weniger Mehl zu nehmen und den Teig weich anzukneten um anschließend soviel Mehl hinzugeben bis die gewünschte Festigkeit erreicht ist.

Füllung für 4 Personen:

200g Blattspinat
100g Hackfleisch (am Besten nicht zu mageres Schweinefleisch wie Hals oder magerer Bauch
1 Brötchen in Scheiben geschnitten und in etwas warmer Milch eingeweicht
1 Ei
3 EL Majoran
2 Zwiebeln in dünnen Scheiben
3 Bund Blattpetersilie, feingehackt
1/2 StangeLauch
Salz, Pfeffer, Muskat

Den Spinat waschen und in einer Pfanne mit etwas Butter zusammenfallen lassen.
Zwiebeln, Petersilie, Spinat und feingeschnittenen Lauch in Butter gut anrösten, mit dem Spinat auf ein Brett geben und sehr fein hacken. Auskühlen lassen und alles in eine Schüssel geben. Das Hackfleisch, die ausgedrückten Brötchen und die restlichen Zutaten dazugeben.
Mit Pfeffer, Salz und Muskat durchmengen und würzen. Alles muss gut durchgeknetet sein, damit die Farce eine gute Bindung bekommt. Mit Salz, Pfeffer, Majoran und Muskat würzen.
Nun den ausgerollten Nudelteig auf einem bemehlten Brett ausbreiten und in zehn Zentimeter lange Rechtecke schneiden. In der Mitte einen aprikosengroßen Kloß Farce plazieren, die Ränder mit etwas Ei oder Wasser bepinseln, ein gleich großes Stück Teig obendrauf legen und die Ränder gut andrücken. Die Maultasche nun mit beiden Händen flach drücken und ins Wasser entlassen.
In leicht kochendem Salzwasser ca. 10 Minuten ziehen lassen.